Dienstreisen und die 6 Monatsfrist
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch VAVROVSKY HEINE MARTH Rechtsanwälte GmbH, Niederlassung Salzburg, Mozartplatz 4, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Aufhebung § 299 BAO / Sonstige 2016, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Mit Antrag vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf) die Aufhebung der Haftungsbescheide für Lohnsteuer 2008-2011 und der Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen für die Jahre 2008 bis 2011 und führte dazu aus: Die Behörde habe in der Begründung ausgeführt, dass "Arbeitnehmer, die im Rahmen einer Dienstreise zur Dienstverrichtung an einen anderen Einsatzort entsendet werden, können Fahrtkosten nach § 26 Z 4 lit a 2. Satz längstens sechs Monate steuerfrei ausbezahlt werden können". Dies sei aber rechtswidrig, weil die Einhaltung bzw. der Ablauf von sechs Monaten im EStG nicht normiert sein. Überdies sei die Nachverrechnung verjährt (für 2008 und 2009), weil die fünf Jahre nach Ablauf des Jahres in dem der Abgabenanspruch entstanden ist bereits abgelaufen seien (§ 207 Abs 2 iVm § 208 Abs 1 lit a BAO).
Mit Bescheid vom wurde der Antrag als unbegründet abgewiesen. Die Behörde begründete dies damit, dass die Arbeitnehmer für den Einsatz an verschiedenen Dienstorten aufgenommen worden seien, sohin sei auch ***1*** davon erfasst; es lägen keine Dienstreisen vor. Eine Verjährung sei zu verneinen, weil ein Bescheid über die Lohnsteuerprüfung mit erlassen werden sei und auch im Verlängerungsjahr ein Bescheid über einen Prüfungsauftrag erlassen worden.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte die Bf aus, dass sie überrascht sei, weil Sachverhaltselemente einbezogen worden wären, welche der Partei nicht bekannt waren, in dem die Behörde nunmehr das Vorliegen von Dienstreisen verneine (mit Hinweis auf die st Judikatur des VwGH), was überdies rechtlich unrichtig sei. Wenn sich die Behörde auf den Ablauf einer 6-Monatsfrist stütze übersehe sie, dass nur der Prüfung des Umstandes der vorübergehenden Tätigkeit am Einsatzort besondere Beachtung beizumessen sei (LSt RZ 714). In der Beschwerdevorentscheidung betonte die belangte Behörde, dass sich der Sachverhalt nicht geändert habe. Die Beschäftigung der Dienstnehmer werde nicht als Dienstreise qualifiziert, weil ***1*** erfasst sei. Überdies sei auch das Parteiengehör nicht verletzt worden, weil ein solcher Mangel im Rechtsmittelverfahren sanierbar sei. Rechtzeitig wurde ein Vorlageantrag eingebracht, der das Vorbringen im Wesentlichen wiederholt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Beweiswürdigung
Die Beweiserhebung seitens des Bundesfinanzgerichtes erfolgte durch Einsichtnahme in die elektronisch vorgelegten Verwaltungsakte. Daraus ergibt sich der oben wiedergegebene Sachverhalt und der geschilderte Verfahrensgang
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Der Dienstreisebegriff ist in § 26 Z 4 EStG 1988 legaldefiniert und dabei in zwei Tatbestände unterteilt. Demnach liegt eine Dienstreise vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers
• seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder
• so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.
Der erste Tatbestand des § 26 Abs 1 Z 4 EStG beschreibt eintägige Dienstreisen. Dabei zu beachten, dass für den Fall, dass der Arbeitnehmer wiederholt eintägige Dienstreisen an denselben Ort unternimmt nach Ablauf von im Regelfall fünf Tagen dieser Ort als weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit anzusehen ist und daher als Dienstort zu qualifizieren ist und demnach keine Dienstreise vorliegen kann; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 26, Rz 61ff.
Der zweite Tatbestand hingegen beschreibt mehrtägige Dienstreisen und ist dann erfüllt, wenn dem Arbeitnehmer eine Rückkehr zum Wohnort nicht zumutbar ist, was jedenfalls ab einer Entfernung von mehr als 120 km anzunehmen ist. Dabei schadet eine zwischenzeitliche, tatsächliche Rückkehr zum Wohnort nicht, es kommt bloß auf die Unzumutbarkeit einer täglichen Rückkehr an. Das oben Gesagte zum Entstehen eines neuen Dienstortes gilt für die mehrtägige Dienstreise sinngemäß, wobei an die Stelle der Fünftagesfrist eine Sechsmonatsfrist tritt; vgl Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 26, Rz 64ff; Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 26 Rz 59 (Stand , rdb.at). Sohin kommt es tatsächlich nicht darauf an, ob die Steuerfreiheit über die 6 Monate hinaus gewährt wird, sondern ob ab diesem Zeitpunkt (weiterhin) von einer Dienstreise auszugehen ist. Hintergrund dieser Verwaltungsauffassung ist nämlich, dass ab diesem Zeitpunkt sich in der Regel der (neue) Arbeitsort (mittlerweile durch Zeitablauf) zum Mittelpunkt der Tätigkeit entwickeln kann; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 26, Rz 67. Dies verlangt, wie der Bf zu Recht ausführt, nach Ablauf der 6 Monate gegebenenfalls eine entsprechende Prüfung (LStR Rz 714). Die Behörde ist aber berechtigt, davon auszugehen, dass die Dienstreise nach Ablauf dieser Frist beendet ist, es sei denn aufgrund des Sachverhalts und einer vorgenommenen Prüfung (etwa gestützt durch entsprechendes Vorbringen der Partei) eine Verlängerung der steuerlichen Begünstigung vertreten lässt. Die Abgabenbehörde ist im Haftungsbescheid aber davon ausgegangen, dass eine Dienstreise nach Ablauf der 6-Monatsfrist nicht (mehr) vorliegt. Zu dieser Feststellung war sie berechtigt. In diesem Sinne unterscheidet § 26 Z 4 EStG die Dienstreisen in zwei unterschiedliche Tatbestände, solange kein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird.
Dass sich der (neue) Arbeitsort nach Ablauf dieser angenommen 6-Monats-Frist Frist gerade nicht zum neuen Mittelpunkt der Tätigkeit entwickelt hat, wurde in einem Beschwerdeverfahren gegen den Haftungs- und SZ-Bescheid der Jahre 2008-2011 nicht eingewandt. Das Finanzamt vertritt aber auch im abweisenden Bescheid vom in diesem Verfahren für den strittigen Zeitraum (ab dem 7. Monat) in der Tat keine andere Auffassung, selbst wenn sie (auch für die ersten sechs Monate) nunmehr nicht mehr von einer Dienstreise ausgeht; diesfalls hätte die Behörde - sofern sich diese Ansicht als zutreffend erweise - allenfalls den Haftungsbescheid beheben und verbösern können, was aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und sohin auch nicht nach einer Würdigung durch das BFG verlangt. Gegenstand des Verfahrens ist der Zeitraum ab dem 6. Monat; dazu hat die Behörde auch im Haftungsbescheid ausgeführt, dass eine Dienstreise nicht (mehr) vorliegt. Aus diesem Grund ist der Bf auch nicht überrascht, weil sich die Begründung zum Haftungsbescheid und der abweisende Bescheid des Finanzamtes vom hinsichtlich der Feststellung, dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Steuerfreiheit wegen einer Dienstreise zu gewähren sei zur Gänze decken.
Es ist nach Auffassung des BFG auch unstrittig und lässt sich auch der stRsp entnehmen, dass ein Arbeitgeber, der an verschiedenen Orten tätig ist, nicht zwingend steuerlich iSd § 26 Z 4 EStG "dienstlich verreist". Erstreckt sich die Tätigkeit nämlich auf mehrere Orte kann bei entsprechender Regelmäßigkeit jeder dieser Orte als Dienstort angesehen werden bzw das gesamte Einsatzgebiet als ein Dienstort betrachtet werden. Entsprechende Reisebewegungen sind nicht als Dienstreisen zu behandeln; Vgl Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 26, Rz 61/3 ff. Vergleichbares wurde dem Bf auch mit Bescheid vom bekannt gegeben, weil die Behörde ausgeführt hat, dass auch der Dienstort in ***1*** von den Arbeitsverträgen umfasst gewesen sei. Dies lässt sich auch dem vorgelegten Arbeitsvertrag entnehmen, weil dieser von "verschiedenen Arbeitsorten" ausgeht (Punkt 1). Werden mit einem Arbeitnehmer zwei oder mehrere Dienstorte vereinbart, so liegt keine Dienstreise vor, wenn er seine Arbeit am weiteren Dienstort verrichtet; -G/04. Dies war dem Bf auch bekannt und er hätte freilich den Bescheid auch mit der Begründung anfechten können, dass dies nicht der Fall sei und dies mit entsprechenden Beweisen belegen können. Aber der bloße Hinweis, dass der Arbeitnehmer über "Auftrag" des Arbeitgebers tätig werde, wie auch in den Verträgen normiert sei, hilft hier nicht dem Beschwerdebegehren zum Erfolg zu verhelfen. Auch der Hinweis auf einen - nicht durch Gesetz normierten Fristablauf - mag nicht helfen: Der VwGH hat im Bezug auf den zweiten Dienstreise-Tatbestand ausgesprochen, dass ein neuer Mittelpunkt als Folge eines Fristablaufs entstehen könne; . Der Gerichtshof hat sohin auch einen Fristablauf dem Grunde nach als geeignet angesehen, einen neuen Mittelpunkt der Tätigkeit zu begründen; der BFG teilt diese Auffassung.
Überdies kann auch von einer Verjährung keine Rede sein:
§ 209 Abs 1 BAO lautet: Werden innerhalb der Verjährungsfrist (5 Jahre; § 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.
Die Verjährungsfrist für Abgaben des Jahres 2008 und 2009 beginnt mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (also und ). Mit Schriftsatz vom vertritt der Antragsteller die Ansicht, dass - zwischenzeitlich - Verjährung eingetreten sei. Damit ist er nicht im Recht, weil die Haftung schon mit Haftungsbescheid vom festgesetzt wurde. Zwar würde etwa für 2008 tatsächlich mit Ablauf des Jahres 2013 Verjährung eingetreten, allerdings wurde mit ein Prüfungsauftrag betreffend Lohnsteuerprüfung erlassen (1/1/2006-31/12/2009). Dieser führte zu einer einjährigen Verlängerung der Verjährungsfrist (Ablauf des Jahres 2014). In diesem Verlängerungsjahr 2014 wurde aber neuerlich eine nach außen tretende behördliche Maßnahme getroffen, nämlich der Prüfungsauftrag vom , der 2006 bis 2013 umfasste. Damit verlängerte sich die Verjährungsfrist um ein neuerliches Jahr (Ablauf des Jahres 2015). Sohin sind die angefochtenen Bescheide innerhalb der Verjährungsfrist erlassen worden; der Einwand der Verjährung geht ins Leere.
Aufgrund der oa Sache- und Rechtsgründe war der Beschwerde kein Erfolg beschieden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der VwGH hat ua mit , 99/15/0162 das Abstellen auf einen Fristablauf als rechtskonform erkannt.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -G/04 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100544.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at