Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2022, RV/7102563/2021

Bedingter Vorsatz, wenn Schweizer Kapitaleinkünfte nicht erklärt werden?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger sowie die fachkundigen Laienrichter ***1*** und ***2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Althuber Spornberger & Partner Rechtsanwälte GmbH, Doblhoffgasse 9, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 und 2010 sowie Einkommensteuer 2009 und 2010 und Anspruchszinsen für die Jahre 2009 und 2010, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin FOIin SF zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Nach Durchführung einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010, setzte die Einkommensteuer dieser Jahre unter Einbeziehung der von der Beschwerdeführerin erzielten Schweizer Kapitaleinkünfte neu fest und erließ Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2009 und 2010.

In der fristgerecht gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde führte die rechtsfreundliche Vertretung der Beschwerdeführerin aus, der steuerliche Vertreter habe bereits Ende 2016 beim zuständigen Finanzamt ein schriftliches Anbringen betreffend die Ergänzung der Einkommensteuererklärungen der Jahre 2006 bis 2012 erstattet und dargelegt, dass die Beschwerdeführerin von ihrem 1996 verstorbenen Vater ein Wertpapierdepot bei einer Schweizer Bank geerbt habe.

Die daraus resultierenden Erträge seien jedoch im Hinblick auf die stark negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht in den Einkommensteuererklärungen erfasst worden. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei im Hinblick auf die einbehaltene Kapitalertragsteuer aus den österreichischen, endbesteuerten Veranlagungen eine geringe Gutschrift zu erwarten gewesen. Der mit der Deklaration der Schweizer Einkünfte verbundene erhebliche Bearbeitungsaufwand sei außer Verhältnis gestanden, weshalb von einer Berücksichtigung in den jeweiligen Steuererklärungen Abstand genommen worden sei. Es sei nach Ansicht der Beschwerdeführerin in Kauf genommen worden, dass in Österreich zu viel Einkommensteuer bezahlt worden sei.

Im Jahr 2012 seien die Veranlagungen in der Schweiz aufgelöst und nach Österreich transferiert worden. Im Rahmen der Eingabe vom sei angekündigt worden, dass berichtigte Steuererklärungen 2006 bis 2012 vorgelegt würden und zur Regelbesteuerung optiert würde. Die dargestellten Überlegungen und Schlussfolgerungen seien das Ergebnis konkreter Beratungsgespräche mit dem steuerlichen Vertreter gewesen.

Mit Ergänzungsersuchen vom sei die Beschwerdeführerin ersucht worden, entsprechende Unterlagen betreffend die ihr zuzurechnenden Schweizer Konten vorzulegen sowie gegebenenfalls berichtigte Abgabenerklärungen für die Jahre 2006 bis 2012 einzureichen.

Mit Schreiben vom teilte die Beschwerdeführerin mit, der steuerliche Vertreter arbeite an einer Berichtigung der Einkommensteuererklärungen ab dem Jahr 2006. Es zeige sich aber, dass es unter Berücksichtigung der Schweizer und der österreichischen Kapitalerträge im Rahmen einer Antragsveranlagung jeweils zu keiner Einkommensteuernachzahlung komme, sondern im Gegenteil Gutschriften zu erwarten seien.

Am seien die berichtigten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2009 übermittelt worden und unter Pkt. 4 des Begleitschreibens ausdrücklich erklärt, dass sich auch nach Berücksichtigung der endbesteuerten inländischen sowie der nicht endbesteuerten ausländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen ein negatives Einkommen ergebe und es aufgrund anrechenbarer Kapitalertragsteuer und Quellensteuer zu einer Einkommensteuergutschrift komme. Durch die bisher nicht vollständig eingereichten Erklärungen seien demnach keine Abgaben verkürzt worden.

Anlässlich der zu Beginn des Jahres 2018 begonnenen Außenprüfung sei dem Prüfer für 2010 eine berichtigte Einkommensteuererklärung im Entwurf übergeben worden. Nach der vom steuerlichen Vertreter angestellten Berechnung hätte sich auch hieraus wieder eine Gutschrift ergeben.

Es sei sodann mit dem Prüfer vereinbart worden, dass dieser vorab die zur Verfügung gestellten Besteuerungsgrundlagen der Jahre 2006 bis 2009 unter Beiziehung des Fachbereiches überprüfe und erst nach Abschluss dieser Prüfung die formelle Einreichung der berichtigten Steuererklärungen erfolgen solle.

Im Zuge dieser Überprüfung sei jedoch festgestellt worden, dass bei den ermittelten und dargestellten Kapitaleinkünften auch "schwarze" Investmentfonds enthalten seien. Der steuerliche Vertreter habe ersucht, selbst eine "Weißrechnung" durchführen zu dürfen, sodass die daraus resultierenden Erträge in weiterer Folge zu Zwecken der Einkommensteuerberechnung angesetzt werden könnten.

Die Beschwerdeführerin habe zusätzlich einen Spezialisten mit der nochmaligen Berechnung sämtlicher Kapitalerträge aus den Schweizer Vermögenswerten beauftragt. Diese habe ergeben, dass bei korrekter Berücksichtigung der Schweizer Erträgnisse tatsächlich in den Jahren 2006 bis 2010 ein steuerliches Mehrergebnis zu veranlagen gewesen wäre. Lediglich in den Jahren 2011 und 2012 wäre im Rahmen der Antragsveranlagung eine Gutschrift erzielt worden. Diesen Berechnungen sei letztlich auch die Außenprüfung gefolgt.

Hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2008 sei im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide bereits absolute Verjährung eingetreten gewesen, die erlassenen Bescheide seien daher aufzuheben.

Betreffend die Jahre 2009 und 2010 führte die steuerliche Vertretung aus, es könne nicht von hinterzogenen Abgaben ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin sei keineswegs sorglos mit ihren abgabenrechtlichen Angelegenheiten umgegangen. Als steuerlicher Laie habe sie sich stets eines Steuerberaters bedient und nach Rücksprache mit diesem bloß aus verwaltungsökonomischen Gründen von der Berücksichtigung der Schweizer Einkünfte in ihren Einkommensteuererklärungen Abstand genommen. Sie sei nämlich davon ausgegangen, dass es bloß zu einem für sie geringfügig günstigeren steuerlichen Ergebnis führen würde, das den damit verbundenen Bearbeitungsaufwand nicht gerechtfertigt hätte.

Dass der Beschwerdeführerin hier ein Irrtum unterlaufen sei, sei verständlich; sie sei mit der Besteuerung von Kapitalvermögen, insbesondere von Investmentfonds nicht vertraut. Sie habe bis zur abgabenbehördlichen Prüfung nicht davon gehört, dass es einen steuerlichen Sondertatbestand geben, bei dem kraft gesetzlicher Fiktion ausschüttungsgleiche Erträge unterstellt würden. Ebenso sei ihr der Unterschied zwischen weißen und schwarzen Fonds nicht bekannt gewesen, zumal sie auch nicht in die seinerzeitige Entscheidung, in schwarze Fonds zu veranlagen, eingebunden gewesen sei.

Auch der Prüfer habe zur Beurteilung der Besteuerungsgrundlagen zunächst den Fachbereich beiziehen müssen. Erst dadurch habe sich herausgestellt, dass selbst der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin die steuerlichen Implikationen der gehaltenen schwarzen Investmentfonds übersehen habe. Daher sei letztlich auch ein in diesem Fachgebiet ausgewiesener Experte beigezogen worden, dessen Berechnungen nunmehr den angefochtenen Bescheiden zugrunde lägen.

Die Unkenntnis dessen, was Prüfer und steuerlicher Vertreter nur unter Zuhilfenahme von Spezialisten zu beurteilen vermocht hätten, dürfe der Beschwerdeführerin nicht als schweres Verschulden angelastet werden. In Wahrheit beruhe die unterbliebene Versteuerung der Schweizer Kapitalerträge auf einem begreiflichen Irrtum, sodass jeder auf eine Hinterziehung von Abgaben gerichtete Vorsatz auszuschließen sei.

Dementsprechend sei auch nicht die Verjährungsfrist von zehn Jahren anzuwenden, sondern es bleibe bei der "normalen" Verjährung nach § 207 Abs. 2 erster Satz BAO unter Berücksichtigung einer allfälligen Verlängerung nach § 209 Abs. 1 BAO.

Im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 mit Zustellung am sei bereits Verjährung eingetreten, weil im Jahr 2015 für die Einkommensteuer 2009 und im Jahr 2016 für die Einkommensteuer 2010 keine Amtshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO erfolgt sei. Die dennoch für diese Jahre erlassenen Bescheide seien daher rechtswidrig ergangen und ersatzlos aufzuheben.

Für den Fall eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht beantragte die steuerliche Vertretung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit und die Entscheidung durch den gesamten Senat.

Mit Beschluss vom wurde die Beschwerdeführerin ersucht,

1. den vollständigen Namen und die genaue Adresse jenes Steuerberaters bekannt zu geben, der sie bei der Wahrnehmung ihrer abgabenrechtlichen Angelegenheiten unterstützte und mit dem sie Rücksprache betreffend die steuerliche Behandlung der Schweizer Kapitaleinkünfte gehalten hatte,

2. mitzuteilen, ob der herangezogene Steuerberater Erkundigungen betreffend die Versteuerung der strittigen Kapitaleinkünfte eingeholt hat, und wenn ja, bekanntzugeben, wo genau diese Erkundigungen eingeholt worden seien und diesbezügliche Nachweise vorzulegen.

Mit Schreiben vom gab die Beschwerdeführerin bekannt, sie habe Mag. AB als Steuerberater kontaktiert, um Auskunft zu erlangen, wie mit dem vom Vater geerbten Wertpapierdepot umzugehen sei. Dazu hätten Gespräche stattgefunden, bei denen dem Steuerberater die ihr von der Schweizer Bank zur Verfügung gestellten Konto- und Depotauszüge vorgelegt worden seien. Sie sei auf die Erklärungspflicht hingewiesen worden, die gemeinsame Einsicht in die Unterlagen habe aber ergeben, dass bei einer Antragsveranlagung und unter Berücksichtigung der endbesteuerten Kapitaleinkünfte die hohen Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung gegenzurechnen seien.

Die Beschwerdeführerin habe daher vom Steuerberater die Einschätzung erhalten, dass bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung der Schweizer Einkünfte mit keiner zusätzlichen Steuerlast zu rechnen sei, sondern sich im Hinblick auf die einbehaltene KESt aus den österreichischen, endbesteuerten Veranlagungen sogar eine Gutschrift ergeben könnte.

Im Vertrauen auf die Einschätzung des Steuerberaters habe die Beschwerdeführerin von einer Detailberechnung der ausländischen Kapitaleinkünfte und der Aufnahme in die Steuererklärung Abstand genommen. Dass daraus eine Abgabenverkürzung entstehen könnte, habe sie nicht für möglich gehalten.

Die zusätzliche Einholung eines auf dem Gebiet der Besteuerung von Kapitalerträgen spezialisierten Parteienvertreters habe sie nicht für erforderlich gehalten. Ob der herangezogene Steuerberater selbst irgendwelche Erkundigungen seinerseits eingeholt habe, sei ihr nicht bekannt.

Die Beschwerdeführerin gehe davon aus, dass dem Steuerberater die im Portfolio enthaltenen schwarzen Fonds zunächst gar nicht aufgefallen seien und er die möglichen Auswirkungen kraft steuerlicher Ausschüttungsfiktion schlicht nicht bedacht habe. Dies werde auch dadurch dokumentiert, dass sich im Rahmen der vermeintlich exakten Berechnung der Kapitalerträge zu Beginn der Außenprüfung wie erwartet lediglich Gutschriften, aber keine Steuernachzahlungen ergeben hätten. Damit werde die Arglosigkeit der Beteiligten dokumentiert, weil es der Lebenserfahrung entspreche, Selbstanzeigen unter dem Druck der bevorstehenden Außenprüfung vollständig und richtig zu erstatten, um strafbefreiende Wirkung zu erlangen. Dass der Prüfer mit einer falschen Berechnung in die Irre geführt hätte werden sollen, erscheine als lebensfremd.

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin ergänzend vor, die Mutter der Beschwerdeführerin sei nach dem Tod des Vaters im Jahr 1996 Alleinerbin gewesen. Diese habe sich aber nicht in der Lage gesehen, die Geschäfte zu führen, weshalb die Beschwerdeführerin die Verwaltung für die Mutter übernommen habe. Die gegenständlichen Wertpapiere hätten sich bis zum Tod der Mutter in deren Vermögen befunden. Sie seien weder im Einantwortungsbeschluss nach dem Tod des Vaters noch im Einantwortungsbeschluss nach dem Tod der Mutter aufgelistet. Die Wertpapiere hätten sich in Schweizer Depots befunden, die Beschwerdeführerin sei gegenüber den Banken mit Vollmacht der Mutter als Verfügungsberechtigte aufgetreten.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2009 seien diese Wertpapiere in das Vermögen der Beschwerdeführerin übergegangen. Es sei dieser nicht bewusst gewesen, dass die Erträge aus diesen Wertpapieren in Österreich zu versteuern seien. Sie habe sich darüber auch bei Herrn Mag. AB informiert, der ihr bestätigt habe, dass die Erträgnisse aus den Wertpapieren keinerlei steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen würden.

Der Vertreter der Amtspartei wies darauf hin, dass es sich beim Vorbringen, die Wertpapiere seien der Beschwerdeführerin erst nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2009 zuzurechnen, um ein neues Vorbringen handle, das während der gesamten Prüfung niemals erwähnt worden sei. Die Einkünfte, welche die Beschwerdeführerin aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe, seien ab dem Jahr 1998 positiv gewesen. In den Jahren 1996 bis 2000 habe die Beschwerdeführerin auch beträchtliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit lukriert. Außerdem werde in Punkt 8 des Pflichtteilsübereinkommens von einer Ersatzübertragung weiterer Sparguthaben in Höhe von 7,668 Mio ATS gesprochen. Zu den Verlusten aus Vermietung und Verpachtung sei anzumerken, dass diese im Jahre 2009 45.000,00 Euro betragen hätten, während sich das Wertpapiervermögen auf 1,498 Mio Euro belaufen habe. Die Beschwerdeführerin habe seit 1998 über die Existenz der Wertpapiere Bescheid gewusst, diese nach ihren Angaben im Jahr 2009 in ihr Vermögen gelangt seien. Der Transfer nach Österreich sei im Jahr 2012 erfolgt, eine Meldung sei jedoch erst im Jahr 2016 erstattet worden.

Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass Punkt 8 der Pflichtteilsvereinbarung nicht schlagend geworden sei. Auch ihre Mutter habe über Barvermögen nach dem Tod des Vaters verfügt, sie gehe daher davon aus, dass dieser Betrag davon hätte bezahlt werden sollen.

Der rechtsfreundliche Vertreter führte aus, in der kurzen Zeit sei es nicht möglich gewesen, für das Jahr 2009 eine Aufteilung der Erträge aus den Wertpapieren zwischen der Mutter der Beschwerdeführerin und ihr selbst vorzunehmen. Der Bescheid 2009 sei daher schon deshalb unrichtig, weil sämtliche Erträgnisse der Beschwerdeführerin zugerechnet worden seien.

Der Vertreter der Amtspartei verwies auf die Aussage der Beschwerdeführerin vom , in welcher sie bekanntgegeben habe, dass sie nach ihrem Vater ein Wertpapierdepot bei der UBS Zürich geerbt habe.

Die Beschwerdeführerin entgegnete, sie sei auf Grund von Operationen in der Zeit von 2000 bis 2006 gesundheitlich schwer beeinträchtigt gewesen.

Der als Zeuge vernommene Steuerberater Mag. AB gab an, im Jahr 2000/2001 habe ein Gespräch mit der Beschwerdeführerin über die Versteuerung der Erträgnisse aus den Schweizer Wertpapieren stattgefunden. Er habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass diese zu versteuern seien. Auf Grund der im Jahr 2000/2001 gegebenen Verlustsituation betreffend die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sei er zur Ansicht gelangt, dass auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Depotauszugsliste die zu versteuernden Gewinne diese Verluste nicht übersteigen würden. In den späteren Jahren habe er keine solche Liste zu sehen bekommen, er sei daher davon ausgegangen, dass sich die Situation nicht verändert habe. Die Wertpapiere seien fremdverwaltet worden, offenbar seien in der Folge Vermögenswerte umgeschichtet und schwarze Investmentfonds erworben worden. Davon habe er keine Kenntnis gehabt. Über Befragen durch den Vertreter des Finanzamtes gab der Zeuge an, er sei davon ausgegangen, dass die Werte aus dem ihm gezeigten Depotauszug im Eigentum der Beschwerdeführerin gestanden seien. Die Frage, ob diese Wertpapiere tatsächlich der Beschwerdeführerin gehören, habe sich nicht gestellt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1.1. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010

Die Einkommensteuerveranlagung der Streitjahre erfolgte mit Bescheiden vom (2009) und vom (2010) zunächst erklärungsgemäß. Erst durch die am erstattete Selbstanzeige und die in weiterer Folge durchgeführten Ermittlungen erlangte die belangte Behörde Kenntnis davon, dass sich im Vermögen der Beschwerdeführerin seit dem Tod ihres 1996 verstorbenen Vaters auch in der Schweiz gehaltene Kapitalanlagen befinden und sie daraus nicht unbeträchtliche steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte.

Diese neuen Tatsachen sind geeignet, im Spruch anderslautende Bescheide herbeizuführen.

1.2. Betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Mit dem Tod ihres am ***1996 verstorbenen Vaters gingen die von ihm in der Schweiz deponierten Kapitalanlagen auf sie über und sind ihr seit diesem Zeitpunkt zuzurechnen. Die daraus erzielten Einkünfte sind von ihr zu versteuern.

Die Beschwerdeführerin hat sich im Hinblick auf die Veranlagung der Jahre 2009 und 2010 nicht darüber informiert, ob und in welcher Höhe ihre Kapitaleinkünfte aus den Schweizer Kapitalanlagen zu versteuern sind. Sie hat es damit in Kauf genommen, dass es zu einer Verkürzung der Einkommensteuer kommt.

Mangels Aufnahme der Schweizer Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuererklärungen in Österreich kam es durch die Erlassung unrichtiger Abgabenbescheide für die Jahre 2009 und 2010 zu einer Verkürzung an Einkommensteuer 2009 und 2010. Die Beschwerdeführerin vermochte nicht darzulegen, dass sie aufgrund eines Irrtums die Steuerpflicht der erzielten Kapitaleinkünfte nicht hätte erkennen können.

In den Jahren 1996 bis 2010 erzielte die Beschwerdeführerin neben den nicht erklärten Einkünften aus den Schweizer Kapitalanlagen und endbesteuerten inländischen Kapitaleinkünften Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung in folgender Höhe:


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Einkünfte aus nsA
Einkünfte aus V+V
1997
218.046,00 ATS
-168.840,00 ATS
1998
265.933,00 ATS
232.445,00 ATS
1999
301.531,00 ATS
158.587,00 ATS
2000
315.287,00 ATS
276.718,00 ATS
2001
147.236,00 ATS
-346.471,00 ATS
2002
2.163,15 EUR
-24.064,05 EUR
2003
2.268,00 EUR
-43.751,31 EUR
2004
2.268,00 EUR
-124.140,69 EUR
2005
2.268,00 EUR
-67.815,00 EUR
2006
2.268,00 EUR
-36.141,59 EUR
2007
2.268,00 EUR
-38.588,84 EUR
2008
2.668,00 EUR
-60.168,80 EUR
2009
2.268,00 EUR
-45.762,37 EUR
2010
2.268,00 EUR
-56.914,05 EUR

Durch Weißrechnung der Nichtmeldefonds und unter Einbeziehung der endbesteuerten inländischen Kapitaleinkünfte ergaben sich in Summe für die Jahre 2006 bis 2011 folgende steuerpflichtige Kapitalerträge (alle Beträge in Euro):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2006
2007
2008
2009
2010
2011
94.823,73
117.794,74
91.210,38
90.250,28
92.523,90
42.452,24

Die Höhe dieser Einkünfte wurde im Zusammenwirken mit der Abgabenbehörde ermittelt und ist unstrittig.

Der gegen die Bescheide betreffend 2006 bis 2008 erhobenen Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung Folge gegeben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 2006 bis 2008 wegen eingetretener Verjährung aufgehoben.

Erkundigungen bei der zuständigen Behörde betreffend die Versteuerung der Einkünfte aus den Schweizer Kapitalanlagen hat die Beschwerdeführerin nicht eingeholt.

Die Schweizer Kapitalanlagen wurden fremdverwaltet. Im Zuge einer in den Jahren 2000/2001 stattgefundenen Besprechung wies der steuerliche Vertreter auf die grundsätzliche Steuerpflicht der ausländischen Kapitaleinkünfte hin. Dass im Portfolio zu diesem Zeitpunkt auch schwarze Investmentfonds enthalten waren, war für den beigezogenen steuerlichen Vertreter auf Grund der ihm vorgelegten Depotauszüge nicht erkennbar. In den Folgejahren wurden ihm keine Depotlisten von der Beschwerdeführerin vorgelegt.

Die Veranlagungen in der Schweiz in Höhe von rund 1,498 Mio Euro wurden im Mai 2012 aufgelöst und nach Österreich transferiert.

Die streitgegenständlichen Schweizer Kapitalanlagen wurden von der Beschwerdeführerin auch im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach dem Tod ihres Vaters nicht offengelegt. Diese Tatsache wird durch die Aussage der Beschwerdeführerin selbst und durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Einantwortungsbeschluss und die mit der Mutter getroffene Pflichtteilsvereinbarung bestätigt.

Beweiswürdigung

2.1. Betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte der Senat die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

2.2. Betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die aktenkundigen Unterlagen, die unstrittigen Angaben der Beschwerdeführerin und hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und jener aus nichtselbständiger Arbeit auf die in der Datenbank der Finanzverwaltung gespeicherten Beträge. Die Zurechnung der Einkünfte an die Beschwerdeführerin ab dem Tod ihres Vaters und das Vorliegen von vorsätzlichem Handeln fußt auf der im folgenden dargestellten Beweiswürdigung:

2.2.1. Zurechnung an die Beschwerdeführerin

In der Selbstanzeige vom führte die Beschwerdeführerin wörtlich wie folgt aus:

"Ich habe von meinem 1996 verstorbenen Vater ein Wertpapierdepot bei der UBS Zürich geerbt, das diese in der Folge für mich verwaltet hat."

In der Stellungnahme vom führte sie aus, sie habe die Veranlagungen nach einer Vereinbarung vom ***1998 mit ihrer Mutter als Pflichtteil nach ihrem am ***1996 verstorbenen Vater erhalten; die Schweizer Veranlagungen seien aber in dieser Vereinbarung nicht erwähnt. Auch während des gesamten Betriebsprüfungsverfahrens wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass die Schweizer Kapitaleinkünfte ab dem Todestag ihres Vaters ihr zuzurechnen seien. Selbst die gegen die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2010 erhobene Beschwerde geht in ihrer Argumentation davon aus, dass die Kapitaleinkünfte der Beschwerdeführerin zuzurechnen sind. Auch gegenüber dem als Zeugen einververnommenen Steuerberater legte die Beschwerdeführerin die angebliche Zurechnung an die Mutter nicht offen.

Wenn nunmehr erstmals im Rahmen der am antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung vorgebracht wird, dass sich die Wertpapiere bis zum Tod der Mutter am ***2009 in deren Eigentum befunden hätten, so hegt der erkennende Senat massive Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Es widerspricht nämlich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass einer früher und zeitnäher getätigten Aussage in der Regel höherer Wahrheitsgehalt zukommt als einer späteren, abweichenden Aussage ().

In Anbetracht der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin vom (Selbstanzeige) bis zum Einbringen des Vorlageantrages am die an sie vorgenommene Zurechnung durch ihr diesbezügliches Vorbringen veranlasste, maß der erkennende Senat diesen früher getätigten Aussagen einen höheren Wahrheitsgehalt zu als der in der mündlichen Verhandlung getätigten, abweichenden Aussage.

2.2.2. Vorliegen eines vorsätzlichen Handelns

Es steht unstrittig fest, dass die Beschwerdeführerin in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist. Die auf dem Depot einer Schweizer Bank erwirtschafteten Einkünfte aus Kapitalvermögen wären daher in Österreich der Besteuerung zu unterziehen gewesen.

Die Beschwerdeführerin hat unter Verletzung der ihr nach § 119 BAO obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Einreichung von unrichtigen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre eine Verkürzung von bescheidmäßig festzusetzender Einkommensteuer bewirkt.

Der Beschwerdeführerin wurde die grundsätzliche Steuerpflicht ihrer Schweizer Kapitaleinkünfte auch von ihrem steuerlichen Vertreter im Zuge eines 2000/2001 stattgefundenen Beratungsgespräches bestätigt. Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung als Zeuge befragte steuerlicher Vertreter vermittelte dem Senat glaubhaft das Bemühen, an der Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes mitwirken zu wollen. Dass er sich an den genauen Zeitpunkt des Beratungsgespräches nicht mehr erinnern konnte, ist aufgrund des dazwischenliegenden Zeitraumes von mehr als zwanzig Jahren durchaus verständlich. Wenn er auf die Verlustsituation bei den von der Beschwerdeführerin erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hinweist, so liegt der Schluss nahe, dass er dabei die im Jahr 2001 erwirtschafteten Verluste aus Vermietung und Verpachtung im Auge hatte (im Jahr 2000 erzielte die Beschwerdeführerin nämlich - wie dies den obigen Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen ist - einen Überschuss aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 276.718,00 ATS und darüber hinaus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 315.287,00 ATS). Seiner glaubwürdigen Aussage ist auch zu entnehmen, dass ihm die Beschwerdeführerin in den Folgejahren die Depotauszüge der Schweizer Bank nicht mehr vorlegte. Er konnte daher von einer offenbar stattgefundenen Umschichtung der Vermögenswerte und einem Erwerb von "schwarzen" Investmentfonds keine Kenntnis haben. Der Hinweis auf die Beiziehung eines steuerlichen Vertreters ist daher nicht geeignet, die Beschwerdeführerin zu entschuldigen.

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfügt, von der potenziellen Steuerpflicht anfallender Erträge weiß (). Von einem solchen Kenntnisstand kann auch bei jemandem, der - wie die Beschwerdeführerin - "ein steuerlicher Laie" ist, ausgegangen werden. Bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen kann die Kenntnis über das grundsätzliche Bestehen der Einkommensteuerpflicht grundsätzlich vorausgesetzt werden (vgl. Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 33 Rz 219, sowie und ). Umso mehr muss dieser Grundsatz im Hinblick auf den Umfang der Vermögenstransaktionen auch hinsichtlich der Steuerpflicht der von der Beschwerdeführerin im Ausland erzielten Erträge Gültigkeit besitzen.

Es kann darüberhinaus in Anbetracht der bei der Schweizer Bank veranlagten Vermögenswerte als Erfahrungstatsache angesehen werden, dass seitens der Bank eine entsprechende Beratung der Beschwerdeführerin stattgefunden hat. Dass dabei die steuerliche Behandlung der Erträge kein Thema gewesen wäre, liegt im Hinblick auf die Höhe der erzielten Erträge abseits jeder Lebenserfahrung, zumal in die Entscheidung, geerbte Vermögensanlagen unverändert beizubehalten, in der Regel neben den erzielbaren Erträgen auch die daraus resultierende steuerliche Belastung mit einbezogen wird.

Es ist außerdem im Hinblick auf die seit vielen Jahren in den Medien bzw. in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen bezüglich der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in Liechtenstein, der Schweiz udgl. angelegtem Kapitalvermögen als allgemein bekannt vorauszusetzen, dass die Schweiz zu den Ländern gehört, in denen im Streitjahr aufgrund ihres strengen Bankgeheimnisses und die ua. dadurch bewirkte "Abschirmwirkung" gegenüber ausländischen Steuerbehörden Vermögen in großem Umfang angelegt wurde, um es dem Zugriff der inländischen Steuerbehörde zu entziehen bzw. die daraus resultierenden Erträge "steuerschonend" zu lukrieren ().

Seit dem Lenz, war die Besteuerung von ausländischen Kapitalerträgen immer wieder Thema in den Medien. Dass dies der Beschwerdeführerin entgangen wäre, obwohl sie selbst seit dem Tod ihres Vater 1996 über ein Depot in der Schweiz verfügte, ist nicht plausibel.

Es ist schließlich auch nicht erforderlich, dass ein Abgabepflichtiger über das für die Beurteilung steuerrechtlicher Sachverhalte nötige Detailwissen verfügt, ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, dass die Beschwerdeführerin die ausländischen Kapitalveranlagungen und die daraus resultierenden Erträge dem Finanzamt gänzlich verschwiegen hat, damit unrichtige Erklärungen abgegeben und sohin in Kauf genommen hat, dass die Besteuerung in Österreich nicht gesetzeskonform erfolgen kann, zumal das Finanzamt davon anderweitig keine Kenntnis erlangen konnte.

Werden Vermögenswerte in einem solchen Umfang in ein als Steueroase bekanntes Land transferiert und die Vermögensveranlagung im Ausland bzw. die daraus erzielten Erträge der Abgabenbehörde gänzlich verschwiegen, liegt es nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf der Hand, dass die Vermögensveranlagung im Ausland, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, zum Zwecke der Steuervermeidung erfolgt (vgl. ).

Mit dem Vorbringen, die Aufnahme in die Einkommensteuererklärungen sei nicht erfolgt, weil sie das Thema verdrängt habe und weil sie davon ausgegangen sei, dass ihr die richtige Behandlung eine geringe Gutschrift verschafft hätte, werden von der Beschwerdeführerin keine solchen besonderen Umstände ins Treffen geführt, zumal sich bei richtiger Versteuerung tatsächlich keine Gutschriften, sondern vielmehr nicht unerhebliche Einkommensteuernachzahlungen ergeben haben. Damit im Einklang steht auch, dass die Schweizer Kapitalanlagen auch im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung nach dem Tod des Vaters nicht bekanntgegeben worden sind.

Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe keine Kenntnis vom steuerlichen Sondertatbestand gehabt, bei dem kraft gesetzlicher Fiktion ausschüttungsgleiche Erträge unterstellt würden, und es sei ihr der Unterschied zwischen "weißen" und "schwarzen" Fonds nicht bekannt gewesen, ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:

Eine irrige Gesetzesauslegung betreffend die Art und Weise der richtigen Versteuerung vermag die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen nicht zu entschuldigen. Sie hat es nämlich unterlassen, ihr Nicht-Sicher-Wissen durch eine Anfrage an die für die Klärung dieser Rechtsfrage zuständige Behörde auszugleichen (). Sie hat zwar einen Steuerberater konsultiert, diesem aber in den Streitjahren keine Depotauszüge vorgelegt, sodass eine rechtsrichtige Beratung durch den steuerlichen Vertreter verunmöglicht worden ist.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin seit 1996 namhafte Zinsbeträge in der Schweiz bezogen und dem Fiskus verschwiegen hat, der im Fokus der Öffentlichkeit stehenden medialen Berichterstattung zu Abgabenverkürzungen im Zusammenhang mit Geldanlagen in der Schweiz und der zunehmenden gesellschaftlichen Ächtung der Länder, die diesen Praktiken Vorschub geleistet haben, wird den Beschwerdeausführungen kein Glaube geschenkt. Ein vorsätzliches Handeln ausschließender Irrtum konnte damit nicht aufgezeigt werden. Die Beschwerdeführerin hat es vielmehr ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass die in der Schweiz lukrierten Zinsen der österreichischen Einkommensbesteuerung entzogen wurden. Ihr Leugnen wird im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Schutzbehauptung angesehen.

Der erkennende Senat gelangte daher in freier Beweiswürdigung zu dem Schluss, dass die Vorfrage einer hinterzogenen Abgabe nach § 116 BAO infolge des Vorliegens eines zumindest bedingt vorsätzlich begangenen Finanzvergehens zu bejahen war.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Wiederaufnahme der Verfahren

Gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.

Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismitteln bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 24). Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 30).

Das Vorliegen von (tauglichen) Wiederaufnahmegründen steht im Beschwerdefall ebenso außer Streit, wie deren Eignung, im Spruch anders lautende Bescheide herbeizuführen. Auch die Ermessensübung des Finanzamtes wurde von der steuerlichen Vertretung zu Recht nicht in Zweifel gezogen. Strittig ist im Ergebnis einzig, ob die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2009 und 2010 aufgrund bereits eingetretener Verjährung unzulässig war oder nicht. Aus den unten dargelegten Gründen stand der Festsetzung der Einkommensteuer für diese beiden Jahre Verjährung aber nicht entgegen und erweist sich die Wiederaufnahme der in Rede stehenden Verfahren sohin als rechtmäßig.

3.1.2. Einkommensteuer 2009 und 2010

Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist u. a. bei der Einkommensteuer fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO zehn Jahre.

Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Fahrlässig handelt hingegen, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).

Nach § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.

Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. sowie Ro 2017/15/0015, 0031 bis 0034; siehe auch , Ra 2017/15/0044, je mwN).

Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus; die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (vgl. ; ; , mwN; ).

Für das Vorliegen des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung ist daher entscheidend, ob neben einer (objektiven) Abgabenverkürzung ausreichend festgestellte Sachverhaltselemente den Schluss darauf zulassen, dass das Entstehen der Abgabepflicht tatsächlich erkannt oder zumindest ernstlich für möglich gehalten worden war und damit eine auf eine Abgabenverkürzung gerichtete subjektive Einstellung bejaht werden kann. Auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis) setzt eine solche (die Abgabenverkürzung in Kauf nehmende) zielgerichtete subjektive Einstellung voraus (vgl. ).

Im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs. 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt; die Abgabenbehörde muss, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlichen-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. , sowie , mwN).

Unter Würdigung aller Sachverhaltselemente kommt der erkennende Senat nach seiner Überzeugung zur Vorfragenprüfung nach § 116 BAO zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin sowohl eine Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht als auch die dadurch bewirkte Abgabenverkürzung ernstlich für möglich gehalten und die Abgabenverkürzung billigend in Kauf genommen hat, womit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO erfüllt war. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Vorliegen eines das vorsätzliche Handeln ausschließenden Irrtums hinsichtlich einer Steuerpflicht der Schweizer Kapitaleinkünfte in Österreich vermochten nicht zu überzeugen.

Damit hat die belangte Behörde zu Recht die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben herangezogen, zumal es dem Sinn der Verjährungsbestimmungen entspricht, dass für die Durchsetzung von Abgabenansprüchen ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht, wenn der Abgabengläubiger keine Möglichkeit hatte, das Bestehen seines Abgabenanspruches zu erkennen ().

3.1.3. Anspruchszinsen

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzten Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen.

Die Festsetzung von Anspruchszinsen ist eine sich aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge. Dabei ist der Abgabenbehörde weder ein Ermessen eingeräumt noch kommt es auf ein Verschulden bzw. Nichtverschulden des Abgabepflichtigen am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an (vgl. ).

Nachdem aus den oben angeführten Gründen Verjährung der Erlassung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 nicht entgegenstand, erweisen sich auch die angefochtenen Anspruchszinsenbescheide als rechtmäßig, zumal ein Anspruchszinsenbescheid an die Höhe der im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides gebunden ist und aufgrund dieser Bindung nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar ist, der maßgebende Stammabgabenbescheid sei rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 34; ebenso , mwN). Wird der Abgabenbescheid abgeändert, hat von Amts wegen ein weiterer Zinsenbescheid zu ergehen, ohne dass eine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides zu erfolgen hat (vgl. ).

Der Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Vorliegen des im Beschwerdefall strittigen Vorliegens von Wiederaufnahmegründen und vorsätzlichen Verhaltens wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung beurteilt; derartige nicht über den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen sind einer (ordentlichen) Revision grundsätzlich nicht zugänglich.

Geklärt ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Anspruchszinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar ist, dass der maßgebende Stammabgabenbescheid rechtswidrig ist (vgl. , mwN). Hinsichtlich des Abspruches über die Anspruchszinsenbescheide ist eine (ordentliche) Revision daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102563.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at