Neuerungstatbestand beim Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2015 bis 2017 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit anonymer Anzeige eines "aufrichtigen Steuerzahlers" vom wurde dem Finanzamt mitgeteilt, der Beschwerdeführer züchte zusammen mit seiner Gattin Hunde der Rasse Rottweiler. Da er keinen Gewerbeschein besitze, biete er die Hunde via Internet um 400 Euro je Tier an. Über die Verkäufe würden keine Rechnungen gestellt und auch keine ärztlichen Papiere über den Gesundheitszustand der Tiere ausgestellt. Der Beschwerdeführer züchte ferner Hasen, die er an Tankstellen und öffentlichen Plätzen zum Verkauf anbiete.
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2015 abzugeben.
Diese Aufforderung blieb unbeantwortet.
Mit Bescheiden vom , vom und vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuern für die Jahre 2015 bis 2017 aufgrund einer Schätzung der Einkommensteuerbemessungsgrundlagen fest. Dabei wurden für das Jahr 2015 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 12.000 Euro, für das Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25.000 Euro und für das Jahr 2017 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 15.000 Euro geschätzt. Die aus diesen Einkünften nach Berücksichtigung des Sonderausgabenpauschales und nach Abzug von Absetzbeträgen resultierenden Einkommensteuern betrugen 343 Euro für das Jahr 2015, 4.179 Euro für das Jahr 2016 und 985 Euro für das Jahr 2017.
Gegen diese Bescheide wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Mit Schreiben vom beantragte der inzwischen steuerlich vertretene Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Vorlage von Einkommensteuererklärungen 2015 bis 2017, mit denen die Einkommen dieser Jahre mit Null erklärt wurden, die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2015 bis 2017. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass der Beschwerdeführer in diesen Jahren keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb bezogen habe. Damit seien die Grundlagen für die Schätzung weggefallen.
Mit Ersuchen um Ergänzung vom ersuchte das Finanzamt den Beschwerdeführer um zweifelsfreie Bekanntgabe, aus welchen Mitteln er seinen Lebensunterhalt (Nahrung, Wohnung, PKW, Versicherung, Kleidung etc.) sowie die Zahlungen aus der Unterhaltspflicht für seine Kinder bestritten habe. Für den Fall, dass diese Kosten aus Darlehen oder sonstigen Zuwendungen geleistet worden seien, werde um Vorlage von Darlehensverträgen oder sonstigen Nachweisen ersucht. Bei unzureichenden Nachweisen sei der Antrag auf Wiederaufnahme abzuweisen.
Auf dieses Ersuchen antwortete die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom , dieser sei für seine Kinder nicht mehr unterhaltspflichtig. Er wohne in der Wohnung seiner Ex-Frau, für die er keine Miete bezahlen müsse. Seine Nahrung beziehe er unentgeltlich über Abgabestellen und Kantinen. Seine restlichen Ausgaben für PKW, Versicherung oder Kleidung bestreite er mit Ersparnissen, welche allerdings demnächst zur Neige gingen. Eine Pension sei bis dato nicht ausbezahlt worden.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren mit den angefochtenen Bescheiden ab. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer sei auf der Homepage des Österreichischen Rottweilerclubs als Züchter angeführt, habe aber nie Einkünfte auf seiner Tätigkeit als Hundezüchter erklärt. Es lägen auch keine Meldungen des AMS vor. Der Beschwerdeführer habe zudem die Finanzierung seines Lebensunterhaltes nicht nachweisen können.
In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde vom wandte die steuerliche Vertretung ein, im Ersuchen um Ergänzung sei de facto der Negativbeweis gefordert worden, dass keine Einkünfte vorlägen. Eine "Nichtmeldung" beim AMS bedeute nicht, dass andere Einkünfte vorliegen müssten. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Finanzverwaltung im Jahr 2016 von Einkünften in Höhe von 25.000 Euro ausgehen habe können. Unklar sei auch, weshalb die Einkünfte im Jahr 2015 mit 12.000 Euro und im Jahr 2017 mit 15.000 Euro geschätzt worden seien, denn es habe in diesen Jahren weder einen ungeklärten Vermögenszuwachs gegeben noch seien dem Beschwerdeführer derart hohe Ausgaben auf Grund seiner Lebensführung erwachsen. Eine Nachfrage beim Rottweilerclub hätte ergeben, dass der Beschwerdeführer zwar auf deren Homepage registriert, aber bereits seit 18 Jahren nicht mehr aktiv als Züchter tätig sei.
Das Finanzamt wies der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Der Beschwerdeführer scheine im Internet sowohl als Züchter von Rottweilerhunden und Kleintieren (Hasen) auf. Er gehöre dem Verein der Kleintierzüchter seit dem Jahr 2014 an, dem der Hundezüchter noch länger. Durch die Angabe von Telefonnummer und E-Mailadresse könnten Interessenten direkt mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufnehmen und nach den entsprechenden Tieren nachfragen. Es widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass man auf einschlägigen Homepages öffentlich im Internet auftrete und gelistet werde, wenn eine solche Tätigkeit nicht aktiv ausgeübt werde. Werde eine solche Züchtertätigkeit nicht oder nicht mehr ausgeübt, sei nach den Erfahrungen des täglichen Lebens zu erwarten, dass man auch nicht mehr auf diversen einschlägigen Homepages aufscheine. Für die Abgabenbehörde ergebe sich somit das Bild, dass der Beschwerdeführer sehr wohl als Züchter von Hunden und Hasen tätig sei und damit in weiterer Konsequenz auch Einnahmen erziele. Auch widerspreche es den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass die geschiedene Ehegattin den Beschwerdeführer unentgeltlich in Räumlichkeiten wohnen lasse. Aufgrund der dargelegten Überlegungen sehe die Abgabenbehörde die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nahe den tatsächlichen Verhältnissen.
Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertretung den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Einzelrichter.
Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Am fand die mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Einzelrichter statt. Bei dieser Verhandlung ist der ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführer nicht erschienen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 303 Abs. 2 lit. b BAO hat der Wiederaufnahmeantrag die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1) zu enthalten, auf die der Antrag gestützt wird.
Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 24; ). Gemeint sind somit Tatsachen oder Beweismittel, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im "abgeschlossenen" Verfahren bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. /0035).
Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. ; /0058).
Der Wiederaufnahmewerber ist für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes behauptungs- und beweispflichtig. Die amtswegige Ermittlungspflicht tritt hiebei in den Hintergrund (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 303 Tz 27 (Stand , rdb.at); Ritz, BAO6, § 303 Tz 55; ).
Aus § 303 Abs. 2 lit. b BAO folgt, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen (vgl. /0058).
Nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht bekannt war, kann sie zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeantrages gemacht werden. Denn das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme dient nicht der Verlängerung von Abgabenverfahren und der Aushöhlung der Rechtskraft, sondern soll ausschließlich die Berücksichtigung von Tatsachen ermöglichen, deren Geltendmachung im Abgabenverfahren mangels Kenntnis nicht möglich war. Ob diese Unkenntnis verschuldet war oder nicht, ist seit der Änderung des Wiederaufnahmerechts mit dem FVwGG 2012 nicht mehr relevant (vgl. ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 303 Tz 17 (Stand , rdb.at).
Für den Beschwerdefall ist zunächst zu bemerken, dass der Beschwerdeführer die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe allesamt nur behauptet, aber durch keinerlei Unterlagen bewiesen hat. Der Wiederaufnahmewerber ist für das Vorliegen der von ihm geltend gemachten Wiederaufnahmegründe aber nicht nur behauptungs-, sondern auch beweispflichtig. Schon aus diesem Grund war dem Antrag auf Wiederaufnahme nicht stattzugeben.
Aber auch dann, wenn vom Vorliegen der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Wiederaufnahmegründe auszugehen gewesen wäre, wäre der Wiederaufnahmeantrag abzuweisen gewesen.
Denn die Ausführungen des Beschwerdeführers im Antrag auf Wiederaufnahme vom , er habe in den Jahren 2015 bis 2017 keine Einkünfte aus dem Verkauf von Hunden und Hasen und damit auch keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, beträfe Tatsachen, die dem Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 bekannt gewesen wären. Sie wären daher aus der Sicht des Beschwerdeführers als Antragsteller nicht neu hervorgekommen.
Dasselbe gilt für die mit Schreiben vom gemachten Angaben zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten - er sei für seine Kinder nicht mehr unterhaltspflichtig; er wohne in der Wohnung seiner Ex-Frau und müsse keine Miete zahlen, seine Nahrung beziehe er kostenlos über Abgabenstellen und Kantinen, seine restlichen Ausgaben bestreite er aus ersparten Bargeldbeträgen - handelte es sich nicht um für den Beschwerdeführer neu hervorgekommene Tatsachen. Auch diese Gründe müssten dem Beschwerdeführer schon im abgeschlossenen Abgabenverfahren bekannt gewesen sein.
Der Beschwerdeführer hätte diese Ausführungen schon in den laufenden Einkommensteuerverfahren 2015 bis 2017 vorbringen müssen. Das Instrument der Wiederaufnahme dient nämlich nicht dazu, Unterlassungen im Abgabeverfahren nachzuholen und die Rechtskraft auszuhöhlen. Zu eben diesem Ergebnis gelangte man aber, ließe man Gründe für die Verfügung der Wiederaufnahme zu, die der Beschwerdeführer schon im abgeschlossenen Abgabenverfahren hätte einwenden können.
Auch die Ausführungen der steuerlichen Vertretung in der Beschwerde und im Vorlageantrag stellen keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund dar. Der Einwand, die Schätzungen des Finanzamtes seien nicht nachvollziehbar, betrifft nicht den für die Wiederaufnahme allein maßgeblichen Tatsachenreich, sondern richtet sich gegen die rechtliche Beurteilung des vom Finanzamtes angenommenen Sachverhaltes. Auch dieser Einwand hätten gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 vorgebracht werden müssen.
Mangels neu hervorgekommener Tatsachen hat das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren daher zu Recht abgewiesen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Entscheidung beruht auf einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist damit nicht angesprochen und ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | /0035 /0058 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100138.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at