Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** über die Maßnahmenbeschwerde der ***Bf***, vertreten durch ***V***, betreffend die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Zollamtes Österreich in Form der Beschlagnahme von 38 Uhren der Marke "Rolex" am gemäß § 89 Abs.2 Finanzstrafgesetz (FinstrG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Ein Kostenausspruch unterbleibt.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Am wollte die Beschwerdeführerin (Bf.), Geschäftsführerin der niederländischen Gesellschaft "***1***", gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Firma, ***2***, mit dem Flug ***3*** von Wien nach Düsseldorf reisen. Bei der zentralen Sicherheitskontrolle fiel die Bf. mit zwei Handgepäckskoffer voller Uhren auf, woraufhin sich zwei Zollorgane des Zollamtes Österreich zur Sicherheitskontrolle begaben. Konkret befanden sich in den Handgepäckskoffern 38 Stück Uhren der Marke "Rolex". Die Bf. zeigte den Zollorganen mehrere Rechnungen für diese Uhren, die alle einen japanischen Absender hatten. Darauf angesprochen erklärte die Bf., dass sie die Uhren in einem Wiener Hotel von der Firma ***4*** des Herrn ***5*** gekauft habe. Sie sei zu diesem Zweck heute von Düsseldorf nach Wien geflogen. Die Firma ***4*** hat keinen Firmensitz in Österreich und ***5*** keinen Wohnsitz in Österreich.
Der Organwalter der belangten Behörde hat um ca. 18.00 Uhr mit dem Rufbereitschaftsdienst versehenden Bediensteten der Finanzstrafbehörde Rücksprache gehalten und dabei festgestellt, dass Mitarbeiter der Finanzstrafbehörde nicht mehr vor Ort gewesen sind.
In der Folge wurde von der belangten Behörde eine Tatbeschreibung aufgenommen und die Beschlagnahme der 38 Stück Uhren der Marke "Rolex" bei Gefahr im Verzug ausgesprochen und eine entsprechende Quittung ausgestellt. Als Grund für die Beschlagnahme wurde angeführt, dass die Uhren zur Sicherung des Verfalls und als Beweismittel in einem Strafverfahren in Betracht kommen und durch die Beschlagnahme der jederzeitige behördliche Zugriff sicherzustellen sei, wie auch die Nämlichkeit (Identität) der Uhren. Als Grund für die Annahme von Gefahr im Verzug hat die Behörde festgehalten, dass ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde (Anm. deren Mitarbeiter nicht mehr vor Ort waren) zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte, da damit die Uhren dem staatlichen Zugriff entzogen gewesen wären. Die Tatbeschreibung ist von der Bf. zur Kenntnis genommen und von ihr als Beschuldigte eines Finanzvergehens unterfertigt worden. Der Bf. wurde eine Rechtsbelehrung "FStr 9" ausgefolgt.
Mit Eingabe vom hat die Bf. durch ihren ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist Beschwerde gemäß Art. 130 Abs.1 Z.2 B-VG iVm § 152 Abs.1 FinStrG gegen die in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Zollamtes Österreich verfügte Beschlagnahme an das Bundesfinanzgericht erhoben und beantragte, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben sowie gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung den Ersatz der Verfahrenskosten aufzutragen.
Begründend führte die Bf. zur Sache aus, dass sie Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der niederländischen Gesellschaft "***6***" sei, die wiederum Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der niederländischen Gesellschaft "***1***" ist. Die Bf. handle weltweit mit exklusiven Uhren und sei Mitglied der Organisation ***7***. Auch das Unternehmen "***4***" und der Vermittler ***5*** seien Mitglieder der ***7***. Das Treffen der Geschäftspartner in einem Hotel in Wien sei aufgrund von Covid-Einreisebestimmungen erfolgt. ***5*** habe der Bf. im Zuge des Kaufes der 38 gebrauchten Uhren dreizehn Formblätter "Model Purchase Declaration Used Goods" ausgestellt, in welchen er festhielt, die Uhren innerhalb der Europäischen Union gekauft zu haben. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Abgabenhehlerei sei somit auszuschließen, weshalb ein Verfall gemäß § 17 FinStrG nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus sei die Beschlagnahme auch zur Beweissicherung nicht notwendig gewesen, da auch Fotos angefertigt hätten werden können. Insbesondere ist der Tatbeschreibung auch keine substantiierte Begründung für die Annahme von Gefahr im Verzug zu entnehmen, es sei weder ersichtlich, welche Vortat ***5*** vorgeworfen werde, noch, auf welche lit. des § 17 Abs.2 FinStrG sich die Beschlagnahme stütze.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom , Zl. ***8***, wurden die 38 Rolex Uhren als Beweismittel in einem gerichtlichen Finanzstrafverfahren beschlagnahmt. ***5*** werde verdächtigt, die Uhren am aus Doha kommend, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht und an die Bf. weiterverkauft zu haben.
In der mündlichen Verhandlung vom verwies der Vertreter der Bf. auf das schriftliche Vorbringen und beantragte, die Beschlagnahme als rechtswidrig zu erklären und aufzuheben sowie einen weiteren Kostenersatz in Höhe von € 922,00. Der Amtsvertreter beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Sachverhalt:
Am wollte die Bf., Geschäftsführerin der niederländischen Gesellschaft "***6***", die wiederum Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der niederländischen Gesellschaft "***1***" ist, gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Firma, ***2***, mit dem Flug ***3*** von Wien nach Düsseldorf reisen. Bei der zentralen Sicherheitskontrolle fiel die Bf. mit zwei Handgepäckskoffer voller Uhren auf, woraufhin sich zwei Zollorgane des Zollamtes Österreich zur Sicherheitskontrolle begaben. Konkret befanden sich in den Handgepäckskoffern 38 Stück Uhren der Marke "Rolex". Die Bf. zeigte den Zollorganen mehrere Handelsrechnungen für diese Uhren von der Firma ***4*** an die Firma ***1*** und Formblätter "Model Purchase Declaration Used Goods" in englischer Sprache. Darauf angesprochen erklärte die Bf., dass sie die Uhren in einem Wiener Hotel von der Firma ***4*** des Herrn ***5*** gekauft und hiefür EUR 20.000,00 angezahlt habe. Sie sei zu diesem Zweck heute von Düsseldorf nach Wien geflogen. Die Firma ***4*** hat keinen Firmensitz in Österreich und ***5*** keinen Wohnsitz in Österreich.
Der Organwalter der belangten Behörde hat um ca. 18.00 Uhr mit dem Rufbereitschaftsdienst versehenden Bediensteten der Finanzstrafbehörde Rücksprache gehalten und dabei festgestellt, dass Mitarbeiter der Finanzstrafbehörde nicht mehr vor Ort gewesen sind.
In der Folge wurde von der belangten Behörde eine Tatbeschreibung aufgenommen und die Beschlagnahme der 38 Stück Uhren der Marke "Rolex" bei Gefahr im Verzug ausgesprochen und eine entsprechende Quittung ausgestellt. Als Grund für die Beschlagnahme wurde angeführt, dass die Uhren zur Sicherung des Verfalls und als Beweismittel in einem Strafverfahren in Betracht kommen und durch die Beschlagnahme der jederzeitige behördliche Zugriff sicherzustellen sei, wie auch die Nämlichkeit (Identität) der Uhren. Als Grund für die Annahme von Gefahr im Verzug hat die Behörde festgehalten, dass ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde (Anm. deren Mitarbeiter nicht mehr vor Ort waren) zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte, da damit die Uhren dem staatlichen Zugriff entzogen gewesen wären.
Beweiswürdigung:
Gemäß § 98 Abs.3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.
Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 35 Abs.1 lit.a FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht.
Gemäß § 37 Abs.1 lit.a FinStrG macht sich der Abgabenhehlerei schuldig, wer vorsätzlich eine Sache oder Erzeugnisse aus einer Sache, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern oder von Eingangs- oder Ausgangsabgaben begangen wurde, kauft, zum Pfand nimmt oder sonst an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt.
Gemäß § 37 Abs.4 iVm § 35 Abs.4 letzter Satz FinStrG ist auf Verfall nach Maßgabe des § 17 FinStrG zu erkennen.
Gemäß § 89 Abs.1 erster Satz FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.
Gemäß § 89 Abs.2 FinStrG sind bei Gefahr im Verzug neben den Organen der Finanzstrafbehörden auch die Organe der Abgabenbehörden und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs.1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. In diesem Fall sind dem anwesenden Inhaber die Gründe für die Beschlagnahme und für die Annahme von Gefahr im Verzug mündlich bekanntzugeben und in einer Niederschrift festzuhalten.
Bei der Beschlagnahme von Gegenständen handelt es sich entweder um eine Maßnahme zur Sicherung eines im Gesetz angedrohten Verfalls oder eine Maßnahme zur Bereitstellung von im Strafverfahren benötigten Beweismitteln.
Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Beschlagnahme ist ein aufgrund konkreter Umstände hinreichend begründeter Tatverdacht der Begehung eines Finanzvergehens. Dabei handelt es sich um die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Die 38 Uhren der Marke "Rolex" wurden von einer japanischen Firma, die keinen Firmensitz in Österreich hat, in einem Hotel in Wien erworben. Auch der Repräsentant der japanischen Firma hat keinen Wohnsitz in Österreich. Für die Uhren konnten weder Verzollungsunterlagen, noch Ankaufsnachweise von innerhalb der Europäischen Union vorgelegt werden. Nach der Lebenserfahrung erblickt das Bundesfinanzgericht darin einen hinreichenden Verdacht, dass es sich bei den Uhren um Nichtgemeinschaftswaren handelt, die von ***5*** ohne Gestellung bei einem Zollamt vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden. Durch den Ankauf der Uhren ist bei der Bf. der begründete Verdacht der Abgabenhehlerei gemäß § 37 Abs.1 lit.a FinStrG erfüllt, die verfahrensgegenständlichen Uhren sind gemäß § 37 Abs.4 iVm § 35 Abs.4 FinStrG vom Verfall bedroht. Dass die Bf. das mit Verfall bedrohte Finanzvergehen begangen hat, braucht im Zeitpunkt des Ausspruches der Beschlagnahme noch nicht nachgewiesen zu sein.
Als Gründe für die Beschlagnahme gemäß § 89 Abs.1 FinStrG wurden in der Tatbeschreibung neben der Sicherung des Verfalls die Beweissicherung, insbesondere die Identitätssicherung und der jederzeitige behördliche Zugriff, festgehalten. Als Tatgegenstände sind die 38 Uhren auch Beweismittel in dem von der Finanzstrafbehörde durchzuführenden Finanzstrafverfahren. Da es sich um gebrauchte Uhren handelt, hängt von deren exakter Beschaffenheit unter anderem der (Zoll-)wert, die Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages und die Verhängung der Strafe des Verfalls oder des Wertersatzes ab. Die vorgefundenen Rechnungen bzw. der darin festgehaltene Rechnungsbetrag, die Seriennummern oder eine Beweissicherung, etwa durch Anfertigung von Fotos, ergeben auch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht jenes Maß an Nämlichkeitssicherung der Uhren, welches im durchzuführenden Strafverfahren geboten ist. Die Bf. war auch dabei, die Uhren von Österreich in die Niederlande zu verbringen, was einen erschwerten Zugriff der Finanzstrafbehörde auf die Tatgegenstände bedeutet hätte. Um den jederzeitigen Zugriff der Finanzstrafbehörde auf die Uhren zur Sicherung des Verfalls und zur Ermittlung der vorgenannten Daten sicherzustellen, war die Beschlagnahme zu verfügen. In Anbetracht des hohen Wertes der Uhren erweist sich die Beschlagnahme auch als verhältnismäßig.
Zur Annahme der Gefahr im Verzug hat die belangte Behörde der Bf. mitgeteilt, "dass zu besorgen war, dass die Gegenstände dem staatlichen Zugriff entzogen würden. Darüber hinaus kommen die Gegenstände als Beweismittel in einem Finanzstrafverfahren in Betracht".
Eine Gefahr im Verzug-Situation liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgend einem Grund gefährdet erscheint, wobei schon die geringste Gefahr zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag ausreicht, weil der Sicherungszweck im Vordergrund steht. Eine solche Gefahrensituation liegt jedenfalls vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde verzögert würde und dadurch gefährdet wäre. (zB )
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes wäre mit der Einholung einer schriftlichen Beschlagnahmeanordnung der Finanzstrafbehörde - deren Bedienstete zum Zeitpunkt der Betretung nur mehr Rufbereitschaftsdienst versehen haben - eine außer Verhältnis stehende lange Anhaltung der Bf. verbunden gewesen. Andererseits würde eine erst in der Folge (nach erstatteter Anzeige an die Finanzstrafbehörde) verfügte schriftliche Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde durch die Verbringung der Uhren in die Niederlande erschwert werden.
Die Beschlagnahme der Uhren ohne schriftliche Anordnung der zuständigen Finanzstrafbehörde ist zu Recht erfolgt und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Ein Kostenausspruch für die obsiegende Partei ist im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht über Beschwerden in Rechtssachen des Finanzstrafrechts nicht vorgesehen (sh. dazu § 1 Abs.1 iVm § 24 Abs.1 1. Satz BFGG). Der Anwendungsbereich des VwGVG ist im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht auf gemäß Art. 131 Abs.5 B-VG übertragene Rechtsmittel und auf Beschwerden nach § 1 Abs.3 Z.2 BFGG eingeschränkt.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, sich die Entscheidung auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 89 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RM.7300013.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at