TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2022, RV/5101013/2021

Wirkungen einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Aussetzungsantrages

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/5101013/2021-RS1
§ 212a Abs. 4 BAO bestimmt, dass die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden sind. Die Beschwerde gegen die Abweisung eines Aussetzungsantrages ist so zu sehen, als würde ein Aussetzungsantrag eingebracht (vgl. Stoll, BAO, 2262, zur analogen Bestimmung des § 212 Abs. 4 BAO) bzw. kommt der Beschwerde die Wirkung eines neuerlichen Aussetzungsantrages zu (vgl. die EB zur RV zum 2. AbgÄG 1987, mit dem die Bestimmung des § 212a BAO eingeführt wurde: NR GP XVII, RV 108, Seite 43). Die Beschwerde ist aber nicht zusätzlich auch noch als neuerlicher Aussetzungsantrag zu werten, über den gesondert abzusprechen wäre.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***StB***, ***StB-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, mit dem "der Antrag von ***Bf*** vom , eingebracht am betreffend Aussetzung der Einhebung der Glücksspielabgabe für 01-12/2017 und Säumniszuschläge 2017" abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit "Glücksspielabgabebescheid Festsetzung gemäß § 201 BAO" vom wurden gegenüber der Beschwerdeführerin die Glücksspielabgaben für die Zeiträume Jänner bis Dezember 2017 festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom .

Gleichzeitig wurde mit weiterer Eingabe vom die Aussetzung der Einhebung der Glücksspielabgaben Jänner bis Dezember 2017 samt den daraus resultierenden Säumniszuschlägen bis zur Erledigung der Beschwerde beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.

Der Aussetzungsantrag vom wurde mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass die dem Antrag zugrunde liegende Beschwerde bereits erledigt worden sei.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom richtet sich der Vorlageantrag vom . Dieses Verfahren betreffend die Glücksspielabgaben ist beim Bundesfinanzgericht zur GZ. RV/7100433/2021 anhängig.

Mit weiterer Eingabe vom (eingelangt am ) wurde eine Beschwerde gegen den Bescheid vom über die Abweisung des Aussetzungsantrages vom eingebracht und darin ausgeführt:

"Beschwerde gem. § 243 BAO gegen Bescheid vom über die Abweisung eines Aussetzungsantrages betreffend Glücksspielabgabe 1-12/2017 samt den daraus resultierenden Säumniszuschlägen

Im Namen und Auftrag unserer Mandantschaft erheben wir gegen den oben angeführten Bescheid in offener Frist das Rechtsmittel der

Beschwerde gem. § 243 BAO.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung des Aussetzungsantrages betreffend Glücksspielabgabe 1-12/2017 samt den daraus resultierenden Säumniszuschlägen:"

(tabellarische Aufstellung der Glücksspielabgaben und der Säumniszuschläge)

"Es werden daher folgende

Änderungen

beantragt: Stattgabe der Aussetzung der Einhebung - insgesamt EUR 841.622,64.

Als Begründung wird auf die Ausführungen in der Beschwerde gegen die Glücksspielabgabenbescheide Jänner 2017 bis Dezember 2017 vom verwiesen."

Hinsichtlich dieser Eingabe vom betreffend Aussetzung der Einhebung ergingen vom Finanzamt zwei bescheidmäßige Erledigungen:

1) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom über die Abweisung des Aussetzungsantrages (vom ) als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dies wie folgt:

"Der Anspruch auf Aussetzung der Einhebung einer Abgabe besteht insoweit die Einhebung der Abgabe von der Erledigung einer Beschwerde abhängt. Die Bescheidbeschwerde vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom erledigt. Mit Erledigung der Beschwerde ist die Grundlage für die Aussetzung der Einhebung weggefallen, weshalb über den Antrag spruchgemäß zu entscheiden war.

Über den in der Beschwerde neu gestellten Antrag auf Aussetzung wird gesondert entschieden."

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung vom richtet sich der Vorlageantrag vom .

Dieses Beschwerdeverfahren betreffend Aussetzung der Einhebung ist beim Bundesfinanzgericht zur GZ. RV/7101515/2021 anhängig.

2) Weiters wurde die Beschwerde vom auch als neuerlicher Erstantrag gewertet und dieser mit Bescheid vom abgewiesen. Im Spruch dieses Bescheides führte das Finanzamt aus: "Der Antrag von ***Bf*** vom , eingebracht am betreffend Aussetzung der Einhebung der Glücksspielabgabe für 01-12/2017 und Säumniszuschläge 2017 wird abgewiesen." Begründet wurde die Abweisung damit, dass die dem Aussetzungsantrag zugrundeliegende Beschwerde aus näher dargelegten Erwägungen wenig erfolgversprechend sei.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und darin ausgeführt:

"Die Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung des Antrages vom auf Aussetzung der Einhebung betreffend Glücksspielabgabe 1-12/2017 samt Säumniszuschlägen.

Es werden daher folgende

Änderungen

beantragt: Stattgabe des Antrages vom auf Aussetzung der Einhebung betreffend Glücksspielabgabe 1-12/2017 samt Säumniszuschlägen."

Diese Beschwerde vom wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom .

Am legte das nunmehr zuständige Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, die Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Die in dieser Beschwerde gestellten und im Vorlageantrag vom wiederholten Anträge auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden mit Eingabe vom zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage

§ 85 Abs. 1 BAO normiert:

Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

§ 212a BAO lautet auszugsweise:

(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder

b) Erkenntnisses (§ 279) oder

c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO hat die Bescheidbeschwerde zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;

b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;

c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;

d) eine Begründung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind dabei nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen hin auch nur andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (Ritz, BAO7, § 85 Tz 1 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

In der gegen den die Aussetzung der Einhebung betreffenden Abweisungsbescheid vom gerichteten Beschwerde vom wurden "folgende Änderungen beantragt: Stattgabe der Aussetzung der Einhebung - insgesamt EUR 841.622,64".

Mit diesem Beschwerdeantrag wurde dem Erfordernis des § 250 Abs. 1 lit. c BAO entsprochen, demzufolge eine Beschwerde die Erklärung zu enthalten hat, welche Änderungen beantragt werden. Der Beschwerde vom ist dagegen auch nicht andeutungsweise zu entnehmen, dass über diesen Beschwerdeantrag hinaus ein weiterer Erstantrag im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO auf Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gestellt worden wäre.

Die Aussetzung der Einhebung setzt aber einen diesbezüglichen Antrag voraus (Ritz, BAO7, § 212a Tz 1). Die Aussetzung der Einhebung ist damit ein antragsgebundener Verwaltungsakt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes belastet die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne Vorliegen eines Antrages den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde (). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt die Erlassung eines antragsbedürftigen Bescheides ohne Vorliegen eines wirksamen Antrages das Recht auf den gesetzlichen Richter (, mit Hinweis auf Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, 10. Auflage, Rz 1520 mit Judikaturnachweisen). Ein solcher Bescheid ist daher ersatzlos aufzuheben (Ritz, BAO7, § 279 Tz 6 mit Hinweis auf ).

Würde man der Rechtsansicht des Finanzamtes folgen, wäre auch in der Beschwerde vom zusätzlich ein weiterer Aussetzungsantrag zu erblicken, über den erstinstanzlich abzusprechen wäre. Gegen eine Abweisung auch dieses Antrages stünde wiederum eine Beschwerde offen, die (nach Ansicht des Finanzamtes) nicht nur einen Beschwerdeantrag, sondern auch einen weiteren Erstantrag enthalten würde; damit würde das Aussetzungsverfahren perpetuiert. Dass dies nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, bedarf wohl keiner näheren Erörtertung.

Im Übrigen bestimmt § 212a Abs. 4 BAO, dass die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden sind. Gerade durch diese Bestimmung hat der Gesetzgeber dafür Sorge getragen, dass die mit einem Aussetzungsantrag verbundenen beiden Wirkungen (einbringungshemmende und die Verpflichtung zur Entrichtung weiterer Säumniszuschläge hinausschiebende Wirkung) auch Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung von Aussetzungsanträgen und Vorlageanträgen gegen den Aussetzungsantrag abweisende Beschwerdevorentscheidungen zukommt (Ritz, BAO7, § 212a Tz 22) und sich damit die Einbringung weiterer Aussetzungsanträge erübrigt. Die Beschwerde gegen die Abweisung eines Aussetzungsantrages ist so zu sehen, als würde ein Aussetzungsantrag eingebracht (vgl. Stoll, BAO, 2262, zur analogen Bestimmung des § 212 Abs. 4 BAO) bzw. kommt der Beschwerde die Wirkung eines neuerlichen Aussetzungsantrages zu (vgl. die EB zur RV zum 2. AbgÄG 1987, mit dem die Bestimmung des § 212a BAO eingeführt wurde: NR GP XVII, RV 108, Seite 43). Die Beschwerde ist aber nicht zusätzlich auch noch als neuerlicher Aussetzungsantrag zu werten, über den gesondert abzusprechen wäre.

Da somit dem angefochtenen antragsgebundenen Bescheid vom tatsächlich kein Antrag zugrunde lag, erweist er sich aus den angeführten Gründen als rechtswidrig und war daher ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101013.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at