Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2022, RV/5200021/2021

Verwaltungsabgabe

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hannl Customs Consulting GmbH, Sterzinggasse 4, 4055 Pucking, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , ***2***, betreffend Verwaltungsabgaben, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Zollamt setzte mit dem angefochtenen Bescheid vom , Zahl: ***2***, gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß Art. 42 UZK iVm. § 41 ZollR-DG und § 30 ZollR-DV 2004 eine Verwaltungsabgabe iHv. € 211,68 wegen Verletzung der Gestellungspflicht fest. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe 2 Karton gewirkte Herrenhemden vorschriftswidrig verbracht. Die nach Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK entstandene Eingangsabgabenschuld iHv. € 1.064,00 sei mit Bescheid vorgeschrieben worden.

Auf Grund des in der Selbstanzeige dargestellten Sachverhalts, dass der diensthabende Zollbeamte den Geschäftsführer aufgefordert habe, die Einreise ohne jedwedes Zollverfahren vorzunehmen, sei kein Verstoß gegen das Finanzstrafgesetz erkennbar. Da jedoch eine Verletzung der Gestellungspflicht vorliege, sei ein erhöhter Verwaltungsaufwand entstanden.

In der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde vom führt die Beschwerdeführerin aus, dass eine Zuwiderhandlung vorgelegen habe, die durch die Offenlegung des Sachverhalts und der unmittelbar nach der Verfehlung eingebrachten Selbstanzeige des § 29 FinStrG zur Strafbefreiung geführt habe. Eine Erhebung allfälliger Verwaltungsabgaben stelle deshalb eine Rechtswidrigkeit dar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***1***, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
In keiner Parteiangabe sei ausgeführt worden, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe, so dass kein strafbarer Tatbestand nach dem Finanzstrafgesetz zu erkennen sei. Eine Selbstanzeige sei aber nur hinsichtlich verwirklichter Finanzvergehen nicht aber hinsichtlich vorsorglich begangener Finanzvergehen möglich.
Da kein Tatbestand nach dem Finanzstrafgesetz vorliege aber eine Gestellungspflicht verletzt worden sei, war eine Verwaltungsabgabe gemäß Art. 42 ZK iVm. § 41 ZollR-DG und § 30 ZollR-DV festzusetzen.

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am brachte der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin 341 gewirkte Polohemden, die er bei einem Geschäftsbesuch in ***3***/Serbien, gekauft hatte über den Autobahngrenzübergang zwischen Serbien und Ungarn, Eingangszollstelle Rözske, und in weiterer Folge nach Österreich ein, ohne ein Zollverfahren durchzuführen.

Diesen Sachverhalt teilte die Beschwerdeführerin dem Zollamt mit und erstattete gemäß § 29 FinStrG Selbstanzeige.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Zollamtsakten.

3. Rechtslage

Gemäß Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom , (Unionszollkodex - UZK) sieht jeder Mitgliedstaat Sanktionen für Zollzuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vor. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Werden verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängt, so können sie gemäß Art. 42 Abs.2 UZK unter anderem in einer oder beiden folgenden Formen erfolgen:
a) als eine von den Zollbehörden auferlegte finanzielle Belastung, gegebenenfalls auch an
Stelle oder zur Abwendung einer strafrechtlichen Sanktion,
b) als Widerruf, Aussetzung oder Änderung einer dem Beteiligten erteilten Bewilligung.

Zu Art. 42 UZK normiert § 41 ZollR-DG:
Wer zollrechtliche Aufsichts- oder Erhebungsmaßnahmen behindert oder eine sonstige zollrechtliche Pflichtverletzung begeht, ohne dabei den Tatbestand eines Finanzvergehens zu erfüllen, hat zur Abgeltung des dadurch entstehenden erhöhten Verwaltungsaufwandes eine pauschalierte Verwaltungsabgabe zu leisten. Die Höhe dieser Verwaltungsabgabe sowie die hiervon betroffenen Zollzuwiderhandlungen sind mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen fest zu legen.

§ 30 ZollR-DV lautet:
(1) Der Verwaltungsabgabe nach § 41 ZollR-DG unterliegt, sofern dadurch kein Tatbestand eines Finanzvergehens erfüllt wird
1. die Verletzung der Gestellungspflicht;
2. die Nichterfüllung von Verpflichtungen aus einer zollrechtlichen Entscheidung (Art.23 Abs. 1 Zollkodex);
3. die Erklärung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung, in der Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung, in der summarischen Eingangs- oder Ausgangsanmeldung, sowie in der Wiederausfuhranmeldung;
4. die Überschreitung einer Frist in den besonderen Verfahren.

§ 98 Abs. 1 ZollR-DG lautet auszugsweise

An Nebenansprüchen sind im Verfahren der Zollbehörden zu erheben
1. Kosten, und zwar:

5. Verwaltungsabgaben nach Maßgabe des § 41.

§ 35 FinStrG:
(1) Des Schmuggels macht sich schuldig, wer
a) eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht oder
b) ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig aus dem Zollgebiet der Union verbringt.

(2) Der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig, wer, ohne den Tatbestand des Abs. 1 zu erfüllen, vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben bewirkt. Die Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn eine entstandene Eingangs- oder Ausgangsabgabenschuld bei ihrer Entstehung nicht oder zu niedrig festgesetzt wird und in den Fällen des § 33 Abs. 3 lit. b bis f.

§ 36 FinStrG
(1) Der Verzollungsumgehung macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht.
(2) Der grob fahrlässigen Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 2 und 3 bezeichneten Taten grob fahrlässig begeht.

4. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Nach den Erläuterungen zu § 41 ZollR-DG (BGBl I 2015/163 - Abgabenänderungsgesetz 2015; ErlRV 896 BlgNR 25.GP 1, 21) bzw. § 30 ZollR-DV sollen - in Umsetzung des Art 42 UZK - nur solche Zollzuwiderhandlungen mit einer Verwaltungsabgabe belegt werden, die nicht dem Finanzstrafgesetz unterliegen.
Da der Gesetzgeber nach § 41 ZollR-DG nicht auf eine "Bestrafung nach dem FinStrG", sondern nur darauf abstellt, ob eine Tat einem "Finanzvergehen unterliegt", bleibt unbedeutend, ob - etwa aufgrund einer eingebrachten Selbstanzeige - eine Tat nach dem FinStrG tatsächlich zu bestrafen ist oder nicht.

Gem. § 5 Abs. 1 FinStrG ist ein Finanzvergehen nur strafbar, wenn es im Inland begangen worden ist.
Gem. Abs. 2 leg. cit. ist ein Finanzstrafverfahren im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der dem Tatbild entsprechende Erfolg im Inland eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen. Wird das Finanzvergehen nicht im Inland, aber im Zollgebiet der Europäischen Union begangen und im Inland entdeckt oder wird es von einem österreichischen Staatsangehörigen im Ausland begangen oder wird es gegenüber einem auf Grund eines zwischenstaatlichen Vertrages im Ausland einschreitenden Organ einer Abgabenbehörde begangen, so gilt es als im Inland begangen.

Gem. § 5 Abs. 2 FinStrG gelten bestimmte im Ausland begangene Finanzvergehen als im Inland begangen, wenn es zumindest im Zollgebiet der Europäischen Union begangen und im Inland entdeckt worden ist.

Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin hat in seiner Selbstanzeige ausgeführt, dass er bei der Einreise in die Europäische Union beim Autobahngrenzübergang Rözse (aus Serbien kommend) 341 Stück Polohemden, ohne diese einem Zollverfahren zuzuführen, und somit unter Verletzung der Gestellungspflicht eingebracht hat.

Dass der Geschäftsführer wusste, dass kommerzielle Waren anlässlich der Einreise in das Zollgebiet zu gestellen und einem Zollverfahren zuzuführen sind, steht fest. Dass er sich zur Tat nur deshalb entschlossen hat, weil ihn der diensthabende Zollbeamte nicht unterstützt habe, erscheint nicht glaubwürdig.

Unabhängig davon, ob die Gestellung vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig unterlassen worden ist, wäre die Tat als im Zollgebiet - in Ungarn - begangen aber im Inland entdeckt, in Österreich strafbar, durch die rechtzeitig erstattete Selbstanzeige aber straffrei.

In Punkt 5. der Arbeitsrichtlinie des BMF ZK-0420, BMF-010313/0193-III/10/2018 vom , wird im Punkt 5. Anwendungsfälle ausgeführt, dass Zollzuwiderhandlungen einer Verwaltungsabgabe gemäß § 41 ZollR-DG iVm § 30 ZollR-DV 2004 nur dann unterliegen, wenn
- kein finanzstrafrechtlicher Tatbestand vorliegt;
- kommerzielle Waren betroffen sind;
- nichtkommerzielle Waren betroffen sind und diese nicht im Hand- oder Reisegepäck durch Privatpersonen befördert werden;
- die Zollzuwiderhandlung im österreichischen Anwendungsgebiet begangen wurde

….

Da die Zollzuwiderhandlung bei der Einreise aus Serbien in Ungarn begangen worden ist, ist das österreichische Sanktionenrecht nicht anwendbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, da der vorliegenden Entscheidung im Zusammenhang mit der Festsetzung einer Verwaltungsabgabe keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 29 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 98 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 5 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 5 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 36 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 30 ZollR-DV 2004, Durchführung des Zollrechts, BGBl. II Nr. 184/2004
§ 35 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5200021.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at