Feststellungsverfahren - fehlender Hinweis gemäß § 101 Abs. 3 zweiter Satz BAO
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***A und B*** als (jeweils) Hälfteeigentümer der Liegenschaften ***L***, vertreten durch Herrn ***X***, ***Adresse X***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2018 beschlossen:
I. Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Hinweis: Mit der Zustellung dieser Entscheidung an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) als vollzogen (§ 101 Abs 3 zweiter Satz BAO).
Begründung
1. Festgestellter Sachverhalt:
Mit Bescheid vom stellte das Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von - 1.061,26 Euro, die zu jeweils 50% Herrn ***A*** und Frau ***B*** zugerechnet wurden, fest. Dieser Bescheid ist an "***A & Mitbesitzer***" zu Handen Herrn ***X*** gerichtet und wurde an letzteren zugestellt. Er enthält folgenden Hinweis: "Dieser Bescheid wirkt gegen alle Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs. 3 BAO). Mit der Zustellung dieses Bescheides an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 und 4 BAO)."
Die dagegen erhobene Beschwerde vom wies das Finanzamt mit als Beschwerdevorentscheidung intendierter Erledigung vom als unbegründet ab. Diese Erledigung ist - wie der angefochtene Bescheid - an "***A & Mitbesitzer***" zu Handen Herrn ***X*** gerichtet und wurde an letzteren zugestellt. Sie enthält jedoch - anders als der angefochtene Bescheid - keinen Hinweis im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO.
Am wurde über FinanzOnline ein Vorlageantrag eingebracht, woraufhin das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorlegte.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt entstammt den im Zuge der Beschwerdevorlage vorgelegten Unterlagen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung):
Gemäß § 191 Abs 1 lit c BAO ergeht ein Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Gemäß § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw nicht zugerechnet werden.
Erledigungen werden gemäß § 97 Abs 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind.
Damit ein Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs 1 BAO zugestellt sein oder als zugestellt gelten (vgl etwa ).
§ 101 Abs 3 BAO erlaubt eine vereinfachte Zustellung an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft durch Zustellung an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird (vgl etwa ; ). Die Wirksamkeit eines Feststellungsbescheides tritt somit in diesem Fall nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein:
1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs 1 lit c BAO iVm § 93 Abs 2 BAO),
2. der Bescheid muss seinem Adressaten (im Wege eines Vertreters nach § 81 BAO) zugestellt sein und
3. der Bescheid muss allen Personen, denen (gemeinschaftliche) Einkünfte zugerechnet werden, kraft Zustellfiktion als zugestellt gelten (§ 97 Abs 1 BAO iVm § 101 Abs 3 BAO).
Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen würde dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens widersprechen und steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen (vgl etwa ).
Von der Zustellfiktion des § 101 Abs 3 BAO muss die Behörde allerdings nicht zwingend Gebrauch machen; an die Personengemeinschaft gerichtete Bescheide können wirksam auch dadurch zugestellt werden, dass sie sämtlichen Mitgliedern der Personengemeinschaft zugestellt werden (vgl etwa ; ).
Im vorliegenden Fall richtet sich die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung vom an "***A & Mitbesitzer***" zu Handen Herrn ***X***, an den sie auch zugestellt wurde. Sie enthält jedoch - anders als der angefochtene Bescheid - keinen Hinweis im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO.
Mangels eines derartigen Hinweises in der als Beschwerdevorentscheidung intendierten Erledigung ist im vorliegenden Fall die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO gegenüber den Personen, denen Einkünfte zugerechnet werden sollen, nicht eingetreten. Die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung erlangte damit im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO insgesamt keine Rechtswirksamkeit (vgl insb ; siehe auch ).
Da die als Beschwerdevorentscheidung intendierte Erledigung keinen wirksamen Bescheid darstellt, war der dagegen erhobene Vorlageantrag vom , wie im Spruch ersichtlich, gemäß § 264 Abs 4 lit e BAO iVm § 260 Abs 1 lit a BAO als unzulässig zurückzuweisen (vgl ; siehe weiters ).
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob das Finanzamt (Graz-Stadt) zur Durchführung des Feststellungsverfahrens im Hinblick auf die in Wien gelegene Wohnung vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom bzw der als Beschwerdevorentscheidung intendierten Erledigung vom (noch) maßgeblichen § 22 AVOG 2010 (Zuständigkeit des Lagefinanzamtes für die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens), der - als Folge der Neuorganisation der österreichischen Finanzverwaltung - mit außer Kraft getreten ist (vgl § 33 AVOG 2010 idF BGBl I 23/2020), überhaupt zuständig war.
Gemäß § 264 Abs 4 lit f BAO iVm § 274 Abs 3 Z 1 BAO iVm § 274 Abs 5 BAO kann im Fall der Zurückweisung des Vorlageantrages von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist im vorliegenden Fall verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 81 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. f BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 AVOG 2010, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100875.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at