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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 24.01.2022, RV/7102939/2021

Stundungsansuchen, Frage der Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages, wenn der Rückschein zur BVE mangels Angabe des Empfängers samt Anschrift keine unbedenkliche Urkunde darstellt, freie Beweiswürdigung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102939/2021-RS1
Uneingeschränkte Beweiskraft gemäß § 292 ZPO gilt nur für unbedenkliche Urkunden, die keine Mängel oder Fehler aufweisen. Ein Nachweis über die Zustellung, auf dem Name und Anschrift des Empfängers fehlen, stellt keine unbedenkliche öffentliche Urkunde dar (). Allerdings kann der Nachweis über eine gesetzmäßige Zustellung nicht nur durch eine unbedenkliche Urkunde, sondern auch auf andere Weise nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung geführt werden ().

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Bernhart Steuerberatungs GmbH, Albertgasse 35 Tür 15, 1080 Wien, betreffend Antrag vom auf Vorlage der Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Stundungsansuchen gemäß § 212 BAO, beschlossen:

I. Der Vorlageantrag wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt

Mit Ansuchen vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) die Stundung des in Höhe von € 23.782,48 aushaftenden Abgabenrückstandes bis mit der Begründung, dass gegen die offene Forderung aus dem Jahr 2007 fristgerecht am ein Antrag gemäß § 236 BAO auf Stornierung und Abschreibung gestellt worden sei und bis Jahresende mit der Entscheidung über den Antrag gerechnet werde.

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Mit Bescheid vom wies das Finanzamt dieses Ansuchen ab und führte begründend aus, dass das seinem Ansuchen zugrundeliegende Anbringen inzwischen erledigt worden sei, sodass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen weggefallen seien.

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In der dagegen am eingebrachten Beschwerde sowie der mit Schreiben vom nachgereichten Begründung wandte der Bf. ein, dass die Behörde gemäß § 212a Abs. 5 BAO verpflichtet gewesen sei, nach Erledigung des seinerzeitigen Berufungsverfahrens einen Widerruf der Aussetzung der Einhebung bescheidmäßig festzusetzen.

Es liege somit eindeutig ein Gesetzesverstoß der Behörde vor.

In einem sogenannten Zirkelschluss benütze die Behörde ihr eigenes Fehlverhalten als Begründung zur Abweisung des Antrages auf Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung. Der Abgabepflichtige sei zum Zeitpunkt des Eintrittes der Fälligkeit ex lege im Stande gewesen, die Abgabenverbindlichkeit binnen angemessener Frist zu begleichen. Mehr als 10 Jahre später verfüge er bei weitem - vor allem aus persönlichen Gründen - nicht mehr über die Mittel, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Der Abgabepflichtige verfüge zwar über Vermögen, dieses sei aber gebunden.

Er verfüge nur über einen Geschäftsführerbezug, welcher nicht zuletzt wegen der coronabedingten wirtschaftlichen Umstände und der stark rückläufigen Umsätze nicht für die Begleichung der Steuervorschreibungen ausreiche.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass mit Bescheid vom der Antrag auf Nachsicht der Abgabenschulden gemäß § 236 BAO abgewiesen worden sei.

Gemäß § 212 Abs. 1 BAO könne die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kämen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Eindringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet werde. (...)

Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung von Zahlungserleichterungen nach § 212 Abs. 1 BAO sei sowohl die Einbringlichkeit des aushaftenden Betrages als auch das Vorliegen einer erheblichen Härte gegenüber dem Abgabenpflichtigen. Seien alle Voraussetzungen für Zahlungserleichterungen gegeben, so liege die Bewilligung im Ermessen der Behörde. Die Ermessensübung habe sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trete bei Begünstigungstatbeständen ganz allgemein die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber dem Gebot der parteiinitiativen Behauptungs- und Beweispflicht unter vollständiger und wahrheitsgemäßer Offenlegung der Verhältnisse in den Hintergrund (vgl. ; ).

Es habe daher der Abgabepflichtige in seinem Ansuchen die Voraussetzungen für die Zahlungserleichterungen aus eigenem überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen (). Er habe hierbei nicht nur das Vorliegen einer erheblichen Härte glaubhaft zu machen, sondern auch darzulegen, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschuld nicht gefährdet sei.

Im gegenständlichen Fall sei jedoch dieser vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung geforderten Offenlegungs- und Konkretisierungsverpflichtung nicht ausreichend entsprochen worden.

Im Stundungsansuchen habe der Bf. kein Vorbringen zu seiner Einkommens- und Vermögenssituation getätigt. Dies habe sich auf den Hinweis beschränkt, dass gegen die offene Forderung aus dem Jahr 2007 ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO gestellt worden sei und bis Jahresende mit der Entscheidung über den Antrag gerechnet werde. Im Beschwerdeschreiben bzw. in der nachgereichten Begründung zur Beschwerde habe sich das diesbezügliche Vorbringen des Bf. in dem Hinweis erschöpft, dass er mehr als 10 Jahre nach Eintritt der Fälligkeit - vor allem aus persönlichen Gründen - nicht mehr über die Mittel verfüge, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Bf. verfüge zwar über Vermögen, dieses sei aber gebunden. Weiters verfüge er nur über einen Geschäftsführerbezug, welcher nicht zuletzt wegen der coronabedingten wirtschaftlichen Umstände und der stark rückläufigen Umsätze nicht für die Begleichung der Steuervorschreibung ausreiche. Mit dem Vorbringen, die Behörde sei gemäß § 212a Abs. 5 BAO verpflichtet gewesen, nach Erledigung des seinerzeitigen Berufungsverfahrens einen Widerruf der Aussetzung der Einhebung (Anm.: gemeint wohl "Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung") bescheidmäßig festzusetzen, weshalb ein Gesetzesverstoß der Behörde vorliege, werde ebenfalls keine erhebliche Härte iSd § 212 Abs. 1 BAO dargetan.

Ein konkretes Vorbringen, warum eine erhebliche Härte vorliege bzw. weshalb die Einbringlichkeit der Abgabenschuld nicht gefährdet sei, sei vom Bf. nicht erstattet worden. Die Ermittlungspflicht der Behörde habe ihre Grenzen, wenn wie im vorliegenden Fall das Vorliegen einer erheblichen Härte im erstinstanzlichen Verfahren lediglich unsubstantiiert behauptet werde, weil erst ein konkretes Vorbringen des Abgabepflichtigen, aus welchen Gründen die sofortige Abgabeneinhebung für ihn mit einer erheblichen Härte verbunden wäre, die Abgabenbehörde in die Lage versetze, das Vorbringen auf seine Stichhaltigkeit hin zu überprüfen und kontrollierend ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht gemäß § 115 Abs. 1 BAO zu entsprechen ().

Vielmehr werde mit dem vorliegenden Stundungsansuchen lediglich der Zweck verfolgt, die Rechtsfolgen einer Entscheidung hinauszuschieben, weil im Rahmen eines Nachsichtsansuchens kein Recht auf Stellung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bestehe. Der Umstand, dass ein Nachsichtsansuchen noch unerledigt sei, stelle für sich allein aber noch keinen Grund zur Stundung des betreffenden Betrages dar (siehe ).

Im beschwerdegegenständlichen Fall komme noch hinzu, dass die Stundung mit dem Nachsichtsantrag begründet worden sei und laut Bf. bis Jahresende mit der Entscheidung über den Antrag gerechnet werde, dieser Antrag aber bereits vor Beschwerdeerhebung mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen worden sei.

Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen könne der Gewährung der beantragten Zahlungserleichterungen somit nicht entsprochen werden.

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Mit Schreiben vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und wiederholte sein bisheriges Beschwerdevorbringen.

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Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wurde eingewendet, dass die Beschwerdevorentscheidung vom nicht wie im Vorlageantrag behauptet am , sondern bereits am zugestellt worden sei. Diesbezüglich dürfe auf den RSb-Rückschein verwiesen werden, der als Übernahmebestätigung des "Verf 35, Verf 40 vom N-1" den ausweise (Datum laut Zustellnachweis nach § 22 ZustG).

Der Rückschein sei ein Zustellnachweis nach § 22 Zustellgesetz und eine öffentliche Urkunde. Es sei davon auszugehen, dass der vorliegende (eingescannte) Zustellnachweis, unbedenklich in der äußeren Form, in der vorliegenden Sache auch den Beweis der Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Zustellvorganges begründe. Damit sei das schriftliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag, wonach ihm das Schriftstück erst am zugestellt worden sei, widerlegt.

Nach § 264 Abs. 1 BAO betrage die Frist für die Einbringung eines Vorlageantrages einen Monat. Die Frist habe somit am (Montag) geendet. Der Vorlageantrag, datiert mit , eingelangt am , sei somit als verspätet zu werten und nach § 260 BAO Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die steuerliche Vertretung des Bf. um Vorlage geeigneter Nachweise, aus denen die jeweiligen Eingänge des Bescheides vom sowie der Beschwerdevorentscheidung vom ersichtlich seien.

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In Beantwortung des Ersuchens übermittelte die Steuerberatungskanzlei am die gewünschten Dokumente mit den Posteingangsstempeln vom (Bescheid vom ) sowie vom (Beschwerdevorentscheidung vom ).

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Mit Vorhalt vom brachte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt den auf der Beschwerdevorentscheidung vom ersichtlichen Eingangsstempel mit dem Datum zur Kenntnis. Da dieses Eingangsdatum nicht mit dem auf dem Rückschein befindlichen Übernahmedatum übereinstimme, werde um Stellungnahme ersucht.

Informativ werde darauf hingewiesen, dass der Rückschein mangels Angabe von Empfänger und Anschrift keine unbedenkliche öffentliche Urkunde darstelle (), er somit lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Frage der Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages herangezogen werden könne ().

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Mit weiterem Vorhalt vom wurde dem Bf. der vom Finanzamt vorgelegte Rückschein mit dem Übernahmedatum zur Kenntnis gebracht. Da dieses Übernahmedatum nicht mit dem auf der von ihm übermittelten Beschwerdevorentscheidung befindlichen Eingangsdatum übereinstimme, werde er ersucht, dazu Stellung zu nehmen.

Informativ werde darauf hingewiesen, dass der Rückschein mangels Angabe von Empfänger und Anschrift keine unbedenkliche öffentliche Urkunde darstelle (), er somit lediglich im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Frage der Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages herangezogen werden könne ().

Da darauf folgende Vermerke des Finanzamtes enthalten seien:

  • P-1, FB (Anm.: Fachbereichsleiter in der Dienststelle Weinviertel); Verf 35 (Anm.: Zurückweisungsbescheid), Verf 40 (Anm.: Beschwerdevorentscheidung) vom ; N-1 (Anm.: Steuernummer)

und sich im Bereich der Übernahmebestätigung

  • das Datum , ein Kreuz im Feld Arbeitgeber/in bzw. Arbeitnehmer/in sowie eine unleserliche Unterschrift

befänden und darüber hinaus die Zustellung vom Zustellorgan mit einem Rundstempel beurkundet worden sei, der Folgendes aufweise:

  • Zustellbasis 1090 Wien (Anm.: zuständig auch für 1080 Wien), das Zustelldatum sowie eine unleserliche Unterschrift,

lägen im Rahmen der freien Beweiswürdigung erhebliche Anhaltspunkte für den als Zeitpunkt der Zustellung der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung, weshalb der am eingebrachte Vorlageantrag nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes verspätet wäre.

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In Beantwortung des Vorhaltes führte das Finanzamt mit Schreiben vom aus, dass im Gegensatz zu dem angeführten VwGH-Erkenntnis vom , 83/07/0323, die Angabe der Steuernummer "N-1" eine zweifelsfreie Identifizierung des Abgabepflichtigen ermögliche. Ebenfalls seien die zugestellten Dokumente mit Angabe von "Verf 35" und "Verf 40 v. " eindeutig zuzuordnen.

Auch das Übernahmedatum vom "", die Übernahme durch den/die "Arbeitgeber/in bzw. Arbeitnehmer/in" und die "Zustellbasis Wien 1090" sprächen dafür, dass es einerseits dem steuerlichen Vertreter zugestellt worden und andererseits die Zustellung am erfolgt sei. Das Zustelldatum stehe nach Ansicht der Abgabenbehörde zweifelsfrei fest, weise doch der Stempel der Zustellbasis Wien auch den "" auf. Ein Verschreiben der Datumsangabe durch das Zustellorgan scheide damit aus.

Die zuständige Zustellbasis für die Zustellung an die Adresse "Albertgasse 35/15, 1080 Wien" sei die Zustellbasis 1090 Wien - siehe dazu zwei weitere Rückscheine, die ebenfalls an die steuerliche Vertretung des Abgabepflichtigen gegangen seien und die Zustellbasis 1090 Wien aufgewiesen hätten. Auch hier sei die Übernahme von "Arbeitgeber/in bzw. Arbeitnehmer/in" angekreuzt worden.

Es sei dem BFG zwar zuzustimmen, dass der Zustellnachweis die Anschrift des Abgabepflichtigen nicht angebe und damit offenbar nicht den Anforderungen einer unbedenklichen öffentlichen Urkunde entspreche. Anhand der beiden zugestellten Dokumente sei aber ersichtlich, dass das Finanzamt die in den Grunddaten eingespeicherte Zustelladresse "Bf., zHd. Bernhard Steuerberatungs GmbH, Albertgasse 35/15, 1080 Wien" gewählt habe. Auch habe es Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen des Vorlageantrages, dass der RSb-Brief eventuell zunächst falsch zugestellt worden sei, nicht gegeben.

Auffallend sei auch, dass die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid betreffend Zahlungserleichterungen keine Informationen betreffend Zustellung enthalte. Im Vorlageantrag vom werde demgegenüber auf die Zustellung explizit Bezug genommen.

Nach Auffassung des Finanzamtes könne nur mit Anbringen eines Eingangsstempels durch die Steuerberatungskanzlei die Unrichtigkeit des am Rückschein eingetragenen Zustelldatums nicht dargetan werden. Diesbezüglich sei auch anzumerken, dass am zweiten Dokument (Verf 35 - Zurückweisungsbescheid) ein Eingangsstempel fehle. Die Steuerberatungskanzlei müsste vielmehr das übernommene Kuvert des RSb-Briefes vorlegen, welches auch den Empfänger und die Anschrift ausdrücklich enthalte, um das falsche Zustelldatum zu beweisen.

Die Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände führe daher zum Ergebnis, dass keine Zweifel daran bestehen könnten, dass die angefochtene Beschwerdevorentscheidung vom mit dem erwähnten RSb-Brief am zugestellt worden sei. Dieses Datum sei demnach auch maßgeblich für die Beurteilung des Beginnes des Laufes und folglich auch des Ablaufes der Vorlageantragsfrist.

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Mit Schreiben vom übermittelte die Steuerberatungskanzlei des Bf. einen Screenshot ihres Abspeichersystems, auf dem zu ersehen sei, dass der Bescheid am abgespeichert worden sei. Da aufgrund ihrer Vorgaben der Kanzleiorganisation, dass eingegangene Schriftstücke am Tag des Eingehens gespeichert würden, sei ihr die Diskrepanz zum nicht erklärbar. Sie ersuche daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung den als Zustelldatum anzuerkennen.

Beweiswürdigung, Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 22 Abs. 1 ZustG ist die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.

Da die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung laut Rückschein bereits am erfolgte, der Vorlageantrag jedoch erst am eingebracht wurde, waren von Amts wegen Feststellungen zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages zu treffen.

Dazu war der vom Finanzamt vorgelegte Rückschein einer Überprüfung zu unterziehen. Folgende Vermerke des Finanzamtes sind darauf enthalten:

  • P-1, FB (Anm.: Fachbereichsleiter in der Dienststelle Weinviertel); Verf 35 (Anm.: Zurückweisungsbescheid), Verf 40 (Anm.: Beschwerdevorentscheidung) vom ; N-1 (Anm.: Steuernummer).

Im Bereich der Übernahmebestätigung befinden sich

  • das Datum , ein Kreuz im Feld Arbeitgeber/in bzw. Arbeitnehmer/in sowie eine unleserliche Unterschrift.

Schließlich wurde die Zustellung vom Zustellorgan mit einem Rundstempel beurkundet, der Folgendes aufweist:

  • Zustellbasis 1090 Wien (Anm.: zuständig auch für 1080 Wien), das Zustelldatum sowie eine unleserliche Unterschrift.

Freigeblieben ist der für die Angabe des Empfängers sowie der Anschrift vorgesehene Bereich.

Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes, dass die Anführung von Empfänger und Anschrift aufgrund der Angabe der Steuernummer nicht erforderlich sei, judizieren der Oberste Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof Folgendes:

Der Rückschein ist von der Zustellbehörde auszustellen; hiebei ist auf dem Rückschein der Empfänger und die Abgabestelle anzugeben, sodass der Zusteller auch an die auf dem Rückschein bezeichnete Abgabestelle gebunden ist, zumal er als Organ der Behörde, in deren Namen das Schriftstück zugestellt werden soll, gilt (; ).

Die Vorschrift des § 296 ZPO gilt auch für öffentliche Urkunden; die Regel über die Beweiskraft gemäß § 292 ZPO gilt somit uneingeschränkt nur für unbedenkliche Urkunden, also Urkunden, die keine äußeren Mängel und Fehler aufweisen. Ein Nachweis über die Zustellung, auf dem Name und Anschrift des Empfängers fehlen, stellt keine unbedenkliche öffentliche Urkunde dar (vgl. ).

Allerdings kann der Nachweis über eine gesetzmäßige Zustellung nicht nur durch einen ordnungsgemäßen Zustellnachweis iSd § 22 ZustG, sondern auch auf andere Weise nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung geführt werden (vgl. ).

Dabei ist dem Finanzamt zuzustimmen, dass die Angaben der Steuernummer sowie der Vermerke "Verf 35" und "Verf 40" vom "" auf dem Rückschein zweifelsfrei auf die Zustellung des Zurückweisungsbescheides betreffend einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung sowie der Beschwerdevorentscheidung betreffend das gegenständliche Stundungsansuchen, beide Bescheide vom , schließen lassen.

Auch das Zustelldatum steht unzweifelhaft fest, da sowohl das Datum der Übernahme durch den "Arbeitgeber/in bzw. Arbeitnehmer/in" als auch der Stempel der für den Wiener 8. Bezirk (Zustelladresse der steuerlichen Vertretung des Bf.) zuständigen Zustellbasis 1090 Wien den "" bzw. "-9.-9.21-16" aufweist.

Daran vermögen auch der von der steuerlichen Vertretung vorgelegte, auf der erhaltenen Beschwerdevorentscheidung befindliche Eingangsstempel mit dem Datum "" sowie der übermittelte Screenshot des Abspeichersystems mit den Vermerken "Abgelegt … ", "Geändert … " und "BVE: Abweisung Beschwerde gg Bescheid betr. Abweisung ZE-A …" nichts zu ändern, weil diesen Angaben deshalb wenig Aussagekraft zukommt, da zum Einen auf dem ebenfalls übermittelten Bescheid vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung ein Eingangsstempel zur Gänze fehlt und andererseits auf dem vorgelegten Bescheid vom ein Stempel mit dem Eingangsdatum "", hingegen auf dem Screenshot die Daten "Abgelegt … ", "Geändert … " und "Bescheid Abweisung ZE-Ansuchen 2021" aufscheinen. Weiters lässt sich auch aus den Einträgen im Speichersystem "Abgelegt … ", "Geändert … " und "Zurückweisungsbescheid betr. Antrag auf Aussetzung der Einheb …" nicht einmal annähernd der jedenfalls im September 2021 (gemeinsam mit der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung) erfolgte Zustellungszeitpunkt ableiten.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung liegen daher erhebliche Anhaltspunkte für den als Zeitpunkt der Zustellung der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung vor.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden gemäß § 108 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates.

Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 108 Abs. 3 BAO durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist § 260 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die Bescheidbeschwerde ist gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Da die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung vom am zugestellt wurde, endete gemäß § 264 Abs. 1 BAO iVm § 108 Abs. 2 und 3 BAO die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages am (der war ein Samstag), weshalb der am eingebrachte Vorlageantrag verspätet und daher gemäß § 278 BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. b BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO mit Beschluss zurückzuweisen war.

Informativ wird mitgeteilt, dass sich auch im Falle der Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages für den Bf. nichts gewinnen ließe, da die Stundung lediglich bis beantragt war, jedoch die Bewilligung von Zahlungserleichterungen über den beantragten Rahmen (zB zeitlichen Rahmen bei einem Stundungsansuchen) nicht hinausgehen hätte dürfen. Da eine Stundung lediglich ex nunc wirkt, hätte nach Verstreichen des Termins, bis zu welchem ein Abgabepflichtiger die Stundung begehrt hat, die vom Abgabepflichtigen begehrte Stundung ohnehin nicht mehr (rückwirkend) bewilligt werden können ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, da lediglich Sachverhaltselemente strittig waren.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 22 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 108 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102939.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at