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Aufschiebende Wirkung – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.01.2022, AW/7100005/2022

Beschluss - Aufschiebende Wirkung

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über den Antrag der Revisionswerberin Rw., als ehemalige Geschäftsführerin der XY GmbH, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, 1090 Wien, Berggasse 10/14, vom , der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100350/2014, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006 erhobenen außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 30a Abs. 3 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 25a Abs. 2 Z 1 VwGG) oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (§ 88a Abs. 2 VfGG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang:

Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom , RV/7100350/2014, der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 teilweise Folge gegeben.

Mit der außerordentlichen Revision vom beantragte die Revisionswerberin, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und brachte hierzu i.w. vor, sie habe eine Zahlungsverpflichtung iHv ca. EUR 98.500,00. Wie aus dem Beschluss des BFG, VH/7100007/2019, ersichtlich, stehe ihr ein freies Einkommen von ca. EUR 400,00 pro Monat zur Verfügung. Gemäß zit. Beschluss habe sie keine Sorgepflichten, aber auch kein Vermögen; sie müsse den vom BFG errechneten Überschuss auch für die Vertretungskosten verwenden, da ihr keine Verfahrenshilfe gewährt worden sei. Nunmehr betrage der Überschuss ca. EUR 430,00 pro Monat, da ihr monatliches Einkommen inkl. Sonderzahlungen nunmehr ca. EUR 1.750,00 betrage. Die bisherigen Vertretungskosten würden ca. EUR 21.600,00 betragen, was nur durch Ratenzahlungen möglich sei.
Sie verweise auch auf ihr Alter (geb. 1946) und ihren Gesundheitszustand.
Derzeit müsse sie die ihr verbleibenden Überschüsse für die Verfahrenskosten zahlen; ihr Antrag auf Verfahrenshilfe sei vom BFG abgewiesen worden, was vom VwGH mit Entscheidung vom , Ra 2019/13/0107, bestätigt worden sei.
Somit würde die sofortige Entrichtung des Abgabenrückstands ihr wirtschaftliches Fortkommen ernstlich gefährden.

Das FA sprach sich gegen den Antrag aus, u.a. deswegen, da die Abgabenbehörde bei dem festgestellten Sachverhalt (Antragstellerin Geschäftsführerin bei 43 verschiedenen Gesellschaften, Antrag auf Verfahrenshilfe, Steuerberatungskosten bis dato ca. € 20.000,-, Vorliegen eines standesgemäßen Unterhaltes) bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung weder notwendige Sicherheiten erwerben noch auf laufende Einkünfte der Geldschuldnerin und auch nicht auf neu auftauchende, bzw. der Schuldnerin zufallende Vermögenswerte greifen könnte. Dies könne zum endgültigen Forderungsverlust des Abgabengläubigers führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerprechen würde.

Erwägungen:

Einleitend ist festzuhalten, dass das BFG nach dem Erkenntnis des , gemäß § 30 VwGG im Fall einer Revision bis zur Vorlage der Revision an den VwGH zur Entscheidung über Anträge auf die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung zuständig ist. § 30a Abs. 3 VwGG iVm § 30a Abs 7 VwGG bedeutet nicht, dass das BFG im Fall der außerordentlichen Revision über einen derartigen Antrag nicht entscheiden darf (muss), es entfällt lediglich die Verpflichtung zu einer unverzüglichen Entscheidung.

§ 30 Abs. 1 und 2 VwGG lauten auszugsweise:
"(1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. ...
(2) Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. ..."

Die aufschiebende Wirkung ist daher auf Antrag zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für die Revisionswerberin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Bejahung eines zwingenden öffentlichen Interesses allein steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen ().

Beide Voraussetzungen müssen zusammen vorliegen. Die Revisionswerberin muss bereits im Antrag den unverhältnismäßigen Nachteil behaupten und durch konkrete Angaben erhärten (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht 10 (2014) Rz 1378). Der Nachteil, der der Revisionswerberin droht, muss unverhältnismäßig und schon während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu erwarten sein (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, aaO, Rz 1380 in /2015).

Die Revisionswerberin hat in ihrem Antrag zu konkretisieren, worin für sie der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl den Beschluss eines verstärkten Senates des Slg Nr 10.381/A).

Die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils aus der Verpflichtung zu einer Geldleistung ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch zahlenmäßige Angaben über die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu konkretisieren. Erst die ausreichende und zudem glaubhaft dargetane Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessensabwägung (vgl. zB ).

Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kommt - nach dem vorstehend Gesagten - nur zur Abwendung eines unverhältnismäßigen Nachteils in Betracht. Ein Nachteil, der im Falle des Prozesserfolges vor dem VwGH ohne weiteres in Geld ausgeglichen werden kann, ist - vor dem Hintergrund der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, die einstweilige Vollstreckung von Bescheiden während des Beschwerdeverfahrens im Prinzip zuzulassen - nicht unverhältnismäßig.

Der Vertreter der Revisionswerberin behauptet das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Revisionswerberin können, den Ausführungen der Revisionswerberin folgend, dem Verfahren betreffend Antrag auf Verfahrenshilfe, VH/7100007/2019 (Ra 2019/13/0107) entnommen werden und wird insoweit darauf verwiesen. Die zwischenzeitig eingetretenen (geringfügigen) Änderungen der Einkommensverhältnisse sind nachvollziehbar.

Dem Vorbringen ist allerdings nicht entnehmbar, dass eine - im Falle der Berechtigung der Revision bloß vorübergehende - Belastung der Revisionswerberin durch den Vollzug des Erkenntnisses trotz der Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Zahlungserleichterungen und allenfalls einer Fremdfinanzierung nach der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der Revisionswerberin mit einem unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG verbunden wäre (vgl zB mwN).

Nach der Judikatur ist auch die Notwendigkeit, die Zahlung eines mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Geldbetrages über Kredite zu finanzieren, für sich allein kein hinreichender Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (vgl zB ; ; ; ; ; ).

Worin konkret der unverhältnismäßige Nachteil liegt, wird von der Revisionswerberin nicht dargetan. Die Ausführung, ihr wirtschaftliches Fortkommen sei durch die sofortige Entrichtung des Abgabenrückstandes ernstlich gefährdet, stellt iSd Judikatur keinen konkreten, unverhältnismäßigen Nachteil dar.

Im Falle der Auferlegung von Geldleistungen sind nämlich u.a. Angaben dazu erforderlich, welcher Vermögensschaden durch welche Maßnahme droht und inwiefern dieser Schaden im Hinblick auf die sonstigen Vermögensumstände der Revisionswerberin unverhältnismäßig ist. Es ist also zu konkretisieren, worin für den Antragsteller der unverhältnismäßige Nachteil bei Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses, das heißt bei der zwangsweisen Einbringung der auferlegten Geldleistung, gelegen wäre (vgl ; , ).

Die Rvisionswerberin verzeichnet im gegenständlichen Antrag keine Vermögensgegenstände oder Einkünfte, deren Pfändung und Verwertung einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen könnten. Im Falle des Obsiegens steht generell zur Rückzahlung zwangsweise eingebrachter Beträge die Antragsmöglichkeit nach § 241 Abs 1 BAO offen (vgl ).

Im gegenständlichen Fall konnte somit ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Revisionswerberin nicht dargetan werden.

Sollte die Einbringlichkeit der Abgaben wegen der wirtschaftlichen Lage der Revisionswerberin gefährdet sein, würden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen. Würde bei wirtschaftlichen Verhältnissen des Geldschuldners, welche die Abstattung des strittigen Betrages offenbar nicht zulassen, die aufschiebende Wirkung zuerkannt, so könnte die Behörde weder notwendige Sicherheiten erwerben noch auf laufende Einkünfte und auf allenfalls neu hervorkommendes Einkommen greifen. Dies kann zu endgültigen Forderungsverlusten des betreffenden Rechtsträgers führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerspricht (vgl ; , ).

Aus den dargelegten Gründen konnte dem Antrag nicht stattgegeben werden.

Rechtsbelehrung und Hinweise

Gegen Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 3 VwGG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 25a Abs. 2 Z 1 VwGG) oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (§ 88a Abs. 2 VfGG) nicht zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof kann ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß § 30 Abs. 2 VwGG von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 30 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 30 Abs. 1 und 2 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 30a Abs. 3 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise












BFG, VH/7100007/2019
/2015
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:AW.7100005.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at