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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.01.2022, RV/3100703/2018

Besteuerung der Abfertigung eines italienischen Arbeitgebers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen den von der belangten Behörde ***FA***, nunmehr Finanzamt Österreich, am ausgefertigten Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 zu Recht erkannt:

  1. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruchs dieses Erkenntnisses.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Einkommensteuer für das Jahr 2014 mit € 51.165,00 festgesetzt.

2. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben. Im angefochtenen Bescheid seien die erklärten ausländischen Abfertigungszahlungen nicht dem festen Steuersatz gemäß § 67 EStG 1988 unterzogen worden mit der Begründung, dass mit dem seit neugeschaffenen Regime der Mitarbeitervorsorgekasse ein neues Abfertigungsmodell für alle in Österreich tätigen Arbeitnehmer, die seit dem in ein Beschäftigungsverhältnis eintreten oder eingetreten seien, nicht bestünde, wofür keine Abfertigungsverpflichtung des Arbeitgebers mehr existiere. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch nicht um ein Beschäftigungsverhältnis in Österreich, sondern um ein Beschäftigungsverhältnis in Italien, sodass das ausschließlich für Österreich anzuwendende Regime der Mitarbeitervorsorgekasse nicht anwendbar sei. Gemäß Art. 2120 Codice Civile (BGB) habe in jedem Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfertigung. Weiters sei in dem für den Berufungswerber anzuwendenden Kollektivvertrag der Metallindustrie in Art. 5 normiert, dass bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Betrieb dem Arbeitnehmer eine Abfertigung zu bezahlten habe, die gemäß Art. 2120 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Codice Civile) und Gesetz Nr. 297 vom sowie lt. Legislativdekret Nr. 252 vom und nachfolgenden Abänderungen berechnet werde. Im vorliegenden Fall handle es sich somit eindeutig um eine gesetzliche Abfertigung, worauf der besondere Steuersatz gemäß § 67 EStG 1988 anzuwenden sei.

3. Die belangte Behörde hat mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung den angefochtenen Bescheid abgeändert und die Einkommensteuer für das Jahr 2014 mit € 56.841,00 festgesetzt.

3.1. Von der Abgabenbehörde sei mittels Vorhalt vom ersucht worden, alle Jahreslohnabrechnungen vorzulegen. Auf die Rechtsansicht sei hingewiesen worden, dass eine begünstigte Besteuerung der Abfertigung nur insoweit zulässig sei, als diese der Höhe nach einer Abfertigung eines österreichischen Arbeitgebers entspreche. Vom steuerlichen Vertreter seien daraufhin Steuerbescheinigungen für die Jahre 2007 bis 2014 vorgelegt worden. Die Rechtsansicht des Finanzamtes sei in der Beantwortung des Vorhalts nicht kommentiert worden. Auch in einem Telefongespräch mit der steuerlichen Vertretung am sei die Thematik noch einmal angesprochen worden. Vom steuerlichen Vertreter sei aber nur festgestellt worden, dass eine Abfertigung vorliege, was aus seiner Sicht eine begünstigte Besteuerung auslöse.

3.2. Nach § 67 Abs. 3 EStG 1988 liege eine Abfertigung nur dann vor, wenn diese auf Grund eines österreichischen Gesetzes, eines österreichischen Kollektivvertrages etc. ausbezahlt werde. Die Interpretation des steuerlichen Vertreters, dass es für die Anwendung des § 67 Abs. 3 EStG 1988 ausreiche, eine Abfertigung auf Grund irgendeiner ausländischen gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Norm zu erhalten, werde vom Finanzamt nicht geteilt und gehe über die Intention des österreichischen Gesetzgebers hinaus. Dies sei vom UFS Feldkirch in seiner Entscheidung vom , RV/0286-F11, in Zusammenhang mit der Bestimmung des § 68 Abs. 5 EStG 1988 im Verhältnis zur Schweiz auch eindeutig klargestellt worden.

3.3. Bei der Anwendung von begünstigenden Bestimmungen sei grundsätzlich ein inländischer Arbeitgeber notwendig. Gleichzeitig dürfe in diesen Fällen das Unionsrecht nicht außer Acht gelassen werden, das eine Diskriminierung untersage, um die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu gewährleisten. Wäre der Steuerpflichtige bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt gewesen, hätte er die begünstigte Besteuerung in Anspruch nehmen können.

3.4. Im Beschwerdefall müsse der Beschwerdeführer also einem bei einem österreichischen Arbeitgeber tätigen Arbeitnehmer gleichgestellt werden. Dies bedeute aber gleichzeitig, dass es zu keiner Besserstellung kommen dürfe. Nachdem für ab dem abgeschlossene Arbeitsverhältnisse das System der Abfertigung neu (Beträge in Höhe von 1,53% des Bruttolohnes) gilt und der Beschwerdeführer sein Dienstverhältnis beim italienischen Arbeitgeber nach diesem Stichtag begonnen habe, sei die diesbezügliche Bestimmung anzuwenden. Dementsprechend seien die den steuerlichen Bescheinigungen der Jahre 2007 bis 2014 entnommenen Bruttojahreslöhne addiert worden. Dies ergebe - unter Berücksichtigung des beitragsfreien ersten Monats, der im Schätzungswege mit € 6.000,00 angesetzt worden sei - eine Bemessungsgrundlage von 499.195,00 und eine Abfertigung von € 7.637,68, die der begünstigten Besteuerung mit 6% unterzogen worden sei.

3.5. Der vorgelegten Steuerbestätigung des Jahres 2014 sei zu entnehmen, dass die angesammelte Abfertigung € 35.993,62 (und nicht wie im L 17 angeführt € 33.180,13) betragen habe. Diese Summe sei in einen mit 6% zu besteuernden Teil in Höhe von € 7.637,68 und in einen nach dem Tarif zu besteuernden Teil in Höhe von € 28.355,94 aufgeteilt worden.

3.6. Zudem seien im Zuge der Beschwerdeerledigung vom italienischen Arbeitgeber die monatlichen Lohnabrechnungen angefordert und festgestellt worden, dass das übermittelte L 17 nicht richtigerstellt worden sei. Zum Beispiel seien in der Kennziffer 351 Sonderzahlungen in Höhe von € 20.169,00 ausgewiesen worden, obwohl nur eine Sonderzahlung in Höhe von € 1.011,31 ausgezahlt worden sei. Der diesbezügliche Hinweis an den steuerlichen Vertreter sei von diesem damit beatwortet worden, dass das L 17 ungeprüft übernommen und mit der Steuererklärung dem Finanzamt übermittelt worden sei. In der Folge sei vom steuerlichen Vertreter ein - durch den Arbeitgeber - korrigiertes L 17 vorgelegt worden. Dieses entspreche - mit Ausnahme des angeführten Streitpunktes der Abfertigung - den vom Finanzamt ermittelten Zahlen und werde der Beschwerdeerledigung zu Grunde gelegt.

4. Die steuerliche Vertretung hat im Namen und Auftrag des Beschwerdeführers mit Schreiben vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

5. Die belangte Behörde hat mit Bericht vom die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt

Folgende Sachlage ist für das Bundesfinanzgericht entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Der in Österreich wohnhafte Beschwerdeführer war vom bis zum als Grenzgänger bei der italienischen Firma ***1***, ***Adresse1***, beschäftigt.

2. Bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat der Beschwerdeführer von der Arbeitgeberin als einmalige Entschädigung eine bis zu seinem Austritt angereifte Abfertigung in Höhe von € 35.993,62 erhalten. Die Abfertigung wurde entsprechend Art. 5 des Kollektivvertrags des Sektors Metallindustrie berechnet, der diesbezüglich auf die gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (Codice Civile) verweist (Art. 2120 des Bürgerlichen Gesetzbuches und Gesetz Nr. 297 vom sowie das Legislativdekret Nr. 252 vom und nachfolgende Abänderungen).

III. Beweiswürdigung

Die unter Punkt II. dargestellte Sachlage ist nach der Aktenlage erweisen und unbestritten. Die ausbezahlte Abfertigung ist mit der Lohnabrechnung der ***1*** für den Monat März 2014 belegt. Die Berechnung der Abfertigung entsprechend den italienischen kollektivvertraglichen und gesetzlichen Regelungen ist anhand der dem Bundesfinanzgericht mit den Schreiben der steuerlichen Vertretung vom 22. und übermittelten Unterlagen dokumentiert (Auflistung des Arbeitsrechtsberaters ***2*** betreffend die in Italien geregelte Zahlung von Abfertigungen; Auflistung der durch den Beschwerdeführer erworbenen Abfertigungsansprüche für den Zeitraum 2007 bis 2015; Gesetzestext des Artikels 2120 des italienischen Zivilgesetzbuches auf Italienisch mit gegenübergestellter deutsche Übersetzung; Art. V des Kollektivvertrages in italienischer und deutsche Version; CONTRATTO COLLETTIVO NAZIONALE DIE LAVORO per i dipendenti dalle industrie metalmeccaniche e della installazione di impianti). Die Unterlagen wurden der belangten Behörde mit Schreiben vom zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Einwände wurden nicht angebracht.

IV. Rechtliche Beurteilung

1. § 67 Abs. 3 EStG 1988 in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 13/2014 lautet auszugsweise:

Die Lohnsteuer von Abfertigungen, deren Höhe sich nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des laufenden Arbeitslohnes bestimmt, wird so berechnet, daß die auf den laufenden Arbeitslohn entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes von 6% niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigungen mit 6%. Unter Abfertigung ist die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund

- gesetzlicher Vorschriften, Dienstordnungen von Gebietskörperschaften,

- aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,

- eines Kollektivvertrages oder

- der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung

zu leisten ist.

[…]

Die Lohnsteuer von Abfertigungen sowie von Kapitalbeträgen (§§ 55 und 67 BMSVG) aus BV-Kassen beträgt 6%. Wird der Abfertigungsbetrag oder der Kapitalbetrag an ein Versicherungsunternehmen zur Rentenauszahlung, an ein Kreditinstitut zum ausschließlichen Erwerb von Anteilen an einem prämienbegünstigten Pensionsinvestmentfonds (§ 108b in Verbindung mit § 17 BMSVG oder gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften) oder an eine Pensionskasse übertragen, fällt keine Lohnsteuer an. Die Kapitalabfertigung angefallener Renten unterliegt einer Lohnsteuer von 6%. Zusätzliche Abfertigungszahlungen im Sinne dieser Bestimmung für Zeiträume, für die ein Anspruch gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind gemäß Abs. 10 zu versteuern.

2. Das Bundesfinanzgericht ist der Ansicht, dass die strittige Zahlung in Höhe von € 35.993,62 als Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1988 mit 6% zu besteuern ist. Die Abfertigung wurde vom Arbeitgeber als einmalige Entschädigung bei Auflösung des Dienstverhältnisses geleistet, basierend auf den italienischen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regeln (nach Art. 5 des Kollektivvertrags des Sektors Metallindustrie gemäß Art. 2120 des Bürgerlichen Gesetzbuches und Gesetz Nr. 297 vom sowie das Legislativdekret Nr. 252 vom und nachfolgende Abänderungen). Die Höhe der Abfertigung bestimmt sich gemäß Art. 2120 Codice Civile nach einem von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Mehrfachen des Laufenden Arbeitslohnes. Damit sind alle Voraussetzungen für die Besteuerung der Abfertigung mit 6% gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988 erfüllt. Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass eine Abfertigung nur vorliege, wenn diese auf Grund eines österreichischen Gesetzes oder eines österreichischen Kollektivvertrages ausbezahlt werde, teilt das Bundesfinanzgericht nicht. Einer solchen Einschränkung steht schon das allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV entgegen. Die von der belangten Behörde mit der Beschwerdevorentscheidung vorgenommene "Nachversteuerung von Arbeitgeberbeiträgen" kann das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehen, dafür fehlt die gesetzliche Basis. § 26 Z 7 lit d EStG 1988 hat für die Besteuerung einer ausländischen Abfertigung jedenfalls keinerlei Relevanz.

3. Somit war spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern.

V. Bemessungsgrundlagen und Höhe der Abgabe

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Einkommensteuer für das Jahr 2014 betragen:

VI. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage stellt sich im Beschwerdefall nicht, die Voraussetzungen für die Besteuerung einer Abfertigung mit 6% normiert § 67 Abs. 3 EStG 1988 eindeutig. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100703.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at