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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.02.2022, RV/7104296/2015

Großes Pendlerpauschale

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104296/2015-RS1
Ist auf dem weitaus überwiegenden Teil der Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich, so ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Überwindung des Arbeitsweges unter Zugrundelegung einer optimalen Kombination der Verkehrsmittel auch zugemutet werden kann.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***2*** vom bzw. vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2009, 2010 und 2011 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Aus dem Akteninhalt geht Folgendes hervor:

Der Beschwerdeführer (kurz Bf.) erzielte in den Beschwerdejahren wie auch in den Vorjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit in ***3***.

Zufolge der vom Finanzamt durchgeführten Behördenabfrage aus dem Zentralen Melderegister vom scheinen unter anderem folgende Meldedaten auf:


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Adresse
Wohnsitzqualität
Gemeldet seit-bis
***4***
Hauptwohnsitz
-
Adresse
Wohnsitzqualität
Gemeldet seit-bis
***5***
Nebenwohnsitz
-
Adresse
Wohnsitzqualität
Gemeldet seit-bis
***5***
Hauptwohnsitz
-

Der Bf. beantragte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008 unter anderem jeweils das "große" Pendlerpauschale von 2.797,50 € (2007) bzw. 3.151,50 € (2008).

Das Finanzamt versagte mit Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2007 und 2008 vom das "große" Pendlerpauschale mit der Begründung, der Arbeitgeber habe bereits bei der Lohnverrechnung ein Pendlerpauschale berücksichtigt.

Der dagegen erhobenen Berufung vom wurde mit Berufungsentscheidung vom ***6***, ***7***, Folge gegeben und basierend auf den Angaben des Bf., wonach der tägliche Arbeitsweg mit dem Auto von ***8*** nach ***9*** (ca. 18 km/25 Min.), dann mit dem Bus nach ***3*** (ca. 110 km/1 Stunde 15 Min.) und von dort mit der Straßenbahn bzw. zu Fuß in die Firma (ca. 15 km/30 Min) sei, entschieden, dass jeweils das "große" Pendlerpauschale für eine Entfernung von über 60 km zustehe.

Laut den vom Arbeitgeber dem Finanzamt übermittelten Lohnzetteln wurde bei der Bemessung der Lohnsteuer für die Jahre 2009, 2010 und 2011 ein Pendlerpauschale in nachstehender Höhe zum Abzug gebracht:

2009:1.857,00 €
2010: 0,00 €
2011: 0,00 €

Mit Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre vom (2009) und vom berücksichtigte das Finanzamt ein Pendlerpauschale in Höhe von € 1.857,00 (2009 und 2010) und von € 2.016,00 (2011) und führte dazu aus, dass die Fahrtstrecke vom Wohnort zum Arbeitsort (***8***-***3***) mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und zumutbar gewesen sei, weswegen lediglich das kleine Pendlerpauschale gewährt werden könne.

Gegen diese Einkommensteuerbescheide brachte der Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde ein, trug vor, bereits in den Vorjahren gegen die Aberkennung des großen Pendlerpauschale berufen zu haben und verwies auf die stattgebende Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom ***6***.

In er Folge wurde der Bf. mit Ersuchen des Finanzamtes vom um Bekanntgabe der kürzesten befahrbaren einfachen Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. der Wegstrecke bei Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels (Gehweg, Bus ÖBB, …) sowie um Erläuterung der Gründe bei Vorliegen einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Angabe der Normalarbeitszeiten ersucht.

Im Schreiben vom gab der Bf. an, für die Fahrten von seinem ehemaligen Hauptwohnsitz in ***10*** stehe ihm das große Pendlerpauschale zu, sein Wohnsitz befinde sich mittlerweile an der Adresse ***11***, was er auch gemeldet habe. Auch von dieser Adresse aus, stehe ihm das große Pendlerpauschale zu, was am mitgeschickten Ausdruck aus dem Pendlerrechner für 2013 ersichtlich sei.

Aus dem übermittelten und mit datierten Ausdruck der Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros (Formular L34) ergeben sich bezogen auf die Fahrt zwischen der Wohnung in ***11***, ***12***, und der Arbeitsstätte in ***13***, unter anderem folgende Daten:


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Ich lege die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an mehr als 10Tagen im Kalendermonat zurück.
Tag der Abfrage:
Arbeitsbeginn: 07:00 Uhr
Abgefragter Tag:
Arbeitsende: 15:48 Uhr
Das Pendlerpauschale beträgt 3.672 Euro jährlich
Der Pendlereuro beträgt 226,00 Euro jährlich
Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar.
Die schnellste Strecke (Autokilometerangabe) zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beträgt (gerundet)
113 km

Im Ergänzungsersuchen vom , mit dem die Behörde um Darlegung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Angabe von Arbeits- und Fahrzeiten sowie Geh- und Wartezeiten ersuchte, wurde ausgeführt:

"Laut Abfrage beim Verkehrsverbund Ost verkehrt wochentags die Linie ***14*** halbstündlich nach ***3***. Fahrzeit ca. 1 Stunde 20 Minuten. Die innerstädtischen Verkehrsmittel benötigen laut Interne Abfrage ca. 23-29 Minuten von der Ausstiegstelle Verkehrsbüro zum Arbeitsort ***15***. Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt. Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten aber nicht mehr als 2,5 Stunden ist die Benützung de Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so langedauert als die Fahrzeitmit dem KFZ."

Der Bf. vertrat im Antwortschreiben vom die Auffassung, dass es nicht Sache des Steuerpflichtigen sei, die vom Pendlerrechner ermittelten Daten im Detail nachzuweisen.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2009, 2010 und 2011 als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass dem Ersuchen um Darlegung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht nachgekommen und das Ergebnis des Pendlerrechners erst für Folgejahre maßgebend sei.

Der Bf. wendete sich gegen die in der Beschwerdevorentscheidung angestellten Überlegungen mit dem als Vorlageantrag gewerteten Schreiben vom und stellte klar, dass er im Dezember 2009 von seinem ursprünglichen Wohnsitz in ***16***, nach ***17***, übersiedelt sei. Für die Zeiträume vor 2009 habe man ihm in zweiter Instanz Recht gegeben und das "große" Pendlerpauschale gewährt. Betreffend das Jahr 2009 sei diese Entscheidung jedoch ignoriert und erneut wieder das Pendlerpauschale gekürzt worden. Für die Jahre 2010 und 2011 sei der Ausdruck aus dem Pendlerrechner vorgelegt worden, der für die neue Adresse in ***9*** ebenso das "große" Pendlerpauschale wie folgt errechnet habe:

"Ergebnis der Berechnung:

Wohnadresse: ***17***
Arbeitsstättenadresse:
***13***
Datum der Berechnung: Donnerstag,
Arbeitsbeginn: 08:00
Arbeitsende: 16:00
Anzahl der Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte pro Monat: mehr als 10….

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels (öffentliches Verkehrsmittel) ist aufgrund der Fahrzeit mit dem Massenbeförderungsmittel unzumutbar. Es steht daher ein großes Pendlerpauschale für eine Wegstrecke von mehr als 60 km zu…

Berücksichtigte Verbindungen:


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Verbindung
Zeit
km
Fahrzeit/Gehzeit
Öffentliches Verkehrsmittel -Hinfahrt
Verbindung ist nicht zumutbar
05:50 bis 08:00
114,1
130 min
Öffentliches Verkehrsmittel -Rückfahrt
Verbindung ist nicht zumutbar
16:00 bis 18:10
111,8
130 min
Öffentliches Verkehrsmittel mit Park & Ride-Hinfahrt
keine Verbindung gefunden
Öffentliches Verkehrsmittel mit Park & Ride-Rückfahrt
keine Verbindung gefunden
PKW-Hinfahrt
06:35 bis 08:00
111,5
85 min
PKW-Rückfahrt
16:00 bis 17:26
111,3
86 min

Fahrtstrecke PKW von ***17*** nach ***13***: 111,5 km
Fahrtstrecke PKW (gerundet): 112 km

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde vom gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 bis 2011 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Aus der Finanzamtsdatenbank geht hervor, dass für die Folgejahre 2012 bis 2017 (für 2013 im Rechtsmittelweg) jeweils das "große" Pendlerpauschale anerkannt worden ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig ist die Höhe des Pendlerpauschalbetrages im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2009 bis 2011.

Nach § 16 Abs. 1 Z 6 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung angeführt, sind Werbungskosten auch:

"6.Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a)Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.

b)Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von
20 km bis 40 km…630 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 696 Euro Jährlich (2011)
40 km bis 60 km…1.242 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 1.356 Euro Jährlich (2011)
über 60 km…1.857 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 2.016 Euro Jährlich (2011)

c)Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von
2 km bis 20 km…342 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 372 Euro Jährlich (2011)
20 km bis 40 km…1.356 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 1.476 Euro Jährlich (2011)
40 km bis 60 km…2.361 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 2.568 Euro Jährlich (2011)
über 60 km…3.372 Euro jährlich (2009 bis 2010) bzw. 3.672 Euro Jährlich (2011)

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen der lit. b und c abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen…"

Das Bundesfinanzgericht geht auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen von folgendem Sachverhalt aus:

Der bis 2009 in ***16***, und danach in ***17***, wohnhafte Bf. war in den Beschwerdejahren in ***18***, berufstätig. Laut eigenen Angaben in der Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales für das Jahr 2014 und vom Finanzamt nicht in Abrede gestellt, legte der Bf. die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an mehr als 10 Tagen im Kalendermonat zurück. Nicht strittig sind zudem Beginn (7 Uhr) und Ende (15:48 Uhr) der Arbeitszeit und das Ausmaß der Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von über 60 km.

Im Zusammenhang mit dieser Beschäftigung beantragte der Bf. die Zuerkennung des "höchsten Pendlerpauschales" hinsichtlich der Fahrtkosten für die laut eigenen Angaben teils mit öffentlichen Verkehrsmitteln teils mit dem PKW zurückgelegte Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.

Dies setzt aber nach § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 jedenfalls voraus, dass im Lohzahlungszeitraum überwiegend (hier nicht strittig) die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der "halben" Fahrtstrecke nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinne des angeführten Paragraphen zu verstehen ist, ist dem Gesetz zwar nicht zu entnehmen, doch hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/15/0149, einleitend ausgeführt, dass "der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053)."

Wie der Gerichtshof dazu ausdrücklich klargestellt hat, handelt dabei der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann, was grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraussetzt.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen nach weiterer Aussage des VwGH auch die Gesetzesmaterialien zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 (621 BlgNR XVII. GP, 75), die diesbezüglich ausführen:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten im Nahbereich jedenfalls für zumutbar halten. Die in den Erläuterungen getroffenen Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Daraus folgt, dass auch im gegenständlichen Fall für die Beurteilung der Zumutbarkeit ein Vergleich der Fahrzeit zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist.

Kann dabei auf mehr als der halben Fahrtstrecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (KFZ und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen (). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich auf eine optimale Kombination zwischen Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel abzustellen.

Im Beschwerdefall steht fest, dass auf dem weitaus überwiegenden Teil (Linie ***14***) der Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz die Benützung eines Massenverkehrsmittels möglich ist. Ob die Überwindung des Arbeitsweges dem Bf. unter Zugrundelegung einer der optimaler Kombination zwischen öffentlichem Verkehr und Pkw auch zugemutet werden kann, ist nun aufgrund der Fahrzeiten zu prüfen.

Für den Beschwerdezeitraum waren keine historischen Fahrpläne mehr abrufbar, jedoch ist davon auszugehen, dass die derart von Pendlern und Schülern beanspruchte Strecke im Bereich zwischen ***9*** und ***3*** bereits in den Beschwerdejahren über ein ähnlich ausgebautes Verkehrsnetz und damit über ein den heutigen Verhältnissen entsprechendes Verkehrsangebot verfügt hat. Das Bundesfinanzgericht hat die konkrete Wegzeitermittlung für den anzustellenden Fahrzeitenvergleich daher anhand der aktuellen Fahrplanauskünfte vorgenommen.

Demnach ist laut Abfrage der Fahrplandaten bei ***19*** und den ÖBB die in der ***20*** gelegene Arbeitsstätte von der Wohnung des Bf. (2009 in ***8*** und ab 2010 in ***9***) aus unter Berücksichtigung eines Arbeitsbeginnes um 7:00 Uhr jedenfalls nicht unter rund 2 Stunden erreichbar.

Der konkrete Anfahrtsweg sieht dabei so aus:

1)Weg nach ***9*** zur Park & Ride Anlage von ***8*** 25 Minuten (laut Angaben des Bf.) bzw. von ***21*** 15 Minuten (Annahme des BFG).

2)Von Park & Ride ***9*** fährt die Bus-Linie (***14***) Richtung ***3*** bis zum ***22*** in 75 Minuten.

3)Von dort gelangt man mit der ***24*** und schließlich per Fußweg zur ***23*** in rund 30 Minuten.

Unter Einschluss von Wartezeiten von jeweils 10 Minuten ergibt sich für den Arbeitsweg des Bf. in eine Richtung eine Wegzeit von 140 Minuten, d.h. 2, 20 Stunden (ab ***8***) bzw. 130 Minuten, d.h. 2,10 Stunden (ab ***21***).

Laut Routenplaner (www.google.at) ist der Bf . bei Kombination von öffentlichen Verkehrsmitteln und PKW (ebenfalls unter Hinzurechnung einer Wartezeit von 10 Minuten) 2 h 08 Minuten vom ***21*** aus bzw. um 10 Minuten länger von ***8*** aus, somit 2 h 18 Minuten, unterwegs, um rechtzeitig zum Arbeitsbeginn zum Arbeitsplatz zu gelangen.

Mit dem PKW ist der mit einer Entfernung von rund 120 km veranschlagte Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dem Routenplaner zufolge in 79 Minuten (von ***8*** aus) bzw. in 71 Minuten (vom ***21*** aus) zu bewältigen.

Vor dem dargestellten Hintergrund ergibt sich für die Hinfahrt zum Arbeitsplatz eine Gesamtdifferenz zwischen der Fahrzeit unter Zurücklegung der einfachen Wegstrecke mit dem PKW und jener unter Benützung auch von öffentlichen Verkehrsmitteln von jeweils rund 1 Stunde. Damit erfordert das Erreichen des Arbeitsplatzes bei Kombination der Verkehrsmittel im Beschwerdefall rund den zweifachen Zeitaufwand im Vergleich zur Wegzeit mit dem PKW.

Angesichts dieser Relation ist unter Berücksichtigung der angeführten VwGH-Rechtsprechung nach Auffassung des BFG ein Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs nicht zumutbar.

Für die Streitjahre steht daher jeweils das große Pendlerpauschale zu. Die Beschwerde war Folge zu geben.

Ermittlung der Einkommensteuer für 2009, 2010 und 2011

Vor dem dargestellten Hintergrund erfolgt die Festsetzung der Einkommensteuer für den Beschwerdezeitraum wie folgt:

Einkommensteuer für das Jahr 2009

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel
Bezugsauszahlende Stelle …………………………………………stpfl. Bezüge (245)
Arbeitgeber………………............................................................ 33.987,68 €
Pendlerpauschale laut Lohnzettel ........................................... 1.857,00 €
Pendlerpauschale laut Veranlagung ....................................... -3.372,00 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber
nicht berücksichtigen konnte .................................................... -518,39 €

Gesamtbetrag der Einkünfte ...................................................................... 31.954,29 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen,
Wohnraumschaffung und -sanierung, Genuss-Scheine und
junge Aktien (Topf-Sonderausgaben)................................................................... -614,89 €
Kirchenbeitrag …................................................................................................... -172,00 €

Einkommen ................................................................................................. 31.167,40 €

Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
(31.167,40 - 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00 .............................. 7.775,20 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge .............................................................. 7.775,20 €

Verkehrsabsetzbetrag ........................................................................................... -291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag ..................................................................................... -54,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge .......................................................... 7.430,20 €

Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220)
nach Abzug der darauf entfallenen SV-Beiträge (225) und
des Freibetrages von 620 € mit 6 % ........................................................................ 328,94 €

Einkommensteuer ......................................................................................... 7.759,14 €

Anrechenbare Lohnsteuer (260) ........................................................................ -8.894,94 €
Festgesetzte Einkommensteuer……………………………………………………………………-1.135,80 €

Einkommensteuer für das Jahr 2010

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel
Bezugsauszahlende Stelle …………………………………………stpfl. Bezüge (245)
Arbeitgeber………………............................................................ 44.520,00 €
Pendlerpauschale laut Lohnzettel .................................................. 0,00 €
Pendlerpauschale laut Veranlagung ....................................... -3.372,00 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber
nicht berücksichtigen konnte ..................................................... -353,85 €

Gesamtbetrag der Einkünfte ...................................................................... 40.794,15 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen,
Wohnraumschaffung und -sanierung, Genuss-Scheine und
junge Aktien (Topf-Sonderausgaben) eingeschliffen nach folgender Formel:
(60.000,00 - 40.794,15) * ( 688,04 - 60) / 23.600,00 + 60 ................................... -571,10 €
Kirchenbeitrag …................................................................................................... -200,00 €

Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind
gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988.............................................................................. -132,00 €

Einkommen ................................................................................................. 39.891,05 €

Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
(39.891,05 - 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00 ............................ 11.545,06 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge ............................................................ 11.545,06 €

Verkehrsabsetzbetrag ........................................................................................... -291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag ..................................................................................... -54,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge .......................................................... 11.200,06 €

Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220)
nach Abzug der darauf entfallenen SV-Beiträge (225) und
des Freibetrages von 620 € mit 6 % ...................................................................... 418,61 €

Einkommensteuer ....................................................................................... 11.618,67 €

Anrechenbare Lohnsteuer (260) ...................................................................... -13.536,09 €
Festgesetzte Einkommensteuer……………………………………………………………………-1.917,42 €

Einkommensteuer für das Jahr 2011

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel
Bezugsauszahlende Stelle …………………………………………stpfl. Bezüge (245)
Arbeitgeber………………............................................................ 46.199,07 €
Pendlerpauschale laut Lohnzettel .................................................. 0,00 €
Pendlerpauschale laut Veranlagung ....................................... -3.672,00 €
Werbungskosten, die der Arbeitgeber
nicht berücksichtigen konnte ..................................................... -790,53 €

Gesamtbetrag der Einkünfte ...................................................................... 41.736,54 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen,
Wohnraumschaffung und -sanierung, (Topf-Sonderausgaben)
eingeschliffen nach folgender Formel:
(60.000,00 - 41.736,54) * ( 740,81 - 60) / 23.600,00 + 60 ................................... -586,86 €
Kirchenbeitrag …................................................................................................... -200,00 €

Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind
gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988.............................................................................. -220,00 €

Einkommen ................................................................................................. 40.729,68 €

Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
(40.729,68 - 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00 ............................ 11.907,47 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge ............................................................ 11.907,47 €

Alleinverdienerabsetzbetrag ................................................................................. -494,00 €
Verkehrsabsetzbetrag ........................................................................................... -291,00 €
Arbeitnehmerabsetzbetrag ..................................................................................... -54,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge .......................................................... 11.068,47 €

Steuer sonstige Bezüge wie z.B. 13. und 14. Bezug (220)
nach Abzug der darauf entfallenen SV-Beiträge (225) und
des Freibetrages von 620 € mit 6 % ...................................................................... 437,60 €

Einkommensteuer ....................................................................................... 11.506,07 €

Anrechenbare Lohnsteuer (260) ...................................................................... -14.280,65 €
Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988 ....................................................................... -0,42 €

Festgesetzte Einkommensteuer……………………………………………………………………-2.775,00 €

Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung hing in erster Linie von der im Rahmen der Beweiswürdigung vorgenommenen Beurteilung von Tatfragen ab, mit denen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang steht. Im Übrigen wurde nicht von der zur Thematik bereits bestehenden und auch zitierten Rechtsprechung abgewichen.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104296.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at