Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2022, RV/7103531/2021

Antrag auf Stundung uneinbringlicher Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 in der Beschwerdesache X.AG RNF X.GmbH, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Rechtsanwalt RA, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom , Steuernummer xxx, über die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens nach der am in Abwesenheit der Parteien, in Anwesenheit der Schriftführerin S durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.), eine in Liechtenstein ansässige Aktiengesellschaft, ist Rechtsnachfolgerin der österreichischen X.GmbH, die mit dem Verschmelzungsvertrag vom steuerlich rückwirkend per grenzüberschreitend auf die Bf. mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge verschmolzen wurde.
Im an das Finanzamt für Großbetriebe gerichteten Schriftsatz vom beantragte die Bf. gemäß § 236 BAO die Nachsicht der "für die Jahre 2005 bis 2008 vorgeschriebenen und bezahlten ….. Körperschaftsteuer resultierend aus der Korrektur "Key Account" in der Höhe von insgesamt Euro 5.757.866,98, davon bezahlt Euro 3.006.853,29".

Diesem Ansuchen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Im Jahr 1998 verkaufte die X.GmbH einen "Firmenwert" an die liechtensteinische X.AG, wobei dieser Firmenwert mit der "Key-Account"-Tätigkeit der Antragstellerin umschrieben war.
Gleichzeitig schlossen die österreichische X.GmbH und die liechtensteinische X.AG den "Kooperationsvertrag K", wonach die X.AG von der X.GmbH mit der Erstellung eines Werbe- und Marketingkonzepts sowie der Durchführung von Werbe- und Marketingmaßnahmen beauftragt wurde. Die X.GmbH bezahlte für diese Leistungen an die X.AG ein Entgelt in der Höhe von 25% des Umsatzes mit dem Kunden "K".

Im Zuge einer im Dezember 2010 von der Staatsanwaltschaft Feldkirch angeordneten finanzstrafrechtlichen Prüfung gemäß § 99 FinStrG betreffend die Zeiträume 2002 bis 2008 wurde festgestellt, dass der "Kooperationsvertrag K" nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entspreche. Sämtliche Key Account-Leistungen für den Kunden K würden weiterhin von der österreichischen X.GmbH erbracht, sodass ein Betriebsausgabenabzug bei der X.GmbH in der Höhe von 25% des K-Etats nicht zulässig sei.

Mit dem Beschluss vom , Ra 2020/15/0113, wies der Verwaltungsgerichtshof im zweiten Rechtsgang (siehe zuvor ) die Revision der Bf. gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1100190/2018, zurück. Auf die Ausführungen in diesen Entscheidungen wird verwiesen.

Im Schriftsatz vom stellte die Bf. neben dem Antrag auf Nachsicht der aus den nicht anerkannten Leistungen zwischen ihr und der X.GmbH resultierenden Nachforderungen an Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 auch einen Antrag auf Stundung gemäß § 212 BAO und führte aus (Punkt 3. Des Schriftsatzes):

"Die Voraussetzungen für eine Stundung sind gegeben:

3.1. Es liegt eine "erhebliche Härte" vor, weil eine wirtschaftliche Notlage der Antragstellerin damit einherginge: Es sind weder ausreichend flüssige Mittel noch veräußerbares oder belastungsfähiges Vermögen vorhanden.

Grundsätzlich genügt zwar der Umstand, dass ein Nachsichtsansuchen gestellt und noch unerledigt ist, nicht für eine Stundung, im konkreten Fall handelt es sich jedoch bei den Abgabenforderungen um solche, für deren Erfüllung keine Vorsorge getroffen werden konnte, weil sie nicht vorhersehbar waren.

Im Übrigen konterkarierte eine exekutive Einbringlichmachung - die im Übrigen hinsichtlich im Liechtenstein befindlichen Vermögens der Antragstellerin rechtlich gar nicht möglich ist - das zu erwartende Ergebnis des Nachsichtsansuchen, nämlich eine vollständige Gewährung der Nachsicht.

3.2. Eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben bewirkt eine Stundung nicht, weil die Abgaben ohnehin nicht einbringlich gemacht werden können (vgl BFG Wien , GZ. RV/7105846/2015). Mit der Gewährung der Stundung wird daher trotz des Umstandes, dass die Antragstellerin im Ergebnis über kein nennenswertes Vermögen verfügt, die Einbringlichkeit der Abgaben mangels rechtlicher Möglichkeit zur Einbringlichmachung nicht gefährdet.

Die Antragstellerin wiederholt und stellt daher nachstehende

ANTRÄGe

auf

1. Gewährung der Nachsicht für die eingangs beschriebenen Abgaben in der Höhe von Euro5.757.866.98

und

2. Stundung der zu 1. angeführten Abgaben bis zur Rechtskraft des Nachsichtsverfahrens"

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt für Großbetriebe das Ansuchen um Bewilligung einer Zahlungserleichterung in der Höhe von 2.889.789,87 € als unbegründet ab. Die Abgabepflichtige habe die Voraussetzungen für die Bewilligung einer "erheblichen Härte" sowie die Nichtgefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben von sich aus überzeugend darzustellen. Der Abgabenrückstand sei unbesichert. Es sei keine Sicherstellung angeboten worden, weshalb, insbesondere aufgrund der Höhe des Abgabenrückstandes, von einer Gefährdung der Einbringlichkeit auszugehen sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Die Bf. sei in ihrem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht verletzt, dass ihr bei Vorliegen der Voraussetzungen aufgrund eines entsprechenden Antrages die Zahlungserleichterung der Stundung gewährt werde.
Die Bf. beantragte
- den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den Betrag von Euro 2.751.013,69 antragsgemäß zu stunden;
- gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 lit a BAO durch Senat entscheiden;
- gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 lit a BAO eine nicht öffentliche mündliche Verhandlung durchführen.

Begründend wurde ausgeführt:

"3.2.1. Erhebliche Härte

Dazu wurde bereits ausgeführt, dass eine "wirtschaftliche Notlage" und eine finanzielle Bedrängnis vorliegen, weil gleichzeitig weder ausreichend flüssige Mittel, noch veräußerbares oder belastungsfähiges Vermögen vorhanden sind (vgl Ritz, BAO6, § 212 Tz 7 mwN).

Die Bf. konzedierte auch, dass allein der Umstand, dass ein Nachsichtsansuchen noch unerledigt ist, nicht genügt, um eine erhebliche Härte zu begründen. Im konkreten Fall war es jedoch so, dass für diese Abgabennachforderungen unter keinen Umständen Vorsorge getroffen werden konnte, weil sie nicht vorhersehbar waren. Hierzu wird ausdrücklich auf Rz 125f im Nachsichtsansuchen vom verwiesen, wo ausgeführt wird: ….

Diese Abgabennachforderung begründet wie vorstehend ausgeführt eine "erhebliche Härte",weil die Abgabepflichtige (Bf) ihre Pflicht, für die Erfüllung vorhersehbarer Abgabenschulden zeitgerecht und ausreichend vorzusorgen, mit Sicherheit erfüllte. Eine Pflicht, für nicht vorhersehbare Abgabenforderungen vorzusorgen, kann es denklogisch nicht geben.

3.2.2. Keine Gefährdung der Einbringlichkeit

Die Behörde argumentiert ausschließlich damit, dass eine Gefährdung der Einbringlichkeit vorliegt, weil
(1) der Abgabenrückstand unbesichert ist;
(2) keine Sicherheitsleistung, zum Beispiel in Form einer Bankgarantie angeboten wurde und
(3) aufgrund der Höhe des Abgabenrückstandes.

3.2.2.1. Im konkreten Fall sind die Abgaben aus zweierlei Gründen von Vornherein uneinbringlich, nämlich weil

(1) keine Möglichkeit der Einbringlichmachung im Füstentum Liechtenstein besteht und außerhalb des Fürstentums Liechtenstein keine exekutierbaren Vermögenswerte vorhanden sind (vgl BFG Wien , GZ. RV/7105846/2015) und
(2) die
X.AG per lediglich über ein rechtliches Eigenkapital in der Höhe von Euro 276.289,09 verfügt.

3.2.2.2. Uneinbringliche Forderungen können aber durch eine Stundung nicht hinsichtlich deren Einbringlichkeit gefährdet werden.
Dieser Logik folgend verlangt § 212 Abs. 1 BAO auch ausdrücklich, dass durch die Stundung ("den Aufschub") die Einbringlichkeit der Abgaben nicht gefährdet werden darf. Wenn daher die Einbringlichkeit der Abgaben bereits gefährdet oder gar unmöglich ist, kann durch die Stundung definitiv keine (zusätzliche) Gefährdung eintreten. Dies ist sowohl sprachlogisch als auch denklogisch unmöglich.

3.2.2.3. Wenn der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , 89/13/0018 ausführt, dass er keine Veranlassung sieht von seiner Rechtsprechung abzugehen, wonach dann, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen die Einbringlichkeit gefährdet ist, für die Gewährung von Zahlungserleichterungen ebenso "kein Raum bleibt, als wenn die Einbringlichkeit erst durch den Aufschub gefährdet wäre", so ist dem entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof seine ständige Rechtsansicht nicht begründet, während er aber offenkundig gegen die Denkgesetze verstößt. Dies gilt umso mehr, wenn nicht nur eine Gefährdung bereits vorliegt, sondern Uneinbringlichkeit ex lege (durch das DBAÖ-FL vorgegeben!) gegeben ist."

Im Schriftsatz vom führte die Bf. ergänzend aus:

"1.1. Unter Punkt 1.2., Rz 3 und 4 wurde der für das abgewiesene Stundungsansuchen angeführte Betrag mit Euro 2.751.013,69 beziffert.

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin unterlag nach Information des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin, der X.KG, insofern einem Irrtum, als der Gesamtrückstand in der Höhe von Euro 2.889.789,87 zu stunden ist, weil nach der beiliegenden Rückstandsaufgliederung vom (Beilage 1) der gesamte Rückstand in der Höhe von Euro 2.889.789,87 ausschließlich Abgaben beziehungsweise Anspruchs- und Aussetzungszinsen der strittigen Zeiträume 2005 bis 2008 betrifft.

1.2. Sämtliche Ansprüche sind mit Bewilligung der beantragten Nachsicht obsolet und daher zu stunden.

1.4. Der Antrag zu Punkt 2. Unterpunkt 2.1., Rz 8 der Beschwerde vom wird daher insofern korrigiert als er zu lauten hat:

Die Beschwerdeführerin stellt hinsichtlich des bekämpften Bescheides vom den

ANTRAG,

das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Bescheid aufheben und den Betrag von Euro 2.889.789,87 antragsgemäß stunden."

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Die Voraussetzungen des § 212 BAO lägen im Hinblick auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, die Abgaben seien uneinbringlich, nicht vor, weil damit eine Gefährdung der Einbringung dargetan werde.

Im Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch einen Senat des Bundesfinanzgerichtes führte die Bf. durch ihren Rechtsvertreter im Schriftsatz vom aus:

"1. Sachverhalt
…..
2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Unstrittig ist, dass § 212 BAO für die Gewährung von Zahlungserleichterungen das Zutreffen zweier rechtserheblicher Tatsachen fordert, die kumulativ vorliegen müssen, nämlich

(1) eine erhebliche Härte und

(2) keine Gefährdung der Einbringlichkeit

2.2. Zum Vorliegen der erheblichen Härte wird auf die Ausführungen in Rz 12 bis 14 der Beschwerde vom verwiesen.

Auf dieses Tatbestandsmerkmal geht die BESCHWERDEVORENTSCHEIDUNG zu Recht deshalb nicht ein, weil sie das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales (2), dass "die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird" verneint, in welchem Falle- sollte die Beurteilung richtig sein, was hier bestritten wird- eine Auseinandersetzung mit dem erstangeführten Tatbestandsmerkmal unterbleiben darf.

2.3. Wie bereits in Rz 22ff, insbesondere 24, ersichtlich ist, ist der Bf die in der BESCHWERDEVORENTSCHEIDUNG zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durchaus geläufig. Der Verwaltungsgerichtshof hält steretyp fest, "dass auch im Falle einer bereits bestehenden Gefährdung der Einbringlichkeit einer Abgabenforderung für die Gewährung einer Stundung kein Raum mehr gegeben ist, …" (). Zur Begründung führt er aus, dass der Abgabenbehörde in solchen Fällen (gemeint: in denen die Gefährdung der Einbringlichkeit bereits vorliegt) "jede Möglichkeit zur Durchführung von Einbringungsmaßnahmen gewahrt und nicht etwa durch eine Stundung bis zum Eintritt des völlig ungewissen Ereignisses verschlossen bleiben soll."

In der Folge wird der Stehsatz: "Auch im Falle bereits bestehender Gefährdung der Einbringlichkeit ist für die Gewährung einer Stundung kein Raum" ohne irgendeine Begründung wiederholt (vgl nur , worin er ergänzend festhält, dass er sich entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers nicht veranlasst sehe von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen; weiter oder auch ).

Auf die vorzitierte Rechtsprechung verweist auch Stoll, BAO Kommentar (1994) 2249, ohne jedoch eine Begründung des Verwaltungsgerichtshofes zu referieren oder selbst eine solche nachzuholen.

Auch Ritz, BAO6, § 212, Tz 11, verweist auf diese Rechtsprechung, wonach "Zahlungserleichterungen zB bei Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Abgabenpflichtigen ausgeschlossen [seien] ()." Er begründet diese Ansicht auch nicht, verwendet aber bewusst den Konjunktiv (die Möglichkeitsform), weil er diese Ansicht vermutlich nicht teilt. Entsprechend hält er eingangs ausdrücklich fest, dass die ständige Rechtsprechung eine Zahlungserleichterung bereits dann ausschließt, wenn auch ohne Zahlungsaufschub die Einbringlichkeit gefährdet ist, "obwohl § 212 Abs 1 darauf abstellt, dass die Einbringlichkeit der Abgaben "durch den Aufschub" nicht gefährdet wird …". (Hervorhebungen nicht im Original).

2.4. Gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht bereits der ausdrückliche Wortlaut des § 212 Abs 1 BAO, der ausdrücklich verlangt, dass die Einbringlichkeit "durch den Aufschub nicht gefährdet wird". Ist die Einbringlichkeit bereits gefährdet oder gar nicht gegeben, kann sie durch den Aufschub nicht mehr gefährdet werden oder plakativ: Wer auf einen Toten schießt, kann für dessen Tötung nicht kausal gehandelt haben.

2.5. Wenn der Verwaltungsgerichtshof für seine Interpretation entgegen dem ausdrücklichen und nicht weiter interpretationsbedürftigen Wortlaut anführt, im Falle einer bereits bestehenden Gefährdung der Einbringlichkeit sollen der Abgabenbehörde nicht durch einen Aufschub Einbringungsmaßnahmen verunmöglicht werden, so mag dieses Argument teleologisch nachvollziehbar sein, wenn die Einbringlichkeit nur gefährdet ist. Ist die Forderung jedoch definitiv deshalb uneinbringlich, weil nicht nur faktisch keine Möglichkeit zur Einbringlichmachung besteht, sondern diese rechtlich unzulässig ist, so vermag auch die allfällig richtig vorstehend angeführte Teleologie der Bestimmung die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr zu stützen. In diesem Fall gehen nämlich sämtliche Einbringungsmaßnahmen ins Leere ODER sie können gar nicht gesetzt werden, das heißt sie sind der Behörde von vornherein verschlossen, nicht erst durch eine mögliche Zahlungserleichterung (Stundung).

2.6. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass daher entgegen den Ausführungen in der BESCHWERDEVORENTSCHEIDUNG sehr wohl zwischen uneinbringlichen Forderungen und lediglich hinsichtlich der Einbringlichkeit gefährdeten Forderungen zu unterscheiden ist. Bei uneinbringlichen Forderungen ist wie vorstehend ausgeführt darüber hinaus noch zwischen faktischer Uneinbringlichkeit wegen Vermögenslosigkeit und rechtlicher Uneinbringlichkeit, die unabhängig von einem allfällig vorhandenen Vermögen vorliegen kann, zu unterscheiden.

2.7. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin der Ansicht der Behörde teilt, wonach im konkreten Fall zwingend mit als BESCHWERDEVORENTSCHEIDUNG zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen war, wodurch der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden soll, deren nach der Ansicht der Bf unrichtigen Sach- und Rechtsstandpunkt zu überdenken.

…..

4. Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch einen Senat des Bundesfinanzgerichtes und auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 272 Abs 2 und § 274 Abs 1 BAO werden die

ANTRÄGE

wiederholt, dass die Entscheidung über die Beschwerde durch einen Senat des Bundesfinanzgerichtes erfolgt, und dass über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattfindet.

Zusammenfassend wird daher um antragsgemäße Erledigung ersucht, wonach der Betrag von EURO 2.889.789,87 gestundet wird …..

Nach der Ladung der Bf. zur mündlichen Verhandlung am Sitz des Bundesfinanzgerichtes in Wien beantragte deren Vertreter im Schriftsatz vom , die mündliche Verhandlung an der Außenstelle Feldkirch abzuhalten, da nur damit "eine die Rechtsschutzinteressen der Parteien wahrende Rechtspflege" sichergestellt werde.
Nach Information des Rechtsvertreters durch die Vorsitzende des Senates, dass die Abhaltung der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aus zeitlichen und organisatorischen Gründen nicht in Feldkirch stattfinden könne, zog der Vertreter den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit E-Mail vom zurück.
Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zukommt, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt (), wurde die beantragte mündliche Verhandlung am in Abwesenheit der Verfahrensparteien durchgeführt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Eine vom Ansuchen abweichende Bewilligung von Zahlungserleichterungen kann sich auch auf Abgaben, deren Gebarung mit jener der den Gegenstand des Ansuchens bildenden Abgaben zusammengefasst verbucht wird (§ 213), erstrecken.

Im Schriftsatz vom , Punkt 3., beantragte die Bf. die Stundung der zu Punkt 1. angeführten Abgaben bis zur Rechtskraft des Nachsichtsverfahrens.
Unter Punkt 1. des Schriftsatzes wurde der Gesamtbetrag für die Nachsicht mit 5.757.866,98 € beziffert. Davon war laut Ausführungen der Nachsichtswerberin ein Betrag in der Höhe von 3.006.853,29 € bereits entrichtet. Die beantragte Stundung umfasste daher den Betrag von 2.751.013,69 €.
Im angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt das Ansuchen um Bewilligung einer Zahlungserleichterung in der Höhe von 2.889.789,87 € (zu diesem Zeitpunkt gesamter aushaftender Rückstand) als unbegründet ab.
In der Ergänzung und Korrektur zur Bescheidbeschwerde (Schriftsatz vom ) beantragte die Bf. nunmehr ebenfalls die Stundung eines Betrages in der Höhe von 2.889.789,87 €.

Eine Bewilligung von Zahlungserleichterungen für bereits entrichtete Abgaben ist nach der Judikatur ausgeschlossen ().
Im Schriftsatz vom konnte sich der Antrag auf Stundung somit nur auf den Differenzbetrag zwischen dem Nachsichtsbetrag von 5.757.866,98 € und dem davon bereits entrichteten Betrag von 3.006.823,29 €, somit auf 2.751.013,69 € belaufen.

Die Bewilligung von Zahlungserleichterungen darf nicht über den beantragten Rahmen (z.B. den zeitlichen Rahmen bei einem Stundungsansuchen) hinausgehen (Ritz, BAO6, § 212 Tz 1). Allerdings ist im Beschwerdeverfahren auf Abänderungs- oder Erweiterungsanbringen zu einem bereits eingebrachten Zahlungserleichterungsansuchen Bedacht zu nehmen, weshalb Gegenstand dieses Verfahrens die Stundung eines Abgabenbetrages in der im Schriftsatz vom beantragten Höhe von 2.889.789,87 € ist.

Die Bewilligung einer Zahlungserleichterung ist nur dann zulässig, wenn sämtliche gesetzlich vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind. Es ist daher zu prüfen, ob die sofortige volle Entrichtung der Abgabe eine erhebliche Härte darstellt und durch die Zufristung die Einbringlichkeit der Abgabe nicht gefährdet ist. Fehlt auch nur eine der genannten Voraussetzungen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum und es ist der Antrag aus Rechtsgründen abzuweisen ().

Zum Vorliegen einer erheblichen Härte brachte die Bf. vor,
- mit dieser gehe eine wirtschaftliche Notlage der Antragstellerin einher: Es seien weder ausreichend flüssige Mittel noch veräußerbares oder belastungsfähiges Vermögen vorhanden.
- Für die Erfüllung der Abgabenforderungen habe keine Vorsorge getroffen werden können, weil diese nicht vorhersehbar gewesen seien.
- Eine exekutive Einbringlichmachung, die im Hinblick auf das in Liechtenstein befindliche Vermögen der Bf. rechtlich gar nicht möglich sei, konterkariere das zu erwartende Ergebnis des Nachsichtsansuchens, nämlich die vollständige Gewährung der Nachsicht (Schriftsatz vom , Punkt 3.1.).
Die Abgabennachforderung begründe eine erhebliche Härte, weil die Bf. ihre Pflicht, für die Erfüllung vorhersehbarer Abgabenschulden zeitgerecht und ausreichend vorzusorgen, mit Sicherheit erfüllt habe. Eine Pflicht, für nicht vorhersehbare Abgabenforderungen vorzusorgen, könne es denklogisch nicht geben (Beschwerde, Punkt 3.2.1.).

Zur Gefährdung der Einbringlichkeit brachte die Bf. vor, eine solche werde durch die Stundung nicht bewirkt, weil die Abgaben ohnehin nicht eingebracht werden könnten (Schriftsatz vom , Punkt 3.2.).
Die Abgaben seien von Vornherein uneinbringlich, weil
- keine Möglichkeit der Einbringlichmachung im Fürstentum Liechtenstein bestehe und außerhalb des Fürstentums Liechtenstein keine exekutierbaren Vermögenswerte vorhanden seien und
- die Bf. per lediglich über ein rechtliches Eigenkapital in der Höhe von 276.289,09 € verfüge (Beschwerde, Punkt 3.2.2.1.).
Uneinbringliche Forderungen könnten nicht hinsichtlich ihrer Einbringlichkeit durch eine Stundung gefährdet werden. § 212 BAO verlange ausdrücklich, dass die Einbringlichkeit der Abgaben nicht durch den "Aufschub" gefährdet werden dürfe. Sei die Einbringlichkeit der Abgaben daher bereits gefährdet oder gar unmöglich, sei es sprach- und denklogisch unmöglich, dass durch die Stundung eine (zusätzliche) Gefährdung eintrete (Beschwerde, Punkt 3.2.2.2.).

Bei einer Zahlungserleichterung handelt es sich um einen Begünstigungstatbestand. In solchen Verfahren tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung insoweit in den Hintergrund, als die die Begünstigung in Anspruch nehmende Partei selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Die Partei hat ihr Vorbringen konkretisiert an Hand ihrer Einkommens- und Vermögenslage zu erstatten (Ritz, BAO6, § 212 Tz 6, mit Verweis auf die dortige Judikatur).

Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung einer Zahlungserleichterung ist - neben einem entsprechenden Antrag -, dass die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgabe für die Partei mit erheblichen Härten verbunden, gleichzeitig aber die Einbringlichkeit der Abgabe nicht gefährdet ist.

Für eine Gefährdung sprechende Umstände sind insbesondere Überschuldung der Partei, drohende Insolvenzgefahr, schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder voraussehbar geringes künftiges Einkommen. Darüber hinaus ist die Höhe des Abgabenrückstandes insofern von wesentlicher Bedeutung, als auf Grund einer Gegenüberstellung der Abgabenforderung und des der Partei zur Begleichung dieser Forderung zur Verfügung stehenden Einkommens und Vermögens beurteilt werden kann, ob eine Gefährdung der Einbringlichkeit vorliegt ().

Bei Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Partei sind Zahlungserleichterungen daher ausgeschlossen (Ritz, BAO6, § 212 Tz 11, mit Verweis auf ).

Eine detaillierte Aufstellung der Einkommens- und Vermögenslage wurde von der Bf. nicht vorgelegt. Aus dem Vorbringen der Bf., es seien weder ausreichend flüssige Mittel noch veräußerbares oder belastungsfähiges Vermögen vorhanden, schließt der Senat jedoch, dass eine Entrichtung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten im Hinblick auf die derzeitige Einkommens- und Vermögenssituation der Bf. nicht möglich ist.
Des Weiteren verweist die Bf. wiederholt auf die rechtliche Unmöglichkeit, am Sitz der Bf. in Liechtenstein Einhebungsmaßnahmen durch österreichische Abgabenbehörden durchzuführen.
Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung davon aus, dass die Einbringung der Abgaben als gefährdet anzusehen ist.
Dass die Bf. für die Erfüllung der Abgabenforderungen - aus welchen Gründen immer - keine Vorsorge treffen konnte, ist für das Vorliegen der nunmehrigen Gefährdung der Einbringlichkeit nicht von Bedeutung.

Dem Vorbringen der Bf., die Einbringlichkeit uneinbringlicher Forderungen könnte durch eine Stundung nicht gefährdet werden, weil eine (zusätzliche) Gefährdung uneinbringlicher Abgaben sprach- und denklogisch unmöglich ist, kann der Senat nicht folgen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in der Folge in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist unabdingbare Voraussetzung für eine Zahlungserleichterung nach § 212 BAO, dass keine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben besteht. Dieses Stundungshindernis liegt nicht nur dann vor, wenn die Gefährdung der Einbringlichkeit durch die Stundung selbst verursacht wird. Auch im Falle bereits bestehender Gefährdung der Einbringlichkeit ist für die Gewährung einer Stundung kein Raum (vgl. z.B. mit Verweis auf Vorjudikatur).
Intention des § 212 BAO ist es, im Falle des Vorliegens näher angeführter Voraussetzungen den Zeitpunkt der Entrichtung von Abgaben hinauszuschieben. Das Hinausschieben des Entrichtungszeitpunktes im Fall der Uneinbringlichkeit von Abgaben ist aber weder erforderlich noch sinnvoll.

Auch nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist eine Zahlungserleichterung dann ausgeschlossen, wenn auch ohne Zahlungsaufschub die Einbringlichkeit gefährdet ist (siehe Ritz, BAO6, § 212, Tz 11 und die dort angeführte VwGH-Judikatur). Dass der VwGH mit dieser Judikatur gegen Denkgesetze verstößt, kann der Senat ebenso wenig nachvollziehen wie den Hinweis, der VwGH begründe seine ständige Rechtsansicht nicht.
Dem Erkenntnis des , liegt die gleiche Argumentation des do. Beschwerdeführers zu Grunde, die die Bf. in diesem Verfahren vertritt: Die Einbringlichkeit einer Forderung könne nur dann gefährdet sein, wenn ohne Gewährung der Stundung die Einbringlichkeit gegeben wäre. Fehle von vornherein die Einbringlichkeit, könne diese auch nicht gefährdet sein.
Der VwGH, den dieses Vorbringen nicht überzeugte, sah sich durch die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, wonach dann, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen die Einbringlichkeit gefährdet ist, für die Gewährung von Zahlungserleichterungen ebenso kein Raum bleibt als wenn die Einbringlichkeit erst durch den Aufschub gefährdet wäre. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Ausführungen mit dem Hinweis auf § 231 BAO (Aussetzung der Einbringung), der im Fall des Zutreffens der Rechtsmeinung der Bf. vollkommen inhaltsleer wäre. Die Anordnung inhaltsleerer Bestimmungen kann aber dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Eine andere Rechtsmeinung wird weder von Stoll noch von Ritz vertreten, weshalb sich der Senat auch nicht veranlasst sieht, von dieser Judikatur abzugehen.

Da das Tatbestandsmerkmal der Nichtgefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben nicht vorliegt, ist auf das Vorliegen einer erheblichen Härte nicht weiter einzugehen.
Mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kann der Gewährung der beantragten Zahlungserleichterung aus Rechtsgründen nicht entsprochen werden.

Zum Spruchpunkt Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des Senates beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103531.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at