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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.03.2022, RV/2100036/2022

1. Zurückweisung des Vorlageantrages als verspätet 2. Zurückweisung wegen fehlender Bescheidqualität (angefochtener Bescheid enthält keinen Hinweis nach § 101 Abs. 3 BAO)

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend 1) Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO betreffend Umsatzsteuer 2016 bis 2018 sowie
2) Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO betreffend Feststellung von Einkünften (gemäß § 188 BAO) für 2015 bis 2018
beschlossen:

  • Der Vorlageantrag vom wird - soweit er die unter 1) angeführten Abweisungsbescheide (betreffend Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2016 bis 2018) umfasst - gemäß § 264 Abs. 4 lit. e iVm. § 260 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurückgewiesen.

  • Die Beschwerde gegen die unter 2) angeführten Abweisungsbescheide (betreffend Wiederaufnahme Feststellung von Einkünften 2015 bis 2018) wird als unzulässig zurückgewiesen.

Hinweis: Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen.

Begründung

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Diese Bestimmung gilt gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO sinngemäß für Vorlageanträge.

1. Zur Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer 2016 bis 2018:

Die Frist für die Erhebung eines Vorlageantrages beträgt gemäß § 264 Abs. 1 BAO einen Monat.

Gemäß § 245 Abs. 3 BAO wird der Lauf der Beschwerdefrist durch einen Antrag auf Fristverlängerung gehemmt.

Nach § 245 Abs. 4 BAO beginnt die Hemmung des Fristenlaufes mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird.

Dies gilt gemäß § 264 Abs. 4 lit. a BAO auch für Vorlageanträge.

Soweit mit den oa. angefochtenen Bescheiden die beantragte Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2016 bis 2018 abgewiesen und in der Folge von der Bf. ein Vorlageantrag gestellt wurde, gilt auf Grund der dargestellten Rechtslage Folgendes:

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom hat das Finanzamt die gegen die Abweisungsbescheide erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ersuchte mit Eingabe vom um "Fristverlängerung für die Einbringung der Vorlageanträge gem. § 264 BAO bis ."

Diesen Antrag hat das Finanzamt mit (rechtskräftigem) Bescheid vom abgewiesen.

In der Folge brachte die Bf. mit Eingabe vom den bezüglichen Vorlageantrag ein.

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO beträgt die Frist zur Erhebung eines Vorlageantrages einen Monat.

Diese Frist wäre im Beschwerdefall grundsätzlich am (Montag) abgelaufen.

Auf Grund des - drei Tage vor Fristablauf eingebrachten - Fristerstreckungsantrages vom wurde diese Frist gemäß § 264 Abs. 4 lit. a BAO (zunächst) gehemmt.

Infolge Abweisung des Fristerstreckungsantrages durch das Finanzamt mit Bescheid vom ist der (offene) Rest der Frist mit dem der Zustellung des die Hemmung beendenden Abweisungsbescheides folgenden Tag weitergelaufen und die Frist zur Erhebung des Vorlageantrages am (Donnerstag) abgelaufen.

Der Vorlageantrag vom (eingebracht am selben Tag) wurde sohin - mehr als ein Monat - verspätet eingereicht.

Das Bundesfinanzgericht hielt der Bf. diese Verspätung mit Schreiben vom vor (Übernahme durch den Zustellbevollmächtigten laut Zustellnachweis am ). Seitens der Bf. wurde dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Auf Grund der eingangs zitierten Rechtslage hat (zwingend) eine Zurückweisung zu erfolgen, wenn ein Vorlageantrag nicht fristgerecht eingebracht wird (§§ 264 Abs. 1 lit. e iVm. § 260 Abs. 1 lit. b BAO).

Daher war der Vorlageantrag, soweit er die Abweisung der beantragten Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2016 bis 2018 betraf, wegen Versäumung der Frist zurückzuweisen.

Die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages betreffend Umsatzsteuer 2016 bis 2018 mittels Beschwerdevorentscheidungen vom ist damit in Rechtskraft erwachsen.

2. Zur (intendierten) Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme betreffend Feststellung von Einkünften 2015 bis 2018:

§ 101 Abs. 3 BAO normiert:

Schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c), sind einer nach § 81 vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

Diese in § 101 Abs. 3 BAO geregelte "Zustellfiktion" betrifft schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren ergehen (zB Feststellungen von Einkünften gemäß § 188). Die (wirksame) Zustellfiktion setzt die Zustellung der Ausfertigung an die nach § 81 vertretungsbefugte Person und den Hinweis auf die Rechtsfolgen (somit auf die Zustellwirkung) in der Erledigung voraus (Ritz/Koran, BAO 7. Auflage, § 101 Rz 7).

§ 101 Abs. 3 gilt nicht für die Umsatzsteuer ().

Nach , entfaltet ein Feststellungsbescheid, der keinen Hinweis nach § 101 Abs. 3 enthält, in seinem Abspruch über die Feststellung (bzw. das Unterbleiben einer Feststellung) von Einkünften nach § 188 im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit einer solchen Feststellung geprägte Wesen insgesamt keine Wirkung (ebenso ; , 2001/15/0028; , 2001/15/0092; , Ra 2019/15/0072, 0073; ).

§ 101 Abs. 3 gilt nicht nur für die genannten Feststellungsbescheide, sondern auch für diesbezüglich abändernde (aufhebende) Bescheide (zB gemäß § 293, § 293b, § 295a, § 299 und § 303; s. Ritz/Koran, aaO, § 101 Rz 9 und 10).

Mit den angefochtenen Erledigungen vom beabsichtigte das Finanzamt, den Antrag der Bf. auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Feststellung von Einkünften für die Jahre 2015 bis 2018 abzuweisen. Die genannten - als Bescheide intendierten - Erledigungen enthalten jedoch keinen Hinweis auf die Zustellfiktion gemäß § 101 Abs. 3 BAO.

§ 101 Abs. 3 BAO gilt auch im Verfahren betreffend die Wiederaufnahme von Verfahren bezüglich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO, sohin auch für Bescheide, mit denen Anträge auf Wiederaufnahme von Feststellungsverfahren abschlägig erledigt werden (sollen).

Die Erledigungen des Finanzamtes vom konnten daher - soweit sie die Einkünftefeststellung nach § 188 BAO betreffen - keine Wirkung entfalten (s. nochmals zB Ritz/Koran, aaO, § 101 Rz 9, mwN). Es liegen daher "Nichtbescheide" vor.

Nach eingangs dargelegter Rechtslage sind Beschwerden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig sind.

Eine Bescheidbeschwerde ist ua. bei mangelnder Bescheidqualität der bekämpften Erledigung unzulässig (Ritz/Koran, aaO, § 260 Rz 5).

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (zB ; ; , 0132; ).

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (; ; ).

Da die Erledigungen betreffend die (intendierte) Abweisung des Wiederaufnahmeantrages der Verfahren hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für 2015 bis 2018 aus den dargestellten Gründen keine Rechtswirkung entfalten konnten (mangelnde Bescheidqualität), war die dagegen gerichtete Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch der Bescheid vom , mit welchem der Antrag auf Fristerstreckung abgewiesen wurde, einen Hinweis nach § 101 Abs. 3 BAO nicht enthält.

Auf Grund der dargelegten Sach- und Rechtslage war spruchgemäß zu entscheiden.

3. Zur Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das BFG konnte seine Entscheidung auf die in der Begründung angeführte Rechtsprechung stützen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im oa. Sinne liegt daher nicht vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 245 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100036.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at