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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.01.2022, RV/7100079/2022

1. Unterhaltsabsetzbetrag und Familienbonus Plus sind nicht negativsteuerfähig 2. Antragsveranlagung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Das steuerpflichtige Einkommen beträgt 0 Euro und die Einkommensteuer wird mit 0 Euro festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) beantragte in der elektronisch eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 vom den halben Familienbonus Plus und bestätigte, die vollen Unterhaltszahlungen geleistet zu haben.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 mit der Begründung abgewiesen, dass die Bf im Veranlagungszeitraum keine steuerpflichtigen Bezüge erzielt hätte.

In ihrer Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom führte die Bf aus, dass ihr "für das Jahr 2020 die Hälfte des Familienbonus (250 Euro) sowie die staatliche Rückerstattung der Alimentezahlung (350 Euro)" zustehe und "das Eine mit dem Anderen nichts zu tun" habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Im Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht vom verwies die Bf unter anderem darauf, dass sie seit nicht mehr im selben Haushalt wie ihre Tochter wohne, letztere seit Dezember 2019 von ihr Alimente in Höhe von 242 € erhalte und die Familienbeihilfe seit 12/2019 direkt an ihre Tochter überwiesen werde. Zudem sei bereits im März des letzten Jahres der Antrag auf Änderung per Post übermittelt worden. Die Bf übermittelte dazu eine "Umsatzanzeige" der easybank, aus der hervorgeht, dass die Bf im Streitjahr 2020 zwölf Mal einen Betrag in Höhe von jeweils 242 € als Alimente an ihre Tochter überwiesen habe, eine mit datierte und unterzeichnete Verzichtserklärung der Bf, wonach diese zugunsten des Antragstellers, Herrn ***A***, auf die ihr vorrangig zustehende Familienbeihilfe verzichte und eine weitere "Umsatzanzeige" der easybank, auf der für den Zeitraum bis elf Mal ein Betrag in Höhe von jeweils 199,90 €, mit der Bezeichnung "Familienbeihilfe Kinderabsetzbetrag", aufgelistet wird.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde von der aktenführenden Dienststelle des Finanzamtes Österreich (Abgabenbehörde) zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Strittig ist, ob der Bf der Unterhaltsabsetzbetrag und der Familienbonus Plus zustehen.

Die Bf erzielte im Streitjahr 2020 keine einkommensteuerpflichtigen Einnahmen.

Der Bf wurde bis einschließlich März 2021 für ihre Tochter ***B***, geboren am ***TT.MM.JJJJ***, Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt.

Seit Dezember 2019 gehört die Tochter der Bf nicht mehr zum Haushalt der Bf und die Bf leistet seitdem Unterhaltszahlungen.

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 beantragte die Bf den halben Familienbonus Plus und machte den Unterhaltsabsetzbetrag geltend.

Der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 wurde abgewiesen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen und dem Abgabeninformationssystem des Bundes.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ist in folgender Weise rechtlich zu würdigen:

Gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 idF BGBl I 2018/62 (Jahressteuergesetz (JStG) 2018) beträgt die Einkommensteuer jährlich für die ersten 11.000 Euro 0 %, für die Einkommensteile über 11.000 Euro bis 18.000 Euro 25 % (…).

Gemäß Abs 2 leg cit sind von dem sich nach Abs 1 ergebenden Betrag Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:
1. Der Familienbonus Plus gemäß Abs 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.
2. Die Absetzbeträge nach Abs 4 bis 6.

Gemäß Abs 3a leg cit steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus (…) zu.

Gemäß Abs 4 Z 3 leg cit steht Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.

Die Tochter der Bf gehört seit Dezember 2019 nicht mehr zum Haushalt der Bf. Im Streitjahr 2020 leistete die Bf Unterhaltszahlungen für ihre Tochter und der Bf wurde gleichzeitig - bis einschließlich März 2021 - für ihre Tochter Familienbeihilfe gewährt.

Im Hinblick darauf, dass die Inanspruchnahme des Unterhaltsabsetzbetrages voraussetzt, dass der Steuerpflichtige für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leistet, das nicht seinem Haushalt zugehört und für das weder ihm noch seinem von ihm nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe)Partner Familienbeihilfe gewährt wird (vgl Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2020, § 33 Rz 76), der Bf aber nachweislich im gesamten Streitjahr 2020 Familienbeihilfe für ihre Tochter gewährt wurde, steht der Unterhaltsabsetzbetrag der Bf im Streitjahr 2020 nicht zu.

Bezüglich des Vorbringens der Bf im Vorlageantrag, wonach die Familienbeihilfe seit 12/2019 direkt an ihre Tochter überwiesen werde, wird darauf hingewiesen, dass für die Inanspruchnahme des Unterhaltsabsetzbetrages nicht der gewählte Auszahlungsmodus der Familienbeihilfe entscheidend ist, sondern wer Anspruch auf Familienbeihilfe hat und wem sie daher gewährt wird. Da der Antragsteller, Herr ***A***, erst aufgrund einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe vom (eingelangt am ) ab April 2021 anspruchsberechtigt ist, im Streitjahr 2020 aber die Bf Anspruch auf Familienbeihilfe hatte, war der Bf der beantragte Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988 für ihre Tochter im Jahr 2020 nicht zu gewähren.

§ 33 Abs 8 EStG 1988 idF BGBl I 2019/103 lautet:
1. Ergibt sich nach Abs 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten.
2. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Verkehrsabsetzbetrag haben, nach Abs 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, sind 50 % der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs 1 Z 3 lit a (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und des § 16 Abs 1 Z 4 und 5, höchstens aber 400 Euro jährlich rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs 1 Z 6 haben, sind höchstens 500 Euro rückzuerstatten. Bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Zuschlag gemäß Abs 5 Z 3 haben, ist der maximale Betrag der SV-Rückerstattung um 400 Euro zu erhöhen (SV-Bonus).
3. Ergibt sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag haben, nach Abs 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, sind 75 % der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs 1 Z 4, höchstens aber 300 Euro jährlich, rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Die Rückerstattung vermindert sich um steuerfreie Zulagen gemäß § 3 Abs 1 Z 4 lit f.
4. (…)
5. (…)

Nach dem Wortlaut des § 33 Abs 8 EStG 1988 ist an negativer Einkommensteuer nur der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag, sowie bei Anspruch auf den Verkehrsabsetzbetrag oder den Pensionistenabsetzbetrag ein bestimmter Anteil von Werbungkosten zu erstatten, wobei die beiden zuletzt genannten Absetzbeträge einkommensteuerpflichtige Bezüge voraussetzen. Da der Unterhaltsabsetzbetrag in der Aufzählung der zu erstattenden Beträge im § 33 Abs 8 EStG 1988 keine Erwähnung findet, steht auch aus diesem Grund der Unterhaltsabsetzbetrag der Bf nicht zu.

Gemäß § 33 Abs 3a Z 3 lit b 2. Satz EStG 1988 idF BGBl I 2018/62 steht für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

Da wie ausgeführt, der Bf im Streitjahr 2020 kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht ihr auch kein Familienbonus Plus zu.

Selbst wenn der Familienbonus Plus - was im gegenständlichen Beschwerdefall nicht zutrifft - zustünde, käme § 33 Abs 2 Z 1 EStG 1988 idF BGBl I 2018/62 (siehe Zitierung oben) zur Anwendung, demzufolge der Familienbonus Plus nicht negativsteuerfähig und somit nicht zu erstatten ist.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP, 8) ist der Familienbonus Plus "als erster Absetzbetrag von der auf Grund des Einkommensteuertarifs errechneten Steuer abzuziehen. Er kann jedoch maximal bis zum Betrag der tarifmäßigen Steuer in Ansatz gebracht werden. Durch den Familienbonus Plus kann somit kein Steuerbetrag unter null zu Stande kommen. Dies entspricht der Logik, dass es sich beim Familienbonus Plus um eine Steuerentlastung handelt und nicht um eine davon unabhängige Förderung."

Im Hinblick darauf, dass ein Abzug eines allfälligen Familienbonus Plus nur von der auf Grund des Einkommensteuertarifs errechneten Steuer möglich ist, die Bf aber im Streitjahr 2020 keine einkommensteuerpflichtigen Einnahmen erzielte, steht der Bf auch aus diesem Grund der Familienbonus Plus nicht zu.

§ 41 Abs 1 EStG 1988 regelt die Veranlagung des Steuerpflichtigen, in dessen Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind.

§ 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 lautet:
Liegen die Voraussetzungen des Abs 1 nicht vor, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung). (…)

Liegen die Voraussetzungen des § 41 Abs 1 für eine Veranlagung von Amts wegen nicht vor, so erfolgt eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen. Besondere Voraussetzungen für eine solche Veranlagung sind im Gesetzt nicht vorgesehen (vgl Neumann in Hofstätter/Reichel, EStG, Kommentar § 41 Tz 21).

Der Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung ist an keine bestimmte Form gebunden. In der Praxis wird die von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellte "Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung" (Formular L 1) verwendet, die in Papierform oder elektronisch über FinanzOnline eingereicht werde kann (vgl aaO, Tz 23).

Aufgrund des Antrages der Bf auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung hat eine Veranlagung auf Antrag zu erfolgen, die aber kein anderes Ergebnis ergibt als der von der Abgabenbehörde erlassene angefochtene Bescheid.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die im Spruch ausgeführte Rechtsfolge aus den klaren und eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Familienbeihilfe
Unterhaltsabsetzbetrag
negativsteuerfähig
Jahressteuergesetz (JStG) 2018
Familienbonus Plus
Antragsveranlagung
Verweise
Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2020, § 33 Rz 76
Neumann in Hofstätter/Reichel, EStG, Kommentar § 41 Tz 21 + 23
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100079.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at