Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2022, RV/1100257/2021

Dauernder Standort eines Kraftfahrzeuges einer Person mit zwei Wohnsitzen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1Adr1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2019 und 1-7/2020 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2019 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-7/2020 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In Streit steht, ob für die Verwendung des Kraftfahrzeuges Audi A3 mit dem deutschen Kennzeichen ***Kfz-1*** in den Jahren 2019 und 2020 in Österreich durch die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf.) Kraftfahrzeugsteuerpflicht bestand oder nicht.

Aufgrund einer Anzeige führte die Finanzpolizei am eine Befragung bei der Bf. über die Umstände der Verwendung ihres Audi A3 auf inländischen Straßen durch.

Die Befragung wurde niederschriftliche festgehalten und hatte zusammengefasst folgenden Inhalt:

Das Fahrzeug sei seit in ihrem Besitz. Zunächst habe sie es für drei 3 Jahre geleast, dann habe sie es gekauft. Sie habe das Fahrzeug auch in der Zeit, in der sie in ***Bf.Wohnort1***, ***Bf.Wohnadresse1***, gewohnt habe, verwendet. Sie sei nach ***Bf.Wohnort1*** zu Zwecken der Regeneration, Ruhe und Erholung in den Bergen und der Natur gezogen. In Deutschland habe sie kein Eigentum. In ***Bf.Wohnort2*** habe sie ein kleines Apartment mit ca. 20 m2 um 150 Euro inklusive Betriebskosten im Monat gemietet. Bevor sie das Appartement bezogen habe, habe sie in einer anderen Wohnung in ***Bf.Wohnort2*** gelebt, habe aber ausziehen müssen, weil das Gebäude verkauft worden sei. Die Wohnung in ***Bf.Wohnort1*** umfasse ca. 60 m2, dafür zahle sie ca. 700 Euro inklusive Betriebskosten im Monat. Über dieses Mietverhältnis gebe es einen schriftlichen Mietvertrag.

Sie halte sich etwa zu gleichen Teilen in Deutschland und in Österreich auf, je nach Wetter. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sei sie aber öfter in Österreich. Sie habe 3 erwachsene Kinder und 6 Enkelkinder, die alle in Deutschland lebten. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befinde sich derzeit in Österreich. Sonst seien ihr ihre Enkel natürlich sehr wichtig, durch Corona habe sich aber einiges geändert. Sie werde die 3 Jahre, über die der Mietvertrag laufe, also bis Dezember 2021, hier in ***Bf.Wohnort1*** bleiben. Danach werde sie möglicherweise wieder nach Deutschland ziehen, auch weil ihre Kinder dort lebten. Sie wisse jedoch nicht, was in einem Jahr sei.

In der Folge setzte das Finanzamt mit den angefochtenen Bescheiden Kraftfahrzeugsteuern für die Monate 1-12/2019 in Höhe von 433,75 Euro und für die Monate 1-7/2020 in Höhe von 253,02 Euro fest. Zur Begründung führte es aus, nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. als in Österreich gelegen zu beurteilen. Der dauernde Standort des Audi A3 mit dem deutschen Kennzeichen ***Kfz-1*** befinde sich damit im Inland. Da die Bf. den Audi A3 im Dezember 2018 nach Österreich eingeführt und hier ohne Anmeldung verwendet habe, sei das Fahrzeug widerrechtlich verwendet worden und sei daher gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG Kraftfahrzeugsteuer festzusetzen.

Gegen diese Bescheide erhob die Bf. Beschwerde. Begründend führte sie aus, sie sei heute 73 Jahre alt und habe ihren 2. Wohnsitz im zwischen Bregenzerwald und Bodensee gelegenen ***Bf.Wohnort1*** zur Erholung und Regeneration begründet. In ***Bf.Wohnort1*** habe sie einen 3-Jahres-Mietvertrag für eine Wohnung bekommen, welche auch kleiner hätte sein können. Während des gesamten Jahres 2019 habe sie sich viel in Deutschland aufgehalten, in ***Bf.Wohnort2*** sowie in ***Ort3*** und in ***Ort4***, wo die Familien ihrer drei erwachsenen Kinder mit insgesamt sechs Enkeln lebten. Dort sei und bleibe ihr ganz persönlicher Familienmittelpunkt. Zu Besuchen und zur Betreuung der Enkel sei sie mehr als drei Monate im Jahr in Deutschland gewesen. Daher habe sie in Deutschland rechtlich alles so belassen, wie es in ihrem Leben vor der Anmietung ihrer österreichischen Zweitwohnung gewesen sei. Dann sei die Corona-Pandemie gekommen, die auch noch im Herbst 2020 akut sei. Zum ihrem und zum Wohle und zum Schutz aller sei sie in den Lockdown- und Kontrollphasen an der Grenze hier in Österreich geblieben. Sie lebe ganz alleine und gehe viel in die Natur direkt vor ihrer Haustüre. Es sei nie ihre Absicht gewesen, ***Bf.Wohnort1*** als ihren ersten Lebensmittelpunkt zu haben, erst Corona habe sie phasenweise in diese Situation gebracht. In diesem Jahr (2020) sei sie zweimal eine Woche im Urlaub in Kärnten und in Abano-Terme gewesen. Ferner habe sie im vergangenen Jahr sehr oft ihre Freunde in Deutschland mit ihrem Auto besucht, denn sie reise gerne im eigenen Auto. Das Appartement in ***Bf.Wohnort2*** biete auch die Möglichkeit der Nutzung einer Toilette mit Dusche, Diele und Küche und befinde sich im 1. Stock eines Privathauses guter Bekannter. Sie könne es für eine Miete von 150 Euro im Monat, die sie stets bar bezahle, benützen.

Das Finanzamt wies der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Während die Bf. in Österreich über eine große Mietwohnung verfüge, bewohne Sie in Deutschland lediglich ein 20m2-großes Zimmer bei Bekannten. Zudem habe sie selber angegeben, im Jahr 2019 ungefähr drei Monate in Deutschland, den Rest des Jahres aber in Österreich verbracht zu haben. Eine überwiegende Benützung des Kraftfahrzeuges in Österreich (nämlich die Verwendung des Fahrzeuges über 9 Monate hindurch) sei somit klar gegeben. Auch im Jahr 2020 habe sie Österreich aufgrund der Pandemie kaum verlassen. Bloße Besuche bei Freunden oder bei großjährigen Kindern im Ausland begründeten keinen Mittelpunkt der Lebensinteressen an einer in Deutschland gelegenen Wohnadresse. Die meldegesetzliche Bezeichnung spiele dabei keine Rolle. Das Finanzamt gehe daher von einem Mittelpunkt der Lebensinteressen und von einem dauernden Standort des Fahrzeuges in Österreich aus.

Mit Schreiben vom stellte die Bf. den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde samt den bezughabenden Akten dem Bundesfinanzgericht vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Für die Beurteilung der in Streit stehenden Frage geht das Bundesfinanzgericht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Bf., Jahrgang 1947, wurde in ***Ort3*** geboren und ist deutsche Staatsbürgerin. Sie ist alleinstehend und in Pension. Sie hat drei erwachsene Kinder und sechs Enkelkinder, die in ***Ort4*** und ***Ort3*** leben.

Sie war ab in ***PlzWohnort2*** ***Bf.Wohnort2***, ***Bf.Wohnadresse2***, gemeldet. An dieser Adresse hatte sie ein Appartement mit etwa 20 m² und der Möglichkeit der Nutzung von Küche und Bad/WC im ersten Stock eines Einfamilienhauses um einen Mietpreis inklusive Betriebskosten in Höhe von 150 Euro im Monat gemietet. Davor hatte sie über mehr als zehn Jahre in einer Mietwohnung in der ***Bf.Wohnadresse3*** in ***Bf.Wohnort2*** gewohnt, wo sie als Astrologin tätig war.

Vom bis zum war sie in ***PlzWohnort11*** ***Bf.Wohnort1***, ***Bf.Wohnadresse1***, mit Nebenwohnsitz behördlich gemeldet. In ***Bf.Wohnort1*** hatte sie eine Wohnung mit einer Größe von 60 m² für eine Miete inklusive Betriebskosten in Höhe von 700 Euro gemietet. Die Mietdauer war mit drei Jahren befristet.

Die Bf. verfügt weder in Deutschland noch in Österreich über Grundeigentum.

Sie hat sich schon im Jahr 2019, bedingt durch die Covid-19-Pandemie aber vermehrt im Jahr 2020, überwiegend am Wohnsitz in Österreich aufgehalten.

Die Bf. hat in den Streitjahren 2019 und 2020 das Kraftfahrzeug Audi A3 mit dem deutschen Kennzeichen ***Kfz-1*** auch auf österreichischen Straßen verwendet. Das Fahrzeug ist seit dem Jahr 2010 in ihrem Besitz, zunächst hat sie es geleast, nach drei Jahren ging es in ihr Eigentum über.

Beweiswürdigung

Für diese Feststellungen folgt das Bundesfinanzgericht überwiegend den Angaben, die die Bf. selbst vor der Finanzamt gemacht hat und die vom Finanzamt auch nicht in Streit gezogen wurden. Die Feststellungen zum Aufenthalt der Kinder der Bf. und der Dauer der Wohnsitznahme in der ***Bf.Wohnadresse3*** in ***Bf.Wohnort2*** beruhen auf glaubwürdigen Angaben, die die Bf. in einem am mit dem sachbearbeitenden Richter geführten Telefongespräch gemacht hat.

Über die tatsächliche Dauer des jeweiligen Aufenthaltes an einem der beiden Wohnsitzen lassen sich aufgrund der vorliegenden Aktenlage zwar keine gesicherten Angaben machen. Für einen vergleichsweise längeren Aufenthalt am Wohnsitz in ***Bf.Wohnort1*** spricht aber schon der Umstand, dass die Wohnung in ***Bf.Wohnort1*** mit 60 m² über einen deutlich größeren Komfort verfügt als jene in ***Bf.Wohnort2*** mit lediglich 20 m². Es ist zudem nicht sehr wahrscheinlich, dass die Bf. eine Mietwohnung mit 60 m² um monatlich 700 Euro mietet, um diese nur in einem untergeordneten Ausmaß zu nutzen. Für das Jahr 2020 ist dann auch aufgrund der Angaben der Bf. selbst vor der Finanzpolizei und in der Beschwerde davon auszugehen, dass sie sich in diesem Jahr deutlich überwiegend am Wohnsitz in ***Bf.Wohnort1*** aufgehalten hat.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe/Abweisung)

Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG) Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

Gemäß § 3 Z 2 KfzStG ist in diesem Fall die Person Steuerschuldner, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG dauert die Steuerschuld bei der widerrechtlichen Verwendung eines Kraftfahrzeuges vom Beginn des Kalendermonates, in dem die Verwendung einsetzt, bis zum Ablauf des Monats, in dem die Verwendung endet.

Die Frage, wann ein Kraftfahrzeug widerrechtlich verwendet wird, richtet sich nach den Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG).

Nach § 36 des Kraftfahrgesetzes (KFG) dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 leg. cit. über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind oder mit ihnen behördlich bewilligte Probe- oder Überstellungsfahrten durchgeführt werden und wenn andere hier nicht interessierende Voraussetzungen gegeben sind.

Gemäß § 79 KFG ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 eingehalten werden.

Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind gemäß § 82 Abs. 8 KFG bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht. Nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichen Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

Die Entstehung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG in Verbindung mit § 82 Abs. 8 KFG hat daher jedenfalls folgende Voraussetzungen:

• Es muss ein Kraftfahrzeug in Österreich auf Straßen mit öffentlichem Recht verwendet werden.

• Diese Verwendung muss einer natürlichen oder juristischen Person als Verwender zuzurechnen sein.

• Der Verwender muss seinen Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland haben.

Liegen diese Voraussetzungen vor, wird der dauernde Standort des Fahrzeugs im Inland vermutet. Diese Vermutung kann durch einen Gegenbeweis widerlegt werden.

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den Beschwerdefall bedeutet:

Verwendung des Kfz im Inland

Es steht außer Streit, dass die Bf. das in Rede stehende Kfz in den Jahren 2019 und 2020 tatsächlich im Inland auf Straßen mit öffentlichem Recht gefahren hat. Es wurde daher im Sinne des § 82 Abs. 8 KFG im Inland verwendet.

Verwender des Kfz

Außer Streit steht ferner, dass der Bf. als Eigentümerin die Verwendung des Kraftfahrzeuges auch zuzurechnen ist und sie daher als Verwenderin desselben anzusehen ist.

Hauptwohnsitz im Inland

Der Begriff "Hauptwohnsitz" im Sinne des § 82 Abs. 8 KFG ist nach den Bestimmungen des Meldegesetzes (MeldeG) in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes auszulegen.

Gemäß § 1 Abs. 6 MeldeG ist ein Wohnsitz eines Menschen an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

Gemäß § 1 Abs. 7 MeldeG ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitz zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

Gemäß § 1 Abs. 8 MeldeG sind für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Im Beschwerdefall hatte die Bf. in den Jahren 2019 und 2020 zwei Wohnsitze, einen in ***Bf.Wohnort2*** in Deutschland und einen in ***Bf.Wohnort1*** in Österreich. Auch wenn der Mietvertrag über die Wohnung in ***Bf.Wohnort1*** mit drei Jahren befristet war, kann dennoch gesagt werden, dass die Bf. die Absicht hatte, bis auf weiteres sich dort niederzulassen. Für die Begründung eines Wohnsitzes im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG kommt es schließlich nicht darauf an, dass jemand sich endgültig an diesem Ort niederlassen will. Zudem hat die Bf. am vor der Finanzpolizei ausgesagt, sie werde nach drei Jahren möglicherweise wieder nach Deutschland zurückkehren, sie wisse nicht, was in einem Jahr sei. Damit hat sie aber zum Ausdruck gebracht, dass auch ein längerer Verbleib in Österreich zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen war.

Eine Person kann zwar mehrere Wohnsitze, aber immer nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben (; Haller, Normverbrauchsabgabegesetz, § 1 Rz 114).

Es ist daher zu klären, an welchem der beiden Wohnsitze sich der Lebensmittelpunkt der Bf. befunden hat.

Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 8 MeldeG vor allem folgende Bestimmungskriterien maßgeblich:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften. Es kommt somit auf eine Gesamtschau an: am Wohnsitz muss nicht der Schwerpunkt der beruflichen, der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen bestehen, sondern es muss sich bei Betrachtung des beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeldes eines Menschen ergeben, dass er dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Dabei ist es etwa durchaus möglich, dass am Hauptwohnsitz wenige oder gar keine beruflichen Lebensbeziehungen bestehen.

In der Regel richtet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach dem Familienwohnsitz (vgl. Haller, NoVAG, § 1 Tz 115). Familienwohnsitz ist jener Wohnsitz, an dem eine Person mit seinem Lebenspartner oder seiner Lebenspartnerin und den minderjährigen Kindern lebt (vgl. ; Haller, NoVAG, § 1 Tz 116).

Nicht entscheidend für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen sind hingegen die melderechtlichen Daten. Diesen kommt allenfalls eine Indizfunktion zu. Daher kann ein Ort auch dann der Hauptwohnsitz sein, wenn dieser melderechtlich nur als Nebenwohnsitz gemeldet wurde (vgl. Haller, Normverbrauchsabgabegesetz, § 1 Rz 114).

Die Bf. ist ledig und lebt allein. Es liegt daher kein Familienwohnsitz vor. Persönliche Beziehungen der Bf. am Wohnsitz in ***Bf.Wohnort1*** sind nicht bekannt. In ***Ort4*** und ***Ort3*** leben zwar ihre erwachsenen Kinder und Enkel, die sie immer wieder, v.a. aber im Jahr 2019, besucht hat. Dieser Umstand vermittelt aber keine persönliche Bindung zum hier zu beurteilenden Wohnsitz in ***Bf.Wohnort2***. Zudem ist die Fahrtdauer nach ***Ort4*** und ***Ort3*** mit dem Auto von ***Bf.Wohnort2*** aus nicht wesentlich länger ist als von ***Bf.Wohnort1*** aus. Laut Routenplaner VIAMICHELIN werden für die Autofahrt von ***Bf.Wohnort2*** nach ***Ort4*** ca. 2 h 30 und von ***Bf.Wohnort1*** nach ***Ort4*** ca. 3 h, von ***Bf.Wohnort2*** nach ***Ort3*** ca. 5 h 30 und von ***Bf.Wohnort1*** nach ***Ort3*** ca. 6 h benötigt (vgl. www.viamichelin.at). Damit kann auch die Entfernung ***Bf.Wohnort2*** von den Wohnorten der Kinder und Enkel der Bf. kein Argument für das Bestehen persönlicher Beziehungen zu diesem Ort sein. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann daher im Beschwerdefall nicht nach den persönlichen Beziehungen entschieden werden.

Die Bf. ist in Pension. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann daher auch nicht nach der beruflichen Verflechtung an einen der beiden Wohnsitze bestimmt werden.

Auch von Vermögensbildungen an einem der Wohnsitze ist nichts bekannt. Die Bf. bewohnt an beiden Orten lediglich Mietwohnungen. Diese vermögen aber keine wirtschaftliche Bindung an einen der beiden Orte herzustellen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen bei zwei oder mehreren Wohnsitzen auch auf die Aufenthaltsdauer abzustellen. Wie bereits zum Sachverhalt ausgeführt, war schon für das Jahr 2019, besonders aber für das Jahr 2020 davon auszugehen, dass sich die Bf. überwiegend am Wohnsitz in Österreich aufgehalten hat. Dass der gehäufte Aufenthalt in Österreich im Jahr 2020 durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie bedingt war, mag zutreffen, ändert aber nichts an der Dauer des Aufenthaltes.

Bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist im Beschwerdefall aber zu berücksichtigen, dass die Bf. bereits vor der Anmietung des Zimmers in der ***Bf.Wohnadresse2*** über mehr als zehn Jahre in einer Wohnung in der ***Bf.Wohnadresse3*** in ***Bf.Wohnort2*** gelebt und dort als Astrologin gearbeitet hat. Bei einem derart langen Aufenthalt ist jedenfalls von einer gesellschaftlichen Verflechtung in das Milieu der Stadt ***Bf.Wohnort2*** auszugehen. Andererseits ist nicht davon auszugehen, dass die Bf. sofort nach Begründung des Wohnsitzes in ***Bf.Wohnort1*** in das gesellschaftliche Leben des örtlichen Umfeldes dieses Wohnsitzes eingebunden wurde. Bei einem solcherart gelagerten Sachverhalt kann aber nicht schon mit der Begründung des Wohnsitzes in ***Bf.Wohnort1*** von einem neuen Mittelpunkt der Lebensinteressen ausgegangen werden. Denn bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. ).

Daher kann nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht bereits mit Jänner 2019 von einem Hauptwohnsitz der Bf. in ***Bf.Wohnort1*** ausgegangen werden. Erst nach ca. einem Jahr des Aufenthaltes in Österreich, also ab dem Dezember 2020, kann eine derart starke Verflechtung mit diesem Wohnsitz und dessen Umgebung angenommen werden, dass der Hauptwohnsitz in ***Bf.Wohnort1*** bejaht werden kann.

Aus dieser rechtlichen Beurteilung folgt, dass der Bescheid über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 1-12/2019 aufzuheben war. Wenn die Bf. in diesem Jahr keinen Hauptwohnsitz im Inland hatte, war auch der dauernde Standort des Kraftfahrzeuges nicht Inland. Ohne Hauptwohnsitz liegt eine widerrechtliche Verwendung des Kraftfahrzeuges aber nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 79 KFG vor, das heißt, wenn es mehr als ein Jahr lang im Inland verwendet wurde. Nach Literatur und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnt die Jahresfrist aber mit jedem Grenzübertritt neu zu laufen (vgl. Haller, NoVAG, § 1 Tz 142 mit der dort zitierten Literatur und Judikatur). Nach dem vorliegenden Sachverhalt hat die Bf. das Kraftfahrzeug im Dezember 2018 nach Österreich eingebracht. Bis Dezember 2019 konnte sie das Fahrzeug daher im Inland rechtmäßig verwenden. Zudem ist die Bf. im Jahr 2019 immer wieder ins Ausland, vor allem nach Deutschland, gereist, sodass die Jahresfrist immer wieder unterbrochen wurde. Eine Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG iVm § 79 KFG war daher im Jahr 2019 nicht gegeben.

Ab Dezember 2019 befand sich hingegen der Hauptwohnsitz der Bf. in ***Bf.Wohnort1***, weswegen auch der dauernde Standort des Kraftfahrzeuges ab diesem Zeitpunkt als im Inland gelegen zu vermuten war. Ein Gegenbeweis gegen diese Vermutung hat die Bf. nicht erbracht und aufgrund des hier festgestellten Sachverhaltes auch nicht erbringen können.

Die Verwendung des Kraftfahrzeuges mit dauerndem Standort ist gemäß § 82 Abs. 8 KFG nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Aufgrund des nunmehr bestehenden Hauptwohnsitzes der Bf. im Inland galt das Kraftfahrzeug ab Dezember 2019 als im Sinne des § 82 Abs. 8 KFG erstmalig in das Bundegebiet eingebracht und war die Verwendung des Kraftfahrzeuges nur mehr während eines Monates, also im Dezember 2019, ohne Anmeldung im Inland zulässig. Ab dem Jahr 2020 wurde das Kraftfahrzeug im Inland widerrechtlich verwendet und wurde damit in Österreich kraftfahrzeugsteuerpflichtig.

Bei der widerrechtlichen Verwendung hat der Steuerschuldner gemäß § 6 Abs. 3 Z 1 KfzStG jeweils für einen Kalendermonat die Steuer selbst zu berechnen und bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonats an das Finanzamt zu entrichten. Wenn die Selbstberechnung unterlassen wird oder wenn sich die Selbstberechnung als unrichtig erweist, hat das Finanzamt die Steuer festzusetzen.

Da die Bf. keine Selbstberechnung der Kraftfahrzeugsteuer vorgenommen hat, war das Finanzamt berechtigt, die Kraftfahrzeugsteuer für die einzelnen Monate in einem Bescheid zusammengefasst bis zwei Monate vor Erlassen des Bescheides im Oktober 2020, also für die Monate 1-7/2020, festzusetzen. Dieser Bescheid ist damit zu Recht ergangen, sodass die dagegen erhobene Beschwerde abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dieser Entscheidung ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen. Eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 3 Z 2 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 36 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 79 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 1 Abs. 8 MeldeG, Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100257.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at