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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2022, RV/7102152/2020

Ersatzlose Bescheidaufhebung bei Zurücknahme eines Antrages auf Zuzugsbegünstigung im anhängigen Bescheidbeschwerdeverfahren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102152/2020-RS1
Eine Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG ist nur auf Antrag des Steuerpflichtigen zur gewähren. In einem Antragsverfahren kann bis zur formellen Rechtskraft der behördlichen Antragserledigung der Antrag vom Antragsteller zurückgenommen werden (Antragsmaxime). Fällt während eines laufenden Antragsverfahrens der Antrag weg, ist das Antragsverfahren zu beenden und zwar so, als ob niemals ein Antrag vorgelegen wäre. Mit der Zurückziehung des Antrages ist bei dem mit Beschwerde angefochtenen Bescheid nachträglich die Grundlage für seine Erlassung – nämlich das Vorliegen eines Antrages – weggefallen. Dadurch ist diese, antragsabhängige und noch nicht in formelle Rechtskraft erwachsene, behördliche Erledigung rechtswidrig geworden. Der angefochtene antragsabhängige Bescheid war daher vom Verwaltungsgericht ersatzlos aufzuheben. Das gegenständliche Antragsverfahren auf Zuzugsbegünstigung ist mit der Antragszurücknahme auch beendet. Auf Grund dieses Umstandes war vom BFG nicht mehr über die Streitfrage abzusprechen, ob der im laufenden Verfahren zurückgenommene Antrag auf Zuzugsbegünstigung entsprechend den Bestimmungen der Zuzugsbegünstigungsverordnung (ZBV 2016) rechtzeitig eingebracht worden ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde vom des Bf., X1 geboren,
StNr.: X2, O. wohnhaft, vertreten durch Salburger Rechtsanwalts-GmbH, 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ: BMF-X3 vom , zugestellt am , mit welchem der Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 vom wegen Verspätung gemäß § 1 Abs. 2 der Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 zurückgewiesen wurde

zu Recht erkannt

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf. genannt) stellte durch seinen steuerlichen Vertreter (StV) mit Anbringen vom , im BMF per Fax am eingebracht, den Antrag auf Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem erklärten Zuzugszeitpunkt, . Nach den Angaben im Antrag habe der Bf. am seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen von Italien nach Österreich (Villach) verlagert und wäre demnach der Antrag am letzten Tag der sechsmonatigen Antragsfrist (§ 1 Abs. 2 ZBV 2016) eingebracht worden.

Nach Durchführung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens wurde vom Bundesminister für Finanzen der Antrag auf Zuzugsfreibetrag vom mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der aktenkundigen Umstände gelangte die Abgabenbehörde zu der Auffassung, dass der Antragsteller nach dem Gesamtbild seiner wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse bereits im Dezember 2018, jedenfalls aber schon vor dem , den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen von Italien nach Österreich verlagert habe. Sein tatsächlicher Zuzug nach Österreich iSd § 103 EStG habe bereits mehr als sechs Monate vor der Antragstellung am stattgefunden. Der am ausgestellten Niederlassungsbescheinigung für EU-Bürger komme hingegen für die Begründung des Lebensmittelpunktes keine Bedeutung zu.

Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Finanzen erhob der Bf. mit Schriftsatz vom frist- und formgerecht Bescheidbeschwerde. Er beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Aufhebung des Zurückweisungsbescheides. Begründend brachte der Bf. vor, dass die vorangehende Anmeldung eines Hauptwohnsitzes in Österreich Voraussetzung für die am ausgestellte Niederlassungsbescheinigung für EU-Bürger gewesen sei. Bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen komme den persönlichen Beziehungen eine stärkere Bedeutung als den wirtschaftlichen Beziehungen zu. Der Bf. habe erst am sein Doktoratsstudium abgeschlossen (Promotionsurkunde des Polytechnico di Milano am ausgestellt). Der Bf. sei im Dezember 2018 und Jänner 2019 noch häufig nach Italien gefahren. Für die Ausübung seiner Berufsausübung sei der Abschluss des Doktoratsstudiums eine Voraussetzung gewesen. Wegen der Intensität des Abschlusses der Prüfungsvorbereitungen sei es dem Bf. nicht möglich gewesen, persönliche Beziehungen in Österreich zu pflegen. Ferner sei festzuhalten, dass der Bf. zumindest bis Februar 2019 an Unterrichten einer Tanzschule in Italien teilgenommen habe und bei diversen Kulturveranstaltungen auch getanzt habe. Der Bf. habe nachweislich eine jahrelange Beziehung zu einer Lebenspartnerin in Mailand (Frau F.). Auf Grund der starken Familienbeziehung sei der Bf. sowohl im Dezember 2018 als auch im Jänner 2019 mehrmals nach Italien gefahren. Sein Mittelpunkt der Lebensinteressen sei in diesem Zeitraum jedenfalls noch in Italien konzentriert gewesen.

Mit umfassenden Vorlagebericht vom wurde von der belangten Behörde die Bescheidbeschwerde mitsamt dem bezugshabenden Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht als sogenannte Direktvorlage gemäß § 262 Abs. 4 BAO zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom zog der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages vom rechtswirksam zurück. Zudem wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der vorstehend geschilderte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist aktenkundig und eindeutig bewiesen. Dieses Geschehen liegt der Entscheidung zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Eine Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988 ist nur auf Antrag des Steuerpflichtigen zur gewähren. In einem Antragsverfahren kann bis zur formellen Rechtskraft der behördlichen Antragserledigung der Antrag vom Antragsteller zurückgenommen werden (Antragsmaxime). Fällt während eines laufenden Antragsverfahrens der Antrag weg, ist das Antragsverfahren zu beenden und zwar so, als ob niemals ein Antrag vorgelegen wäre.

Der Beschwerdeführer hat im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den Antrag auf Zuzugsbegünstigung vom mit Anbringen vom rechtswirksam zurückgezogen. Damit ist bei dem mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Bescheid vom nachträglich die Grundlage für seine Erlassung - nämlich das Vorliegen eines Antrages - weggefallen. Dadurch ist diese, antragsabhängige und noch nicht in formelle Rechtskraft erwachsene, behördliche Erledigung rechtswidrig geworden. Der angefochtene antragsabhängige Bescheid war daher vom Verwaltungsgericht ersatzlos aufzuheben. Das gegenständliche Antragsverfahren auf Zuzugsbegünstigung ist mit der Antragszurücknahme vom hiermit auch beendet. Auf Grund dieses Umstandes war vom BFG nicht mehr über die Streitfrage abzusprechen, ob der im laufenden Verfahren zurückgenommene Antrag auf Zuzugsbegünstigung entsprechend den Bestimmungen der Zuzugsbegünstigungsverordnung (ZBV 2016) rechtzeitig eingebracht worden ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage folgt der ständigen Rechtsprechung des VwGH, weshalb eine Revision für nicht zulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102152.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at