Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 13.01.2022, RV/3100009/2022

Mängelbehebungsauftrag (§ 85 BAO)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100009/2022-RS1
Wurde einem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes - nach Ansicht desselben - nicht entsprochen und wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als zurückgenommen erklärt, so hat das Bundesfinanzgericht, sofern es die Rechtsansicht des Finanzamtes teilt, nach Stellung eines Vorlageantrages, die Beschwerde mit Beschluss gemäß § 278 Abs 1 lit b BAO als zurückgenommen zu erklären. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdebegehren ist dem Bundesfinanzgericht in einem derartigen Fall verwehrt.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom zu Ordnungsbegriff 10 838 474 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum März 2020 bis März 2021 für das Kind ***Kind***, VNR ***1***,

beschlossen:

I.

Die Beschwerde gilt gemäß § 278 Abs 1 lit b iVm § 85 Abs 2 BAO als zurückgenommen.

II.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid vom wurden von der Beihilfenbezieherin sowohl die für das im Spruch genannte Kind ausbezahlte Familienbeihilfe, als auch der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum März 2020 bis März 2021 zurückgefordert. Das Finanzamt vertrat die Rechtsansicht, dass die angesprochenen Beträge zu Unrecht bezogen wurden.

Mit persönlich am beim Finanzamt Österreich, Dienststelle Innsbruck, eingereichtem Schriftsatz wurde um Überprüfung der Rückforderung ersucht. Das Finanzamt wertete diesen Schriftsatz als der Beihilfenbezieherin zuordenbare und rechtzeitige Beschwerde, welche allerdings nicht unterschrieben sei.

Die beschwerdeführende Partei wurde daher mit Mängelbehebungsauftrag vom gemäß § 85 Abs 2 iVm §§ 2a, 269 Abs 1 und § 250 Abs 1 lit a - d BAO aufgetragen, den Mangel der fehlenden Unterschrift bis zum zu beheben, andernfalls das Anbringen (konkret die Beschwerde) als zurückgenommen gelte.

Da die Beihilfenbezieherin diesem Auftrag zur Mängelbehebung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen sei, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Hinweis auf § 85 BAO ausgesprochen, dass die Beschwerde als zurückgenommen gilt.

Daraufhin wurde mit Eingabe, datiert mit , beim Finanzamt eingelangt am , von der Beihilfenbezieherin ein "erneutes schriftliches Ansuchen für den Antrag auf Ablehnung der Rückzahlung des Kindergeldes" gestellt. Sie und ihr Kind wären "seit dem letzten von Ihnen versendeten Brief" im ständigen telefonischen Kontakt mit dem Finanzamt gestanden und habe die Tochter auch für den einen Termin vereinbart, um die Angelegenheiten persönlich "zu klären und nachzubringen". Dieser Termin sei jedoch vergessen und nicht vermerkt worden und habe deswegen nicht wahrgenommen werden können.

Das Finanzamt wertete diese Eingabe als Vorlageantrag und legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Dazu wird erwogen:

Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht nicht zu entscheiden, ob der von der Beschwerdeführerin als gegeben angesehene Beihilfenanspruch verbunden mit dem Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag im streitgegenständlichen Zeitraum bestanden hat oder nicht. Entscheidungsrelevant ist ausschließlich, ob die gegen den Abweisungsbescheid eingebrachte und als Beschwerde gewertete Eingabe vom mangelhaft war, das Finanzamt zu Recht einen Mängelbehebungsauftrag erlassen hat, dieser den formellen Vorschriften entsprach und ob die Beschwerdeführerin die Mängel innerhalb offener Frist behoben hat.

Eine Beschwerde gegen einen Bescheid einer Abgabenbehörde ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO).
Nach § 85 Abs 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (zB Rechtsmittel) vorbehaltlich bestimmter, für den gegenständlichen Fall jedoch nicht zutreffender Ausnahmen, schriftlich einzureichen.
Mängel von Eingaben (wie zB das Fehlen der Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung (§ 85 Abs 2 BAO). Vielmehr hat die Abgabenbehörde dem Einschreiter/der Einschreiterin die Behebung der Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

An Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt unbestritten, dass die Eingabe vom , welche das Finanzamt auf Grund ihres Inhaltes als Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid vom wertete, nicht unterschrieben ist. Aus diesem Grund war das Finanzamt verpflichtet, auf diesen Mangel hinzuweisen und dessen Behebung zu fordern.
Nach den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung - in der Folge ebenfalls unbestritten geblieben - wurde der Mangel nicht innerhalb der mit Mängelbehebungsauftrag vom gesetzten Frist bis behoben.
Von der Beschwerdeführerin wird auch nicht behauptet, dass sie den Mängelbehebungsauftrag vom (welcher offenbar ohne einen zu Nachweiszwecken dringend gebotenen Zustellnachweis versendet wurde) nicht erhalten hätte, sodass von einer Zustellung desselben auszugehen ist.
Sowohl in der vom Finanzamt als Beschwerde gewerteten Eingabe vom , als auch in der vom Finanzamt als Vorlageantrag gewerteten und mit datierten Eingabe wird zwar auf einen "ständigen Kontakt" der Beschwerdeführerin und ihres Kindes mit dem Finanzamt verwiesen, konkrete Angaben dazu sind, mit Ausnahme eines "vergessenen" Termins für eine persönliche Vorsprache für den , den Eingaben jedoch nicht zu entnehmen. Am wäre die mit gesetzte Frist aber bereits abgelaufen gewesen und hätte daher eine persönliche Vorsprache des Kindes, bei welcher "die Angelegenheiten" geklärt und - offenbar - die Unterschrift der Mutter nachgebracht hätte werden sollen, nicht fristwahrend sein können. Es bleibt somit völlig im Dunkeln, weshalb es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre, innerhalb der gesetzten Frist, welche mit einem Monat zweifelsfrei als angemessen zu betrachten ist, die fehlende Unterschrift einfach durch zB Übermittlung einer unterschriebenen Ausfertigung der Beschwerde per Post oder durch persönliche Abgabe in der Einlaufstelle des Finanzzentrums Innsbruck nachzureichen (vgl Ritz, BAO6, § 85 Tz 14).

Somit ist festzustellen, dass die Eingabe der Beschwerdeführerin vom den Mangel der fehlenden Unterschrift aufgewiesen hat, das Finanzamt entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen einen Mängelbehebungsauftrag mit angemessener Frist erlassen hat und die Beschwerdeführerin diesen Mangel innerhalb dieser Frist nicht behoben hat.

Wird einem rechtmäßigen Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend entsprochen (zB ), so ist mit Bescheid (Zurücknahmebescheid/Beschwerdevorentscheidung) auszusprechen, dass die Eingabe als zurückgenommen gilt (vgl Ritz, BAO6, § 85 Rz 18, und § 262 Rz 2).
Das Finanzamt hat beim vorliegenden Sachverhalt somit zu Recht die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als zurückgenommen erklärt.
Durch die rechtzeitige Einbringung des Vorlageantrages gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs 3 BAO). Wurde einem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes - nach Ansicht desselben - nicht entsprochen und wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als zurückgenommen erklärt, so hat das Bundesfinanzgericht, sofern es die Rechtsansicht des Finanzamtes teilt, nach Stellung eines Vorlageantrages, die Beschwerde mit Beschluss gemäß § 278 Abs 1 lit b BAO als zurückgenommen zu erklären.
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdebegehren ist dem Bundesfinanzgericht in einem derartigen Fall verwehrt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages unmittelbar aus § 85 Abs 2 BAO ergibt, liegt hier keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Rechtslage ist eindeutig im Sinne des Zl. Ro 2014/07/0053. Die ordentliche Revision ist daher im vorliegenden Fall nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100009.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at