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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2022, RV/7103784/2018

Keine Nachsicht von Grunderwerbsteuer trotz treuwidrigen Verhaltens des Rechtsanwaltes.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung einer Nachsicht in Höhe von 5.605,32 Euro zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Das Finanzamt hat gegenständliche Beschwerde mit folgender Sachverhaltsdarstellung zur Entscheidung vorgelegt:

"Herr ***2*** beauftragte Herrn ***3***, ehemaliger Rechtsanwalt in ***4***, den Kaufvertrag vom (***5***) als Treuhänder abzuwickeln.

Herr ***6*** führte jedoch in der Folge die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr nicht an das ***FA*** ab.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***7*** vom wurde ein Sanierungsverfahren für Herrn ***3*** eröffnet und am die Bezeichnung des Verfahrens auf Konkursverfahren geändert. Mit Aufforderungsschreiben vom wurde die offene Abgabenforderung an Grunderwerbsteuer in Höhe von insgesamt € 5.352,64 gegenüber Herrn ***2*** geltend gemacht, da, bis auf die Quote aus dem Konkurs (ca. 3,8%), trotz aller Maßnahmen bei Herrn ***3*** nicht einbringlich waren.

Mit Schreiben vom wurde ein Nachsichtsansuchen eingebracht und mit Bescheid vom abgewiesen. Die, gegen diesen Bescheid am eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung am abgewiesen. Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom ."

Das Finanzamt hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

"Die Vorlage der Beschwerde erfolgt unter Bezugnahme auf die Begründungen des Abweisungsbescheides und der Beschwerdevorentscheidung. Auch die Ausführungen im Vorlageantrag sind nicht geeignet die bisherige Beurteilung, dass weder eine sachliche noch eine persönlichen Unbilligkeit vorliegt, zu ändern.

Wenngleich auch bereits entrichtete Abgaben nachgesehen werden können, werden nach Ansicht des FA keine Gründe vorgebracht, die eine persönliche Unbilligkeit beim Abgabpflichtigen begründen. Zum wiederholt vorgebrachten Argument der doppelten Bezahlung, soweit Beträge bereits an den Vertreter bezahlt wurden, ist festzuhalten, dass das Risiko der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr , insbesondere auch an der Auswahl des Vertreters, wenn daraus ein Schaden entsteht, nicht zu eine Unbilligkeit in der Einhebung führt. Dazu wird insbesodnere nochmals auf die Ausführungen in der BVE verwiesen.

Die Vorlage erfolgt daher mit dem Antrag auf Abweisung."

Die steuerliche Vertretung (PV) hat am ein Nachsichtsansuchen gemäß § 236 BAO eingebracht und vorgebracht, am Abgabenkonto stehe derzeit ein Rückstand von 5.005,48 €, der aus der Vorschreibung der Grunderwerbsteuer im Jahr 2016 für einen Liegenschaftskauf im Jahr 2011 resultiere. Ihr Klient habe im Jahr 2011 die Grunderwerbsteuer auf ein Treuhandkonto des Rechtsanwaltes ***3*** bezahlt, der es in betrügerischer Absicht verabsäumt habe die Grunderwerbsteuer an das Finanzamt weiter zu leiten. Herr ***6*** sei mittlerweile strafrechtlich verurteilt, habe eine Gefängnisstrafe angetreten und habe Konkurs angemeldet. Von dieser Seite seien keine Zahlungen mehr zu erwarten. Mittlerweile habe ihr Klient die im Jahr 2011 erworbene Liegenschaft wieder (mit Verlust) verkauft. Es sei für ihren Klienten unbillig, die Grunderwerbsteuer doppelt zu bezahlen. Er sei bis zum Jahr 2016, fast 5 Jahre lang, der Meinung gewesen, dass alle Steuern im Zusammenhang mit dem Grunderwerb bezahlt worden seien. Es sei auch verwunderlich, dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Grundbucheintragung ohne Bezahlung der Grunderwerbsteuer ausgestellt worden sei. Die Grundbucheintragung sei jedenfalls erfolgt, daher habe jedermann davon ausgehen können, dass alles korrekt abgewickelt worden sei. Wäre ihr Klient nicht kurz vor der Verjährungsfrist auf das Versäumnis des Vertragserstellers und Treuhänders seitens der Behörde aufmerksam gemacht worden, hätte er viel früher an Herrn ***6*** herantreten können und die Zahlung wäre möglicherweise geleistet worden, da seitens des Herrn ***6*** kein Interesse bestand, dass seine Malversationen bekannt würden. Da das verspätete Einschreiten der Behörde ursächlich für den Schaden sei, der ihrem Klienten durch die doppelte Vorschreibung entstanden sei, sei die Einbringung des Rückstandes sowie der bereits geleisteten Zahlung von "? 599,84" unbillig. Es werde daher um Abschreibung der Abgabe samt Stundungszinsen und Säumniszuschlägen ersucht.

Mit dem spruchgegenständlichen Bescheid vom hat das Finanzamt den Antrag um Nachsicht in Höhe von 5.605,32 € abgewiesen.

Das Finanzamt hat ausgeführt:

"Gemäß § 236 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Einhebung kann eine sachliche oder persönliche sein. Persönliche Unbilligkeit des Abgabenschuldners wurde in gegenständlicher Angelegenheit nicht einmal behauptet.

Sachliche Unbilligkeit liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle vom Gesetz erfassten Abgabepflichtigen (in vergleichbarer Situation) in gleicher Weise trifft.

Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass bestimmte Parteienvertreter (Rechtsanwälte und Notare) vom Gesetzes wegen berechtigt sind Selbstberechnungen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften vorzunehmen. Bei der Form der Selbstberechnung haftet der Parteienvertreter für die Abfuhr der Grunderwerbsteuer, Abgabepflichtige und damit Primärschuldner sind jedoch die am Erwerbsvorgang beteiligten Parteien. Hier hatte der Gesetzgeber eine Verwaltungserleichterung im Sinn gehabt und bestimmten Parteienvertretern das Vertrauen der korrekten Vorgangsweise entgegengebracht. Das Finanzamt kann bei wiederholten schweren Verstößen diese Berechtigung entziehen. Hierzu müssen jedoch wiederholte Verfehlungen vorliegen.

Im konkreten Fall wurde dem Parteienvertreter bei Bekanntwerden der Vorfälle umgehend die Selbstberechnungsbefugnis entzogen und auch sämtliche Einbringungsschritte gesetzt.

Auch wenn das Finanzamt auf Grund der Gesamtsituation aus Sicht der Partei früher hätte reagieren können, haben sich die Parteien ihren Vertreter selbst ausgesucht und mit der Selbstberechnung beauftragt. Ob dieser entsprechend seinem Auftrag vorgeht oder auftragswidrig handelt, ist der Sphäre des Vertragsverhältnisses zuzurechnen. Tatsache ist, dass die Parteien geschuldete Grunderwerbsteuer von dem von Ihnen gewählten Parteienvertreter nicht schuldbefreiend entrichtet wurde.

Daneben gibt es keine verfahrensrechtliche Bestimmung, dass der Abgabenschuldner zu informieren ist, wenn der Parteienvertreter mit der Abfuhr der selbstberechneten Grunderwerbsteuer in Verzug ist. Vielmehr sind in diesem Fall Einbringungsmaßnahmen bei diesem vorzunehmen, zumal dessen Abgabenkonto belastet und einen Abgabenrückstand aufweist. Dass dieser die Abgabenbeträge veruntreut hat und anschließend ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war für auch für das Finanzamt nicht im Vorhinein absehbar. Das Finanzamt ist rechtlich völlig richtig vorgegangen und hat sich keinerlei Versäumnis zu Schulden kommen lassen. Aus genannten Gründen war Ihr Ansuchen abzuweisen."

Dagegen wurde Beschwerde eingebracht.

Die Parteienvertreterin (PV) bringt vor, es liege sowohl persönliche als auch sachliche Unbilligkeit vor, eine bereits bezahlte Abgabeverbindlichkeit nach 7 Jahren einzubringen. Persönliche Unbilligkeit: Der Beschwerdeführer habe die Liegenschaft, die er im Jahre 2011 erworben habe und für die er nun nochmals die Grunderwerbsteuer bezahlt habe, am verkauft um eine Insolvenz abzuwenden. Der Betrieb, den er geführt habe, habe nicht die erwarteten Erträge sondern hohe Verluste gebracht. Die Einkommensteuerbescheide befänden sich im Anhang. Die Verluste seien entstanden, da der Beschwerdeführer (Bf) aufgrund einer körperlichen Einschränkung nicht in der Lage gewesen sei, voll mitzuarbeiten.

Sachliche Unbilligkeit: Das Finanzamt habe eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, mit der die Grundbuchseintragung erfolgt sei. Daher habe der Bf zu Recht annehmen können, dass alle Abgaben im Zusammenhang mit dem Grunderwerb bezahlt worden seien. Auch wenn sich der Beschwerdeführer den PV selbst ausgesucht habe, sei es einem nicht rechtskundigen Laien nicht zumutbar, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch den Rechtsvertreter zu überprüfen. Für das Finanzamt wäre es zumutbar gewesen, vor Ausstellung der UB die Zahlung zu kontrollieren. Auch sei der lange Zahlungsaufschub von beinahe 5 Jahren, der dem betrügerischen Rechtsanwalt gewährt worden sei, im Vergleich mit anderen säumigen Abgabepflichtigen völlig unüblich. Auch dies sei ein starkes Argument für die Unbilligkeit, da dadurch Versäumnisse der Abgabenbehörde zu Lasten des Abgabenschuldners gingen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet abgewiesen:

"Gemäß § 236 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

In Ihrem Fall wurde die Abgabenschuld durch Überrechnung eines Guthabens bei Ihrem zuständigen Wohnsitzfinanzamt getilgt. Zur Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten musste nicht auf Ihre Einkünfte gegriffen werden, somit sei Ihre Lebensführung in keiner Weise beeinträchtigt. Eine persönliche Unbilligkeit liege somit nicht vor.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als auch persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung kommt. Jedenfalls muss es, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einer atypischen Belastungswirkung kommen. Eine Unbilligkeit des Einzelfalles ist nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolgt.

Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) sind nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 GrEStG befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen. Von seinem, ihm in jedem Einzelfall zustehenden Wahlrecht die Selbstberechnung vorzunehmen, macht der Parteienvertreter dadurch Gebrauch, dass er dem Grundbuchsgericht gegenüber erklärt, dass eine Selbstberechnung gemäß § 11 GrEStG vorgenommen worden ist und die Grunderwerbsteuer (sowie ja nach zeitlichem Anwendungsbereich auch die Eintragungsgebühr nach dem GGG) gemäß § 13 GrEStG abgeführt wird, mit anderen Worten, dass er die Selbstberechnungserklärung abgibt. Die Selbstberechnungserklärung kann vor Anmeldung (§ 13 GrEStG) und vor Zahlung der GrESt abgegeben werden. Es muss nur zuvor die Selbstberechnung vorgenommen worden sein und die Eintragung im Grundbuch kann durchgeführt werden. Im Falle einer Selbstberechnung wird daher vom Finanzamt keine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt.

Das Finanzamt hat alles unternommen, um die Forderung geltend und einbringlich zu machen und hat letztendlich die Quote aus dem Konkurs bekommen, die auch bei der Geltendmachung gegenüber den Abgabenschuldnern berücksichtigt wurde.

Selbst wenn das Finanzamt theoretisch bereits im Jahr 2011 an Sie herangetreten wäre, hätten Sie Ihre Forderungen - soweit Hr. ***6*** nicht freiwillig bezahlt hatte - im Klagsweg geltend machen müssen, um einen Exekutionstitel zu erhalten. Dies hätte sicherlich einige Zeit in Anspruch genommen, weshalb Sie Ihre Forderung auch nur im Konkursverfahren anmelden hätten können und mit einer Quote von 3,8% abgefunden worden wären. Diese Quote hat Ihnen das Finanzamt jedoch ohnedies bereits in Abzug gebracht.

Somit war Ihr Ansuchen auf Nachsicht abzuweisen."

Fristgerecht wurde Vorlageantrag eingebracht.

Die PV wendet ein, wenn in der abweisenden BVE angeführt werde, dass keine Unbilligkeit der doppelten Einhebung von bereits bezahlten Steuern vorliege, weil die Abgabenschuld durch Überrechnung eines Guthabens beim Wohnsitzfinanzamt getilgt worden sei, so sei dabei nicht geprüft worden, wie dieses Guthaben entstanden sei. Wenn auf einem Abgabenkonto ein Guthaben entstehe, handle es sich üblicherweise um kein Geschenk der Abgabenbehörden, sondern um Abgaben die dem Pflichtigen betragsmäßig zu hoch vorgeschrieben wurden und die er bezahlt habe. Auch im Falle des Beschwerdeführers handle es sich um die Immobilienertragsteuer, die vom Vertragsverfasser einbehalten und abgeführt worden sei. Durch eine nachträgliche Kaufpreisminderung sei vom Notar eine berichtigte Steuererklärung abgegeben und der Differenzbetrag wieder am Abgabenkonto gutgeschrieben worden. Mit dieser Steuergutschrift habe der Beschwerdeführer Verbindlichkeiten aus dem aufgegebenen Gewerbebetrieb bezahlen wollen. Diese Verbindlichkeiten hätten nun aus der Invaliditätspension, die ca. EUR 12.000,00 jährlich betrage, bezahlt werden müssen. Die Einkommensteuerbescheide wären vorgelegt worden. Für einen Pensionisten mit diesen geringen Pensionseinkünften, liege persönliche Unbilligkeit vor, wenn ein Betrag von EUR 5.352,64 doppelt bezahlt werden müsse, weil die Abgabenbehörden es versäumt hätten, vom Parteienvertreter die rechtzeitige Bezahlung zu verlangen, bzw. den nunmehrigen Beschwerdeführer zeitnah darauf aufmerksam zu machen, dass die Bezahlung durch den Parteienvertreter nicht erfolgt sei.

Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die elektronisch vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes.

III. Rechtslage und Erwägungen

Vorab ist festzustellen, dass das Finanzamt über einen Betrag von € 5.605,32 abgesprochen hat, zumal die PV wiederholt unterschiedliche Beträge nennt.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der vom Gesetzgeber geforderte Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.

Die als Voraussetzung für eine Nachsicht in § 236 BAO genannte Unbilligkeit kann je nach Lage des Falles eine persönliche oder eine sachliche Unbilligkeit sein.

Mit "persönlicher" Unbilligkeit ist gemeint, dass sich in der Situation des Antragstellers ein deutliches Missverhältnis zwischen der Einhebung bzw. zwangsweisen Einbringung und den im Lebensbereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen ergibt, insbesondere, wenn seine eigene Existenz oder die seiner Familienangehörigen gefährdet würde (z.B. ). Das muss nicht in dem extremen Sinn verstanden werden, dass sogar der Nahrungsstand gefährdet wäre, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (). Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren, stellen eine Unbilligkeit nicht dar.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () lässt auch die Notwendigkeit, Vermögenswerte - und sei es auch Grundvermögen - zur Steuerzahlung heranzuziehen, die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig erscheinen. Wenn die Abstattung einer Abgabe nur durch eine Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkommen würde, könnte die Einziehung der Abgabe als unbillig angesehen werden. Das mag vor allem dann der Fall sein, wenn die Finanzverwaltung selbst die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft durchführen lassen würde. Hat aber der Steuerpflichtige die Möglichkeit, einen Freihandkäufer zu suchen, dann würden Stundungen und Teilzahlungen der Unbilligkeit abhelfen und eine Nachsicht wäre nicht erforderlich, um die Unbilligkeit abzuwenden.

Eine "sachliche" Unbilligkeit wäre anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt, zB. dass eine nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt, Behördenverschulden zu einem entschuldbaren Rechtsirrtum führte oÄ..

Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.

Die vom Beschwerdeführer durch die steuerliche Vertretung dargestellte Belastung hat ihre Ursachen nicht in der Abgabeneinhebung, sondern im (treuwidrigen) Verhalten des beauftragten Anwaltes. Auch musste - soweit dies dem Beschwerdevorbringen entnommen werden kann - die erworbene Liegenschaft nicht wegen der Grunderwerbsteuerbelastung verkauft werden, sondern um die Insolvenz des Betriebes des Bf. abzuwenden, weil dieser nicht die erwarteten Erträge erwirtschaftet hat.

Auch wird vom Bf. nicht dargelegt, dass er speziell durch die Grunderwerbsteuerforderung in eine derartig bedrohliche wirtschaftliche Lage gebracht worden wäre, dass die persönlich bedingte Unbilligkeit der Abgabeneinhebung anzunehmen gewesen wäre.

Es ist Sache eines Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die eine Nachsicht gestützt werden kann (Hinweis E , 98/13/0073), weswegen die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen hat ().

Zur eingewendeten Mitschuld der Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 83/16/0082, zwar ausgesprochen, dass bei Vorliegen einer diesbezüglichen Sorgfaltspflichtverletzung der zuständigen Abgabenbehörde eine Unbilligkeit nach Lage der Sache nicht von vornherein in Abrede zu stellen ist (vgl. ). Eine derartig schuldhafte Vorgangsweise der Abgabenbehörde lässt sich aus dem gegebenen Sachverhalt allerdings nicht entnehmen.

Das Finanzamt hat alles unternommen, um die Forderung geltend und einbringlich zu machen und hat letztendlich die Quote aus dem Konkurs bekommen, die auch bei der Geltendmachung gegenüber den Abgabenschuldnern berücksichtigt wurde. Die Abgabenbehörde kann nicht für allfällige Fehler indirekt die Haftung durch Gewährung einer Nachsicht übernehmen.

Selbst wenn das Bestehen weiterer existenzgefährdender Verbindlichkeiten neben den nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten die Verneinung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/14/0029, nicht zu begründen vermöchte, wäre für den Bf. nichts gewonnen, weil die sodann zu treffende Ermessensentscheidung nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 87/13/0094, auch tatsächlich geeignet sein muss, jenen Effekt herbeizuführen, der dem als vorrangig erkannten Interesse entspricht. Eine drohende Existenzgefährdung rechtfertigt daher nur dann eine Nachsicht nach § 236 BAO, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der betreffenden Abgabe gefährdet ist, sodass mit einer Abgabennachsicht die Existenzgefährdung abgewendet werden könnte. Das hat der Bf. aber gar nicht behauptet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 95/16/0140, in welchem ebenfalls wegen Fehlverhaltens des Vertreters - die Vorgangsweise des Vertreters wurde als disziplinäre Verfehlung geahndet - ein Mitverschulden des Finanzamtes eingewendet wurde, da es die Besicherung der Abgabenschuldigkeit und Vollstreckungsmaßnahmen unterlassen habe, ausgesprochen, dass der vom Vertreter verursachte Nachteil der Beschwerdeführerin nicht im Wege einer Nachsicht dem Abgabengläubiger und damit der Allgemeinheit überbunden werden kann. Dabei kommt auch der Durchsetzbarkeit eines allfälligen Schadenersatzanspruches keine Bedeutung zu.

Das aufgezeigte behauptete schwerwiegende Fehlverhalten des Rechtsanwaltes ist allerdings der Sphäre des Bf. zuzurechnen, weswegen in der Einhebung der bereits entrichteten Abgabenschuld keine sachliche Unbilligkeit zu erblicken ist ().

Gem. § 236 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Verneint sie diese Frage, dann ist für die Ermessensentscheidung kein Raum mehr, demnach ist der entsprechende Antrag abzuweisen. Nur wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes bejaht, hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden (). Die Unbilligkeit der Angabeneinhebung nach der Lage des Falles ist unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung einer Abgabennachsicht. Erst wenn diese Unbilligkeit feststeht, kommt das der Abgabenbehörde in § 236 Abs 1 BAO eingeräumte Ermessen zum Zug (Hinweis E , 1996/75; E , 81/13/0197; E , 81/13/0199, VwSlg 5703 F/1982 in ).

Da im vorliegenden Fall sowohl das Vorliegen einer sachlichen als auch persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen war, diese Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles jedoch tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, blieb für eine Ermessensentscheidung () kein Raum, womit die Beschwerde abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall im Hinblick auf die zitierte Judikatur nicht erfüllt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103784.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at