Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.01.2022, RV/7103701/2020

Ablehnung des Zuzugsfreibetrags für eine betriebliche Forschungstätigkeit - kein Mindestgehalt für die Blaue Karte EU und negative Stellungnahme der FFG

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7103701/2020-RS1
Aus der Formulierung in § 2 Abs. 2 Z 4 ZBV 2016 lässt sich eine Beweislastverteilung dahingehend ableiten, als die Dokumentationspflicht den Begünstigungswerber trifft und darüber hinaus grundsätzlich keine amtswegige Ermittlungspflicht besteht. Für das Verwaltungsgericht besteht kein plausibler Grund, von einer sachverständigen Beurteilung der Qualität der Wissenschafts- oder Forschungstätigkeit eines Antragstellers gemäß § 8 ZBV 2016 abzugehen, soweit dieser der Schlüssigkeit der sachverständigen Stellungnahme der FFG nicht begründet entgegengetreten ist.
RV/7103701/2020-RS2
Die Beurteilung, ob durch den Zuzug eines Stpfl. eine dem öffentlichen Interesse dienende Förderung der Wissenschaft oder Forschung zu erwarten ist, ist eine Beweisfrage. Aus diesem Grunde kann für diese Tatsachenfeststellung auch eine sachverständige Beurteilung durch die Forschungsförderungsgesellschaft nach § 8 ZBV 2016 eingeholt werden. Hingegen wäre für die Beurteilung einer Rechtsfrage die Beiziehung eines Sachverständigen ausgeschlossen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über die Bescheidbeschwerde vom des Bf.,, Steuernummer ***BF1StNr1***, Adr. wohnhaft, vertreten durch SBT Steuerberatungs-GmbH&CoKG, 8020 Graz, Metahofgasse 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , zugestellt am , GZ.: BMF-0X1, mit welchem der Antrag vom auf Zuerkennung eines Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Absatz 1a EStG 1988 abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) durch seinen steuerlichen Vertreter die Zuerkennung des pauschalen Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 für den Zeitraum 6/2019 bis 6/2024.

Im Dienstvertrag vom (Punkt 4, Tätigkeit/Einstufung) wurde der Bf. von der Firma X-AG (idF X-AG.) mit als "Engineer R&D II, Global Grade 10" mit einem monatlichen All-in-Pay-Bruttoentgelt von € 3.620 eingestellt. Der Zuzug von Schweden nach Österreich sei laut dem vorgelegten Verzeichnis nach § 7 Abs. 1 der Zuzugsbegünstigungsverordnung (ZBV 2016) am erfolgt.

Der Bf. übermittelte neben dem Verzeichnis gemäß § 7 Abs. 1 ZBV 2016 und dem mit der X-AG. abgeschlossenen Dienstvertrag eine Tätigkeitsbeschreibung sowie eine Bestätigung seines Dienstgebers, wonach die an den Bf. ausgezahlten Vergütungen Aufwendungen iSd. § 108c Abs. 1 EStG darstellen würden. Des Weiteren legte der Bf. den Mietvertrag über die Begründung eines Hauptwohnsitzes in Graz ab sowie seinen Lebenslauf und den Nachweis über den Abschluss des Doktorratsstudiums am KTH Royal Institue of Technology Stockholm im September 2019 und eine Liste seiner wissenschaftlichen Publikationen und Konferenz-Präsentationen vor.

Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 ab. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf. durch die von ihm vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend darlegen habe können, dass er über eine hohe wissenschaftliche Qualifikation iSd. § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016 verfüge. Das für seine Tätigkeit dem Bf. gebührende All-in-Pay-Entgelt liege unter dem erforderlichen Mindestgehalt für den Erhalt der Blaue Karte EU einer Schlüsselarbeitskraft gemäß § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz i.V.m. § 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016.

Gegen den Abweisungsbescheid vom erhob der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter (StV) frist- und formgerecht Bescheidbeschwerde. Darin verwies der steuerliche Vertreter - betreffend die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Bf. - auf die detaillierte Liste der Publikationen und Veröffentlichungen sowie auf seine einschlägigen bisherigen Forschungserfahren. Der Bf. verfüge über eine exzellente Spezialisierung in der Mikro- und Nanoelektronik und sei von der X-AG. daher als nützlich wissenschaftliche Schlüsselarbeitskraft befunden worden.

Die Tätigkeit des Bf. liege insofern im öffentlichen Interesse Österreichs, da der Standort der X-AG. und die bereits beschlossenen Milliardeninvestitionen in diesen Unternehmensstandort nur durch Spitzenkräfte mit hoher wissenschaftlicher Qualifikation umgesetzt werden könnten. Der Arbeitsmarkt, auf dem diese Spitzenkräfte gesucht würden, erstrecke sich auf sämtliche Erdteile, da andernfalls die Nachfrage nicht erfüllt werden könne. Die am österreichischen Standort entwickelten Produkte (Chips) gehörten zu den absoluten Spitzenprodukten dieser Branche und würden weltweit vertrieben. Es würden hierfür nur die weltweit hochqualifiziertesten Wissenschaftler in der Forschung und Entwicklung zum Einsatz kommen.

Die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Bf. sei hinreichend dokumentiert worden.

Mit Vorlagebericht vom legte der Bundesminister für Finanzen die Beschwerde mitsamt dem bezugshabenden Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über Auftrag des BFG und unter Anhörung des Bf. wurde eine sachverständige Stellungnahme der Forschungsförderungsgesellschaft gemäß § 8 ZBV 2016 eingeholt. In der sachverständigen Beurteilung vom gelangte die FFG zu dem Ergebnis, dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht erkannt werden konnte, dass durch die gegenständliche Tätigkeit des Bf. eine im öffentlichen Interesse gelegene Förderung der Wissenschaft oder Forschung im Sinne des § 103 Abs. 1a EStG 1988 iVm § 2 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 der ZBV 2016 gegeben sei.

Das ergänzende Beweismittel der negativen gutachtlichen Stellungnahme der FFG wurde dem Bf. mit Beschluss vom zu Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit sich dazu zu äußern, machte der Bf. keinen Gebrauch.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig und durch widerspruchsfreie Beweismittel nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen und hat diese Sachverhaltsschilderung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Bestimmung des § 103 EStG 1988 über die Zuzugsbegünstigung, BGBl. I Nr. 118/2015, idF StRefG 2015/2016 lautet auszugsweise:

"§ 103. (1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter Q 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.

(1 a) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden.

(2) […]

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren betreffend die Erteilung der Zuzugsbegünstigung im Sinne des Abs. 1 und des Abs. 1 a mit Verordnung zu regeln. Dabei ist auch näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. […]"

Die Zuzugsbegünstigungsverordnung:

Auf Basis der Bestimmung des § 103 Abs. 3 EStG 1988 wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Zuzugsbegünstigungen (Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 - ZBV 2016), BGBl. II Nr. 261/2016, erlassen.

Die am in Kraft getretene ZBV 2016 lautet auszugsweise:

"Wissenschaft und Forschung

§ 2. (1) Der Zuzug hochqualifizierter Personen aus dem Ausland dient der Förderung von Wissenschaft und Forschung und ist aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

1. Die Tätigkeit der zuziehenden Person im Bereich der Wissenschaft und Forschung besteht überwiegend in einer wissenschaftlichen Tätigkeit (einschließlich der universitären Erschließung und Entwicklung der Künste). Eine Tätigkeit ist als wissenschaftlich anzusehen, wenn sie auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten (Forschung und experimentelle Entwicklung).

2. Die Tätigkeit im Bereich der Wissenschaft und Forschung liegt maßgeblich im öffentlichen Interesse Österreichs.

3. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung würde ohne Zuzug nicht in diesem Ausmaß eintreten und erfolgt unmittelbar.

4. Die hohe wissenschaftliche Qualifikation des Antragstellers ist hinreichend dokumentiert.

(2) Ein der Förderung der Wissenschaft und Forschung dienender Zuzug aus dem Ausland liegt in folgenden Fällen jedenfalls im öffentlichen Interesse:

1. Der zuziehende Wissenschaftler wird als Professorin/Professor im Sinne des § 94 Abs. 2 Z 1 Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120, tätig oder des § 12 Abs. 1 Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology - Austria, BGBl. I Nr. 69/2006 in Verbindung mit § 94 Abs. 2 Z 1 UG.

2. Der zuziehende Wissenschaftler wird in seinem Habilitationsfach oder einem an sein Habilitationsfach angrenzenden wissenschaftlichen oder künstlerischen Fach tätig,

[…]

Die Forschung und experimentelle Entwicklung muss in einem inländischen Betrieb, einer inländischen Betriebsstätte oder einer anderen inländischen wirtschaftlich selbständigen Einheit dieser Forschungseinrichtung erfolgen. Bei Personen, die nicht ausschließlich in Forschung und experimenteller Entwicklung tätig sind, müssen dabei die der Forschung und experimentellen Entwicklung (einschließlich der universitären Erschließung und Entwicklung der Künste) dienenden Tätigkeiten im Kalenderjahr überwiegen.

3. Die dem zuziehenden Wissenschaftler zu bezahlenden Vergütungen (Löhne, Gehälter, Honorare) stellen Aufwendungen (Ausgaben) im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG 1988 dar und betragen mindestens das für die Blaue Karte EU erforderliche Bruttojahresgehalt. Z 2 letzter Satz gilt entsprechend.

[…]"

Förderung von Wissenschaft und Forschung im öffentlichen Interesse

Der Gesetzestext des § 103 EStG konkretisiert zwar nicht näher, wann der Zuzug einer Person der Förderung von Wissenschaft und Forschung dient und damit im öffentlichen Interesse liegt, doch ist den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. ErlRV 684 BlgNR XXV, GP 26) zu entnehmen, dass "angesichts des internationalen Wettbewerbs um die "besten Köpfe" für Wissenschaftler und Forscher Anreize für deren Zuzug nach Österreich geschaffen werden sollen. Begünstigt ist der Zuzug von ausländischen Spitzenkräften aus den Bereichen von Wissenschaft und Forschung".

In der wirkungsorientierten Folgenabschätzung des Steuerreformgesetzes 2015/16 (14 von 43 129/ME XXV. GP - Ministerialentwurf - Wirkungsorientierte Folgenabschätzung Steuerreformgesetz 2015 - Steuer) wird der Sinn der Bestimmung des § 103 EStG dahingehend beschrieben, als Anreize geschaffen werden sollen, um Wissenschafts- und Forschungspersonal nach Österreich zu holen.

Entsprechend der somit klaren Intention des Gesetzgebers, wonach diese Steuerbegünstigung auf den Zuzug von Spitzenkräften der Wissenschaft und Forschung beschränkt ist, widmet sich § 2 ZBV 2016 der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmales "des öffentlichen Interesses" am Zuzug von Wissenschaftlern und Forschern.

Im öffentlichen Interesse gelegen ist somit der Zuzug hochqualifizierter Wissenschaftler/innen. Die hohe wissenschaftliche Qualifikation im Sinne des § 103 EStG muss vom Antragsteller hinreichend dokumentiert sein. Ohne den Zuzug dieser Forschungs- bzw. Wissenschaftskapazität würde eine Förderung der inländischen Wissenschaft und Forschung nicht in diesem Ausmaß eintreten, als es durch sein Wirken in Österreich zu erwarten ist.

Gemäß § 2 Abs. 2 ZBV 2016 ist das öffentliche Interesse am Zuzug in unwiderlegbarer gesetzlicher Vermutung jedenfalls gegeben, wenn der zuziehende Wissenschaftler in seinem Habilitationsfach oder in einem angrenzenden Fach an einer Universität oder vergleichbaren Einrichtung tätig wird (§ 2 Abs. 2 Z 1 und Z 2 ZBV 2016). Ferner besteht eine gesetzliche Vermutung des öffentlichen Interesses am Zuzug von überwiegend in der betrieblichen Forschung tätigen Steuerpflichtigen, wenn ihre Vergütung Aufwendungen im Sinne des § 108c Abs. 1 EStG darstellt und ihr Bezug zumindest das Mindestgehalt für die Erlangung der "Blaue Karte EU" einer Schlüsselarbeitskraft nach § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz erreicht (§ 2 Abs. 2 Z. 3 ZBV 2016).

§ 12c des Ausländerbeschäftigungsgesetztes lautet:

"Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie über einen Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer verfügen, für eine dieser Ausbildung entsprechende Beschäftigung ein Bruttojahresgehalt erhalten, das dem Eineinhalbfachen des von der Bundesanstalt "Statistik Österreich" zuletzt veröffentlichten durchschnittlichen österreichischen Bruttojahresgehalts von Vollzeitbeschäftigten entspricht […]."

Im gegenständlichen Fall ist der Bf. im Bereich der betrieblichen Forschung und Entwicklung tätig. Durch Vorlage einer Bestätigung seines Arbeitgebers, wurde nachgewiesen, dass die an den Bf. ausgezahlten Vergütungen Aufwendungen iSd. § 108c Abs. 1 EStG darstellen.

Aus Punkt 3 des mit dem Bf. abgeschlossenen Dienstvertrages und den Jahresgehaltszettel 2019 ergibt sich jedoch ohne jeden Zweifel, dass der Bf. mit seinem All-in-Pay-Entgelt das aliquote Mindestgehalt für eine Schlüsselarbeitskraft zur Erlangung der Blaue Karte EU im Zuzugsjahr 2019 nicht erreicht hat (2019: betrug das Mindestbruttojahresgehalt für die Blaue Karte EU € 62.265). Angemerkt wird dazu, dass auch im Folgejahr 2020 der Lohnbezug des Bf. nicht das Mindestgehalt für die Blaue Karte EU erreicht hat.

Mangels Vorliegen der Voraussetzung konnte somit die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 nicht zur Anwendung kommen.

Es war daher eine materielle Einzelfallbeurteilung gemäß § 2 Abs. 1 ZBV 2016 durchzuführen und anhand der dort genannten Voraussetzungen - mit besonderem Augenmerk auf die Tätigkeit und die Qualifikation des Bf. - zu prüfen, ob durch seinen Zuzug eine im öffentlichen Interesse gelegene Förderung der Wissenschaft oder Forschung zu erwarten war. Dabei soll im Ergebnis kein strengerer Maßstab als in Abs. 2 ZBV 2016 zur Anwendung kommen.

Unbestritten ist die überwiegend wissenschaftlich-forschende Tätigkeit des Bf. bei der X-AG.. Zweifelhaft ist jedoch die hinreichende Dokumentation der hohen wissenschaftlichen Qualifikation des Bf. gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016.

Der Bf. verweist in diesem Zusammenhang auf seine Publikationen und bisherige Forschungserfahrungen im speziellen technischen Forschungsgebiet seines Arbeitgebers.

In Zweifelsfällen sieht § 8 ZBV die Beziehung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) zur sachverständigen Beurteilung der Wissenschafts- und Forschungstätigkeit eines Antragstellers vor. Der Bf. wurde von der Einholung eines solchen Gutachtens verständigt und hätte die Möglichkeit gehabt gegenüber der FFG die hohe wissenschaftliche oder forschende Qualität seiner Tätigkeit bei der X-AG., wodurch ein öffentliches Interesse an seinem Zuzug nach Österreich gegeben sei, darzutun.

Vom Bf. erfolgte keine Ergänzung seiner bisher im Verfahren dokumentierten Wissenschafts- und Forschungstätigkeit und er gab auch keine Stellungnahme zur negativen sachverständigen Beurteilung der FFG vom ab.

Die in der ZBV 2016 normierte unwiderlegliche Vermutung, dass von Steuerpflichtigen die überwiegend in der betrieblichen Forschung oder einer privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtung tätig sind, bereits bei Bezug eines Mindestgehaltes für die Blaue Karte EU einer Schlüsselkraft nach § 12c Ausländerbeschäftigungsgesetz ((2019 € 62.265 Bruttojahresgehalt) eine im öffentlichen Interesse gelegene Wissenschafts- oder Forschungsleistung zu erwarten ist, stellt einen recht niedrig angesetzten Schwellenwert dar.

Aus diesem Grunde liegt die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Zuziehende, die in einem überdurchschnittlich bezahlten Sektor des österreichischen Arbeitsmarktes für ihre Tätigkeit nicht das Mindestgehalt für die Blaue Karte EU erlangen, im Regelfall auch nicht zu den Spitzenkräften der Wissenschaft und Forschung zählen werden. Die Zuzugsbegünstigung nach § 103 EStG stellt aber für das Vorliegen des öffentlichen Interesses am Zuzug eindeutig auf bereits höchstqualifizierte Wissenschaftler und Forscher ab und nicht auf eine Förderung des Zuzugs von talentierten Nachwuchskräften. Für die Rekrutierung von High Potentials-Kräften ist die Steuerbegünstigung des § 103 EStG nicht vorgesehen. Sie liegt vornehmlich im Eigeninteresse der betrieblichen oder außerbetrieblichen Forschungseinrichtung und kann daher nur durch ihr Anreizsystem gefördert werden.

Für die Beschränkung der Steuerbegünstigung des § 103 EStG auf den kleineren Kreis der höchstqualifizierten Wissenschaftler und Forscher spricht die Notwendigkeit, dass dieser den Zuziehenden gewährte Steuervorteil gegenüber den vergleichbaren nicht zuziehenden Arbeitskräften sachlich gerechtfertigt sein muss. Diese sachliche Rechtfertigung findet sich eben im objektiven Vorliegen eines öffentlichen Interesses (im Allgemeinnutzen) am Wirken dieser Kapazität in Österreich.

Das Vorbringen, wonach am österreichischen Standort der X-AG. nur die weltweit hochqualifiziertesten Wissenschaftler und Forscher zum Einsatz kämen und talentierte Nachwuchskräfte für die Standortentwicklung dringend benötigt werden, sagt nichts über das Vorliegen jener umfassenden wissenschaftlichen Fähigkeiten des Bf. aus, über die Personen verfügen müssen, damit sie unter § 2 Abs. 2 Z 2 ZBV 2016 fallen.

Vielmehr könnte eine hohe wissenschaftliche Qualifikation im Hinblick darauf, dass sich die Qualifikation im Rahmen der Industrieforschung anhand weniger formeller Kriterien als im akademischen Forschungsbetrieb niederschlägt, beispielsweise in einer besonders verantwortungsvollen Tätigkeit zum Ausdruck kommen.

Wenn der Bf. in diesem Zusammenhang auf die von der X-AG. ausgestellte Tätigkeitsbeschreibung verweist, ist festzustellen, dass dieser zwar eine Beschreibung der Forschungs- und Entwicklungsarbeit, nicht jedoch ein besonders hoher - sich von der Tätigkeit anderer Mitarbeiter abhebender - Verantwortungsgrad, bzw. eine Leitungsfunktion des Bf., zu entnehmen ist.

Darüber hinaus wurde der Bf. laut Punkt 4 seines Dienstvertrages mit der X-AG. in die Beschäftigungsgruppe "G" des Kollektivvertrages für Angestellte der Elektro- und Elektronikindustrie eingestuft. Die Beschäftigungsgruppendefinition führt als Beispiele zur Gruppe "G" explizit Personen an, die "eine berufsbildende höhere Schule absolviert haben" sowie Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger nach Abschluss eines Fachhochschul-, Hochschul- oder Universitätsstudium.

Auch wenn das Einstiegsgehalt des Bf. lediglich als eines von mehreren Indizien für die hohe wissenschaftliche Qualifikation herangezogen werden kann und dieses auch über dem kollektivvertraglich vorgesehenen Gehalt der Beschäftigungsgruppe "G" liegt, ist dennoch zu bemerken, dass das mit der X-AG. vereinbarte All-in-Pay-Entgelt des Bf. in der Höhe von monatlich € 3.620 brutto deutlich unter der Grenze des in § 2 Abs. 2 Z 3 ZBV 2016 festgelegten Mindestbruttojahresgehaltes liegt, sodass es nicht als Indiz für die hohen wissenschaftlichen Qualifikation des Bf. herangezogen werden kann.

Die hohe wissenschaftliche Qualifikation kann auch anhand von Publikationen oder der Mitarbeit an Forschungsprojekten dokumentiert werden.

Selbst wenn aus diesen Unterlagen die Mitwirkung des Bf. an mehreren Publikationen, Konferenzen und Forschungsprojekten hervorgeht, lassen diese auf keine hinreichend hohe wissenschaftliche Qualifikation, wie sie Spitzenkräfte der Wissenschaft und Forschung aufweisen, schließen.

Aus der Formulierung in § 2 Abs. 2 Z 4 ZBV 2016 lässt sich eine Beweislastverteilung dahingehend ableiten, als die Dokumentationspflicht den Begünstigungswerber trifft und darüber hinaus keine amtswegige Ermittlungspflicht besteht. Da die hohe wissenschaftliche Qualifikation gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 ZBV 2016 seitens des Bf. nicht hinreichend dokumentiert werden konnte, ist davon auszugehen, dass der Zuzug des Bf. auch nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Für das BFG bestand vor allem kein plausibler Grund von der sachverständigen Beurteilung der Tätigkeit des Bf. durch die FFG in ihrer Stellungnahme vom abzugehen. Danach steht aber fest, dass der Zuzug des Bf. zur Aufnahme der Tätigkeit bei der X-AG. nicht im öffentliches Interesse im Sinne des § 103 EStG gelegen ist.

In einem im Wesentlichen vergleichbaren Fall (Engineer R&D III, Global Grade 11) wurde vom BFG ebenso das Vorliegen eines öffentlichen Interesses am Zuzug des Steuerpflichtigen verneint (vgl. BFG, , RV/7102042/2020). Es besteht diesbezüglich somit auch eine einhellige Rechtsprechung des BFG.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung, ob eine konkrete Wissenschafts- und Forschungsleistung - im gegenständlichen Fall die dokumentierten Tätigkeiten des Bf. bei der X-AG. - ein öffentliches Interesse am Zuzug begründen, stellt eine Tatfrage und keine Rechtsfrage dar. Da Tatfragen aber nicht Gegenstand einer ordentlichen Revision sein können, war diese auch nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103701.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at