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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.01.2022, RV/7400121/2021

Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , ***GZ*** betreffend Haftung wegen Kommunalsteuer zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Beschwerdeführer wird im Ausmaß von € 560,-- zur Haftung für Kommunalsteuer herangezogen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am führte das Finanzamt Wien 1/23 die Schlussbesprechung über eine durchgeführte Kommunalsteuerprüfung bei der ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) für den Zeitraum bis durch. Für die Primärschuldnerin nahm der Masseverwalter der Gesellschaft an der Schlussbesprechung teil.

Vorhalt

Am versendete der Magistrat der Stadt Wien, MA6, (belangte Behörde) einen Vorhalt zur Stellungnahme wegen "Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe Haftung für die Primärschuldnerin" an den Beschwerdeführer. Darin wird dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er seit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen war und laut GPLA-Prüfung für den Zeitraum 6-9/2017 noch € 1.985,99 ausständig wären. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu diesem Sachverhalt zu äußern.

Bescheid

Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung für die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe der Primärschuldnerin heran. Für rückständige Kommunalsteuern wurde der Beschwerdeführer in Höhe von € 1.985,99 zur Haftung herangezogen.

Beschwerde

Am langte die mit datierte Beschwerde bei der belangten Behörde ein. Darin gesteht der Beschwerdeführer zu, dass es zutreffend wäre, dass über die Primärschuldnerin ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er bestritt jedoch, dass es zu einer Gläubigerungleichbehandlung gekommen wäre und dass die Voraussetzungen für eine Haftung vorliegen würden.

Vorhalt

Mit Schreiben vom wandte sich die belangte Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs an den Beschwerdeführer. Auf Grund der eingebrachten Beschwerde hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer "eingeladen, der Magistratsabteilung6 - Dezernat Abgaben und Recht - Referat Landes- und Gemeindeabgaben, eine monatlicheAufschlüsselung der Abgabenbeträge an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für denZeitraum Juni bis September 2017, sowie eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für denselben Zeitraum vorzulegen." Beigelegt war die Niederschrift über die Schlussbesprechung in Kopie.

Nach Fristerstreckung langte bei der belangten Behörde am eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Darin erläuterte dieser, dass Gläubiger der Primärschuldnerin auch der ehemalige Steuerberater und Lohnverrechner sei und dass dieser, da Honoraransprüche noch bestehen, die Herausgebe von Unterlagen verweigere.

Beschwerdevorentscheidung

Am erließ die belangte Behörde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung.

Vorlageantrag

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung wendet sich der mit datierte Vorlageantrag.

Beschluss vom

Das Bundesfinanzgericht wandte sich mit Beschluss vom an die belangte Behörde und forderte diese auf, die darin enthaltenen Fragen zu beantworten. Am langte die mit datierte Beantwortung beim Bundesfinanzgericht ein, aus der sich folgende Antworten ergaben:
-) Es gibt keinen Bescheid über einen Säumniszuschlag betreffend Kommunalsteuer.
-) Der Abgabenbehörde wird, sofern eine Jahreserklärung abgegeben wird, nur die Erklärung in einer Jahressumme mitgeteilt. Es ist dem Magistrat daher nicht möglich auf Lohnkonten zuzugreifen.
-) Ein Kommunalsteuerfestsetzungsbescheid wurde nicht erlassen.

Mündliche Verhandlung vom

Der Beschwerdeführer gab an, dass ihm der Masseverwalter der Primärschuldnerin verboten habe, mit dem Steuerberater Kontakt aufzunehmen und dass der Masseverwalter dem Steuerberater untersagt habe, Unterlagen dem Beschwerdeführer zur Verfügung zu stellen. Außerdem wäre damit zu rechnen, dass es zu einer Quote von zumindest 15 % kommen sollte.

Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7400017/2020 (aufgehoben durch hinsichtlich Kommunalsteuer)

Mit dem aufgehobenen Erkenntnis des wurde der Beschwerde hinsichtlich Kommunalsteuer Folge gegeben, weil es nicht einmal der belangten Behörde nach entsprechender Aufforderung möglich war, im Nachhinein eine Aufschlüsselung auf monatliche Beträge vorzulegen, obwohl ihr ein Behördenapparat mit Erhebungs- und Außendienstorganen zur Verfügung steht. Diesen Umstand hat das Bundesfinanzgericht dahingehend gewürdigt, dass nicht möglich ist, an die monatlichen Zahlen zu gelangen und der Beschwerde hinsichtlich der Haftung wegen Kommunalsteuer Folge gegeben.

, mit dem das Erkenntnis des RV/7400017/2020, aufgehoben wurde

Auf Grund einer Revision der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts im Umfang der Kommunalsteuer (Juni-September 2017) aufgehoben. In diesem Erkenntnis heißt es:
"Um den zur Haftung herangezogenen Vertreter in die Lage zu versetzen, diesen Nachweis über die Gläubigergleichbehandlung anzutreten, ist es erforderlich, dass ihm die Behörde eine nach der jeweiligen Fälligkeit der Abgabe gegliederte Aufstellung übermittelt […], zumal der Vertreter auch nur verpflichtet ist, fällige Abgaben zu begleichen.
Da die Kommunalsteuer jeweils monatliche Fälligkeiten aufweist, war von der Abgabenbehörde eine monatlich gegliederte Aufstellung zu übermitteln. Dies ist im vorliegenden Fall unterblieben. Es handelt sich hiebei um einen Verfahrensmangel, der aber entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht zur ersatzlosen Behebung des Bescheides der Abgabenbehörde führen kann. Es ist vielmehr der Mangel im Zuge des Verfahrens zu beheben.[…]
Es war insbesondere (auch) Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, nach Durchführung dieser Ermittlungen dem Mitbeteiligten eine monatliche Aufgliederung der Abgaben bekannt zu geben. Eine derartige konkrete Aufgliederung übersteigt auch nicht die Sache des Verfahrens. […] eine Aufgliederung auf die einzelnen Fälligkeiten des umfassten Zeitraums ist aber von der Abänderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes nach § 279 Abs. 1 BAO umfasst (vgl. ).

Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung hingegen kein Abgabenbescheid voran, so ist das Bestehen der Abgabenschuld und dessen Höhe als Vorfrage im Haftungsverfahren zu entscheiden (vgl. , mwN). Insbesondere ist bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO (oder hier: nach § 11 Abs. 3 KommStG) erlassen wurde, im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch abzusprechen (vgl. ). […]

Kann aber die Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung und damit auch für die Heranziehung zur Haftung (sowie für die Erstellung einer monatlich gegliederten Aufstellung der Abgaben) nicht ermittelt oder berechnet werden, so führt dies nicht zum Unterbleiben der Abgabenfestsetzung oder zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung. Die Grundlagen für die Abgabenerhebung sind vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen."

Beschluss vom

Das Bundesfinanzgericht erteilte der belangten Behörde nachfolgenden Ermittlungsauftrag:
"I. Zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes wird dem Magistrat der Stadt Wien gemäß § 269 Abs 2 BAO aufgetragen:

a) Der Magistrat der Stadt Wien hat den Sachverhalt zu erheben und Beweismittel vorzulegen, aus den sich ergibt, dass für den Zeitraum Juni bis September 2017 überhaupt ein Abgabenanspruch hinsichtlich Kommunalsteuer besteht. Aus solchen Beweismitteln muss hervorgehen,
--) zu welchem Zeitpunkt Lohnzahlungen an die Dienstnehmer der
***Primärschuldnerin*** gewährt wurden;
--) die Summe der Arbeitslöhne, die an die Dienstnehmer der
***Primärschuldnerin*** gewährt wurde.

Maßgeblich sind die tatsächlich gewährten Lohnzahlungen, nicht (bloß) jene, die am Lohnkonto vermerkt sind oder in der Buchhaltung der Primärschuldnerin als Verbindlichkeit enthalten sind. Sofern auch ein Sachbezug (zB Überlassung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges) in die Kommunalsteuerbemessungsgrundlage einbezogen werden soll, sind dazu gesonderte Beweismittel (insbesondere und jedenfalls welches Fahrzeug, welchem Arbeitnehmer oder Gesellschafter-Geschäftsführer wurde welches Fahrzeug überlassen; Höhe des Sachbezuges; nachvollziehbare Berechnung) vorzulegen.

Falls der Magistrat der Stadt Wien über keine geeigneten Beweismittel für das Bestehen des Abgabenanspruches hinsichtlich Kommunalsteuer verfügt, sind jene Personen niederschriftlich einzuvernehmen, die dazu zweckdienliche Angaben machen können, insbesondere und jedenfalls:

-) der Masseverwalter der ***Primärschuldnerin***, wobei anzumerken ist, dass das Insolvenzverfahren beim HG Wien zur GZ ***GZ_Insolvenzverfahren*** noch aufrecht ist;
-) den Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer der
***Primärschuldnerin***;
-)
***GF2*** als ehemalige Geschäftsführerin (laut Firmenbuch bis ) der ***Primärschuldnerin***;
-) die Außenprüferin, die im Jahr 2017 die Prüfung samt Schlussbesprechung durchgeführt hat;
-) den Steuerberater der
***Primärschuldnerin***, zumal aus dem bisherigen Vorbringen des Beschwerdeführers anzunehmen ist, dass dieser über zweckdienliche Unterlagen verfügt; Name und Anschrift des Steuerberaters können vom Masseverwalter, vom Beschwerdeführer oder von der Außenprüferin in Erfahrung gebracht werden;
-) (ehemalige) Arbeitnehmer der
***Primärschuldnerin***. Name und Anschrift ehemaliger Arbeitnehmer sind bspw. aus den Lohnkonten ersichtlich.

Gemäß § 158 BAO sind die Abgabenbehörden für Zwecke der Abgabenerhebung berechtigt, mit allen Dienststellen der Körperschaften des öffentlichen Rechts, somit auch mit dem Insolvenzgericht, unmittelbares Einvernehmen durch Ersuchschreiben zu pflegen.

b) Sofern sich aus den Sachverhaltserhebungen ergibt, dass ein Abgabenanspruch hinsichtlich Kommunalsteuer entstanden ist, sind Ermittlungen durchzuführen, ob dieser Anspruch bestritten wird oder bereits erloschen ist (zB voraussichtliche Quotenzahlung aus dem Insolvenzverfahren).

Falls der Magistrat der Stadt Wien über keine Kenntnis und/oder geeignete Beweismittel hinsichtlich dieser Frage verfügt, sind jene Personen niederschriftlich einzuvernehmen, die dazu zweckdienliche Angaben machen können, insbesondere und jedenfalls:
-) der Masseverwalter der
***Primärschuldnerin***;
-) der Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer der
***Primärschuldnerin***;
-)
***GF2*** als ehemalige Geschäftsführerin (laut Firmenbuch bis ) der ***Primärschuldnerin***;
-) die Außenprüferin, die im Jahr 2017 die Prüfung samt Schlussbesprechung durchgeführt hat;
-) der Steuerberater der
***Primärschuldnerin***.

c) Sofern sich aus der Sachverhaltserhebung und der aufzunehmenden Beweismittel ergibt, dass ein Kommunalsteueranspruch entstanden ist und noch nicht erloschen ist, wird dem Magistrat der Stadt Wien wird aufgetragen, die monatlichen Kommunalsteuerbeträge für die Monate Juni-September 2017 aufgeschlüsselt auf die einzelnen Monate vorzulegen.

Falls der Magistrat der Stadt Wien über keine Kenntnis der monatlichen Kommunalsteuerbeträge verfügt, sind jene Personen niederschriftlich einzuvernehmen, die dazu zweckdienliche Angaben machen können, insbesondere und jedenfalls:
-) der Masseverwalter der
***Primärschuldnerin***;
-) der Beschwerdeführer als ehemaligen Geschäftsführer der
***Primärschuldnerin***;
-)
***GF2*** als ehemalige Geschäftsführerin (laut Firmenbuch bis ) der ***Primärschuldnerin***;
-) die Außenprüferin, die im Jahr 2017 die Prüfung samt Schlussbesprechung durchgeführt hat;
-) der Steuerberater der
***Primärschuldnerin***;
-) jene Arbeitnehmer, die Lohnzahlungen für den fraglichen Zeitraum erhalten haben.

II. Im Zuge der Ermittlungen beim Beschwerdeführer (laut I. a-c) ist auch zu erheben, ob der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren von einem berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten wird und falls ja, Namen, Anschrift sowie das Vorliegen einer Zustellvollmacht dieses Parteienvertreters bekannt zu geben. "

Am langte von der belangten Behörde folgende Antwort beim Bundesfinanzgericht ein:
"Zu l. a:
Von der Abgabenprüfgruppe des Magistrates der Stadt Wien, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, wurden Lohnkonten der Primärschuldnerin vom ehemaligen Steuerberater, Herrn
***Stb*** angefordert und überprüft, und in der Kanzlei des Masseverwalters, Herrn ***MV***, die vollständigen Dienstnehmerforderungsanmeldungen und Zuordnung der Dienstnehmer zu den jeweiligen Gemeinden (im gegenständliche Fall Wien und Vösendorf) in denen die Beschäftigung erfolgte, überprüft. Von der Abgabenprüfgruppe wurde im Einvernehmen mit der Masseverwalter festgestellt, dass ab Mai 2017 teilweise, und ab Oktober 2017 keine Löhne und Gehälter an die Dienstnehmer ausbezahlt wurden.

Zu I.b.:
Laut Schreiben des Masseverwalters, Herrn
***MV***, ist es zu keinerlei Zahlungen einer Konkursquote gekommen, da weiterhin bereits seit Masseunzulänglichkeit besteht. Ein aktuelles Forderungsverzeichnis wurde vom Masseverwalter beigelegt.

Laut beiliegendem aktuellen Anmeldeverzeichnis des Masseverwalters, Seite 13, ON 61, wurden die berichtigten unbedingten Forderungen in Höhe von 2.273,66 Euro tituliert und nicht bestritten.

Zu l.c:
Die Abgabenprüfgruppe hat aufgrund der o. a. Ermittlungen die sich aus den Lohnkonten und den mitgeteilten Informationen des Masseverwalters ergebenden Bemessungsgrundlagen die Kommunalsteuer neu berechnet und die monatliche Kommunalsteuer wie folgt festgestellt:

Kommunalsteuerbeträge ausbezahlt: Juni 2017 369,76 Euro, Juli 2017 331,69 Euro, August 2017 92,16 Euro und September 2017 10,95 Euro.

im Zuge der Erhebungen wurde weiters festgestellt, dass es zu keinen Hinzurechnungen (PKW-Sachbezüge, etc.) des Finanzamtes im Rahmen der GPLA Prüfung gekommen ist.

Zu II.:
Nach schriftlichen Ersuchen bei Herrn
***Bf1***, Herrn ***RA*** als Verfahrenshelfer vor dem Verwaltungsgerichtshof, sowie Herrn ***Stb_Bf*** als bisherigen rechtlichen Vertreter, wurde nach Bekanntgabe der schriftlichen Antworten festgestellt, dass derzeit keine rechtliche Vertretung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter für Herrn ***Bf1*** vorliegt."

Beschluss

Mit Beschluss vom teilte das Bundesfinanzgericht dem Beschwerdeführer das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen mit. Insbesondere wurde mitgeteilt, dass kein Kommunalsteuerbescheid erlassen wurde und der Magistrat der Stadt Wien die Kommunalsteuerbemessungsgrundlagen und Kommunalsteuerbeträge für den Zeitraum Juni bis September 2017 erstmals erhoben und wie folgt bekannt gegeben hat:

Bemessungsgrundlage Steuer
Juni 12.325,19 369,76
Juli 11.056,42 331,69
August 3.071,88 92,16
September 365,00 10,95
Summe 804,55

Zur Erbringung eines Nachweises über die Gläubigergleichbehandlung wurde eine nach Fälligkeit der Abgabe gegliederte Aufstellung wie folgt übermittelt:

Abgabe Fälligkeit
Juni 369,76
Juli 331,69
August 92,16 15.09.2017
September 10,95

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, einen Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen beizubringen und er wurde aufgefordert, bekannt zu geben, ob eine erneute mündliche Verhandlung gewünscht wird.

Der Beschwerdeführer hat sich dazu nicht geäußert.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war seit Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Abgabenforderungen wurden nicht entrichtet.

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde zur Zahl ***GZ_Insolvenzverfahren*** über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und mit Beschluss desselben Gerichts vom die Bezeichnung auf Konkursverfahren geändert, wobei der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Im Haftungsbescheid vom wird die Kommunalsteuer mit einem Betrag von € 1.985,99 angeführt, der sich auf einen Zeitraum von Juni bis September 2017 bezieht.

Auf Grund der tatsächlich ausbezahlten Löhne und Gehälter war die Kommunalsteuer zu folgenden Terminen fällig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Kommunalsteuer
6/2017
369,76
Kommunalsteuer
7/2017
331,69
Kommunalsteuer
8/2017
92,16
Kommunalsteuer
9/2017
10,95
804,56

Mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0073 wurde die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts hinsichtlich der Haftung betreffend Kommunalsteuer für die Monate Juni bis September 2017 aufgehoben. Ein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung wurde durch den Beschwerdeführer nicht erbracht.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen zum Insolvenzverfahren beruhen einerseits auf Eintragungen im Firmenbuchauszug der ***Primärschuldnerin*** und andererseits auf den Angaben des Beschwerdeführers und dem vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Firmenbuchauszug geht hervor, dass per ein Masseverwalter bestellt wurde. Aus der Insolvenzdatei ist ersichtlich, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen und die Schließung des Unternehmens angeordnet wurde. Aus dem Firmenbuchauszug ist ebenfalls ersichtlich, dass der Masseverwalter nach wie vor bestellt ist und die Primärschuldnerin aufrecht im Firmenbuch eingetragen ist.

Die Feststellung, dass keine Nachweise über eine Gläubigergleichbehandlung vom Beschwerdeführer erbracht wurden ergibt sich einerseits aus der aktenkundigen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom , in der mitgeteilt wird, dass sich sämtliche Buchhaltungsunterlagen nicht in den Händen des Beschwerdeführers, sondern sich entweder im Verfügungsbereich des Masseverwalters oder des Steuerberaters/Lohnverrechners befinden und andererseits daraus, dass der Beschwerdeführer auf den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , mit dem dem Beschwerdeführer eine Aufteilung des Haftungsbetrages auf die einzelnen Zeiträume mitgeteilt wurde und ihm die Bekanntgabe eines Gleichbehandlungsnachweises ermöglicht wurde, nicht reagiert hat.

Die Feststellung zur Höhe der Kommunalsteuer, die betraglich nicht einmal die Hälfte des Haftungsbetrages erreicht, ergibt sich aus der Stellungnahme der belangten Behörde, in der das Ergebnis der aufgetragenen Sachverhaltsermittlungen, die zuvor von der belangten Behörde unterlassen wurden, mitgeteilt wurde.
Darüber hinaus hat die belangte Behörde einen Bericht der MA6 vom beigelegt, aus dem klar hervorgeht, dass im Zuge einer Einsichtnahme in die Dienstnehmerforderungsanmeldung beim Finanzamt festgestellt wurde, dass ab Mai 2017 Löhne und Gehälter nur teilweise ausbezahlt wurden und sich daher neue, verminderte Bemessungsgrundlagen und Steuerbeträge ergeben. Das Bundesfinanzgericht hat das Ergebnis der nachgeholten Ermittlungen dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt. Er gab dazu jedoch keine Stellungnahme ab.
Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, nicht alle Gläubiger in voller Höhe bedient werden. Insofern ist es auch glaubhaft, dass auch die Löhne und Gehälter nicht in voller Höhe bezahlt wurden und die Kommunalsteuer-Bemessungsgrundlage-Differenz, die im Zuge der GPLA-Prüfung lediglich auf Grund der Lohnkonten (laut Niederschrift vom ) ermittelt wurde, zu hoch ist.

Rechtslage

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 224 BAO lautet:

2. Geltendmachung von Haftungen.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.

(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 lautet:

Haftung

§ 6a.(1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Bereits aus dem Spruch der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2020/13/0073 ergibt sich, dass das (Vor)Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7400017/2020 nur hinsichtlich der Haftung für Kommunalsteuer, nicht jedoch hinsichtlich der Dienstgeberabgabe oder des Säumniszuschlages aufgehoben wurde.

Tatbestand:
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach § 80 BAO iVm § 6a KommStG ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit. Diese Haftung ist eine Gefährdungshaftung.

Tatbestandsmerkmal der Gefährdungshaftung ist die objektiv erschwerte Einbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; schließlich würde selbst eine geringe Quote die Haftung betragsmäßig entsprechend vermindern (zB ). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird im Gesetz jedoch ausdrücklich als Beispiel für eine erschwerte Einbringlichkeit genannt.

Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).

Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.

Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer besteht darin, dass die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen unterlassen wurden. Neben der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kommt auch die Verletzung anderer Pflichten in Betracht.

Die Inanspruchnahme als Haftender setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die erschwerte Einbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ).

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen. Mit dem bloßen Hinweis auf beim Masseverwalter befindliche Buchhaltungsunterlagen genügt der Beschwerdeführer den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ihm obliegenden Nachweispflichten im Haftungsverfahren gegenüber der Behörde nicht ().

Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandene Abgabenschulden in Betracht (vgl. ). Der Geschäftsführer haftet für eine solche Abgabennachforderung bei der Gesellschaft, wenn ihm ein Verschulden an der Verletzung jener abgabenrechtlichen Pflichten, die die Schätzung begründet hat, zugerechnet werden kann (insbesondere Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Gründen des § 184 Abs 2 und 3 BAO). Das Unterlassen der Vorlage von Grundaufzeichnungen begründet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits die Schätzungsberechtigung (vgl. zB ).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Abgabenbescheide haben im Spruch den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu enthalten (§ 198 Abs 2 BAO). Bezieht sich die Angabe der Fälligkeit nicht auf die gesamte festgesetzte Abgabe, sondern nur auf einen Teil (zB Nachforderung gegenüber einem Vorauszahlungsbescheid), so ist außer dem Zeitpunkt auch der Betrag zu nennen, auf den er sich bezieht; dieser Betrag (Höhe der Nachforderung) ist Spruchbestandteil (Ritz, BAO6, § 198 Tz 12; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, § 198 Anm 20).

Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen die Kommunalsteuer zählt, ist für die Frage der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten eines Vertreters des Abgabepflichtigen maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre. Gemäß § 11 Abs 2 KommStG ist die Kommunalsteuer für jeden Monat bis zum 15. des darauffolgenden Monats an die Gemeinde zu entrichten.

Ausmaß der Haftung:
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner erschwert einbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz, BAO6, § 4 Tz 9).

Auf Grund der nachträglich durchzuführenden Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass es gar keinen Abgabenanspruch für den Zeitraum Juni bis September 2017 in jener Höhe gibt, in welcher der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde. Schon aus diesem Grund war der Beschwerde teilweise Folge zu geben.

Dem Haftungspflichtigen muss von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (). Der zur Haftung Herangezogene muss jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können. Vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte nach Abgabenarten und Zeiträumen sind die Abgabenansprüche aufgeschlüsselt auszuweisen. Erst auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung werden sie dem Haftungspflichtigen auf geeignete Weise zur Kenntnis gebracht (vgl. oder -G/05; ). Mangels Aufgliederung auf die einzelnen Voranmeldungszeiträume durch die Abgabenbehörde kann der Beschwerdeführer dafür keinen Gleichbehandlungsnachweis erbringen. Eine solche Aufgliederung wurde dem Beschwerdeführer erstmals vom Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom bekannt gegeben.

Abgabenbescheid:
Gemäß § 11 Abs 3 Satz 2 KommStG 1993 hat die Gemeinde Kommunalsteuerbescheide zu erlassen, wenn ihr kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Dabei handelt es sich um keine Ermessensbestimmung. Erweist sich die Selbstberechnung als unrichtig und wird diese Unrichtigkeit der Abgabenbehörde etwa durch eine abgabenrechtliche Prüfung oder durch eine Mitteilung einer Bundesabgabenbehörde bekannt, so ist die Abgabenbehörde verpflichtet, gemäß § 11 Abs 3 KommStG 1993 einen Steuerbescheid zu erlassen (vgl Fellner, KommstG4, § 11 Rz 15).

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist ().

Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen ().
Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von der behördlichen Tätigkeit und setzt daher keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus. Diesbezüglich hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Prüfung lohnabhängiger Abgaben übermittelt. Einwendungen gegen die Richtigkeit er dort getroffenen Feststellungen wurden nicht erhoben, zumal es sich bei den Feststellungen lediglich um die Höhe des Sachbezuges bei der Gesellschafter-Geschäftsführerin für die Überlassung eines Kraftfahrzeuges der Primärschuldnerin handelt. Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt nur das Bestehen eines Abgabenschuldverhältnisses, also das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO), voraus (). Der Abgabenzahlungsanspruch ist hingegen die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten, wobei sich diese Verpflichtung aus einer bescheidmäßigen Festsetzung (§ 198 BAO) oder bei Selbstbemessungsabgaben auf Grund der Gesetze bzw aus der Selbstbemessung ergibt (vgl. Ritz, BAO6, § 4 Tz 3). Die Frage, ob die belangte Behörde gemäß § 11 Abs 3 KommStG einen Kommunalsteuerbescheid erlassen hat, weil ihr kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wurde, wurde im Schreiben vom dahingehend beantwortet, dass ein Festsetzungsbescheid nicht erlassen wurde.

Kann aber die Bemessungsgrundlage für die Abgabenfestsetzung und damit auch für die Heranziehung zur Haftung (sowie für die Erstellung einer monatlich gegliederten Aufstellung der Abgaben) nicht ermittelt oder berechnet werden, so führt dies nicht zum Unterbleiben der Abgabenfestsetzung oder zum Unterbleiben der Heranziehung zur Haftung. Die Grundlagen für die Abgabenerhebung sind vielmehr nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen (). Eine Schätzung war jedoch garnicht nötig, zumal die belangte Behörde letztlich die Höhe der Bemessungsgrundlagen und der Steuerbeträge erheben konnte. Der Abgabenanspruch für die Kommunalsteuer für die Monate Juli bis September 2017 beträgt € 804,56. Dies wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesfinanzgericht auch mitgeteilt und es wurde ihm die Möglichkeit gegeben, einen Gleichbehandlungsnachweis vorzulegen. Er hat dies jedoch unterlassen.

Kausalität:
Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat (). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (; ).

Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ).

Der Beschwerdeführer hat weder einen Gleichbehandlungsnachweis vorgelegt, noch sonst seine allgemeine Behauptung in irgendeiner Form konkretisiert. Vielmehr hat er auf den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom gar nicht reagiert.

Ermessen:

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.

Ist ein Verhalten der Abgabenbehörde ursächlich für den Ausfall der Primärschuldnerin gewesen, weil etwa von einer Säumigkeit der Abgabenbehörde bei der Eintreibung der Abgaben bei der Primärschuldnerin ausgegangen werden kann, so ist dies bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (vgl Taucher, Aktuelle Judikatur der Höchstgerichte zur Gemeinde als Steuergläubiger, RFG 2010/4). Es mag zwar zutreffen, dass die belangte Behörde seit dem Jahr 2005 über keine monatlichen Bemessungsgrundlagen verfügt, weil in der Kommunalsteuererklärung keine Aufgliederung der Kommunalsteuerjahresbeträge auf einzelne Monate mehr erfolgt. Allerdings hat etwa der Österreichische Städtebund im Zuge des Begutachtungsverfahrens zum Abgabenänderungsgesetz 2004 (mit dem auch das KommStG geändert wurde) darauf hingewiesen, dass fortan "zusätzliche Erhebungen (Nachschau)" durch die Abgabenbehörde erforderlich sein werden, um zu den benötigten Daten und Unterlagen zu kommen (vgl. 6/SN-209/ME XXII GP). Damit befindet sich die belangte Behörde diesbezüglich in derselben Situation wie auch die Abgabenbehörden des Bundes, zumal für lohnabhängige Abgaben, die von den Finanzämtern zu erheben sind, idR nicht einmal eine Jahressteuererklärung vorgesehen ist (siehe Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 80 Anm 8). Aus diesem Grund hat das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde im Zuge einer Ladung zu einer mündlichen Verhandlung bereits im März 2020 aufgefordert, die monatlichen Abgabenbeträge zu erheben, was die belangte Behörde jedoch unterlassen hat. Die belangte Behörde ist dem Ermittlungsauftrag, der in der Ladung vom enthalten war, nie nachgekommen. Erst in Folge des Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, in dem dieser ausdrücklich auf die Bestimmungen über Ermittlungsaufträge hingewiesen hatte und das Bundesfinanzgericht einen solchen Ermittlungsauftrag (nochmals) erteilt hatte, hat die belangte Behörde - knapp vier Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - erstmals erhoben, ob überhaupt ein Kommunalsteuerabgabenanspruch besteht und in welcher Höhe ein solcher Abgabenanspruch besteht. Letztlich hat sich jedoch gezeigt, dass es der belangten Behörde sehr wohl möglich war, die Bemessungsgrundlagen für die Kommunalsteuer zu erheben. Dies wäre ihr auch schon vor Erlassung des Haftungsbescheides möglich gewesen.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf ( Ro 2014/16/0066). Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (). Die haftungsgegenständlichen Abgaben betreffen den Zeitraum Juni bis September 2017. Seit Oktober 2017 ist ein Insolvenzverfahren bei der Primärschuldnerin anhängig. Der Haftungsbescheid wurde im April 2018 erlassen, was zwar als zeitnah angesehen werden kann. Allerdings hat es die belangte Behörde unterlassen, auch nur ansatzweise zu erheben, ob der Abgabenanspruch überhaupt entstanden ist. Erst im Jahr 2021 hat sich herausgestellt, dass der Abgabenanspruch nicht einmal halb so hoch ist, wie es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid angegeben hat.
Ein weiterer maßgeblicher Grund, warum die gegenständliche Entscheidung erst im Jahr 2022 getroffen werden konnte, liegt in der Tatsache, dass die belangte Behörde den ersten Ermittlungsauftrag im Jahr 2020 schlichtweg ignoriert hat.
All diese Umstände waren im Rahmen des Ermessens dahingehend zu berücksichtigen, dass von jenem Betrag, der letztlich als Haftungsbetrag verbleibt, ein Abschlag von ca. 30 % vorzunehmen ist.

Ergebnis:
Im Ergebnis erweist sich nur die Haftung für Kommunalsteuer in Höhe von € 560,-- (€ 804,56 minus ca. 30 %) wie folgt als rechtmäßig:


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Abgabenart
Betrag
Kommunalsteuer 6/2017
369,76
Kommunalsteuer 7/2017
331,69
Kommunalsteuer 8/2017
92,16
Kommunalsteuer 9/2017
10,95
804,56
- Ermessen (ca 30%)
- 244,56
560,00

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu angeführten Literatur. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 Abs. 3 Satz 2 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 18 GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400121.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at