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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.02.2022, RV/7105961/2019

Aufhebung Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO mangels rechtlich existendem Grundlagenbescheid.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch die mit Zustellvollmacht ausgewiesene Schmied-Blab Steuerberatungs- und Wirtschaftstreuhand GmbH, Wiener Straße 34, 3100 St. Pölten, und die Prof. Dr. Thomas Keppert Steuerberatung GmbH, Theobaldgasse 19, 1060 Wien über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2010 zu Recht erkannt:

I.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde fällt in das Fachgebiet FE 6 und damit in die Zuteilungsgruppe 1102. Aufgrund des Antrages auf Entscheidung durch den Senat wurde sie auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung 7013-2 zugeteilt. Aufgrund der Zurückziehung des Antrages auf Senatsentscheidung ist nunmehr die Gerichtsabteilung 7013 zuständig.

Gem. § 323b Abs. 1 BAO trat das Finanzamt Österreich für seinen jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des am zuständig gewesenen Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg.

I. Verfahrensgang

Mit erließ das damalige Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg den Einkommensteuerbescheid 2010 und berichtigte damit den Einkommensteuerbescheid vom gem. § 295 Abs. 1 BAO. Aus dessen Begründung geht hervor, dass sich diese Änderung auf die bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Klagenfurt zu Steuernummer ***1*** vom stützte.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin (kurz Bf.) vom und der darin geäußerte Antrag auf Aufhebung des bekämpften Bescheides wurde damit begründet, man sei angesichts der (damals gültigen) Fassung des § 295 Abs. 4 BAO gezwungen, "vorsorglich" im Einkommensteuerverfahren überprüfen zu lassen, ob der herangezogene "Feststellungsbescheid" tatsächlich Bescheidqualität aufweist. Zusätzlich wurde darauf verwiesen, dass der Grundlagenbescheid mit Beschwerde bekämpft worden sei.

Das Finanzamt (kurz FA) wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Da die Frage, ob es sich bei dem für die Abänderung des ESt-Bescheides maßgeblichen Feststellungsbescheid um einen sogenannten "Nichtbescheid" handelt, noch nicht entschieden ist, lägen die Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung aus Anlass des § 295 Abs. 4 BAO eindeutig nicht vor. Überdies komme in jenen Fällen, in denen eine Frage in dem einem ESt-Verfahren vorgelagerten Feststellungsverfahren offen ist, eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gem. § 271 BAO nicht in Betracht.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag (inklusive Antrag auf Senatsentscheidung und mündliche Verhandlung) vom . Die Aussetzung des Verfahrens finde Deckung in der höchstgerichtlichen Judikatur, weshalb diese noch einmal angeregt werde.

Nachdem das FA die Beschwerde am an das Bundesfinanzgericht vorgelegt hatte, prüfte dieses den Grundlagenbescheid und kam vorläufig zum Schluss, dass es begründete Zweifel an dessen rechtlicher Bescheidexistenz gibt. Es setzte deshalb das Verfahren bis zur Erledigung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde aus.

Über die Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid wurde schlussendlich vom Bundesfinanzgericht im Dezember 2021 abgesprochen (). Zusätzlich erging eine weitere Entscheidung, die sich mit der Bescheidqualität des zur Änderung gem. § 295 BAO herangezogenen und als Feststellungsbescheid intendierten Schriftstückes befasste (). In beiden Erledigungen kam das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass es sich bei den "bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Klagenfurt zu Steuernummer ***1*** vom ", auf die sich der hier bekämpfte "Einkommensteuerbescheid 2010, Änderung gem. § 295 (1) BAO zu Bescheid vom " bezieht, mangels eines zweifelsfrei identifizierbaren Bescheidadressaten um einen Nichtbescheid handelt.

Das Bundesfinanzgericht konfrontierte die Parteien des hier zu beurteilenden Beschwerdeverfahrens damit, woraufhin die Bf. ihre Anträge auf Senatsentscheidung und mündliche Verhandlung mit Schriftsatz vom zurückzog. Das FA teilte am mit, auch aus seiner Sicht lägen die in § 295 Abs. 1 BAO definierten Voraussetzungen für die Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vor und beantragte nun selbst die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist (§ 295 Abs. 1 BAO).

Auf § 295 Abs. 1 BAO gestützte Bescheide setzen zum einen eine Abhängigkeit (somit ein Verhältnis Grundlagenbescheid zu abgeleitetem Bescheid) voraus. Zum anderen darf ein auf § 295 gestützter Bescheid nur ergehen, wenn ein nachträglicher (somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassener oder abgeändert Grundlagenbescheid auch dem Adressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam wurde (Ritz/Koran, BAO7, § 295 Rz 3 unter Hinweis auf ; , 2010/15/0064). Wird ein Änderungsbescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO erlassen, obwohl der hierfür herangezogene Grundlagenbescheid ins Leere gegangen ist (somit rechtlich nicht existent war), so ist diese Rechtswidrigkeit nicht dadurch sanierbar, dass nachträglich der Grundlagenbescheid erlassen wird (Hinweis auf ; RV/0570-I/03; , RV/0064-W/06; ; ). In diesem Fall ist einer gegen den Änderungsbescheid gerichteten Bescheidbeschwerde stattzugeben und der Änderungsbescheid ist aufzuheben (Ritz/Koran, BAO7, § 295 Rz 3).

Hier wurde durch und festgestellt, dass dem als Feststellungsbescheid intendierten Schriftstück, auf das das FA seine Berichtigung stützte die Bescheidqualität fehlte. Diese beiden Entscheidungen wirken auch gegen die Bf. und wurden ihr zudem auch in diesem Beschwerdeverfahren noch einmal zur Kenntnis gebracht.

Weder vom Bf. noch vom FA wurden Argumente vorgebracht, die diese beiden Entscheidungen in Frage stellen könnten. Beide Parteien bestätigten, dass die Berichtigung gem. § 295 Abs. 1 BAO rechtsgrundlos erfolgt war. Der Berichtigungsbescheid war deshalb aufzuheben.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das ist hier nicht der Fall, weil alle Rechtsfragen höchstgerichtlich geklärt wurden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7105961.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at