Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2022, RV/5101297/2019

Keine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag ohne Hervorkommen neuer Tatsachen - Irrtum über den Beginn der Steuerpflicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***US*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Panowitz Pfaffenzeller Roth Steuerberatungs GmbH, Hauptplatz 30, 3300 Amstetten, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2013 Wiederaufnahme § 303 BAO/ESt 2014 und Wiederaufnahme § 303 BAO/ESt 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am langten bei der belangten Behörde Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend bereits rechtskräftig veranlagter Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 ein. Begründend wurde ausgeführt, der Klient sei der Annahme gewesen, dass erst bei den ersten Mieteinnahmen die Steuerpflicht für die Vermietung eintrete. Erst ab diesem Zeitpunkt habe er sich an die steuerliche Vertretung gewandt, welche bei Durchsicht der Aktenlage festgestellt habe, dass die Wohnung bereits im Jahr 2013 angeschafft worden und nur für Vermietungszwecke vorgesehen gewesen sei. Man habe daher nachträglich berichtigte Erklärungen (ESt und USt) eingereicht. Es werde daher der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren für die Einkommensteuer hinsichtlich der Jahre 2013 - 2015 gestellt. Die Überschussrechnungen und Umsatzsteuererklärungen seien bereits vorgelegt worden.

Mit Bescheid vom wurden die Anträge hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer für 2013 bis 2015 abgewiesen. Es wurde auf die Bestimmung des § 303 Abs. 1 BAO verwiesen. Das Neuhervorkommen von Tatsachen sei aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen. Für den Antragsteller seien gegenständlich keine neuen Tatsachen hervorgekommen.

Am langte bei der Abgabenbehörde folgende Beschwerde ein:

"Innerhalb offener Frist lege ich gegen den Bescheid über den Antrag gem. § 303 Abs. 1 BAO vom , betreffend die Einkommensteuer 2013 - 2015, Beschwerde ein:

Mein Klient war der Annahme, dass erst bei den ersten Mieteinnahmen die Steuerpflicht für die Vermietung eintritt. Erst ab diesem Zeitpunkt wandte er sich an unsere Kanzlei. Bei Durchsicht der Aktenlage stellten wir fest, dass die Wohnung bereits im Jahr 2013 angeschafft wurde und nur für Vermietungszwecke vorgesehen war. Daher reichten wir nachträglich berichtigte Erklärungen (Est und UST.) ein.

Nach dem Normzweck des § 303 Abs. 4 BAO ist in der Regel dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben. Das sollte auch für sich zu Gunsten der Partei auswirkende Wiederaufnahmen gelten. Wir stellen daher den Antrag auf Wiederaufnahme für die Einkommensteuer, da es nicht sein kann, dass der Steuerpflichtige um sämtliche Einkommensteuerguthaben ab 2013 bis zur erstmaligen Vermietung fallen würde. Es wurden bereits die Überschussrechnungen vorgelegt."

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde die Abweisung im Wesentlichen wie folgt:

"Das Hervorkommen neuer Tatsachen ist nur dann ein Wiederaufnahmsgrund, wenn im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen vorliegen, die später hervorgekommen sind (nova reperta). Später entstandene Umstände - wie hier die Erkenntnis, dass die Steuerpflicht für die Vermietung nicht erst bei den ersten Mieteinnahmen eintritt - stellen jedenfalls keine Wiederaufnahmsgründe dar - siehe dazu Rechtssatz des GZ 93/14/0065."

Am langte fristgerecht der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Hinsichtlich der Beschwerdegründe werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde den Akt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig ist, ob neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind, aufgrund welcher die Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 2013 bis 2015 gem. § 303 Abs. 1 wiederaufgenommen werden können.

Sachverhalt

Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 wurden zunächst rechtskräftig veranlagt.

Seitens der steuerlichen Vertretung des Bf. wurden am Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO gestellt. Begründet wurden die Anträge damit, dass sich der Bf. hinsichtlich des Beginnes der Steuerpflicht bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in einem Irrtum befunden hat.

Die Anträge wurden seitens des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs (nunmehr Finanzamt Österreich) mit Bescheid vom - mangels Hervorkommens neuer Tatsachen aus Sicht des Antragstellers - abgewiesen.

Am langten diesbezüglich fristgerecht Beschwerden bei der belangten Behörde ein, welche mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen wurden.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Parteienvorbringen und ist - soweit entscheidungsrelevant - unbestritten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Als Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (vgl. ; ; ).

Gemäß § 303 Abs. 2 lit. b BAO hat der Wiederaufnahmsantrag die Bezeichnung jener Umstände zu enthalten, auf die der Antrag gestützt wird. Hierbei ist der Antragsteller behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes (vgl. ; ; ).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht anzusehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei (vgl. ).

Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen" sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl. ; sowie , mwN).

Umstände, die der Partei bekannt waren, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund für die Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (vgl. Ritz, BAO7, § 303 Tz 23).

Als Wiederaufnahmsgründe kommen nur jene Tatsachen in Betracht, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existierten, aber erst später hervorkommen (nova reperta).

Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen - gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen ( unter Hinweis auf ), dasselbe gilt für das Hervorkommen von Rechtsirrtümern ( ).

In den gegenständlichen Anträgen auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 wurde ausgeführt, dass der Bf. der Annahme gewesen sei, eine Steuerpflicht trete erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung von Mieteinnahmen ein. Nach Durchsicht der Unterlagen habe die steuerliche Vertretung festgestellt, dass die Wohnung bereits 2013 angeschafft und nur für Vermietungszwecke vorgesehen gewesen sei.

Der Umstand, dass der Bf. einer rechtlichen Fehleinschätzung hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung der Vermietungstätigkeit unterlag, stellt jedoch nach der obgenannten Judikatur keine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar.

Da die in den Wiederaufnahmsanträgen angeführten Tatsachen für den Bf. nicht neu, sondern ihm bereits bei Erlassung des Erstbescheides bekannt waren, sind im vorliegenden Fall die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Verfahren auf Antrag nicht erfüllt.

Auch der Einwand, wonach dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben sei, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da es mangels Vorliegen von neuen Tatsachen zu einer Abwägung zwischen Rechtsrichtigkeit und Rechtssicherheit im Rahmen einer Ermessensübung nicht kommen kann.

Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung - nicht erfüllt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101297.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at