Zulässigkeit einer Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***1***, vertreten durch ***2***, ***3***, über die Beschwerde vom gegen den gemäß § 293b BAO berichtigten Einkomensteuerbescheid 2017 des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (Bf) reichte die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2017, in welcher sie u.a. Fortbildungs-, Ausbildungs- und Umschulungskosten in Höhe von 3.912,00 € beantragte, am elektronisch beim zuständigen Finanzamt ein.
Mit Bescheid vom erfolgte die antragsgemäße Veranlagung.
Mit Bescheid vom berichtigte das Finanzamt diesen Bescheid gemäß § 293b BAO und versagte die Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten von 3.912,00 €.
In der Begründung verwies es darauf, dass, wenn Werbungskosten aus Fremdmitteln getätigt würden, bereits die Verausgabung der Fremdmittel und nicht erst die Rückzahlung zu Werbungskosten führe, weshalb die Rückzahlungen des Bildungskredits nicht berücksichtigt werden könnten.
Am erhob die Bf durch ihre steuerliche Vertretung Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Eine Berichtigung von Bescheiden gemäß § 293b BAO sei nur insoweit möglich, als deren Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruhe. Eine Unrichtigkeit sei dann offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar sei (z.B. ).
Die Bf sei am von der in der Beschwerde namentlich genannten Sachbearbeiterin telefonisch kontaktiert worden, und im Zuge dessen seien diese Fortbildungskosten inhaltlich erörtert worden. Auch dass es sich hier um Kreditratenzahlungen für in der Vergangenheit liegende Fortbildungskosten handle, sei besprochen worden. Nicht zuletzt deswegen sei auf Anraten einer Kollegin der Sachbearbeiterin die Wiederaufnahme für die Jahre 2013 bis 2016 beantragt worden. Allein aus dieser Tatsache resultiere, dass der Finanzverwaltung bekannt gewesen sei, dass es sich um Kreditratenzahlungen gehandelt habe.
Da eine Berichtigung gemäß § 293b BAO in diesem Fall nicht zulässig sei, beantrage die Bf, den Bescheid aufzuheben. Die Finanzverwaltung habe die Sachlage bereits näher untersucht und Ermittlungen getätigt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Wie bereits im angefochtenen Erstbescheid begründet, seien Werbungskosten, dem Zu- und Abflussprinzip folgend, grundsätzlich in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet würden (§ 19 EStG 1988). Würden Werbungskosten aus Fremdmitteln getätigt, führe bereits die Verausgabung der Fremdmittel und nicht erst die Rückzahlung zu Werbungskosten (der Abfluss erfolge somit bereits im Zeitpunkt der Zahlung und nicht erst bei Rückzahlung des Kredits).
Unabhängig von den Angaben in der Beschwerde könnten daher aufgrund der oben zitierten Bestimmungen die Raten des zur Finanzierung der getätigten Ausbildung aufgenommenen Kredits in den Jahren der Rückzahlung nicht als Werbungskosten berücksichtigt und somit keine Änderung des Spruchs des angefochtenen Bescheides vorgenommen werden.
Im Vorlageantrag vom verwies die Bf auf ihre Beschwerdebegründung. Die Beschwerdevorentscheidung gehe nicht auf ihre Begründung ein, dass in diesem Fall eine Berichtigung gemäß § 293b BAO nicht zulässig sei.
Im Vorlagebericht vom teilt die Amtspartei die Ansicht der Bf, dass in diesem Fall keine "offensichtliche Unrichtigkeit" vorliege und eine Berichtigung gemäß § 293b BAO daher nicht zulässig sei. Eine Aufhebung gemäß § 299 BAO sei der belangten Behörde aufgrund des Fristablaufs nicht mehr möglich.
Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen.
Rechtslage:
Nach § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.
Liegen die Voraussetzungen des § 293b BAO, liegt eine Berichtigung im Ermessen.
§ 293b BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zugrunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen ().
Eine Unrichtigkeit ist offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (Stoll, BAO, 2831).
Keine Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten liegt jedoch vor, wenn die Abgabenbehörde selbst (bewusst) die unrichtige Rechtsauffassung teilt (Ritz/Koran, BAO7 (2021), § 293b Rz 7, mit Verweis auf ; ; ).
Teilt die Abgabenbehörde die unrichtige Rechtsauffassung der Partei, ist für die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht der Inhalt der Abgabenerklärung, sondern die unrichtige Rechtsauffassung der Abgabenbehörde kausal.
Nach § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.
Nimmt daher die Partei ein Darlehen auf, um ihrer Verpflichtung entsprechen zu können, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Ausgabe und nicht der Tilgung maßgeblich (vgl. ).
Erwägungen:
Der Darstellung der Bf, eine Sachbearbeiterin der Abgabenbehörde habe sie vor Bescheiderlassung kontaktiert und sie habe diese darauf hingewiesen, dass es sich um Kreditrückzahlungen für in der Vergangenheit liegende Fortbildungskosten handle, trat die Amtspartei im Vorlagebericht nicht entgegen. Vielmehr beantragte sie, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, weil keine offensichtliche Unrichtigkeit vorliege.
Bei dieser unstrittigen Sachlage kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2017 eine offensichtliche Unrichtigkeit übersehen worden wäre; vielmehr wurde die unrichtige Beurteilung der Bf geteilt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall erfolgte die Lösung der zu klärenden Rechtsfragen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG lag somit nicht vor, weshalb eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100143.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at