Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.01.2022, RV/6100437/2021

Verlängerung der Anspruchsdauer gemäß § 15 FLAG bzw § 2 Abs 9 FLAG mangelnde Bescheidqualität einer Mitteilung gemäß § 12 FLAG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Tochter T für die Monate April 2021 und Mai 2021 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In einer "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" des Finanzamtes (kurz: FA) vom an die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) wurde die Bf darauf hingewiesen, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Familienbeihilfe für die Tochter T (kurz: To) automatisiert bis inklusive Juni 2021 verlängert werde, da anhand der Aktenlage davon ausgegangen worden sei, dass ein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe wahrscheinlich sei. In den nächsten Tagen würde die Bf dennoch ein Schreiben zur Überprüfung ihres Anspruches auf Familienbeihilfe erhalten. Anhand der bekanntgegebenen Daten werde der Anspruch der Bf auf Familienbeihilfe geprüft werden.

In einer "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" vom ersuchte das FA sodann die Bf um Vorlage des Abschlusszeugnisses (ua Diplomprüfungszeugnis, Rigorosenzeugnis) der Tochter To bzw um den Studienerfolgsnachweis und Fortsetzungsbestätigung/Inskriptionsbestätigung.

In Beantwortung dieses Schriftsatzes legte die Bf eine Studienbestätigung für das Sommersemester 2021 vor.

Am erging an die Bf hinsichtlich ihrer Tochter To ein Rückzahlungsbescheid betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Monate April 2021und Mai 2021. Begründend wurde festgehalten, dass für volljährige Studierende die Familienbeihilfe unter folgenden Voraussetzungen zustehe:
- das Kind habe das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet
- das Kind besuche eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung
- das Kind sei ordentlich Studierende oder ordentlich Studierender
- das Kind befinde sich innerhalb der vorgesehenen Studienzeit.
Diese Voraussetzungen würden bei To nicht zutreffen. Die Familienbeihilfe sei aufgrund des § 15 FLAG 1967 bis einschließlich März 2021 gewährt worden. Da die Tochter bereits im Juli 2020 das 24. Lebensjahr vollendet habe, sei der bereits ausbezahlte Betrag für die Monate April 2021 und Mai 2021 zurückzufordern.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf Beschwerde ein und verwies auf die "Mitteilung" vom .

Am erfolgte von Seiten des FA unter Hinweis auf § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ein Ersuchen um Ergänzung:
Die Tochter To befinde sich seit August 2019 im Masterstudium Psychologie, dessen Regelstudiendauer vier Semester umfasse. Das FA benötige daher einen Studienerfolgsnachweis in Form von Zeugnissen über die postiv abgelegten Prüfungen im laut Gesetz erforderlichen Ausmaß und - für den Fall, dass das Studium bereits beendet worden sei - einen Nachweis über den Studienabschluss. Eine reine Inskriptionsbestätigung reiche nicht aus.

Am reichte die Bf die geforderten Unterlagen (Studienerfolgsnachweis, Nachweis des Studienabschlusses) via FinanzOnline ein.

Die Beschwerde wurde sodann durch Beschwerdevorentscheidung vom mit nachstehender Begründung abgewiesen:
Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet würden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich sei. Die Tochter habe bereits im Juni (richtig: Juli) 2020 das 24. Lebensjahr vollendet. Ein darüberhinausgehender Familienbeihilfenanspruch bestehe grundsätzlich nicht. Die Weitergewährung bis März 2021 sei aufgrund des § 15 FLAG 1967 erfolgt, nach dem für Personen, die im Zeitraum von März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind gehabt habe, bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiterhin ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Die Monate April 2021 und Mai 2021 seien nicht mehr von § 15 FLAG 1967 erfasst und zurückzufordern, da kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestanden habe.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf einen Vorlageantrag ein und führte ergänzend aus:
Sie sei sich bewusst, dass ihre Tochter am 7/20 das 24. Lebensjahr erreicht habe. Allerdings sei auf die "Mitteilung" des FA vom zu verweisen. Am habe sie noch ein Schreiben mit Ersuchen um Ergänzung erhalten. Sie habe alle angeforderten Unterlagen erbracht.

Mit Bericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Gesetzliche Grundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ….

Nach § 3 Abs 1 Z 1 Studienförderungsgesetz 1992 können österreichische Staatsbürger als ordentlich Studierende an österreichischen Universitäten Förderungen erhalten.

Gemäß § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit a über die Altersgrenze und die Studiendauer , für die nach Abs 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Studium infolge der COVID-19-Krise.

Gemäß § 55 Abs 45 FLAG 1967 tritt § 2 Abs 9 FLAG 1967 mit in Kraft.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Das Wohnsitzfinanzamt hat gemäß § 12 Abs 1 FLAG 1967 bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. ….

Gemäß § 13 S 2 FLAG 1967 ist ein Bescheid zu erlassen, insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden gemäß § 15 Abs 1 FLAG 1967 die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. …. . Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

2. Sachverhalt

To, die Tochter der Bf, kam am 7/96 zur Welt, vollendete am 7/14 das 18. Lebensjahr und am 7/20 das 24. Lebensjahr.

Die Bf bezog laut einer Abfrage in der Familienbeihilfendatenbank für ihre Tochter To bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres durchgehend Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge). Darüber hinaus erfolgte die Weitergewährung der Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbeträge) gemäß § 15 FLAG 1967 bis einschließlich März 2021. Zusätzlich wurde für die Monate April 2021 und Mai 2021 Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge) ausbezahlt, deren Rückforderung nunmehr den Streitgegenstand bildet.

Laut Studienbestätigung vom absolvierte die Tochter als ordentlich Studierende der Paris Lodron Universität Salzburg das Masterstudium Psychologie, Studienkennzahl D 066 840, für welches eine Studiendauer von vier Semestern vorgesehen ist. Dem Studienerfolgsnachweis vom ist zu entnehmen, dass To dieses Studium seit Beginn des Studienjahres 2019/2020 bis zum Abschluss am 5/21 erfolgreich betrieb.

3. Rechtliche Beurteilung

Bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres im Monat Juli 2020 besteht wegen des von der Tochter To in einer in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung absolvierten Studiums zweifellos ein Anspruch der Bf auf Gewährung der Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 (vgl Pkt 1 Sachverhalt), weshalb ab August 2020 bis März 2021 der weitere Anspruch auf Familienbeihilfe durch § 15 FLAG 1967 ausgelöst wird.

Für eine darüberhinausgehende Verlängerung des Anspruchszeitraumes fehlt eine gesetzliche Grundlage. So ermöglicht § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 im gegenständlichen Fall keine Verlängerung der Anspruchsdauer über den Monat Februar 2021 hinaus:

To begann die in Form eines Studiums absolvierte Berufsausbildung vor Vollendung ihres 24. Lebensjahres und war auch im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres noch ordentlich Studierende der Paris Lodron Universität Salzburg, also einer in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannten Einrichtung. Aus diesem Grund verlängerte sich die in § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 normierte Anspruchsdauer gemäß § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 über die Altersgrenze hinaus um ein weiteres Semester (wegen des in Semester gegliederten Masterstudiums). Unter Heranziehung der Bestimmung des § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlängerte sich somit die Anspruchsdauer bis einschließlich Februar 2021 und nicht darüber hinaus.

Die an die Bf ergangene "Mitteilung" vom (vgl Verfahrensgang) basiert auf § 12 FLAG 1967. Eine solche "Mitteilung" gemäß § 12 FLAG 1967 ist kein Bescheid. Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. (Vgl , , Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 12 Rz 5)

Mangels Bescheidqualität können aus einer "Mitteilung" über die voraussichtliche Dauer eines Beihilfenanspruches keine Rechtsansprüche abgeleitet werden. Eine "Mitteilung" kann somit auch einer Rückforderung bezogener Familienbeihilfe nicht entgegenstehen. Der Beihilfenanspruch endet nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 bei Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen und nicht durch Ablauf der auf einer "Mitteilung" genannten Zeitraumes. (Vgl , ).

Im gegenständlichen Fall ist gemäß § 2 Abs 1 lit b iVm § 15 Abs 1 FLAG 1967 der Anspruch auf Familienbeihilfe mit März 2021 erloschen.

Das FA hat somit zu Recht die Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge für die Monate April 2021 und Mai 2021 zurückgefordert.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die im Spruch ausgeführten Rechtsfolge aus den klaren und eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor.

Salzburg, am

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