TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Säumnisbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2022, RS/7100016/2022

Anwendungsfall des § 212 Abs. 9 3. Satz BAO, Aufhebung des Aussetzungszinsenbescheides im Zuge der Erledigung einer Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch V, über die Säumnisbeschwerde vom wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend die Aufhebung des Bescheides des Finanzamtes Österreich vom , Abgabenkontonummer X1, über die Festsetzung von Aussetzungszinsen in der Höhe von 19.416,85 Euro zu Recht erkannt:

Der Säumnisbeschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der Bescheid vom über die Festsetzung von Aussetzungszinsen wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Am brachte der Beschwerdeführer (Bf.) beim Bundesfinanzgericht eine Säumnisbeschwerde mit folgendem Wortlaut ein:
" …..
Begründung:
Geltend gemacht wird die Säumnis des Finanzamts Österreich, einen Aussetzungszinsenbescheid nach Aufhebung des zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheids von Amts wegen aufzuheben und die bereits bezahlten Zinsen wieder gutzuschreiben.

Am erließ das Finanzamt Waldviertel einen Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung bezüglich der bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzten Steuerschuld aufgrund des Einkommensteuerbescheids 2008 vom sowie einen Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen, mit dem Zinsen iHv EUR 19.416,85 festgesetzt wurden, für Herrn ***Bf1***. Die Aussetzung hatte folgenden Hintergrund:

Mit erließ das Finanzamt Waldviertel erstmalig einen Einkommensteuerbescheid fürHerrn ***Bf1*** (StNR X1) für das Jahr 2008, mit dem die Einkommensteuer mit EUR -3.943,89 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit erließ das Finanzamt Waldviertel aufgrund des zwischenzeitig ergangenen Feststellungsbescheids zu Steuernummer 155/1425 vom einen abändernden Bescheid gem § 295 Abs 1BAO, mit dem die Einkommensteuer mit EUR 5.187,34 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft.

Mit wurde ein neuer Feststellungsbescheid zu Steuernummer 65 155/1425 erlassen, weshalb das Finanzamt Waldviertel mit abermals einen abändernden Einkommensteuerbescheid 2008 gem § 295 Abs 1 BAO erließ, mit dem die Einkommensteuer mit EUR 160.173,73 festgesetzt wurde. Dieser Bescheid erwuchs ebenfalls in Rechtskraft, wurde jedoch aufgrund eines Antrages gem § 295 Abs 4 BAO zwischenzeitlich aufgehoben, siehe hierzu sogleich.

Gegen den Feststellungsbescheid vom zu Steuernummer 65 155/1425 wurde mit Berufung erhoben und die sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2008 vom ergebende Steuerschuld ausgesetzt. Dieses Rechtsmittel wurde letztlich mit Beschluss des BFG vom 30.10.2019 zur GZRV/7103130/2013 als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde die Zurückweisung damit, dass mangels gesetzeskonformer Zustellung kein bekämpfbarer Feststellungsbescheid zur Steuernummer 155/1425 vorlag. Aufgrund dieser Zurückweisung wurde der oben erwähnte Aussetzungszinsenbescheid seitens des Finanzamtes Waldviertel erlassen.

Aufgrund eines Antrags gem § 295 Abs 4 BAOhob das Finanzamt Österreich den Einkommensteuerbescheid 2008 vom mit auf. Durch diese Bescheidaufhebung ist die Grundlage für die Festsetzung und Einbehaltung der Aussetzungszinsen rückwirkend weggefallen. Die Aussetzungszinsen sind daher wieder gutzuschreiben.
….

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 212a Abs 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist. Die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO ist somit streng akzessorisch mit einem bestimmten Abgabenbescheid, der bekämpft wurde, verknüpft.

Gem § 212a Abs 9 BAO sind Aussetzungszinsen im Fall einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu berechnen. Diese Pflicht zur nachträglichen Anpassung der Aussetzungszinsen ist von Amts wegen und auch im Falle einer nachträglichen Änderung des zugrundeliegenden Bescheids nach § 295 Abs 1 BAO durchzuführen (Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 212a Rz 34). Selbiges sehen auch die Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung vor:

"Obsiegt der Abgabepflichtige im Berufungsverfahren, so sind Zinsen nicht festzusetzen, es sei denn, dass im Hinblick auf § 212a Abs 3 erster Satz BAO der durch die Berufungserledigung in Wegfall gekommenen Betrag geringer ist als der ausgesetzt gewesene. Wird dem Berufungsbegehren zum Teil stattgegeben, so erfolgt eine Zinsenvorschreibung für den verbleibenden Betrag. Wurde die Berufung des Abgabepflichtigen zur Gänze abgewiesen, erfolgt jedoch zu einem späteren Zeitpunkt eine Herabsetzung des Abgabenbetrages durch eine Änderung gemäß § 295 BAO, so hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen." (Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung (AE) gemäß § 212a BAO, AÖF 1988/53; https://rdb.manz.at/document/rdb.tso.ER0932800021)
…..

Nichts anderes kann freilich bei einer gänzlichen Aufhebung des Bescheids nach§ 295 Abs 4 BAOgelten; in diesem Fall sind die Aussetzungszinsen zur Gänze wieder gutzuschreiben.

Gegenständlich liegt weiters ein Anwendungsfall des§ 295 Abs 3 BAOvor. Gem § 295 Abs 3 BAOist ein Bescheid ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom wurde nach § 295 Abs 4 BAO aufgehoben. Wäre bei der Erlassung des Aussetzungszinsenbescheids vom der genannte Einkommensteuerbescheid bereits aufgehoben gewesen, hätte derAussetzungszinsenbescheides nicht ergehen dürfen, weil es mangels bescheidmäßiger Feststellung keine Grundlage für die ausgesetzte Abgabenschuld gegeben hätte. Der Aussetzungszinsenbescheid istdaher nach § 295 Abs 3 BAO aufzuheben und die festgesetzten Aussetzungszinsen wieder gutzuschreiben. Nicht ins Gewicht fällt hierbei, dass nach Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2008 vom ein neuer Bescheid aufgrund des neuen Grundlagenbescheids erlassen wurde.Der Einkommensteuerbescheid 2008 fußte auf einem "Nichtbescheid" und war daher zur Gänze rechtswidrig. Somit gab es rückwirkend keine Abgabenschuld, deren Einhebung ausgesetzt werden könnte und keine Grundlage für die Vorschreibung von Aussetzungszinsen. Die neuerlich festgesetzte Abgabe an Einkommensteuer für das Jahr 2008 wurde erst gem § 210 Abs 1 BAOeinen Monat nach Bekanntgabe des (neuen)Abgabenbescheids, sohin mit fällig und kann nicht Grundlage einer Vorschreibung von Aussetzungszinsen für einen Zeitraum von bis sein.

Wie bereits ausgeführt, wurde der Einkommensteuerbescheid 2008 vom mit aufgehoben. Nach der Aufhebung wäre das Finanzamt Österreich von Amts wegen dazu verpflichtet gewesen, den Aussetzungszinsenbescheid vom aufzuheben und die Aussetzungszinsen wieder gutzuschreiben. Dieser Pflicht ist die Behörde binnen eines Zeitraums von 6 Monaten nicht nachgekommen, weshalb Säumnis eingetreten und die gegenständliche Beschwerde zulässig ist.

Aus den oben angeführten Gründen stellen wir folgende Anträge:

a) Das Gericht möge der belangten Behörde auftragen, den Aussetzungszinsenbescheid vom gem§ 295 Abs. 3 BAO aufzuheben;
b) Das Gericht möge der belangten Behörde auftragen, die Aussetzungszinsen bzgl der Einkommensteuer 2008 iHv EUR 19.416,85
auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers gutzuschreiben."

Gemäß § 284 Abs. 2 BAO trug das BFG dem Finanzamt mit dem Beschluss vom auf, bis spätestens zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Im Schriftsatz vom führte das Finanzamt aus:
"….
Aus folgenden Überlegungen kann keine Verletzung einer Entscheidungspflicht seitens des Finanzamtes Österreich gegeben sein:
Gemäß § 212a Abs. 9 Satz 3 BAO hat im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen.
Die Aufhebung der Abgabenschuld laut Einkommensteuerbescheid 2008 vom erfolgte jedoch nicht in einem ihre Festsetzung unmittelbar oder mittelbar betreffenden Beschwerdeverfahren, für das die Aussetzung der Einhebung bewilligt worden war, sondern in einem anderen, eigenständigen, erst später durch Antrag vom eingeleiteten Verfahren nach § 295 Abs 4 BAO. Vergleichsweise sind Aussetzungszinsen auch dann nicht anlässlich einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld anzupassen (§ 212a Abs. 9 BAO), wenn dies etwa auf Grund der erstmaligen Berücksichtigung von Sonderausgaben im Zuge einer nachträglichen Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO erfolgt.
Ziel des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 212a BAO war es nämlich (nur),
"Rechtsschutzsuchende nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels zu belasten" (Stoll, BAO S. 2265).
Im Zusammenhang mit § 212a Abs. 9 Satz 3 BAO ist daher darauf zu verweisen, dass unter "Abgabenschuld" nur jener Abgabenbetrag gemeint sein kann, dessen Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde - inhaltlich - abhängt, somit jener Betrag, für den der Aussetzungsantrag gestellt wurde und einbringungshemmende Wirkung (§ 230 Abs. 6 BAO) hat und dessen Einhebung bis zur Erledigung der Beschwerde ausgesetzt ist. Eine Änderung dieser Abgabenschuld nach Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Einhebung (§ 212a Abs. 5 BAO) in einem anderen, erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens eingeleiteten Verfahren kann zu keiner Anpassung von Aussetzungszinsen, weder zugunsten noch zulasten des Abgabepflichtigen, führen.
Anders läge der Fall nur dann, wenn gegen eine Zurückweisung (oder Abweisung) eines Antrages gemäß
§ 295 Abs. 4 BAO Beschwerde erhoben wurde und auf Grund dieser Beschwerdeerhebung die Aussetzung der Einhebung bewilligt wurde (was laut , über Antrag zulässig ist), und dieser Beschwerde in weiterer Folge stattgegeben wird. In einem solchen Fall fallen Aussetzungszinsen nicht an. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Gegenständlich besteht für eine von Amts wegen vorzunehmende Aufhebung der Aussetzungszinsen keine Veranlassung, weshalb sie nicht durchgeführt wurde und die behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

Auch § 295 Abs. 3 BAO ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Spruch des Zinsenbescheides im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdebegehren nicht gefolgt wurde, nicht anders gelautet hätte (vgl. UFSG vom , RV/0824-G/09). Im Übrigen dient § 295 Abs. 3 BAO zur Anpassung (Änderung, Aufhebung) von Bescheiden an nachträglich erlassene "grundlagenbescheidähnliche" Bescheide. Solche Bescheide sind keine förmlichen Grundlagenbescheide, sondern bescheide, die diesen ähnlich sind und in ihrer Wirkung materiell andere Bescheide beeinflussen (zB ; ). Ein Aufhebungsbescheid gem. § 295a Abs. 4 BAOist jedoch kein derartiger grundlagenähnlicher Bescheid für einen Aussetzungszinsenbescheid, der anlässlich der Beendigung eines Beschwerdeverfahrens ergangen ist.
In der Säumnisbeschwerde wird auf eine Aussage in BMF-Richtlinien zur Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) in AÖF 1988/53 verwiesen und ein Absatz daraus zitiert, wonach bei einer späteren Änderung gemäß
§ 295 BAOdie Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen hätte.
Diese Aussage im zur damals neuen Vorschrift gemäß
§ 212a BAO, der keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, konnte sich nicht auf§ 295 Abs. 4 BAO, erstmals eingeführt durch das AbgÄG 2011, beziehen. Diese Bestimmung hat ein eigenständiges Verfahren zum Gegenstand, welches außerhalb des Beschwerdeverfahrens gegen einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten (Einkommensteuer-)Bescheid angestoßen werden kann. Jedoch geht deshalb die Beschwerdemöglichkeit gegen den nach § 295 Abs. 1 BAO geänderten Bescheid nicht verloren, vielmehr wird eine neue Verfahrenslage sowie Rechtsmittelbefugnis erst eröffnet.
An die Stelle des BMF-Erlasses aus 1987 zur Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) sind die Richtlinien für die Abgabeneinhebung (RAE) getreten, AÖF 2004/95, die inzwischen in der Findok als Richtlinie des BMF-010103/0166-IV/4/2014, gültig ab , veröffentlicht sind.
Die RAE stellen einen Auslegungsbehelf zum 6. Abschnitt der BAO dar. In ihnen finden sich zu der im Spannungsfeld der Säumnisbeschwerde stehenden, einleitend zitierten Vorschrift gemäß § 212a Abs. 9 Satz 3 BAO folgende Aussagen:
RAE Rz 564 zweiter Satz lautet:
Unter nachträglicher Herabsetzung der Abgabenschuld ist jede nach Einreichung des Aussetzungsantrages eingetretene Minderung
der von diesem betroffenen rückständigen Abgabenschuld bzw. der den Gegenstand der Bewilligung der Aussetzung bildenden Abgabe zu verstehen; bezüglich jener Umstände, die zu einer solchen Minderung führen können, siehe Rz 307 bis Rz 314.
Rz 307 ff (zur Berechnung von Stundungszinsen) lauten:
….. Hierunter fallen zB Bescheidaufhebungen gemäß § 278 Abs. 1 BAO oder gemäß § 299 BAO, insbesondere aber Schuldminderungen, die auf einen Abgabenbescheid (§ 198 BAO) zurückzuführen sind. Dazu gehören vor allem Verminderungen, die auf Grund eines endgültigen (§ 200 Abs. 2 BAO) oder eines ändernden Abgabenbescheides (§ 295 BAO), auf Grund einer (teilweise) stattgebenden Beschwerdevorentscheidung oder eines Erkenntnisses oder im Zuge eines Wiederaufnahmsverfahrens eintreten, sowie Minderungen von Abgabenfestsetzungen gegenüber den Vorauszahlungen oder Herabsetzungen von Vorauszahlungen. Die Minderung einer Abgabenschuldigkeit kann sich auch aus der Ersetzung eines Abgabenbescheides durch einen "Nichtveranlagungsbescheid" ergeben.
Die RAE-Aussagen zur Berichtigung einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld bei Berechnung der Aussetzungszinsen entsprechen inhaltlich der Aussage in Ritz, BAO6, § 212a Tz 34 zweiter Satz, auf die wiederum auch in der vorliegenden Säumnisbeschwerde verwiesen wird:
Entscheidend ist jedoch nicht, ob die Beschwerdeerledigung zu einer Gutschrift oder Nachforderung führt, sondern ob sich der strittige Betrag letztlich als rechtswidrig oder rechtmäßig erweist (vgl. Ritz, RdW 1997, 361).
Der verwiesene Aufsatz von Ritz im RdW-Heft 6/1997 (mit Beispielen) behandelt einen Fall mit zwei Varianten. In beiden Varianten wird dem Berufungsbegehren Rechnung getragen. In der Variante 1 wird eine Gewinntangente während des Berufungsverfahrens mittels§ 295 Abs. 1 BAOumgesetzt und dann die stattgebende Berufungserledigung erlassen. Dadurch entfällt die strittige Nachforderung und es fallen keine Aussetzungszinsen an. Die Variante 2 verläuft so, dass die Gewinntangente im Rahmen der Berufungserledigung mitberücksichtigt wird. Dadurch kommt es im Ergebnis zu keiner Gutschrift des strittigen Betrages. Aussetzungszinsen werden vorgeschrieben. Sie erweisen sich als rechtswidrig, weil sie nicht von der Vorgangsweise der Abgabenbehörde abhängen dürfen, nämlich davon, ob zunächst lediglich der zur Nachforderung führende Bescheid erlassen wird oder ob beide Maßnahmen in einem Bescheid vorgenommen werden, was in der Regel zweckmäßiger ist (Anmerkung: und im Hinblick auf§ 300 BAOseit 2014 bei Beschwerdeerledigungen durch das BFG der Regelfall ist).
Unter Punkt 4 im Aufsatz von Ritz in RdW 6/1997 wird dargelegt, dass diese Beurteilung gleichermaßen zu Aussetzungszinsen trotz Gutschrift führen kann, wenn
nämlich auf Grund anderer Umstände (zB Berücksichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten iSd § 293b BAO) die Berufungserledigung zu einer Gutschrift führt, trotzdem die Berufung hinsichtlich des für die Aussetzung maßgeblichen Berufungsbegehrens abgewiesen wurde. In diesem Fall sind Aussetzungszinsen von der vollen Bemessungsgrundlage festzusetzen.

Daraus ergeben sich für die vorliegende Fallsituation folgende Schlussfolgerungen:
Weder wurde die Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen durch die abschließende Beschwerdeerledigung im Feststellungsverfahren geändert oder aufgehoben, noch wurde dem Beschwerdebegehren stattgegeben. Die (kurzfristig bestehende) Gutschrift ergibt sich erst nachträglich auf Grund der Stattgabe des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO
vom mit Bescheid vom . Aus diesem Grund ist keine Herabsetzung oder Aufhebung der zuvor auf Grund der abschließenden Beschwerdeerledigung im Feststellungsverfahren mit zu Recht festgesetzten Aussetzungszinsen vorzunehmen. Im Zusammenhang mit dem Antrag gemäß § 295Abs. 4 BAO vom und seiner Erledigung war keine Beschwerde anhängig und es war in diesem Zusammenhang auch keine Aussetzung der Einhebung beantragt oder bewilligt.
Abschließend wird somit festgehalten, dass seitens des Finanzamtes Österreich die in der Säumnisbeschwerde vom behauptete, auf die §§ 212a Abs. 9 und 295 Abs. 3 BAO
gestützte Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zum Sachverhalt wird zusammengefasst festgestellt:

Unter Verweis auf die Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt am an die X.KG Wiederaufnahmsbescheide sowie im wieder aufgenommenen Verfahren (neue) Bescheide über die Feststellung von Einkünften für die Jahre 2008 und 2009.

In weiterer Folge erließ das Finanzamt gegenüber dem Bf., einem Gesellschafter der KG, am einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2008, der eine Nachforderung an Einkommensteuer in der Höhe von 154.986,39 € zur Folge hatte und setzte mit dem Bescheid vom gleichen Tag Anspruchszinsen in der Höhe von 10.629,89 € fest.

Die KG erhob gegen die Wiederaufnahms- und Feststellungsbescheide das Rechtsmittel der Beschwerde.
Mit dem Bescheid vom setzte das Finanzamt über Antrag des Bf. im Hinblick auf das bei der X.KG gegen die Feststellungsbescheide anhängige Beschwerdeverfahren die Einhebung der Einkommensteuer 2008 und der Anspruchszinsen 2008 mit dem Hinweis aus, Aussetzungszinsen würden bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit gesondertem Bescheid angefordert.

Die Beschwerde der X.KG gegen die Wiederaufnahms- und Feststellungsbescheide wurde mit dem , mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, die Bescheide seien nicht rechtswirksam ergangen.

Daraufhin verfügte das Finanzamt gegenüber dem Bf. mit dem Bescheid vom den Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer 2008 und der Anspruchszinsen 2008 und setzte für den Aussetzungsbetrag von 165.616,28 € mit dem Bescheid vom gleichen Tag Aussetzungszinsen für den Zeitraum bis in der Höhe von 19.416,85 € mit der Begründung fest, die Aussetzungszinsen seien für jene Abgaben vorzuschreiben, für die aufgrund eines Antrags auf Aussetzung der Einhebung bzw. aufgrund der Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eingetreten sei.

Mit dem Erkenntnis vom , RV/7101331/2020, wies das BFG die Beschwerde des Bf. gegen den Bescheid vom über die Festsetzung von Aussetzungszinsen als unbegründet ab.
Einem Antrag auf Nachsicht der Einkommensteuer 2008, der Anspruchszinsen 2008 sowie der Aussetzungszinsen wurde ebenfalls nicht entsprochen (siehe dazu Erkenntnis des ).

Mit dem Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2008 vom vom Finanzamt aufgehoben (siehe dazu das zuvor ergangene Erkenntnis des , mit dem der Bescheid über die Zurückweisung des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 aufgehoben wurde) und ein neuer Anspruchszinsenbescheid erlassen (in dem die Anspruchszinsen mit Null festgesetzt wurden).
Am Abgabenkonto des Bf. wurden die Einkommensteuer 2008 in der Höhe von 154.986,39 € ebenso wie die Anspruchszinsen 2008 in der Höhe von 10.629,89 € gutgeschrieben (Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr. X1).

Im an das Finanzamt gerichteten Schriftsatz vom führte die Vertreterin der Bf. wie folgt aus:
"Bezugnehmend auf unser Schreiben vom (vgl. Beilage) bzw. ersuchen wir Sie nochmals die mit Bescheid vom festgesetzten Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 19.416,85 als Folge der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 gemäß § 205 Abs 6 BAO nicht festzusetzen und stellen daher den Antrag diesen Bescheid ersatzlos aufzuheben und die Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 19.416,85 wieder gutzuschreiben. …"

Mit dem Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Bf. vom auf Nichtfestsetzung der Aussetzungszinsen zurück. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis des , wird verwiesen.

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Im vorliegenden Fall wurde dem Finanzamt Österreich mit dem Beschluss vom aufgetragen, bis spätesten über die Säumnisbeschwerde vom zu entscheiden oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

Da die Abgabenbehörde mit dem Schriftsatz vom mitgeteilt hat, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, liegt die Zuständigkeit zur Entscheidung nunmehr beim BFG (siehe § 284 Abs. 3 BAO).
Über Säumnisbeschwerden ist vom BFG mit Beschluss oder mit Erkenntnis abzusprechen (§ 284 Abs. 7 lit. h BAO)
Ist die Säumnisbeschwerde weder (durch Beschluss) formell zu erledigen noch (mit Erkenntnis) abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die ausständige Entscheidung in der Sache selbst zu treffen (Ritz, BAO6, § 284, Tz 28).

§ 212a BAO lautet auszugsweise:

(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(9) Für Abgabenschuldigkeiten sind
a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung, über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs. 6) oder
b) soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt,
Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Aussetzungszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen. Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5 oder 5a) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.


§ 295 BAO lautet auszugsweise:

(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

(3) Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist.

(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines
- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines
- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben (idF BGBl I 2020/2).

Eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung ist nur auf Antrag möglich; eine amtswegige Verfügung der Aussetzung ist nicht vorgesehen. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Bewilligung eines auf Aussetzung der Einhebung gerichteten Antrages.
Grundsätzlich besteht Anspruch auf Aussetzung von berufungsverfangenen Abgaben nicht nur im Falle einer Berufung gegen den (abgeleiteten) Abgabenbescheid, sondern es genügt auch eine Berufung gegen einen dem (abgeleiteten) Abgabenbescheid vorgeschalteten Feststellungsbescheid (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der vom Finanzamt gemäß § 295 Abs. 1 BAO erlassene Einkommensteuerbescheid 2008 erwuchs in Rechtskraft; aufgrund der gegen den Feststellungsbescheid vom eingebrachten Berufung genehmigte das Finanzamt mit dem Bescheid vom antragsgemäß die Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer 2008 und der Anspruchszinsen 2008.

Die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid 2008 wurde mit dem , als unzulässig zurückgewiesen, weil der Bescheid nicht rechtswirksam an eine bereits beendete Personengesellschaft erlassen wurde.
Da ein sogenannter "Nichtbescheid" auch nicht Rechtsgrundlage für die Erlassung eines von diesem abgeleiteten Bescheides sein kann, sieht § 295 Abs. 4 BAO (BGBl I 2011/76), um aufwändige Verwaltungsverfahren sowohl für die Abgabenbehörde als auch für den Abgabepflichtigen zu vermeiden, in einem solchen Fall auf Antrag die Aufhebung des abgeleiteten Bescheides vor.

Die (antragsgemäße) Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 erfolgte mit dem Bescheid des Finanzamtes vom ; die ursprünglich (rechtskräftig) festgesetzte Einkommensteuer, die (zusammen mit den Anspruchszinsen) Grundlage der Aussetzung der Einhebung war, gehört daher nicht mehr dem Rechtsbestand an.

Aussetzungszinsen (§ 212a Abs. 9 BAO) stellen ein Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen Zahlungsaufschub dar (). Der Abgabepflichtige trägt daher das Zinsenrisiko für strittige Abgabenbeträge, deren Nachforderung sich im Rechtsmittelverfahren als rechtmäßig erweist.

Im Fall der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld entfällt insoweit die Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen. Die Aussetzung kommt höchstens insoweit in Betracht, als der Bescheid eine Nachforderung zur Folge hat ().

Das Finanzamt bringt im Schriftsatz vom vor, unter "Abgabenschuld" im Sinne des § 212a Abs. 9 3. Satz BAO könne nur jener Abgabenbetrag gemeint sein, dessen Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde - inhaltlich - abhänge. Nur die nachträgliche Herabsetzung dieser Abgabenschuld könne zu einer Anpassung der Aussetzungszinsen führen, nicht aber die Änderung der Abgabenschuld in einem anderen Verfahren (im vorliegenden Fall die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO).

Zu den Abgaben, deren Höhe mittelbar im Sinne des § 212a BAO von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, gehören nach herrschender Ansicht all jene, die im Fall einer dem Begehren des Beschwerdeführers Rechnung tragenden Berufungserledigung entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabepflichtigen herabzusetzen sind oder deren Festsetzung diesfalls überhaupt aufzuheben ist ( mit Zitierung von Lehrmeinungen).
Gegenstand des Verfahrens vor dem VwGH war die (vom VwGH als rechtswidrig angesehene) Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung von Einkommensteuer (und Anspruchszinsen) gemäß § 212a BAO in einem Verfahren, das die Zurückweisung eines auf § 295 Abs. 4 BAO gestützten Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides zum Gegenstand hatte, nachdem im Rechtsmittelverfahren festgestellt worden war, dass den an die KG erlassenen Feststellungsbescheiden keine Bescheidqualität zukam.

Im zitierten Erkenntnis führt der VwGH wörtlich aus:
"Um dem rechtsstaatlichen Prinzip gerecht zu werden, müssen Rechtsschutzeinrichtungen ein bestimmtes Maß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Revisionswerber nicht einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange belastet sein, bis seine Beschwerde endgültig erledigt ist (vgl. G119/86, VfSlg. 11196). Vor diesem Hintergrund ging der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 97/15/0085, VwSlg. 7340/F, davon aus, dass § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung des Streitgegenstandes des Hauptverfahrens (Berufung gegen den Abgabenbescheid) auch für die Zeit ermöglicht, während der in einem Nebenverfahren geprüft wird, ob die Voraussetzungen einer Berufung vorliegen.
Auf Nichtbescheide gestützte Änderungsbescheide sind gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO und unterliegt der Entscheidungspflicht (vgl. Ritz, BAO
6, § 295 Tz 21f). Die Aufhebung eines Änderungsbescheides liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde und kann - wie im Revisionsfall - zu einer Herabsetzung, aber auch zu einem gänzlichen Wegfall einer Abgabenschuld führen. Wird ein auf § 295 Abs. 4 BAO gestützter Antrag vom Finanzamt abgewiesen und vom Abgabepflichtigen dagegen Beschwerde erhoben, hängt die Einhebung der im Falle einer stattgebenden Erledigung in Wegfall kommenden Abgabenschuld mittelbar von der Erledigung der gegen den Abweisungsbescheid gerichteten Bescheidbeschwerde ab. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass ein auf § 295 Abs. 4 BAO gestützter Antrag vom Finanzamt zurückgewiesen wird (vgl. idS nochmals 97/15/0085)."

Aus diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass die Höhe der Einkommensteuer und der Anspruchszinsen 2008 mittelbar im Sinne des § 212a Abs. 1 BAO nicht nur von der Erledigung der Bescheidbeschwerde gegen den Feststellungsbescheid, sondern auch von der Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem der Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO zurückgewiesen wurde, abhängt.

Eine Einschränkung dahingehend, dass nur die im anhängigen Beschwerdeverfahren erfolgte Herabsetzung der der Aussetzung der Einhebung zu Grunde liegenden Abgabenschuld zur Herabsetzung (bzw. dem Wegfall) von Aussetzungszinsen führt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Wird eine Bescheidbeschwerde, die unmittelbar Anlass für eine Aussetzung der Einhebung war, durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides erledigt, wird durch die Aufhebung die aus dem angefochtenen Bescheid resultierende Nachforderung beseitigt und für die weggefallene Nachforderung sind keine Aussetzungszinsen festzusetzen.

Wird eine Bescheidbeschwerde, die mittelbar Anlass für eine Aussetzung der Einhebung war, durch Zurückweisung der Beschwerde erledigt wird, weil sich herausstellt, dass der Bescheid nicht rechtmäßig ergangen ist, sind ebenfalls keine Aussetzungszinsen festzusetzen, weil eine Abgabenschuld von vornherein nicht bestanden hat (siehe Ritz, BAO6, § 212a BAO, Rz 34, wonach entscheidend ist, ob sich der strittige Betrag letztlich als rechtswidrig oder rechtmäßig erweist).

Im vorliegenden Fall wurde eine Bescheidbeschwerde, die mittelbar Anlass für die Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer war, durch Zurückweisung der Beschwerde erledigt, weil sich herausgestellt hat, dass der Feststellungsbescheid nicht rechtmäßig ergangen ist. Dem für einen solchen Fall vom Gesetzgeber vorgesehenen Antrag, den vom Feststellungsbescheid abgeleiteten Einkommensteuerbescheid aufzuheben, wurde stattgegeben und dem Bf. die zu Unrecht verbuchte Einkommensteuernachforderung wieder gutgeschrieben. Es liegt daher eine nachträgliche Herabsetzung der Einkommensteuerschuld vor, die zu einer Herabsetzung (bzw. dem Wegfall) der Aussetzungszinsen führt.

Im Hinblick auf die Ausführungen des VfGH im Erkenntnis vom , G119/86, ist es auch nicht einsichtig, dass ein Abgabepflichtiger mit den Folgen einer rechtswidrigen Inanspruchnahme durch die Abgabenbehörde über die Erledigung seines Rechtsschutzgesuches hinaus belastet bleibt, obwohl die (rechtswidrige) Festsetzung der Abgabe nicht mehr dem Rechtsbestand angehört.
Gegen diese Rechtsansicht sprechen auch nicht die vom Finanzamt zitierten Ausführungen in den RAE (Richtlinien für die Abgabeneinhebung), wonach unter der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld jede nach Einreichung des Aussetzungsantrages eingetretene Minderung der vom Antrag betroffenen Abgabenschuld bzw. der den Gegenstand der Aussetzung bildenden Abgabe ist, wobei als Umstand, der zu einer solchen Minderung führen kann, u.a. ein ändernder Abgabenbescheid nach § 295 BAO angeführt wird. Warum ein aufhebender Bescheid nach § 295 BAO nicht zur Minderung der Abgabenschuld führen sollte, ist nicht begründbar.
Auch dass die Aussetzungszinsen von der vollen Bemessungsgrundlage festzusetzen sind, wenn das für die Aussetzung maßgebliche Beschwerdebegehren abgewiesen wurde, obwohl eine etwaige Berücksichtigung offensichtlicher Unrichtigkeiten im Sinne des § 293b BAO zu einer Gutschrift im Zuge der Beschwerdeerledigung führt, ist als Ausfluss des Umstandes anzusehen, dass sich der (volle) strittige Betrag im Beschwerdeverfahren als rechtmäßig erwiesen hat. Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor.

Nach der Ansicht des Finanzamtes fallen Aussetzungszinsen nicht an, wenn gegen die Zurückweisung oder die Abweisung eines Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO Beschwerde erhoben und in Folge dieser Beschwerde eine Aussetzung der Einhebung durch das Finanzamt bewilligt (und der Beschwerde in weiterer Folge stattgegeben) wird.
Diese Rechtsansicht hätte zur Folge, dass bei sofortiger stattgebender Erledigung des Antrages nach § 295 Abs. 4 BAO der Abgabepflichtige stets die Aussetzungszinsen zu tragen hätte, während ihm in einem Rechtsmittelverfahren, das mit der beantragten Bescheidaufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO endet, die Aussetzungszinsen gutzuschreiben wären.
Um in den Genuss der Aufhebung der Aussetzungszinsen zu kommen müsste der Bf. daher darauf hoffen, dass das Finanzamt seinen Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO rechtswidrig ab- oder zurückweist.
Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden, weil es keinen Unterschied machen kann, ob das Finanzamt dem Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO sofort stattgibt oder die antragsgemäße Erledigung erst im Zuge des Rechtsmittelverfahrens erfolgt.

Damit kann es sich aber auch im Fall der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 4 BAO nur um einen Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld im Sinne des § 212a Abs. 9 BAO handeln.

Nach § 295 Abs. 3 BAO ist ein Bescheid ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid aufgehoben gewesen.
Bei den im Gesetzestext genannten "anderen" Bescheid handelt es sich nicht um einen förmlichen Grundlagenbescheid, sondern um einen Bescheid, der in seinen Wirkungen materiell andere Bescheide beeinflusst (siehe und die dort zitierte Vorjudikatur).
Das Finanzamt bringt dazu vor, ein Aufhebungsbescheid nach § 295 Abs. 4 BAO sei kein grundlagenähnlicher Bescheid für einen Aussetzungszinsenbescheid.
Die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 beeinflusst aber auch die Festsetzung der Aussetzungszinsen: Wäre nämlich im Zeitpunkt der Festsetzung der Aussetzungszinsen der Einkommensteuerbescheid 2008 bereits aufgehoben gewesen, wären Aussetzungszinsen nicht festzusetzen gewesen, weil eine Abgabenschuld gar nicht vorlag.

Zusammengefasst sprechen daher die von den Parteien im Verfahren vorgebrachten Argumente dafür, dass mit der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 gemäß § 295 Abs. 4 BAO, der zu einer Nachforderung an Einkommensteuer 2008 und in weiterer Folge zur Festsetzung von Anspruchszinsen 2008 geführt hatte, die der Anspruchszinsenberechnung zu Grunde gelegt wurden, nicht nur die Nachforderung an Einkommensteuer sowie der Anspruchszinsen, sondern auch die Bemessungsgrundlage für die Aussetzungszinsen nachträglich weggefallen ist. Es liegt ein Anwendungsfall des § 212 Abs. 9 3. Satz BFG vor, weshalb der Bescheid vom über die Festsetzung von Aussetzungszinsen aufzuheben war.

Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob ein Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen von Amts wegen aufzuheben ist, wenn ein Feststellungsbescheid nicht rechtmäßig zugestellt wurde und in der Folge der vom Feststellungsbescheid ("Nichtbescheid") abgeleitete Einkommensteuerbescheid, der zu einer Nachforderung geführt hat, die antragsgemäß gemäß § 212a BAO ausgesetzt wurde, gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufgehoben wird, ist die ordentliche Revision zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RS.7100016.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at