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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.01.2022, RV/7102894/2021

Nachzahlung von Rehabilitationsgeld für das Vorjahr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Steuernummer ***StrNr***, zu Recht erkannt:

Gemäß § 279 BAO wird der Beschwerde teilweise Folge gegeben und es wird der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2018 wird mit 401,00 € festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A) Sachverhalt in den Jahren 2017 und 2018:

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Jahr 2017 ganzjährig Arbeitslosengeld bzw. ein das Arbeitslosengeld ersetzendes Krankengeld. Am erhielt er eine Nachzahlung des Rehabilitationsgeldes für den Zeitraum bis . Ab April 2018 erhielt er das Rehabilitationsgeld regulär ausbezahlt.

Der Nachzahlungsbetrag vom setzte sich folgendermaßen zusammen:

Der vorgenannte Abzug (Legalzession) in Höhe von 5.039,70 € hinsichtlich Leistung des AMS betrifft zu 2.076,36 € das Jahr 2017 und zu 2.963,34 € das Jahr 2018.

Der Rehabilitationsgeld-Bezug, der auf dem Anspruch für 1.10. bis beruhte, wurde von der Bundesland1 Gebietskrankenkasse in einem Lohnzettel mit dem Bezugszeitraum bis an das Finanzamt gemeldet (Kennzahl 210: 9.122,72 €; Kennzahl 220: 1.303,25 €; Kennzahl 245: 7.819,47 €; Kennzahl 260: 1.590,68 €)

B) Verfahren im Jahr 2021:

Da der Bf. keine Einkommensteuererklärung (Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2018 eingereicht hatte, erließ das Finanzamt Österreich von Amts wegen den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2018 vom , welcher die Einkommensteuer mit 1.907,00 € festsetzte (gleichbedeutend mit dem Ausspruch, dass die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 eine Nachforderung in Höhe von 1.907,00 € ergibt). In diesem Bescheid wurden der o.a. Lohnzettel der Bundesland1 Gebietskrankenkasse mit dem Bezugszeitraum bis sowie die Lohnzettel der Bundesland1 Gebietskrankenkasse mit den Bezugszeiträumen bis sowie die Lohnzettel der Bundesland2 Gebietskrankenkasse mit den Bezugszeiträumen bis sowie ein Lohnzettel von Arbeitgeber mit dem Bezugszeitraum bis berücksichtigt. Für Werbungskosten wurde der Pauschbetrag in Höhe von 132,00 € berücksichtigt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Schreiben vom Beschwerde, wobei eine Rehabilitationsgeldbestätigung der Österreichischen Gesundheitskasse (Kundenservice Landeshauptstadt1) zur Vorlage beim Finanzamt beigelegt war.

Das Finanzamt Österreich erließ eine mit datierte (teilweise stattgebende) Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Einkommensteuer für das Jahr 2018 mit 1.090,00 € festgesetzt wurde. Der Unterschied zum angefochtenen Bescheid lag in 2.076,36 € Werbungskosten, welche anstatt des Werbungskostenpauschales (132,00 €) bei der Einkünfteermittlung abgezogen wurden.

Daraufhin stellte der Bf. mit Schreiben vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Der Bf. bracht u.a. vor:
"… Tatsächlich wurde im Einkommensteuerbescheid nicht nur das laufende Rehabilitationsgeld ab April 2018 und die Nachzahlung für die Monate Jänner bis März 2018 berücksichtigt, sondern auch die Nachzahlung, die auf das Kalenderjahr 2017 entfällt.
Entsprechend § 19 EStG in geltender Fassung ist es zwar korrekt, dass Einnahmen im Jahr des Zuflusses zu versteuern sind. Davon ausgenommen sind gemäß § 19 Abs 1 ua bescheidmäßig zuerkannte Pensionen. Diese sind im Jahr des Anspruches steuerlich zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hat der VfGH mit seinem Erkenntnis G 223/2020 vom festgehalten, dass die Differenzierung zwischen Pensionen und Rehabilitationsgeldern verfassungswidrig ist, und die Wortfolge "von Pensionen" aufgehoben. Gemäß § 19 Abs 1 EStG idF BGBl 134/2021 sind daher nunmehr auch Nachzahlungen von Rehabilitationsgeldern nicht im Jahr des Zuflusses zu versteuern, sondern im Jahr des tatsächlichen Anspruchs. Wenngleich die Änderung erst mit in Kraft tritt, hat der VfGH im zitierten Erkenntnis auf Grundlage der ihm nach Art 140 Abs 7 B-VG eingeräumten Ermächtigung ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist.
Daher ist meines Erachtens die bei der Berechnung der Einkommensteuer 2018 berücksichtigten Bemessungsgrundlage unrichtig. Tatsächlich sind die Steuerpflichtigen Einkünfte für den Zeitraum 01.10.- in Höhe von 7.819,47 aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte für 2018 auszuscheiden.
Im Übrigen wurde zwar das im Rahmen der Legalzession rückbezahlte Arbeitslosengeld in Höhe von 2.076,36 Euro als Werbungskosten in Abzug gebracht, nicht jedoch das für den Zeitraum vom 01.10.- bezogene und letztlich im Jahr 2018 zurückbezahlte Krankengeld in Höhe von 1.510,08 Euro. Es handelt sich hierbei um ein das Arbeitslosengeld ersetzendes Krankengeld und ist diesem gleichgestellt. Die zu berücksichtigenden Werbungskosten betragen daher in Summe 3.586,44 Euro. …
Ich beantrage den Einkommensteuerbescheid 2018 aufzuheben und einen neuen Bescheid zu erlassen, mit dem die Rückzahlungen an Kranken- und Arbeitslosengeldern in korrekter Höhe berücksichtigt werden und die Nachzahlung des Rehabilitationsgeldes für 2017 nach dem Anspruchsprinzip behandelt wird und folglich im Jahr 2018 unberücksichtigt bleibt."

Das Finanzamt Österreich legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor. In dem beigefügten Vorlagebericht schließt sich das Finanzamt dem Antrag des Bf. hinsichtlich Krankengeldrückzahlung mit folgenden Worten an: "Es ist allerdings auch das im Wege der Legalzession rückbezahlte Krankengeld iHv € 1.510,08 gemäß § 16 Abs. 2 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen".

C.) Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , welches in BGBl. I 134/2021 am veröffentlicht wurde, zu Recht erkannt:
"I. Die Wortfolge "von Pensionen" in § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, idF BGBl. I Nr. 112/2011 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Die aufgehobene Wortfolge ist in den beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden."

Weder am (Entscheidungsdatum des VfGH) noch am (Kundmachungsdatum im Bundesgesetzblatt) war die Beschwerde des Bf. beim Bundesfinanzgericht anhängig; vielmehr wurde das Beschwerdeverfahren erst am durch das Einlangen der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Beschwerde beim Bundesfinanzgericht anhängig. Punkt IV des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes ist daher auf den Fall des Bf. nicht anwendbar.

Derzeit - im Jänner 2022 - ist gemäß Punkt II des Ausspruches die Aufhebung der Wortfolge "von Pensionen" noch nicht in Kraft. § 19 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 ist hier daher idF BGBl. I Nr. 112/2011 mit folgendem Wortlaut anzuwenden:
"2. In dem Kalenderjahr, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden, gelten als zugeflossen:
- Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird,"

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit dem zu diesem Gesetzeswortlaut ergangenen Erkenntnis vom , Zl. Ro 2017/15/0025 die Ansicht verworfen, wonach Nachzahlungen von Rehabilitationsgeld unter die Nachzahlung von Pensionen gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 einzustufen wären. Laut VwGH ist das Rehabilitationsgeld unter § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 ("Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung") und nicht unter § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 ("Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung") zu subsumieren.

Aufgrund des für den vorliegenden Fall anzuwendenden Wortlautes des § 19 Abs. 1 EStG 1988 ist hier dessen Grundregel maßgebend: "Einnahmen sind in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind." Die auf einem Anspruch des Jahres 2017 beruhende Nachzahlung des Rehabilitationsgeldes ist im Jahr 2018 zugeflossen. Dem Hauptbegehren des Bf. nach einem Ausscheiden dieses Anteiles der Nachzahlung aus der Bemessungsgrundlage für 2018 ist daher nicht zu entsprechen.

Jedenfalls handelt es sich durch die Subsumtion unter § 25 Abs. 1 EStG 1988 beim erhaltenen Rehabilitationsgeld um steuerbare Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

§ 69 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung bestimmt u.a.: "… bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG … sind 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen. … Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren haben die Versicherungsträger bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 auszuweisen."

Der Bezug von Rehabilitationsgeld stellt daher einen Bezug gemäß § 69 Abs. 2 EStG 1988 dar. Damit liegen hier die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vor. Deshalb ist das Ergehen des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2018 vom rechtmäßig, obwohl ihm kein Antrag (Steuererklärung) zugrundeliegt.

Der VwGH hat am Ende der Begründung zu seiner Entscheidung zu Zl. Ro 2017/15/0025 ausgeführt: "Bemerkt wird, dass das eigentliche Beschwerdebegehren (laut Vorlageantrag) offenbar auf die Berücksichtigung der einbehaltenen "AMS-Gelder" als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 gerichtet war. Nach § 23 Abs. 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 idF BGBl. I Nr. 68/2014, AlVG 1977, gilt der Vorschuss für den Fall, dass Rehabilitationsgeld nicht zuerkannt wird, als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wird hingegen - wie im Revisionsfall - Rehabilitationsgeld zuerkannt, ist die Leistung des Arbeitsmarktservice gemäß § 23 Abs. 1 AlVG 1977 als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte Leistung zu beurteilen. Dessen Rückzahlung (im Wege der Legalzession nach § 23 Abs. 6 AlVG 1977) ist gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 zu berücksichtigen."

Das Arbeitslosengeld für den Zeitraum bis gilt infolge der nachträglichen Zuerkennung von Rehabilitationsgeld als steuerpflichtiger Vorschuss auf das Rehabilitationsgeld. Der steuerpflichtige Zufluss der diesbezüglichen 2.076,36 € plus des ersatzweisen Krankengeldes (1.510,08 €) erfolgte im Jahr 2017 und ist daher kein Zufluss des Streitjahres 2018. Die Rückzahlung (Einbehaltung) dieser Beträge stellt steuerwirksame Werbungskosten des Jahres 2018 gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 (Rückzahlung/Erstattung von Einnahmen) dar. Dem Begehren des Bf. nach Berücksichtigung der Summe dieser beiden Beträge (3.586,44 €) als Werbungskosten wird daher entsprochen, was infolge der Aussage des Finanzamtes im Vorlagebericht auch unstrittig ist.

Der Vollständigkeit halber ist klarzustellen, dass auch das Arbeitslosengeld für den Zeitraum bis als steuerpflichtiger Vorschuss auf das Rehabilitationsgeld gilt. Dieser Zufluss erfolgte zwar im Jahr 2018, jedoch erfolgte ebenfalls im Jahr 2018 die Neutralisierung infolge Rückzahlung (Einbehaltung) des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum bis . Zufluss (Einnahmen) und Abfluss (Werbungskosten) gleichen sich daher aus. Somit erübrigt es sich, das Arbeitslosengeld für den Zeitraum bis als zusätzliche Einnahmen und zugleich als zusätzliche Werbungskosten anzusetzen.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass die abzusetzenden Werbungskosten in Höhe von 3.586,44 € Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 (Erstattung/Rückzahlung von Einnahmen) sind. Gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 sind die Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 ohne Anrechnung auf den Werbungskostenpauschbetrag von 132,00 € abzusetzen. Das Werbungskostenpauschale in Höhe von 132,00 € ist daher zusätzlich anzusetzen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes steht in Einklang mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. Ro 2017/15/0025. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102894.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
XAAAC-29756