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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.02.2022, RV/2100537/2021

Zeitpunkt der umsatzsteuerlichen Betriebsverlegung ins Ausland

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Michael Haberl, Winkler Straße 516 Tür 1, 8962 Gröbming, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes XY (jetzt Dienststelle des ***FA*** ) vom betreffend Umsatzsteuer 2017 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig sind im anhängigen Verfahren die umsatzsteuerlichen Konsequenzen aus der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit der Beschwerdeführerin (Bf) in Österreich.

Das Finanzamt XY, jetzt Finanzamt Österreich (FA) nimmt auf Basis einer Rechnung vom im Zusammenhang mit dem Transfer von Betriebsvermögen aus dem österreichischen Betrieb der Bf in die Niederlande (NL) einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang an.

Die Bf verwehrt sich mit dem Hinweis auf einen fehlenden Leistungsaustausch gegen eine Behandlung der Verbringung von bis dahin in Österreich genutztem Anlagevermögen ihres EDV- und IT-Dienstleistungsbetriebes im Zuge der Betriebsverlegung in die Niederlande als steuerpflichtige Lieferung (20% USt). Der beanstandete Beleg betreffend eine steuerfreie innergemeinschaftliche (ig.) Lieferung nach Art 6 Abs. 1 UStG 1994 sei lediglich zu Buchungszwecken erstellt worden.

Das FA erachtet die vorgenommene Besteuerung als gerechtfertigt, weil im Zusammenhang mit dem strittigen Vorgang von der Bf, trotz Aufforderung, weder die Verbringung der betroffenen Wirtschaftsgüter in die Niederlande nachgewiesen, noch die Formalerfordernisse des Art. 6 Abs. 1 UStG 1994 erfüllt worden seien (Rechnung mit ungültigen UID-Nr, keine ZM, kein Nachweis eines i.g. Erwerbes in den NL).

Im finanzgerichtlichen Ermittlungsverfahren erging gem. § 269 (2) BAO der Auftrag an das FA, Nachweise für eine unternehmerische Tätigkeit der Bf mit steuerpflichtigen Umsätzen in Österreich im Jahr 2017 zu erbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I. Auf Basis des finanzgerichtlichen Ermittlungsergebnisses (Auswertung der Vorlageunterlagen, Unterlagen aus dem Ermittlungsverfahren gem. § 269 (2) BAO sowie von BFG-Recherchen in den Datenbanken der Abgabenbehörde, des Grundbuchs und des EKIS) legt das BFG der gegenständlichen Entscheidung folgenden als erwiesen erachteten Sachverhalt zugrunde:

Die aus den Niederlanden stammende Bf erwarb Ende 2009 gemeinsam mit dem aus Frankreich stammenden Vater ihrer beiden Kinder (geb. 2008 und 2010) ein Einfamilienhaus im obersteirischen (Wohn-/Betriebsort).

Lt. Kaufvertrag zum Objekt 9999 (Wohn-/Betriebsadresse) vom sind beide Hälfteeigentümer von Beruf Dolmetscher.

Mit Kaufvertrag vom wurde die Liegenschaft wieder veräußert.

Per meldete die Bf sowohl dem zuständigen Finanzamt als auch der Gewerbebehörde die Eröffnung eines Einzelunternehmens am Wohnsitz in (Wohn-/Betriebsort) an (lt. FA-Betriebsanmeldung: Betriebsgegenstand "Webseitenerstellung und Sprachedienstleistungen", Kleinunternehmen gem. § 6 (1) Z 27 UStG 1994 ohne Arbeitnehmer; freies Gewerbe nach § 5 (2) GewO). Ab 2012 verzichtete die Bf auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer.

In den von der mittlerweile beauftragten steuerlichen Vertretung eingereichten Abgabenerklärungen für 2011 - 2018 gab die Bf, bis auf eine Ausnahme, als Wohnsitz und Unternehmensanschrift/Betriebsadresse ihres Gewerbebetriebes jeweils die Adresse ihres Einfamilienhauses an, aus dessen (Teil)Vermietung sie von 2012- 2015 auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärte (lt. USt-Erklärung Geschäftsraumvermietung).

Lediglich in den Abgabenerklärungen 2015 vom März 2017 wies die Bf als Wohnsitz- und Betriebsadresse ein ebenfalls in (Wohn-/Betriebsort) gelegenes Ferienhaus ihrer Eltern aus (lt. Grundbuch "Viertelhaus", Verkauf durch die Eltern Okt.2019).

Eine Meldung zur Wohnsitz-/Betriebsverlegung in dieses Objekt findet sich weder im Zentralmelderegister (ZMR) noch in der abgabenbehördlichen Datenbank. Einzig im Datenbestand der Gewerbebehörde ist eine Standortänderung per 21.Jän. 2016 erfasst.

Das ZMR weist dagegen die Abmeldung des Wohnsitzes der Bf und ihrer beiden Kinder per mit dem Vermerk "verzogen nach Niederlande" aus.

Der Lebensgefährte/Kindesvater und zweite Hälfteeigentümer des gemeinsamen Einfamilienhauses in (Wohn-/Betriebsort) war in Österreich nie meldebehördlich erfasst. Da in den Einkommensteuerbescheiden der Bf bis 2015 der beantragte Alleinerhalterabsetzbetrag alljährlich zuerkannt wurde, geht das BFG davon aus, dass er spätestens ab Mitte 2011 nicht mehr am Familienwohnsitz wohnhaft war.

Zeitgleich mit der Wohnsitzabmeldung der Bf endete die behördliche Zulassung ihres PKW Renault Twingo (für den Vater ihrer Kinder ist im EKIS keine Kfz-Zulassung in Österreich erfasst).

Und auch der Familienbeihilfen(FB)-Bezug für die beiden Kinder (lt. FB-Daten Kindergartenbesuch ab 2013/2014; Schulbesuch ab Schuljahr 2015/2016) endete im Jahr 2015. Die Einstellung des FB-Bezuges wurde erst ab Dez. 2015 wirksam, nachdem die Bf ein anlässlich der ZMR-Abmeldung ergangenes FA-Schreiben auf Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen unbeantwortet gelassen hatte.

Die dargestellten Sachverhaltsaspekte, insbesondere zur familiären Situation der Bf, sprechen aus Sicht des BFG für deren Wegzug aus Österreich bereits im Jahr 2015. Erscheint es doch mit den Erfahrungen des täglichen Lebens weder vereinbar (und bedürfte daher einer belastbaren Beweisführung), dass die Bf mit ihren beiden Kindern in das naheliegende Ferienhaus der Eltern zog und zugleich auf den Bezug der Familienbeihilfe verzichtete noch, dass die Kinder (5- bzw. 7jährig) ohne Mutter ins Ausland verzogen und die Bf noch zwei weitere Jahre alleine in (Wohn-/Betriebsort) verblieb.

Dazu kommt die Abmeldung des PKW, ohne den ein Leben auf dem Lande, zumal mit einem schulpflichtigen Kind und einem Kindergartenkind, mit deutlichen Hürden verbunden ist.

Da auch das Beschwerdevorbringen auf eine berufliche Verlagerung der Tätigkeit der Bf in die Niederlande verweist (wenn auch in Form eines zweiten Standorts ab Sept 2015) und diese im Verfahren durch eine niederländische UID-Nummer der Bf belegt wurde (Beschwerdebeilage/UID-Abfrage v. ), hält das BFG gemäß § 167 BAO einen vollständigen sowohl beruflichen als auch privaten Wechsel der Bf in die Niederlande bereits im Jahr 2015 für wesentlich wahrscheinlicher als die - tatsächlich unbewiesene - Darstellung der steuerlichen Vertretung im Verfahren, die auch im Ermittlungsverfahren gemäß § 269 (2) BAO durch das FA nicht erhärtet wurde.

Die Umstände der unterbliebenen zeitgerechten Meldung über eine Wohnsitz- und Betriebsverlegung in das Ferienhaus der Eltern an die Abgabenbehörde unterstreichen diese Beurteilung.

Nach dem Inhalt der abgabenbehördlichen Datenbanken wurde das FA erstmals im März 2016 im Zuge der (erfolglos versuchten) Zustellung der Veranlagungsbescheide 2014 auf den Wegzug der Bf aus Österreich aufmerksam (ZMR-Datenabfrage) und veranlasste daraufhin - mangels Bekanntgabe des Wohnsitzwechsels und Feststellbarkeit einer neuen Postadresse, bei zugleich fehlender Zustellvollmacht des Vertreters - die Indizierung einer Zustellung abgabenbehördlicher Erledigungen an das FA im elektronischen Datensystem.

Im August 2016 führte eine abgabenbehördliche Verständigung des steuerlichen Vertreters der Bf keineswegs zur Beseitigung des Zustellproblems. Zwar gab der Vertreter daraufhin eine E-Mail-Adresse der Bf bekannt und versicherte, der Bf die behördliche Meldung an der Adresse des Ferienhauses ihrer Eltern nahezulegen, doch kam es in der Folge weder dazu, noch zur Bekanntgabe einer anderen Postadresse für abgabenbehördliche Zustellungen. Eine (niederländische) Zustelladresse der Bf wurde dem FA vom Vertreter erst im Zuge des verfahrensgegenständlichen Veranlagungsverfahrens mitgeteilt.

Auch seine eigene Vollmacht zum Empfang abgabenbehördlicher Erledigungen für die Bf gab der Vertreter erst im April 2018 bekannt, als das FA im Zuge der Veranlagung 2016 im Rahmen von Erhebungen wegen der fehlenden Vermietungseinkünfte der Bf vom Verkauf des Mietobjekts im Jahr 2015, der (angeblich) im April 2017 erfolgten Aufgabe ihres Gewerbebetriebes und deren Umzugs in die Niederlande Kenntnis erlangte (elektron. FA-Vermerk v. ). Bis dahin war die Zustellung abgabenbehördlicher Erledigungen für die Bf an das FA erfolgt.

Dies betraf auch die Bescheide zur Veranlagung 2015, denen jene Abgabenerklärungen vom zugrunde lagen, in welchen erst- und einmalig das Ferienhaus der Eltern als Wohn- und Betriebsadresse der Bf angegeben war (die Abgabenerklärungen für die nachfolgenden Jahre weisen wieder das - längst verkaufte - Einfamilienhaus der Bf als Wohn- und Betriebsadresse aus).

Im Ergebnis waren somit über Jahre weder die Bf noch deren steuerliche Vertretung den Meldepflichten des § 120 BAO nachgekommen. Dies auch nicht, als ab März 2016 die Zustelladressse des FA im FON-System für die Vertretung ersichtlich war und ebenso wenig im Gefolge der telefonischen Kontaktaufnahme des FA im August 2016.

Das BFG geht davon aus, dass die steuerliche Vertretung der Bf keine Veranlassung hatte, dem FA eine taugliche inländische Zustelladresse der Bf beim oder nach dem Telefonat mit dem FA im August 2016 zu verschweigen. Tatsächlich wurden solche Gründe im Verfahren weder vorgebracht, noch erschließen sie sich dem BFG aus dem Verfahrensergebnis.

Die - zumal nachträglichen - Meldungen an die Gewerbebehörde (Standortwechsel in das Ferienhaus der Eltern per 21.Jän.2016 bzw. Zurücklegung der Gewerbebefugnis per ) vermögen vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Feststellungen die Beurteilung des BFG ebenso wenig zu ändern, wie Meldungen an die Abgabenbehörde (zB. Mitteilung betreff. UID-Nummern-Begrenzung) oder die Einreichung von Abgabenerklärungen (UVA/ZM, Jahreserklärungen) durch die steuerliche Vertretung der Bf.

Die genannten Maßnahmen zeugen zwar von einem Tätigwerden der steuerlichen Vertretung im Rahmen des von der Bf erteilten Vertretungsauftrages, doch sind sie unter den festgestellten Umständen zum Nachweis eines Unternehmensstandortes der Bf in Österreich nach deren Wegzug in die Niederlande im Sommer 2015 nicht hinreichend.

Dazu kommt, dass auch das FA dem BFG im Verfahren nach § 269 (2) BAO, trotz Ermittlungsauftrages, keine belastbaren Beweise für eine unternehmerische Inlandstätigkeit der Bf im Verfahrenszeitraum lieferte.

Auf Basis des festgestellten Sachverhalts geht das BFG von einer Aufgabe des einzigen inländischen (Familien)Wohnsitzes der Bf und einem Umzug mit den minderjährigen Kindern in die Niederlande im Sommer 2015 aus. Aus der Art ihrer gewerblichen Tätigkeit, die in Österreich ohne Dienstnehmer erbracht wurde, eine weitgehend ortsunabhängige Ausübung ermöglichte und nach dem Inhalt der jährlichen USt-Erklärungen von Beginn an stark im EU-Gebiet verankert war (durchgehend ig. Erwerbe), ergibt sich für das BFG überzeugend (§ 167 BAO), dass die Bf zugleich mit dem Wohnsitz auch ihre berufliche Tätigkeit in das Ausland verlegt hat. Infolge Veräußerung des Mietobjekts endete naturgemäß auch ihre Vermietungstätigkeit zu dieser Zeit.

Zusammenfassend hält es das BFG für erwiesen, dass sich im Verfahrensjahr 2017 weder ein Wohnsitz noch der Unternehmenssitz oder eine ständige Betriebsstätte/Niederlassung des Unternehmens der Bf im Inland befand.

Beide Verfahrensparteien gehen allerdings davon aus, dass die Bf im Jahr 2017 Umsätze in Höhe von 2.077,- € erzielte, die einer Besteuerung in Österreich unterlagen. Da im Verfahren keine gegenteiligen Umstände hervorkamen, sieht sich das BFG nicht veranlasst, daran zu zweifeln, zumal der Unternehmensgegenstand der Bf die Erbringung von in Österreich steuerpflichtigen Leistungen auch vom Ausland aus zulässt (§ 3a Abs. 13 UStG 1994).

II. Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (vgl. § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994).

Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstandes durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, sofern der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat (vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UStG 1994).

Sonstige Leistungen sind Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (vgl. § 3a Abs. 1 u. Abs. 1a UStG 1994).

Die Umsatzbesteuerung sonstiger Leistungen, wie sie die Bf im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit in Österreich erbrachte, hängt wesentlich vom Leistungsempfänger und vom Ort der Leistungserbringung ab (§ 3a Abs. 6 ff UStG 1994 idF 2017).

Erfolgte die Leistungserbringung an einen Unternehmer, wurden die von der Bf angebotenen sonstigen Leistungen nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 am Sitz ihres Unternehmens oder an einer Betriebsstätte, der die Leistungserbringung zuzuordnen war, erbracht. Lag keiner dieser Orte im Inland, kam es zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger (§ 19 Abs. 1 UStG 1994).

War der Leistungsempfänger Nichtunternehmer und wurden die Leistungen auf analogem Weg erbracht (z.B. Dolmetscherleistungen vor Ort), lag der Leistungsort ebenfalls am Ort der Unternehmensleitung der Bf oder einer beteiligten Betriebsstätte (§ 3a Abs. 7 UStG 1994). Erfolgte die Leistungserbringung an einen Nichtunternehmer dagegen auf elektronischem Weg, befand sich der Leistungsort am Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsempfängers (§ 3a Abs. 13 UStG 1994).

Der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt ist jener, an dem sich der Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit befindet und die maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden bzw. die Handlungen der zentralen Verwaltung erfolgen.

Für das Vorliegen einer Umsatzsteuerbetriebsstätte ist nach EU-Recht eine feste Niederlassung mit einem hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur erforderlich, die es von ihrer personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen zu erbringen und zu empfangen (Art. 11 Abs. 1 und Abs. 2 MwSt-DVO). Die dazu ergangene EuGH- und VwGH-Judikatur präzisiert die Anforderungen an eine Umsatzsteuerbetriebsstätte zusammengefasst mit einem ständigen Zusammenwirken der für die Erbringung erforderlicher Dienstleistungen nötigen Personal- und Sachmittel. Dazu gehört das kumulative Vorhandensein von technischer Ausstattung und eigenem Personal über einen längeren Zeitraum an der betreffenden Betriebsstätte (vgl. zuletzt , Titanium und ).

Die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen gewerblich tätiger Unternehmer entsteht - soweit verfahrensrelevant - mit Ablauf des Kalendermonats, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde bzw. bei Rechnungslegung nach Ablauf des Kalendermonats der Lieferung oder Leistung um einen Monat später. Bei Umsätzen gemäß § 3 Abs. 2 UStG 1994 entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Gegenstände für die im § 3 Abs. 2 leg. cit. bezeichneten Zwecke entnommen wurden (vgl. § 19 Abs. 2 Z 1 und Z 2 UStG 1994).

Nach Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 gilt im EU-Binnenmarkt als Lieferung gegen Entgelt:

"Das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer."

Art. 6 Abs. 1 UStG 1994 stellt ig. Lieferungen nach Art 7 UStG 1994 steuerfrei. Art. 7 UStG 1994 lautet auszugsweise:

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, (…)

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gelten auch

1. das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes (Art. 3 Abs. 1 Z 1)"

Nach §§ 2a iVm 167 BAO hat das BFG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Verfahrensergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

III. Auf Basis der festgestellten Sach- und der dargestellten Rechtslage kommt das BFG für das anhängige Verfahren zum Ergebnis, dass die Bf den Ort der Leitung ihres ab Mitte 2011 vom Wohnsitz in (Wohn-/Betriebsort) aus betriebenen Unternehmens bereits vor Beginn des Verfahrenszeitraumes in das EU-Ausland verlegt hatte und sich im Jahr 2017 in Österreich auch keine feste Niederlassung ihres Unternehmens im Sinne der EuGH- und VwGH-Judikatur befand, der die Erbringung ihrer unternehmerischen Leistungen zuzuordnen war.

Da die Verlegung des (einzigen) Unternehmensstandortes in das EU-Ausland nach dem Verfahrensergebnis bereits im Jahr 2015 erfolgte, besteht für das BFG kein Zweifel, dass auch die Verbringung der letzten (lt. Beschwerde: "noch vorhandenen") Anlagegüter des Unternehmens (lt. Beleg vom : "Betriebsausstattung" und "Entwicklungskosten"; lt. AVZ 6/2017: 2 "Girocams", 1 "PLV Broker"; Software "PHSP"/Fa Adobe Systems, "Entwicklungskosten A.B.") als Teil der Betriebsverlegung in die Niederlande im Jahr 2015 stattfand.

Dem vorgelegten Beleg über eine steuerfreie ig. Lieferung nach Art 6 Abs. 1 UStG 1994 vom liegt somit weder eine Lieferung noch eine Verbringung zugrunde, die eine Umsatzsteuerpflicht im Verfahrenszeitraum begründen kann.

Mangels Steuerausweises und belastbarer Hinweise auf einen Steuerbetrug führt der Beleg auch nicht zu einer Steuerschuld kraft Rechnungslegung nach § 11 Abs. 12 oder Abs. 14 UStG 1994.

Den vom FA eingewendeten Formalmängeln (ungültige UID-Nummer, keine ZM-Erfassung) und dem fehlenden Nachweis der Verbringung der verfahrensgegenständlichen Anlagegüter in die Niederlande kommt aufgrund der festgestellten Umstände im anhängigen Verfahren keine entscheidende Bedeutung zu.

Da das BFG aufgrund des Verfahrensergebnisses von einer fortgesetzten unternehmerischen Tätigkeit der Bf im EU-Ausland ausgeht, liegen auch die Voraussetzungen für eine Entnahmebesteuerung nach § 3 Abs. 2 UStG 1994 nicht vor.

Die Beschwerde der Bf war somit berechtigt und der dem Normalsteuersatz zugeordnete steuerbare Umsatz im angefochtenen Bescheid um 20.248,37 € zu vermindern.

Die Umsatzsteuer 2017 ergibt sich lt. BFG wie folgt:

steuerbarer Umsatz/20% USt (Kz 000 /Kz 022): Bemessungsgrundlage Steuer

2.077,- € 415,40 €

Vorsteuern (Kz 060) - 74,90 €

Zahllast340,50 €

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im anhängigen Verfahren lagen die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Soweit nicht Sachverhaltsfragen maßgeblich waren, folgt die Entscheidung dem klaren Wortlaut der verwendeten gesetzlichen Bestimmungen sowie der angeführten EuGH- und VwGH-Judikatur.

Graz, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
BAAAC-29733