Beschwerde eines Insolvenzverwalters gegen einen Bescheid betreffend die Festsetzung eines zweiten Säumniszuschlages wegen nicht fristgerecht entrichteter Verbandsgeldbuße
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Finanzstrafsache gegen ***X-GmbH***, ***X-GmbH-Adr***, über die Beschwerde des ***Bf*** (in seiner Eigenschaft als Masseverwalter für den belangten Verband der ***X-GmbH***, ***Bf-Adr***) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneburg als Finanzstrafbehörde vom über die Festsetzung eines zweiten Säumniszuschlages wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Geldbuße beschlossen:
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde als Finanzstrafbehörde vom , StrafkontoNr.: ***1***, wurde über die ***X-GmbH*** ein zweiter Säumniszuschlag in Höhe von € 75,00 festgesetzt, da die Geldstrafe 01/2018 in Höhe von € 7.500,00 nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit entrichtet worden ist.
Der Bescheid wurde an die ***X-GmbH*** adressiert und laut Aktenlage (Beschwerdeschrift des Einschreiters) ***Bf*** (=Bf.) am zugestellt.
Dagegen brachte ***Bf*** in seiner Funktion als Involvenzverwalter (vormals Masseverwalter) für den belangten Verband ***X-GmbH*** am eine Beschwerde mit dem Antrag ein, das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, in eventu den Säumniszuschlag neu mit € 0,00 festsetzen.
Wörtlich wird in der Beschwerdeschrift wie folgt ausgeführt:
" … 1.Konkurseröffnung
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom tt.mm.2018 wurde zu AZ ***2*** ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***X-GmbH*** (FN ***3***), ***X-GmbH-Adr***, eröffnet und der Einschreiter zum Masseverwalter bestellt.
2.Bescheid über die Festsetzung eines zweiten Säumniszuschlages
Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom über die Festsetzung eines zweiten Säumniszuschlages betreffend die Geldstrafe 01/2018 iHv EUR 7.500,-, dem Masseverwalter zugestellt am , (kurz: "Bescheid"), wurde zu Steuernummer ***1*** gemäß § 217 Abs 1 und 2 BAO ein zweiter Säumniszuschlag mit 1% von EUR 7.500,- (Bemessungsgrundlage), sohin iHv EUR 75,- festgesetzt.
Nähere Informationen zum jener Geldstrafe zugrundeliegenden Sachverhalt liegen dem Masseverwalter nicht vor.
3.Beschwerde
3.1Rechtsmittelerklärung
Der Masseverwalter erhebt hiemit Beschwerde gegen den Bescheid und ficht den Bescheid zur Gänze an.3.2 Beschwerdegründe
3.2.1 Bereits Beschwerde gegen Bescheid vom erfolgreich
Der Masseverwalter brachte bereits gegen den Bescheid des Finanzamts vom über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlags iHv EUR 150,- eine Beschwerde ein.
Gemäß dem Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom zu GZ RV/7300033/2018 wurde jener Bescheid vom dem schuldnerischen Unternehmen gegenüber nicht wirksam erlassen (Beschluss vom , Seite 2 unten), sodass bereits semantisch kein zweiter Säumniszuschlag erlassen werden kann/konnte und der Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben ist.
3.2.2 Geldstrafen/§ 58 Z 2 IO
Gemäß § 58 Z 2 IO können "Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art" nicht als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, sondern sind gegen das konkursfreie Vermögen des Schuldners bzw des vertretungsbefugten Organs geltend zu machen.
3.2.3 Säumniszuschläge/Insolvenzforderung
Aufgrund der Konkurseröffnung am tt.mm.2018 handelt es sich bei der gegenständlichen Geldstrafe 01/2018 iHv EUR 7.500,- um eine Insolvenzforderung, die offenbar am (somit vor Konkurseröffnung) fällig wurde. Wird eine Insolvenzforderung vor Insolvenzeröffnung fällig, besteht der Säumniszuschlag grundsätzlich zwar zu Recht, ist aber Insolvenzforderung. Denn nur wenn Abgabenforderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und nach jenem Zeitpunkt fällig werden, hat die Unterlassung der Entrichtung eine Säumniszuschlagspflicht zur Folge (vgl Mohr, Insolvenzordnung11, § 124 IO, E 13).
3.2.4 ABER: Konkursverfahren, kein grobes Verschulden
Gemäß § 217 Abs 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge jedoch insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Allein die Konkurseröffnung wenige Tage nach Fälligkeit der Abgabenschuld zeigt, dass die Schuldnerin - sowie insbesondere den Masseverwalter - an der Nichtentrichtung der Abgabenschuld kein grobes Verschulden trifft.
Im Zuge der hektischen Geschäftstätigkeit wenige Tage vor Konkurseröffnung war die fristgerechte Begleichung des festgesetzten Betrages nicht möglich und ist das Versäumen jener Fälligkeitsfrist lediglich als minderer Grad des Verschuldens anzusehen. Zudem war das schuldnerische Unternehmen zu jenem Zeitpunkt nicht aktiv steuerlich vertreten, sodass auch diesbezüglich die Versäumung der Frist nicht grob schuldhaft war. Die Festsetzung des gegenständlichen Säumniszuschlages erfolgte somit zu Unrecht…"
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 171 Abs. 1, 1. Satz FinStrG werden Geldstrafen mit Ablauf eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung fällig und kommen für die Einhebung einer unentrichtet ausgehafteten Geldstrafe samt Kosten gemäß § 172 Abs. 1 FinStrG die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß zur Anwendung, wenn das FinStrG nicht eigene Regeln enthält. Demgemäß gelangte auch § 217 Abs. 1 und 3 BAO zur Anwendung, da die über den belangten Verband verhängte Geldbuße nicht zeitgerecht entrichtet wurde.
Gemäß 58 Insolvenzordnung (IO) können als Insolvenzforderungen nicht geltend gemacht werden:
1. die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen von Insolvenzforderungen sowie Kosten, die den einzelnen Gläubigern aus ihrer Teilnahme am Verfahren erwachsen;
2. Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art;
3. Ansprüche aus Schenkungen und im Verlassenschaftsinsolvenzverfahren auch Ansprüche aus Vermächtnissen.
Gemäß § 78 Abs. 1 IO hat zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherung der Masse und zur Fortführung eines Unternehmens dienlich sind. Vor dessen Schließung hat es den Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuß sowie, wenn es rechtzeitig möglich ist, den Schuldner und sonstige Auskunftspersonen (§ 254 Abs. 5) zu vernehmen.
Abs. 2: Das Gericht hat zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Post- und Telegraphendienststellen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte in Betracht kommen, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluß faßt, haben diese Stellen dem Insolvenzverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Schuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind.
Abs. 3: Der Insolvenzverwalter darf die ihm ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden. Ansonsten hat der Insolvenzverwalter dem Schuldner Einsicht in die an diesen gerichteten Mitteilungen zu gewähren und ihm die Sendungen, die die Masse nicht berühren, unverzüglich auszufolgen."
Der Masseverwalter ist für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinne des § 80 BAO. Nach der Konkurseröffnung tritt der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt (). Nach § 58 Z. 2 KO können Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art nicht als Konkursforderungen geltend gemacht werden. Die in § 58 KO genannten Forderungen sind daher ex lege nicht Konkursforderungen, ihre Inhaber daher auch nicht Konkursgläubiger ().
Eine Verbandsgeldbuße ist als Geldstrafe im Sinne des § 58 Ziffer 2 IO anzusehen und zählt daher ex lege nicht zu den Insolvenzforderungen. Diese Wertung des Gesetzgebers, dass der staatliche Strafanspruch gegenüber einer (ohnehin nur teilweisen) Befriedigung von Gläubigern zurücktritt, ist auch auf die Verbandsgeldbuße zu übertragen (vgl. Zeder, Verbandsverantwortlichkeitsgesetz "Unternehmensstrafrecht", Anmerkung 8. zu § 4 VbVG).
Bei nicht die Masse berührenden Sendungen (zB. Straferkenntnisse der Finanzstrafbehörde erster Instanz) erfolgt durch die Bekanntgabe an den Masseverwalter keine rechtswirksame Zustellung. Es ist vielmehr die Übermittlung an den Gemeinschuldner gegebenenfalls neuerlich, diesmal allerdings mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz Postsperre hinweisenden Vermerk (§ 78 Abs. 2 letzter Satz KO) zu veranlassen (; , 2002/15/0059 und gleichlautend Christoph Ritz, BAO, Kommentar5, Textziffer 4 zu § 13 ZustG).
Gegenständlich wurde der aufgrund der verhängten Geldbuße resultierende Bescheid über die Festsetzung eines zweiten Säumniszuschlages vom an die Gemeinschuldnerin adressiert, den Angaben des Bf. zufolge dem Insolvenzverwalter am zugestellt.
In Insolvenzfällen ist der Insolvenzverwalter nicht als Empfänger von an den insolventen Beschuldigten bzw. insolventen belangten Verband gerichteten Erledigungen der Finanzstrafbehörde vorgesehen, weil Angelegenheiten eines Finanzstrafverfahrens nicht zu den Masseangelegenheiten gehören (). Wird in einem solchen Fall dennoch ein Schriftstück der Finanzstrafbehörde an den Insolvenzverwalter übergeben, ist die Zustellung an den Gemeinschuldner erst bewirkt, wenn es dem Beschuldigten bzw. einem Vertreter des belangten Verbandes vom Insolvenzverwalter ausgehändigt wird (, 0234).
Ein Bescheid, resultierend aus einem Erkenntnis der Finanzstrafbehörde, mit welchem eine Verbandsgeldbuße über eine in Insolvenz befindliche GmbH verhängt wurde, betrifft sohin nicht die Masse und kann daher nicht rechtswirksam an den Masseverwalter zugestellt werden, folglich diesem auch keine Legitimation zur Beschwerdeerhebung zusteht.
Wenn an eine andere Person als den Empfänger zugestellt werden soll, hat das Gericht oder die Verwaltungsbehörde (zB die Finanzstrafbehörde) dies gemäß § 13 Abs. 1 ZustG anzuordnen. Die Postsperre iSd § 78 Insolvenzordnung (IO) zählt zu den anderslautenden Anordnungen iS des obgenannten § 13 Abs 1 ZustellG. Greift die Postsperre, hat die Zustellung an den Insolvenzverwalter als "Empfänger" zu erfolgen, der in einem solchen Fall zum "Empfänger" im rechtstechnischen Sinn wird. Die Postsperre bezieht sich nicht nur auf Sendungen, die das Insolvenzverfahren betreffen, weil das Gesetz dem Zustellorgan nicht die Prüfung zumutet, ob Sendungen die Masse berühren. Solcherart ist für Sendungen jeder Art (so auch für eine Zustellung eines direkt an den Beschuldigten gerichteten Straferkenntnisses) ohne eine Anordnung gem § 78 Abs 2 IO (etwa "Zustellung trotz Postsperre direkt an den Empfänger") eine im Hinblick auf die Abgabestelle des Gemeinschuldners nach § 17 iVm § 21 ZustellG vorgenommene Hinterlegung unzulässig und entfaltet nicht die in § 17 Abs. 3 ZustellG vorgesehene Zustellwirkung (vgl. ) (s. Tannert/Kotschnigg, Finanzstrafgesetz § 56 Rz 323f).
Gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde eine Beschwerde, die gegen ein von ihr erlassenes Erkenntnis (einen Bescheid) oder gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Beschwerde nicht zulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 156 Abs. 4 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht zunächst zu prüfen hat, ob ein von der Finanzstrafbehörde nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung vorliegt und erforderlichenfalls selbst sinngemäß nach den Abs. 1 und 2 mit Beschluss vorzugehen.
Da Angelegenheiten des Vollzuges einer Geldstrafe bzw. einer Verbandsgeldbuße die Insolvenzmasse nicht berühren, weshalb ein Säumniszuschlag wegen verspäteter Entrichtung einer Geldbuße im Insolvenzverfahren auch nicht geltend gemacht werden kann und andererseits dem Insolvenzverwalter auch keine Parteistellung in einem Beschwerdeverfahren gegen dessen Vorschreibung eingeräumt ist, war die vom Bf. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter für den belangten Verband erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 58 Z 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 78 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 171 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 172 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 217 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300065.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at