Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.12.2021, RV/7300041/2021

Gnadenansuchen, finanzielle Schwierigkeiten, Krankheit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***10*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (Nachsichtswerber) wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen als Finanzstrafbehörde vom über die Abweisung des Nachsichtsansuchens vom , Geschäftszahl: ***3***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen als Finanzstrafbehörde vom wurde das Ansuchen des Nachsichtswerbers vom als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt:

"Gemäß § 187 FinStrG können bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften von den Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachgesehen werden. Die Feststellung dieser berücksichtigungswürdigen Umstände ist aber keine Frage des Ermessens, sondern der objektiven Sachverhaltsermittlung.

Berücksichtigungswürdig sind alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben. Daher sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf.

Liegen keine berücksichtigungswürdigen Umstände vor, muss das Gnadenansuchen als unbegründet abgewiesen werden.

Wird deren Vorliegen aber bejaht, so ist die Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung durch die Gnadenbehörde erfüllt, die dabei gemäß § 20 Bundesabgabenordnung von den Grundsätzen der Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das berechtigte Interesse der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse) auszugehen hat. Unter Zweckmäßigkeit sind im Bereich des Strafrechts auch die Gesichtspunkte der General- und Spezialprävention zu verstehen. Das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Umständen hat grundsätzlich der Gnadenwerber zu behaupten.

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Judikatur des VwGH die Tatsache, dass jemand aus einer schlechten wirtschaftlichen Lage heraus die rechtskräftig gegen ihn verhängte Geldstrafe nicht bezahlen könne, für sich allein keinen gnadenwürdigen Grund darstellt.

Gerade für diesen Fall der Uneinbringlichkeit der verhängten Geldstrafe hat der Gesetzgeber den Vollzug der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen, an dessen Stelle auch gemeinnützige Leistungen erbracht werden können.

Allerdings kann aus der Zusammenschau der finanziellen Situation mit den vom Gnadenwerber dargestellten Krankheitsbildern ein gnadenwürdiger Umstand gewonnen werden.

Bei der nunmehr erfolgenden Beurteilung im Zuge einer Ermessensentscheidung der Behörde gilt es die Billigkeit und Zweckmäßigkeit einander gegenüberzustellen. Wobei bei letzterem vor allem auch die Gedanken der General- und Spezialprävention zu berücksichtigen sind. Das bedeutet, dass sowohl andere als auch der Gnadenwerber selbst von der Begehung (weiterer) Finanzvergehen abgehalten werden sollen.

Die verhängte Geldstrafe von € 25.000,00 bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von 89.936,32 Euro und einem sich daraus ergebenden Strafrahmen von € 179.872,64 € beträgt etwa 13,9 % des Strafrahmens und ist daher keinesfalls als überhöht anzusehen.

Diese niedrig bemessene Geldstrafe hat ihren Grund in der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und schlechten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Gnadenwerbers.

Von der verhängten Geldstrafe in Höhe von € 25.000,00 wurden lediglich € 100,00 - selbst diese nicht durch den Gnadenwerber selbst - entrichtet und somit haften noch 99,6 % der Strafe aus. Eine gnadenweise Nachsicht hätte daher zur Folge, dass das steuerliche Fehlverhalten praktisch sanktionslos bliebe, was sowohl general- als auch spezialpräventiven Erfordernissen zuwiderliefe. Es wäre unbillig von den steuerredlichen Unternehmen und Bürgern zu verlangen regelmäßig ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen, während man andererseits das Fehlverhalten des Gnadenwerbers ohne die notwendige strafrechtliche Sanktion ließe.

Hinzu kommt, dass das Erkenntnis des Spruchsenates am ergangen ist und das Gnadenansuchen bereits am erstmals gestellt wurde. Es ist nicht Zweck der Strafrechtspflege, verhängte Geldstrafen kurze Zeit nach Eintritt der Rechtskraft wiederum gnadenweise nachzusehen.

Weitere gnadenwürdige Umstände wurden nicht behauptet und sind auch nicht aus dem Akt ersichtlich. Überdies wird ausdrücklich auf die Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe hingewiesen.

Aufgrund der voranstehenden Ausführungen konnte dem Ansuchen um gnadenweise Nachsicht insgesamt kein Erfolg beschieden sein.

Ergänzend ist zu bemerken, dass Gegenstand einer allfälligen Nachsicht im Sinne des § 187 FinStrG ausschließlich die von einer Finanzstrafbehörde verhängten Geld- und Freiheitsstrafen sind, nicht jedoch die Kosten des Finanzstrafverfahrens und die Nebengebühren. Die Nachsicht der Kosten des Strafverfahrens und der Nebengebühren ist im Sinne des § 236 BAO zu behandeln und fällt in die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde.

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In der dagegen fristgerecht am zur Post gegebenen undatierten Beschwerde des Nachsichtswerbers wird wie folgt ausgeführt:

"Ich habe am den Bescheid vom erhalten, mit dem mein Antrag auf Nachsicht abgewiesen wird. Binnen offener Frist beantrage ich das Rechtsmittel der Beschwerde.

Begründung: Die Abweisung fasst zusammen, dass von der verhängten Geldstrafe in Höhe von 25.000 noch 99,6 % der Strafe unbeglichen sind. Das ist rechnerisch richtig. Aber daraus schließt die Behörde, dass bei einem Nachlass mein Fehlverhalten praktisch sanktionslos bliebe. Das entspricht aus meiner Sicht überhaupt nicht der Wahrheit: Einerseits verbietet der Staat durch die Behauptung der tödlichen Wirkung von Corona weiten Kreisen der Bevölkerung, ein normales Leben zu führen. Da ich nichts Anderes gelernt habe, kann ich nur durch Partnervermittlung meinen Lebensunterhalt verdienen. Genau dies ist aber durch unzählige Verbote praktisch unmöglich gemacht. Und noch schlimmer: Durch die ausgesprochene Finanzstrafe bin ich von allen Corona-Beihilfen (Härtefallfonds, Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz) ausgeschlossen! Dieser Ausschluss von Unterstützung sollte daher in die Wirkung der verhängten Geldstrafe mit eingerechnet werden! Der erlittene Nachteil übersteigt die verhängte Geldstrafe bei Weitem! Gerade das bitte ich die Finanzstrafbehörde zu berücksichtigen. Selbst bei Nachsicht der gesamten Geldstrafe kann keine Rede davon sein, dass die Strafe praktisch sanktionslos bliebe, das Gegenteil ist der Fall! Das Straf-Ausmaß wurde festgesetzt, als die Republik Österreich noch nicht begonnen hat, großflächig die Erwerbsfreiheit massiv einzuschränken. Ich bin dadurch wegen dieser Strafe von den Corona-Nothilfen systematisch ausgeschlossen. Würde die Behörde die Nachsicht gewähren, so wäre dies möglicherweise geeignet, um die Verfassungswidrigkeit der Gesamtwirkung der Regeln gegen mich zu mildern oder zu beseitigen. Denn der bekämpfte Bescheid hat sonst die Wirkung, dass ich ohne Einkommen in der geltenden Angstherrschaft des Corona Virus neben der Strafe mir keine überlebenswichtigen Dinge wie Wohnraum, Nahrungsmittel, Bekleidung leisten können darf. Das entspricht mit Sicherheit nicht den Grund- und Freiheitsrechten, und vermag nur den allgemeinen Glauben in die Rechtmäßigkeit von einschränkenden Behördenentscheidungen zu stören. Vor uns haben viele Menschen unter Einsatz ihres Lebens gekämpft, damit aufgrund unserer Verfassung der Fortbestand auch meiner Existenz nicht rechtswidrig ist.

Mir kommt vor, ich habe seit Beginn der beschränkenden Corona-Verordnungen fast nur mehr mit psychologisch geschädigten Menschen zu tun, die sich verzweifelt gegen das Alleinsein wehren, aber inzwischen unfähig zu Partnerschaften sind. Auch wenn ich nicht in einer offiziell gemeinnützigen Einigung bin, so sind meine Bemühungen im Effekt brotlos, aber die Gesellschaft erhaltend. Ich bin überzeugt, auf diese Art so manche Störungshandlung oder Selbstmord verhindert zu haben. Ich fühle mich aber nicht in der Lage, den Wert meiner Mühen in Zahlen zu.

Mir ist auch wichtig, alle Steuern möglichst pünktlich abzuführen. Zum Beweis lege ich vor: Ich habe in meinem Einflussbereich gerade jüngst eine Betriebsprüfung gehabt, in welcher zu Steuernummer ***1*** festgestellt wurde, dass ich allen steuerlichen Verpflichtungen nachkomme, obwohl ich echt in Geldnot bin und das Geschäft mies läuft. Ich lege dazu den Betriebsprüfungsbericht bei. Ich finde daher die Beurteilung der Behörde, dass ein Risiko bestünde, ich würde künftig steuerliches Fehlverhalten zeigen, als nicht fair. Weiters bitte ich zu bedenken, dass ich die Strafe überhaupt erleiden musste, ohne persönlich etwas dafür zu können, dass ich erst übers Rechnungswesen betrogen wurde. Als ich das Problem erkannte, habe ich selbst aktiv mit Selbstanzeige versucht, das Problem zu lösen. Wegen meines nicht selbstverschuldeten Unfalls wurde ich arbeitsunfähig und erwerbslos und konnte deshalb die Steuer nicht nachzahlen, wegen nicht selbstverschuldeter Behandlungsfehler bin ich jetzt ein Krüppel mit bescheidener Arbeitskraft, wegen nicht selbstverschuldeter Fehler des Masseverwalters wurden wichtige Forderungsteile verschleudert, sodass ich auch die Sanierung nicht bezahlen konnte, wegen unverschuldeten Wiederauflebens der in der Sanierung nicht rechtzeitig getilgten Steuern in die Straffreiheit verlor, und habe ich das Strafverfahren erlitten, das ich ohne Rechtsberatung durchstehen muss. Und obwohl ich für das alles nichts kann: Ich habe das Gefühl, ich wurde nur wegen des Einflusses von Erfolgsmessungen auf das Verhalten von Finanzbeamten schuldig gesprochen, mir wurde ja auch gleichzeitig zugesichert, dass ich wegen der Möglichkeit der Nachsicht nicht um meine Existenz fürchten muss. Mir ist jetzt nicht klar, wovon die Behörde glaubt, dass ich meine Strafe hätte zahlen sollen. Der Staat verbietet uns seit März 2020 vernünftig zuarbeiten und wegen der Strafe erhalte ich keine Corona- Ausgleichszahlung, dieser erhebliche Nachteil wirkt wie die Bezahlung der Strafe. Das ist eine ebenso massive Änderung der Rahmenbedingungen für mein Leben wie die Verschlechterung meiner Gesundheit. Und trotzdem bemühe ich mich um steuerliches Wohlverhalten. Ich habe zusätzlich keine Aussicht auf Invaliditäts- oder Alterspension, da ich - seit ich in Österreich bin - nicht ausreichend Beitragsjahre zusammenbringe. Ich bin froh, überhaupt Krankenversicherung zu haben. Ich weiß nicht, wie das alles weitergehen soll. Es ist wirklich entwürdigend, darauf angewiesen zu sein, dass Frau ***2*** mir Gelegenheit zum Schlafen und zum Essen geben muss, obwohl ich alle Kräfte aufbringe, um zu arbeiten. Ich ersuche daher, die nach Verhängung der Strafe hinzugekommenen Erschwernisse der Zusatzbestrafung durch Ausschluss von Corona Überlebenshilfen, meiner Gesundheitsverschlechterung, der geänderten Corona Wirtschaftslage und mein trotzdem gezeigtes nachweislich gutes steuerliches Wohlverhalten auch zu würdigen. Ich beantrage die Einrechnung der erlittenen Corona- Nachteile, auch jener des Nichtausgleichs der Corona-Nachteile wegen einer rechtskräftigen Strafe. Schließlich beantrage ich die Nachsicht meiner noch nicht getilgten Strafe."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 187 Abs. 1 FinStrG kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände das Bundesministerium für Finanzen über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen oder Freiheitsstrafen in Geldstrafen umwandeln.

Abs. 3: Ein Recht auf gnadenweise Nachsicht besteht nicht.

Gemäß § 62 Abs. 1 FinStrG entscheidet über Beschwerden das Bundesfinanzgericht.

Abs. 3: Die Entscheidung über alle anderen Rechtsmittel (Senatszuständigkeiten sind in § 62 Abs. 2 FinStrG geregelt) obliegt einem Richter eines Senates für Finanzstrafrecht beim Bundesfinanzgericht als Einzelrichter.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Es war daher über die Beschwerde gegen den Bescheid des BMF im Einzelrichterverfahren durch das BFG abzusprechen.

Judikatur zur gnadenweisen Nachsicht:

Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bietet die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzbehörden verhängten Strafen die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden. Strebt ein rechtskräftig Verurteilter die gnadenweise Nachsicht der über ihn verhängten Strafe an, dann ist es seine Aufgabe, im Gnadenansuchen das Vorliegen der vom Gesetz dafür vorausgesetzten berücksichtigungswürdigen Umstände zu behaupten (; ).

Berücksichtigungswürdig nach § 187 FinStrG sind alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben. Ihre Feststellung liegt nicht im Ermessen der Behörde; erst, wenn ihr Vorliegen festgestellt ist, liegt die Ausübung des Gnadenrechtes im Ermessen der Behörde (). Dabei sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf ().

Hat die Behörde nach Ermittlung des Sachverhaltes berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, ist ihr der Weg zu der in weiterer Folge zu treffenden Ermessensentscheidung eröffnet, welche sich in den Grenzen halten muss, die das Gesetz dem Ermessen zieht, wobei § 187 FinStrG der Behörde einen besonders weiten Ermessensspielraum zur Verfügung stellt (vgl. , mwN).

§ 187 FinStrG begründet die Befugnis, da helfend und korrigierend einzugreifen, wo die Möglichkeit des behördlichen Finanzstrafverfahrens nicht genügen ().

Die wirtschaftliche Situation für sich allein stellt noch keinen berücksichtigungswürdigen Grund dar, weil im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe tritt. Aber auch der Vollzug dieser Ersatzfreiheitsstrafe stellt für sich noch keinen gnadenwürdigen Grund dar, handelt es sich doch dabei um eine vom Gesetz für alle Fälle dieser Art angeordnete Rechtsfolge (vgl. , mwN; ). Der keinen berücksichtigungswürdigen Grund darstellenden Konsequenz der Ersatzfreiheitsstrafe kann auch im Bereich des Ermessens keine Bedeutung zukommen ().

Liegen "berücksichtigungswürdige Gründe" vor und ist damit die Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung erfüllt, so bedeutet dies noch nicht, dass bei der diesfalls durchzuführenden Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen vom Ermessen kein gesetzmäßiger Gebrauch gemacht wird, wenn die die Voraussetzung der Ermessensentscheidung bildenden "Gründe" nicht zugunsten der Antragstellerin "berücksichtigt" werden. Nach § 187 FinStrG hat niemand einen Rechtsanspruch auf die gnadenweise Nachsicht einer Abgabenstrafe, es besteht aber ein Anspruch auf Ermessensübung im Sinne des Gesetzes ().

Bei der Ermessensentscheidung hat die Finanzstrafbehörde die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beachten. Hiebei sind auch die Gesichtspunkte der General- und der Spezialprävention in die Beurteilung miteinzubeziehen (vgl. VwGH23.11.1992, 91/15/0071; ).

Zum Sachverhalt:

Der Bf. wurde nach der vorliegenden vereinfachten schriftlichen Ausfertigung mit Erkenntnis des Spruchsenats vom der Abgabenhinterziehungen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig gesprochen.

Demnach hat er vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 1-12/2012 in der Höhe von € 4.429,23, 1-3/2014 € 8.213,54, 4-12/2014 € 25.081,64, 1-3/2015 € 13.932,43, 4-6/2015 € 6.283,09, 7-9/2015 € 15.273,76, 10-12/2015 € 11.341,45, 1/2016 € 2.347,49, 2/2016 € 1.905,35, 3/2016 € 1.128,34, in Summe € 89.936,32 bewirkt und dies nicht nur für möglich sondern für gewiss gehalten.

Die nach §§ 33 Abs. 5 i.v. 38 FinStrG bemessene Geldstrafe betrug € 25.000,00 und damit 13,9% der Strafdrohung.

Gemäß § 141 Abs. 3 FinStrG gilt: Waren alle zur Erhebung einer Beschwerde berechtigten Personen bei der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses (des Spruchsenates) anwesend oder vertreten und wurde ein Rechtsmittel nicht fristgerecht angemeldet (§ 150 Abs. 4), kann eine vereinfachte schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ergehen. Diese hat die in § 137 angeführten Elemente mit Ausnahme der Begründung zu enthalten.

Das Erkenntnis wurde als vereinfachte Ausfertigung erlassen, demnach enthält es keine Begründung und ist daraus auch nicht ersichtlich, welche Umstände bei der Strafbemessung mildernd und welche erschwerend gewertet wurden.

Gemäß § 135 Abs. 1 FinStrG ist der Ablauf der mündlichen Verhandlung durch den Schriftführer, erforderlichenfalls nach den Angaben des Verhandlungsleiters, festzuhalten. Die Niederschrift hat zu enthalten

a) die Bezeichnung der Finanzstrafbehörde, den Namen des Verhandlungsleiters, im Verfahren vor einem Spruchsenat die Namen der Mitglieder des Spruchsenates und des Amtsbeauftragten; den Namen des Schriftführers;

b) Vor- und Zunamen, Tag und Ort der Geburt, Staatsbürgerschaft, Familienstand, Beschäftigung und Wohnort des Beschuldigten und, soweit solche am Strafverfahren beteiligt sind, auch Vor- und Zunamen, Beschäftigung und Wohnort der Nebenbeteiligten;

c) die Namen der als Verteidiger und Bevollmächtigte auftretenden Personen;

d) die deutliche Bezeichnung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat;

e) die Rechtfertigung oder das Geständnis des Beschuldigten;

f) die wesentlichen Aussagen der Zeugen und Sachverständigen und die sonstigen Beweisaufnahmen;

g) wenn das Erkenntnis nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet worden ist, dessen Inhalt und die wesentlichen Gründe, sonst den Vorbehalt der schriftlichen Ausfertigung.

Das Erkenntnis wurde nach dem Inhalt der Niederschrift vom zwar verkündet, aber dessen Inhalt und die Entscheidungsgründe scheinen gesetzwidrig in der Niederschrift nicht auf.

Die Passage lautet ausschließlich: "Erkenntnis wie im Beratungsprotokoll (dieses ist geheim und von einer Einsicht ausgenommen) beurkundet. Beiderseits Rechtsmittelverzicht."

Gemäß § 38 Abs. 1 FinStrG war bis zum Außerkrafttreten dieser Bestimmung mit (also vor Erlassung des Erkenntnisses des Spruchsenates) mit Geldstrafe bis zum Dreifachen des Betrages, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, zu bestrafen, wer, ohne den Tatbestand des § 38a oder des § 39 zu erfüllen, die Abgabenhinterziehung, den Schmuggel, die Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben oder die Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 gewerbsmäßig begeht. Daneben war nach Maßgabe des § 15 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von mehr als 500 000 Euro auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu erkennen.

Abs. 2: Gewerbsmäßig begeht eine in Abs. 1 genannte Tat, wer sie mit der Absicht ausführt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil zu verschaffen, und

  • unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen, oder

  • zwei weitere solche Taten schon im Einzelnen geplant hat oder

  • bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat bestraft worden ist.

Ein nicht bloß geringfügiger abgabenrechtlicher Vorteil ist ein solcher, der nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt.

Der Spruch des Erkenntnisses des Spruchsenates enthält keine Ausführungen zu den im § 38 FinStrG genannten Voraussetzungen für eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung und weicht damit auch vom Strafantrag des Amtsbeauftragten in seiner Stellungnahme an den Spruchsenat ab, der noch zu einer Zeit verfertigt wurde als die Bestimmung des § 38 FinStrG im Rechtsbestand war. Daher wird, wie es auch schon seitens des Ministeriums vorgenommen wurde, der Spruch dahingehend interpretiert, dass lediglich ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG vorgenommen wurde und sich die Strafdrohung aus § 33 Abs. 5 FinStrG mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages ergibt und § 38 FinStrG lediglich als Abschreibfehler noch Eingang in die Ausfertigung gefunden hat, dies auch, weil die ausgesprochene Geldstrafe bei Annahme einer Strafdrohung des Dreifachen des Verkürzungsbetrages gänzlich außerhalb jeder Spruchpraxis stünde.

Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist ersichtlich, dass sich der Nachsichtswerber (wohl nach der gesamten Verfahrenseinlassung der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 FinStrG und eben nicht einer gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung) schuldig bekannt hat. Feststellungen zu seiner aktuellen wirtschaftlichen Lage wurden nicht getroffen.

Seine Aussage lautete damals:

"Ich hatte damals mehrere schwere Unfälle und war dann eigentlich gar nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Damals entstanden die finanziellen Schwierigkeiten. Ich war seit etwa 25 Jahren als Unternehmer tätig und mir sind und waren meine abgabenrechtlichen Verpflichtungen durchaus bekannt. Ich war zwar aufgrund der Unfälle nicht in der Lage zu arbeiten, ich hätte aber die Vorauszahlungen leisten können, wenn ich eben gewusst hätte, was zu bezahlen ist. Ich bin immer davon ausgegangen, dass das ohnehin die Kanzlei ***4*** erledigt. Von ***4*** wurde mir über den gesamten inkriminierten Zeitraum hinweg nicht gesagt, was ich zahlen soll; es ist nichts gekommen, weil ich ihm ja keine Unterlagen gegeben habe. Mir war schon bewusst, dass ***4*** mir nichts geben kann, wenn ich ihm nichts gebe. Honorarprobleme gab es damals nicht.

Ich hatte zunächst einen schweren Autounfall, dann im Mai 2015 einen Steißbeinbruch aufgrund dessen ich ab Oktober 2015 etwa 9 Monate lang nur gelegen bin.

Es hat die Partnervermittlung aber damals Umsätze gemacht, weil ich selbstständige Mitarbeiter hatte."

Der Amtsbeauftragte beantragte wie schriftlich (Anmerkung: Der Inhalt ergibt sich aus der Stellungnahme des Amtsbeauftragten vom ) und ergänzte unter Vorlage einer aktuellen Buchungsabfrage, dass 13% Schadensgutmachung erfolgt sei.

Auf Seite 4 der Stellungnahme des Amtsbeauftragten an den Spruchsenat ergibt sich, dass als mildernd die finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit, das Tatsachengeständnis, die lange Verfahrensdauer, die schwierige finanzielle Situation und private Probleme zu werten seinen, denen erschwerend die mehrfache Tatwiederholung gegenüberstehe.

Auf Seite 2 der Stellungnahme des Amtsbeauftragten an den Spruchsenat wird unter Vermögens- und Einkommensverhältnissen lediglich ausgeführt, dass der Beschuldigte 90% der Anteile an der ***5*** habe und 10 % Anteile an der ***6***.

Das Finanzstrafverfahren wurde bereits mehr als 3 Jahre vor der Stellungnahme an den Spruchsenat, am , eingeleitet.

Hinter dem Einleitungsbescheid erliegt im Strafakt ein Auszug aus der Insolvenzdatei v. , wonach über den Nachsichtswerber als Partnervermittler am ein Sanierungsverfahren eröffnet wurde.

In der Rechtfertigung vom wurde zur finanziellen Lage des Bf. ausgeführt, dass er 90% der Anteile an der ***5*** habe und ohne laufenden Bezug als handelsrechtlicher und gewerberechtlichen Geschäftsführer fungiere. Zur ***6*** wurde angeführt, dass diese Firma praktisch vermögenslos und untätig sei. Es sei schlecht vorstellbar, dass diese Firma bzw. eine Beteiligung an ihr einen positiven Wert habe.

Zu den Prognosen führte der Parteienvertreter ***7*** aus, dass sollte die Firma künftig Gewinne erzielen, diese allenfalls entstehende Forderung des Beschuldigten bereits gerichtlich gepfändet sei. Er erhalte keine laufenden Bezüge und werde von den Mitgesellschaftern mit dem Überlebensnotwendigsten versorgt. In zeitlichem Zusammenhang mit der Selbstanzeige im Jahr 2016 sei es auch zu den gesundheitlichen Problemen des Beschuldigten gekommen.

Im Strafakt erliegen Unterlagen zu den Erkrankungen des Nachsichtswerbers, daraus ist ersichtlich, dass er am auf einer Orthopädie über einen Sturz vom berichtet hat.

Bewertung des Kenntnisstandes des Spruchsenates bei Erkenntnisfällung nach dem festgestellten Sachverhalt aus der Aktenlage:

Der Spruchsenat kannte bei Erkenntniserlassung und Strafbemessung daher die ausgesprochen schlechte wirtschaftliche Lage des Nachsichtswerbers und hatte auch Unterlagen zu seinen Erkrankungen. Er ist auch von einer Schadensgutmachung von 13 % und geständiger Verantwortung ausgegangen.

Letztlich wurde das Erkenntnis des Spruchsenates mit Rechtsmittelverzicht angenommen, daher hat sich der Nachsichtswerber mit der damaligen Entscheidung abgefunden und deren Rechtmäßigkeit anerkannt.

Ergänzende Feststellungen des BFG:

Der Nachsichtswerber bezieht sich in seiner Beschwerde darauf, dass er von Unterstützungen lebe und verweist darauf, dass es ihm in Folge der Corona-Pandemie nicht möglich sei, ein Einkommen zu erzielen.

Das handgeschriebene Nachsichtsansuchen ist vom und hat folgenden Inhalt:

"Ich kann Ihre Mail vom 22. Januar erst heute beantworten. Mein Gesundheitszustand hat sich leider weiter verschlechtert. Zusätzlich zu meinen chronischen Entzündungen in Bereich des Steißbeins stellt nun meine Bauchspeicheldrüse ihre Funktion ein. Leber, Nerven und Milz sind stark belastet und werden auch noch kaputt. Die Bauchspeicheldrüse hat bereits ihre Dienste eingestellt. Das hat man mir schon seit langem gesagt, da ich zu viele Schmerzmittel benötige, die langfristig schwere Nebenwirkungen haben. Leider habe ich auch schon Tumorvorgänge im Körper. Ich kann seit einiger Zeit nicht einmal Geld an Frau ***2*** geben. Ich habe kein Einkommen derzeit. Ich lebe von ihr. In der Agentur konnte ich zwar 2020, solange es meine Kraft zuließ, meinen Einsatz zeigen. Aber wir konnten die Anfangsverluste nicht wieder auffangen. Meine Gesundheit ist seit Herbst 2020 noch um vieles schlechter geworden, da ich mehrere Nervenzusammenbrüche hatte und unter schweren Depressionen leide. Dadurch sind auch die Ausgaben gestiegen. Ich selbst kann daher keine Einnahmen aus der Firma erhalten, weil die Firma gefährdet ist. Ende der Firma wäre für mich mit dem Ende der Unterstützung durch Frau ***2*** verbunden. Außerdem möchte ich keine Strafe wegen Entnahmen bekommen, falls die Firma in Konkurs geht. Mein Steuerberater hat mir gesagt, dass die Finanzbehörde Einsicht in die Buchhaltung 2020 genommen hat und selbst gesehen hat, dass ich kein Geld aus der Firma erhalte. Ich habe ständig Depressionen angesichts der Aussichtslosigkeit meiner Situation. Gelegentlich sind die Schmerzen erträglich. Dann gelingt es mir auch Medienanfragen zu beantworten, dass sie über meine Ideen berichten, nur kann ich davon nicht leben. Die Verfolgungshandlungen der Finanzpolizei belasten mich sehr, ich habe nie jemandem schaden wollen. So etwas haben wir nie besprochen, als wir die Verhandlung hatten. Es fühlt sich überhaupt aufgrund meiner Depression mit Behörden und Ämtern zu sprechen, das macht mich komplett fertig. Leider habe ich auch keinen Anspruch auf irgendeine Invaliditätspension, weil ich bisher keine Pensionsansprüche nach österreichischem Recht erworben habe. Ich war bereits bei der Sozialversicherung persönlich vorsprechen, wo man mir gesagt hat, ich habe keine Chance und ich soll es in Deutschland probieren. Dort war ich aber nie versichert. Ich kann nur versuchen, dass mein Name noch einen Wert behält. Deshalb bin ich auch Geschäftsführer in der ***5*** ohne Gehalt gewesen. Daraus kommt aber auch meine Sozialversicherungspflicht, ohne der ich auch keine medizinischen Leistungen erhalten würde. Wie sie weiß, ist diese Sozialversicherung für Unternehmer so gemacht, dass ich falls ich aufhören muss kein Arbeitslosengeld erhalten kann. Solange die Sozialversicherungspflicht aufrecht ist, bekomme ich auch keine staatliche Unterstützung. Als Unternehmer bin ich ein Sozialfall, wenn ich arbeitsunfähig werde, das ist so bei Dienstnehmern und Beamten anders. Trotzdem habe ich keine Einkünfte, weil sich die Firma nicht trägt. Auch das ist bei Arbeitern, Angestellten und Beamten anders, die bekommen auch in der ärgsten Krise immer irgendeinen Lohn, weil sonst der Dienstgeber bestraft wird. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum so viele österreichische Unternehmen ins Ausland gehen!?!

Sehr geehrte Frau ***8***, sehr geehrter Herr ***9***, meine Situation ist wirklich in jeder Hinsicht aussichtslos. Ich ersuche, meinem Ansuchen um Nachsicht zu entsprechen, da ich diese Zahlungen nie leisten kann und verbleibe mit freundlichen Grüßen."

Auf dem Strafkonto haftet derzeit ein Betrag von € 26.150,00 aus. Wie bereits im Bescheid des Ministeriums ausgeführt wurde, ging lediglich am eine Zahlung von € 100,00 ein, womit noch € 24.900,00 der Geldstrafe offen ist.

Das Nachsichtsansuchen kann nur hinsichtlich der Geldstrafe von € 25.000,00 beim BFG und im Rechtsmittelverfahren vor dem BFG behandelt werden.

Das Abgabenkonto des Nachsichtswerbers weist einen Rückstand von € 99.586,92 aus, darin enthalten € 46.781,28 der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Verkürzungen. Am wurden Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von € 25.246,90 gelöscht.

Das Ministerium sah aus der Zusammenschau der finanziellen Situation mit den vom Gnadenwerber dargestellten Krankheitsbildern einen gnadenwürdigen Umstand, der im zweiten Prüfungsschritt zu einer Ermessensentscheidung führt.

Dazu ist weiters nunmehr zu berücksichtigen, dass es durch die Corona- Pandemie seit März 2020 bereits mehrmals und über Monate hinweg zu Einschränkungen der Möglichkeiten kam erwerbstätig zu sein.

Förderungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie:

BGBl. v. Bundesgesetz, mit dem Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19- Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden (NR: GP XXVII IA 1110/A AB 494 S. 69. BR: AB 10506 S. 917.)

11. Bundesgesetz, mit dem Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden

Ausschluss von der Förderung

§ 1 (1) Unternehmen, denen eine Förderung des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie gewährt wird, müssen sich für einen Zeitraum von fünf Jahren vor der Antragstellung bis zum Abschluss der Förderungsgewährung (Endabrechnung) steuerlich wohlverhalten haben.

Abs. 2: Unternehmen, die sich steuerlich nicht wohlverhalten haben, sind von der Gewährung von Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie ausgeschlossen; bereits erlangte Förderungen sind verzinst zurückzuzahlen.

Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie

§ 2: Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie sind Zuschüsse, die auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Z 7 des ABBAG-Gesetzes, BGBl. I Nr. 51/2014, geleistet werden.

Steuerliches Wohlverhalten

§ 3 Z 4: Ein Unternehmen hat sich steuerlich wohlverhalten, wenn über den Antragsteller oder dessen geschäftsführende Organe in Ausübung ihrer Organfunktion in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung keine rechtskräftige Finanzstrafe oder entsprechende Verbandsgeldbuße aufgrund von Vorsatz verhängt worden ist; steuerliches Wohlverhalten liegt jedoch (Anmerkung: Es fehlt wohl "vor"), sofern es sich um eine Finanzordnungswidrigkeit oder eine den Betrag von 10 000 Euro nicht übersteigende Finanzstrafe oder Verbandsgeldbuße handelt.

Informationsverpflichtung

§ 6: Hat das Amt für Betrugsbekämpfung oder ein Finanzamt aufgrund einer Prüfung nach dem Covid-19-Förderungsprüfungsgesetz, BGBl. I Nr. 44/2020, davon Kenntnis erlangt, dass ein Unternehmen sich im relevanten Zeitraum (§ 1 Abs. 1) nicht steuerlich wohlverhalten hat, hat es die Stellen, die Förderungen im Sinne dieses Bundesgesetzes gewährt haben, davon zu informieren. Zum Zweck der Umsetzung dieser Verpflichtung sind das Amt für Betrugsbekämpfung und die Finanzämter berechtigt, eine Transparenzportalabfrage durchzuführen.

Inkrafttreten

§ 9: Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft und ist auf Förderungen anzuwenden, deren Rechtsgrundlage erstmals nach dem in Kraft getreten ist.

Außerkrafttreten

§ 10: Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des außer Kraft.

Das Gesetz trat mit in Kraft und bezieht sich ausschließlich auf zukünftige Förderungen, deren Rechtsgrundlage erstmalig nach dem erlassen wird.

Auf Grund der Verurteilung durch den Spruchsenat wegen Abgabenhinterziehung stehen dem Nachsichtswerber keine Förderungen zu.

Generalpräventive Überlegungen zur Ermessensentscheidung:

Es entspricht nicht dem Zweck der Strafrechtspflege, eine verhängte Geldstrafe kurze Zeit nach Rechtskraft zum überwiegenden Teil wiederum gnadenweise nachzusehen.

Es wäre unbillig von den steuerredlichen Unternehmen und Bürgern zu verlangen regelmäßig ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen, während man andererseits das Fehlverhalten ohne eine notwendige strafrechtliche Sanktion ließe.

Einer Gnadenmaßnahme steht entgegen, dass mögliche Täter von Umsatzsteuerhinterziehungen von Nachahmungstaten abgehalten werden sollen.

Wenn zudem nahezu die gesamte verhängten Geldstrafe noch aushaftet und auch die Abgabenschuldigkeiten (dies noch dazu selbst zu berechnende und abzuführende Umsatzsteuer) als uneinbringlich anzusehen sind, ist einem Strafzweck keinesfalls entsprochen.

Eine Nachsicht hätte demnach die Folge, dass die steuerlichen Verfehlungen sanktionslos blieben, was der Intention des Gesetzgebers widerspricht.

Es entspricht der Intention des Gesetzgebers, dass Personen, die Abgaben hinterzogen haben, von den Förderungen in den Zeiten der Covid-Pandemie ausgeschlossen werden.

Spezialpräventive Überlegungen:

Der Nachsichtswerber stellt seine wirtschaftliche Lage zwar als hoffnungslos dar und lässt auch anklingen, dass sein Gesundheitszustand einer zukünftigen Erwerbstätigkeit entgegenstehen könnte, dennoch vermeint er weiterhin als Partnervermittler tätig sein zu können, gäbe es nicht die Corona-Pandemie, daher verbleiben auch, wenn auch untergeordnete, spezialpräventive Überlegungen, dass die Geldstrafe auch geeignet sein sollte, ihn von weiteren Finanzvergehen abzuhalten (auch wenn seit der Verurteilung durch den Spruchsenat durch die Abgabenbehörde steuerliches Wohlverhalten festgestellt wurde).

Die verhängte Geldstrafe ist auch in Anbetracht des mehrmaligen Tatentschlusses über einen längeren Deliktszeitraum im Rahmen der Spruchpraxis der Spruchsenate keinesfalls als überhöht anzusehen, womit die persönlichen Umstände des Nachsichtswerbers (sehr schlechte wirtschaftliche Lage und Erkrankungen) eben bereits bei der Strafbemessung Berücksichtigung gefunden haben.

Unter Abwägung des Vorbringens des Nachsichtswerbers und den gesetzlichen Vorgaben zu Strafzwecken der Finanzstrafgesetzgebung zur Erzielung generalpräventiver Wirkungen zur Sicherung des Abgabenanspruches des Staates, war die Beschwerde daher wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses abzuweisen.

Die Frage, ob der Gesundheitszustand eines Bestraften die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe gestattet, ist nicht im Rahmen eines Gesuches um Nachsicht einer Geldstrafe zu prüfen ().

Informativ wird einmal mehr darauf hingewiesen, dass es dem Nachsichtswerber auch offen steht gemeinnützige Leistungen zu erbringen. Wenn er in seinen Schriftsätzen zum Nachsichtsbegehren schon ausdrücklich darauf hinweist, dass gerade in der Pandemie zwischenmenschliche Beziehungen leiden, so könnte es doch vielleicht seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechen im Sozialdienst Leistungen (z.B. Essen austeilen in einem Altersheim) zu erbringen und damit den Strafzweck zu erfüllen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300041.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at