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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2022, RV/7103277/2019

Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird im Sinne des Beschwerdebegehrens abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte in seiner Arbeitnehmerveranlagung 2017 Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,- Euro. Diese Werbungskosten wurden nach durchgeführtem Vorhalteverfahren von der Abgabenbehörde nicht anerkannt.

Der Bescheid, der damit begründet wurde, dass das vorgelegte Fahrtenbuch die nötigen Kriterien nur teilweise erfülle und daher nicht anerkannt werden könne, wurde mit Beschwerde angefochten. Da die Frau des Bf. berufstätig sei und auch die beiden Kinder in Kroatien leben, stehen die Familienheimfahrten zu. Ein lückenloses Fahrtenbuch sei nicht Voraussetzung für die Gewährung der Familienheimfahrten.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen, weil ein weiteres Ergänzungsersuchen unbeantwortet geblieben war und somit Unterlagen fehlten.

Mit dem Vorlageantrag wurden Fahrtaufzeichnungen und nach einem weiteren Vorhalt zusätzliche Unterlagen übermittelt.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. war 2017 in Österreich beschäftigt und bewohnte ein Arbeitnehmerquartier seines Arbeitgebers in Wien. An den Wochenenden fuhr er zum Familienwohnsitz an dem er gemeinsam mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern (Jahrgang 2010 und 2013) wohnte. Dieser befand sich in ***Bf1-Adr2***, Kroatien, rund 240 km von Wien entfernt. Unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten betrug die gesamte Fahrtstrecke zum bzw. vom Familienwohnsitz im Jahr 2017 21.032 km und die entsprechenden Fahrtkosten rund 8.800 Euro.

Der Bf. erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 44.098,90 Euro. Seine Frau bezog am Familienwohnsitz im selben Jahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 33.032,88 Kuna (= 4.423,41 Euro).

Seit 2011 wurden Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten berücksichtigt und für 2017 der Betrag in Höhe von 3.672,- Euro beantragt.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im behördlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen und dem weiteren Verwaltungsakt und ist bis auf folgende Punkte unstrittig:

Strittig ist, wie oft der Bf. zum Familienwohnsitz gefahren ist und welche Fahrtkosten ihm dadurch entstanden sind.

Mit Vorhaltsbeantwortung vom wurde eine Aufstellung mit dem Titel "Beilage zu L1 (Familienheimfahrten für Ausländer) für das Kalenderjahr 2017" vorgelegt. Daraus lässt sich entnehmen, dass in Summe 88 Fahrten - eine anzahlmäßige Aufteilung auf die einzelnen Monate ist ausgewiesen - mit dem eigenen PKW zu je 239 km von Wien bis ***Adr2*** zurückgelegt wurden und die Gesamtkilometeranzahl von 21.032 multipliziert mit dem amtlichen Kilometergeld iHv 0,42 Euro einen Betrag von 8.833,44 Euro ergibt. Diese Summe ist als Gesamtsumme des Fahrtaufwandes angegeben.

Weiters wurde der Zulassungsschein vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass das Fahrzeug auf den Bf. zugelassen war.

Gemeinsam mit dem Vorlageantrag wurde auch eine detailliertere Aufstellung der Fahrten für die Zeit von 08.01. bis vorgelegt. Diese enthält das jeweilige Datum der Fahrt, die Strecke von Wien zum Familienwohnsitz bzw umgekehrt und jeweils 239 km sowie das entsprechende Kilometergeld.

Für das Bundesfinanzgericht ist es glaubhaft, dass der Bf. regelmäßig an den Wochenenden seine Frau und seine beiden minderjährigen Kinder besucht und die Strecke mit dem auf ihn zugelassenen Fahrzeug zurückgelegt hat. Auch die Abgabenbehörde geht davon in ihrer Stellungnahme im Vorlagebericht grundsätzlich aus.

Trotz der Aufforderung der Behörde, die durch die Fahrten entstandenen Kosten nachzuweisen, wurde wie oben dargelegt lediglich das amtliche Kilometergeld in Höhe von 0,42 Euro pro zurückgelegtem Kilometer angegeben. Somit in Summe 8.833,44 Euro.

Grundsätzlich sind die Fahrtaufwendungen in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Ist dies nicht möglich, sind sie zu schätzen.

Selbst wenn das Bundesfinanzgericht für weitere Privatfahrten noch von rund einem Drittel der für die Familienheimfahrten zurückgelegten Strecke ausgeht, liegt die sohin gesamt zurückgelegte Strecke unter 30.000 km, weshalb eine Schätzung der Fahrtkosten mit dem amtlichen Kilometergeld als tauglich angesehen wird.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Strittig ist, ob im streitgegenständlichen Jahr die Verlegung des Familienwohnsitzes zumutbar war und ob somit Aufwendungen für Familienheimfahrten - wenn ja, in welcher Höhe - anzuerkennen sind.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden (Z 1). Ebenso wenig Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (Z 2).

Unter bestimmten Voraussetzungen können Aufwendungen oder Ausgaben für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz).

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehepartners haben. ()

Die Erwerbstätigkeit des Ehepartners stellt dann einen tauglichen Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes dar, wenn nachhaltige Einkünfte nicht bloß untergeordneten Ausmaßes erzielt werden. Untergeordnet ist dabei ein Beitrag in Höhe von deutlich unter einem Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen. ()

Anders als im Vorlagebericht ausgeführt, sind die Einkünfte des Ehepartners somit an den Einkünften des Bf. und nicht am Familieneinkommen zu messen.

Vorliegend erzielte die Ehefrau des Bf. am Familienwohnsitz Einkünfte in Höhe von 33.032,88 Kuna, das sind zum umgerechnet 4.423,41 Euro., somit 10,03 % von den Einkünften des Bf. Da sie somit nicht deutlich unter einem Zehntel liegen, kommt das Bundesfinanzgericht in Zusammenschau mit der oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dem Ergebnis, dass diesen Einkünften wirtschaftliche Bedeutung zukommt und daher die Verlegung des Familienwohnsitzes - zumindest für das hier gegenständliche Jahr 2017 - unzumutbar ist.

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Kosten für die Familienheimfahrten liegen dem Grunde nach somit vor.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Werbungskosten grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (). Als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen sind jedoch über Verlangen der Abgabenbehörde nachzuweisen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft zu machen ().

Im Rahmen seiner Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 beantragte der Bf. die Berücksichtigung der Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,- Euro.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. von der Abgabenbehörde ua aufgefordert, bei Fahrten mit dem eigenen Kfz, ein detailliert geführtes Fahrtenbuch, den Zulassungsschein sowie die Tankbelege vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Bf. nur teilweise nachgekommen, indem er - wie in der Beweiswürdigung ausgeführt - zwei Aufstellungen der Fahrten sowie den Zulassungsschein übermittelt hat. Tankrechnungen wurden keine vorgelegt.

Den übermittelten Fahrtaufzeichnungen fehlen einige Merkmale, die ein ordentlich geführtes Fahrtenbuch zu enthalten hat. Zu den fehlenden Merkmalen zählen die lückenlose Erfassung aller Fahrten (nicht nur der Fahrten zum bzw vom Familienwohnsitz), die Uhrzeit (Beginn und Ende der Fahrt), und der jeweilige Anfangs- und Endkilometerstand jeder Fahrt.

Da sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Falle verheirateter Erwerbstätiger in der Regel wöchentliche Heimfahrten als erforderlich erweisen () und der Bf. auch Vater von zwei noch minderjährigen Kindern ist, sind die in den Fahrtaufzeichnungen in der Regel wöchentlich angegebenen Fahrten glaubhaft. Dem hat auch die Abgabenbehörde zugestimmt.

Grundsätzlich sind die Fahrtaufwendungen in der tatsächlichen Höhe anzusetzen. Mangels Nachweises sind sie zu schätzen (§ 184 BAO), wobei eine Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld in vielen Fällen zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führen wird (). Nach der Verwaltungspraxis bestehen keine Bedenken, bei betrieblichen Fahrten von nicht mehr als 30.000 km im Jahr das amtliche Kilometergeld anzusetzen ().

Eine Schätzung der Fahrtkosten in Höhe des amtlichen Kilometergeldes wird vorliegend somit für zulässig erachtet.

Da die Kosten für Familienheimfahrten gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 nur bis zu dem in § 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG 1988 angeführten höchsten Betrag, sohin 3.672,- Euro als Werbungskosten abzugsfähig sind, waren nicht die gesamten Fahrtkosten, sondern - wie auch vom Bf. beantragt - 3.762,- Euro als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Aus den angegebenen Gründen sind im beschwerdegegenständlichen Jahr 3.672,- Euro für Familienheimfahrten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

[...]

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung der Frage, ob die Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt werden können, erfolgte im Einklang mit der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at