Standortvermutung bei Doppelwohnsitz
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Marco Laudacher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vom , über die Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Kraftfahrzeugsteuer 4-12/2017 und 1-12/2018 sowie Normverbrauchsabgabe 6/2017
zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
II. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
A. Im Beschwerdeverfahren vorgebrachter Sachverhalt:
1. Mit Bescheiden vom wurde der Bf. KFZ-Steuer für 4-12/2017 iHv 369,10 € und KFZ-Steuer für 1-12/2018 mit 714,38 € vorgeschrieben.
Der KFZ-Steuer unterlägen gemäß § 1 Abs 1 Z 3 KfzStG Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet würden (widerrechtliche Verwendung).
Mit April 2014 sei die Rechtslage (§ 82 Abs 8 KFG) geändert und normiert worden, dass die Monatsfrist des § 82 Abs 8 KFG ex lege durch vorübergehende Verwendung im Ausland nicht mehr unterbrochen würde.
Gemäß § 82 Abs 8 KFG seien Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder verwendet würden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG sei nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbreche diese Frist nicht.
Die Bf. sei bei ihrem Vater in dessen Firma (LL GmbH - Passau Deutschland) angestellt. Die Bf. verfüge von Österreich aus über dieses Fahrzeug und es würden die Fahrten auch von Österreich aus angetreten. Für das gegenständliche Fahrzeug werde kein Fahrtenbuch geführt. Eine weitaus überwiegende Benutzung des gegenständlichen Fahrzeuges für den Dienstgeber sei nicht nachgewiesen. Die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Widerlegung der Standortvermutung in Österreich sei bis dato nicht wahrgenommen worden bzw habe man einen derartigen Beweis nicht erbringen können. Auf den NoVA-Bescheid werde verwiesen.
2. Mit gleichlautender Begründung erfolgte am die Vorschreibung von Normverbrauchsabgabe iHv 5.573,95 €.
3. Mit Schreiben vom wurde gegen die Festsetzung der KFZ-Steuer 4 -12/2017 und 1-12/2018 sowie Normverbrauchsabgabe 6/2017 Beschwerde eingelegt.
a. In diesem Zusammenhang dürfe man auf die beigelegte Berufung vom verweisen. Diesbezüglich habe sich an der Lebenssituation inhaltlich nichts geändert, mit Ausnahme der Tatsache, dass die Bf. neben ihrer Tätigkeit in der Vermögensverwaltung JD KG ein Dienstverhältnis zur Firma LL GmbH eingegangen sei. Diesbezüglich dürfe auf die in der Niederschrift erwähnte Homepage verwiesen werden. Dieses Fahrzeug (Transporter) diene im Wesentlichen der Beförderung von Personen. Anhand der im Unternehmen aufliegenden Aufzeichnungen könne nachvollzogen werden, wann und wo das Fahrzeug verwendet werde. In der Niederschrift werde auch klar dargelegt, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland gelegen sei. Die einfache Wegstrecke vom Wohnsitz zur Grenze sei unbedeutend, zumal der Wohnsitz unmittelbar an der Grenze zu Bayern gelegen sei.
Es werde daher ersucht, der Beschwerde vollinhaltlich stattzugeben.
b. In der Berufung vom (vorangehendes Verfahren) wurde folgendes angeführt:
(1) Angefochtener Bescheid sei die Normverbrauchsabgabe 8/2011 vom .
(2) Die Bf. sei Kommanditistin und damit Mitunternehmerin an der JD KG. Von dieser Gesellschaft mit Sitz in Passau sei das Fahrzeug auch laut Kaufvertrag vom erworben und zugelassen worden. Diese Gesellschaft sei theoretisch auch der Bescheidadressat. Gegenstand der oben angeführten Gesellschaft sei die Vermögensverwaltung. Die Bf. sei direkter Nachkomme der Eigentümer der ehemaligen Firma DBAU, die vor einigen Jahren verkauft worden sei. Neben der oben angeführten Gesellschaft existiere auch noch eine Stiftung nach deutschem Recht, die unter anderem ebenfalls Immobilien besitze. Die Firma JD KG sei unter anderem Eigentümerin und Verwalterin verschiedener Immobilien (in München, Feldkirchen, Passau, Oberinding, Hörtsee und Schönberg), wobei diese ausschließlich der Bf. zur Verwaltung zugewiesen bzw zugeteilt seien. Daneben betreue sie für die oben angeführte Gesellschaft auch Immobilien der Stiftung, die der vermögensverwaltenden Gesellschaft zur Verwaltung überlassen worden seien, so auch ein Studentenwohnheim mit 17 Parteien in Passau.
(3) Die Aufgabe der Bf. liege darin, die Immobilien zu verwalten, Mietkostenabrechnungen durchzuführen, Mieter zu suchen, Mieter zu betreuen und Mietobjekte dem Mieter wieder abzunehmen. Dabei erfülle sie unter anderem auch die Tätigkeit einer Maklerin. Für die Verwaltung der ihr zugewiesenen Objekte sei ihr das gegenständliche Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden.
(4) Festgestellt werde und dies könne auch nachgewiesen werden, dass weder die Stiftung noch die JD KG Immobilien in Österreich besitze oder verwalte bzw auch sonst keinen Vermögenswert in Österreich halte, weshalb eine betriebliche Verwendung (des Fahrzeuges) in Österreich von vorneherein ausscheide. Eine betriebliche Verwendung sei in ganz Bayern gegeben bzw. aufgrund der Objekte nur in Bayern möglich. Die Bf sei in Deutschland Unternehmerin und als solche auch steuerlich erfasst.
Die Bf. habe neben ihrem Wohnsitz seit Sommer 2011 in Österreich (Übersiedlung am ) nach wie vor einen Wohnsitz in Passau. Dabei handle es sich um das Haus ihrer Mutter. Dieser Wohnsitz sei bis zum Sommer 2011 auch der ausschließliche Wohnsitz gewesen. Bei Bezug des Hauses sei das Fahrzeug auch bereits gebraucht gewesen.
(5) Der Grund, warum in Österreich das Haus gebaut worden sei, sei der gewesen, dass in unmittelbarer Nähe zum Haus der Mutter in Passau kein Baugrund zur Verfügung gestanden sei, weshalb man auf der anderen Seite der Grenze auf österreichischem Staatsgebiet ein Grundstück erworben habe.
(6) Festzuhalten sei, dass die Kinder einen Kindergarten in Passau (Innstadt) besuchten und in Deutschland Kinderbeihilfe bzw Erziehungsgeld bezogen werde. Für das älteste Kind sei bereits eine Anmeldung an einer Schule in Passau erfolgt. Soziallleistungen würden vom österreichischen Staat für die Kinder nicht bezogen.
(7) Der Ehegatte der Bf. habe ebenfalls einen Zweitwohnsitz in Passau. Dieser studiere als deutscher Staatsbürger in Passau Wirtschaftsinformatik und arbeite seit Abschluss des Studiums ebenfalls in Passau. Festhalten könne man, dass absolut kein privater Bezug zu Österreich bestehe. Der Ehegatte verfüge über kein eigenes Fahrzeug, sondern fahre mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit, wobei es vorkomme, dass er von seiner Gattin, die die Kinder in Passau beim Kindergarten bzw bei der Mutter abgebe, anschließend zur Arbeitsstelle gebracht werde, bevor diese ihre Arbeit in Passau antrete.
(8) Der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege ausschließlich in Deutschland. Dies betreffe sowohl die berufliche, als auch die private Sphäre.
Nach der Rechtsprechung des VwGH zum Mittelpunkt der Lebensinteressen werde zwar bei inländischem Wohnsitz der dauernde Standort gemäß § 82 Abs 8 KFG in Österreich vermutet, allerdings könne ein Gegenbeweis erbracht werden, wobei eine Gesamtbetrachtung erforderlich sei. Wesentlich seien die Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des KFZ, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte ergeben, ob das Fahrzeug bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung für Zwecke der Vollziehung des KFG einem bestimmten Ort außerhalb des Bundesgebietes zugeordnet werden müsse ( mit Verweis auf ). Der Gegenbeweis gelte als erbracht, wenn das Fahrzeug fast ausschließlich im Ausland genutzt werde (). Von den rund 20.000 km im Jahr werde lediglich die Strecke zwischen Wohnhaus und Grenzübergang in Österreich zurückgelegt (rund einen Kilometer).
4. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde gegen die KFZ-Steuer (4-12/2017 und 1-12/2018) sowie Normverbrauchsabgabe 6/2017 als unbegründet abgewiesen.
a. Die Bf. habe seit ihren Hauptwohnsitz in Österreich und lebe dort mit ihrem Ehemann und vier Kindern.
b. Die Bf. sei bei ihrem Vater in dessen Firma LL GmbH (Passau) angestellt. Von dieser Firma werde das gegenständliche Fahrzeug zur freien Verfügung gestellt. Laut ihren Angaben übe die Bf auch noch eine Tätigkeit im Rahmen der Vermögensverwaltung der JD KG aus. Sie sei in dieser Firma Kommanditistin und Miteigentümerin.
c. Die Bf. verfüge von Österreich aus über das gegenständiche Fahrzeug und trete die Fahrten von Österreich aus an. Es werde kein Fahrtenbuch geführt. Eine weitaus überwiegende Benützung des gegenständlichen Fahrzeuges für den Dienstgeber sei nicht nachgewiesen worden.
d. Der Standort eines Fahrzeuges sei nicht an dem Ort gelegen, wo es bewegt werde, sondern dort, von wo aus die entsprechenden Fahrten angetreten würden, von wo aus über das Fahrzeug verfügt werde. Die Bf. verfüge von Österreich aus über das Fahrzeug. Bei in der Regel täglicher Rückkehr an den österreichischen Hauptwohnsitz befinde sich der dauernde Standort des Fahrzeuges in Österreich, auch wenn die überwiegende Fahrtstrecke im Ausland zurückgelegt werde.
Es gelte im gegenständlichen Fall die gesetzliche Standortvermutung in Österreich. Die Widerlegung sei bis dato nicht wahrgenommen worden.
5. Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag eingebracht:
a. Das Auto Multivan T6 sei nicht vom Arbeitgeber zur freien Verfügung gestellt worden. Der Zweck der Nutzung sei ausschließlich dem Arbeitszweck zuzuschreiben. Dies gehe auch daraus hervor, dass die Bf. nicht die 1%-Regelung der Versteuerung in Deutschland nutze, die das deutsche Recht dafür vorsehe. Dies habe zur Folge, dass die Bf. kein deutsches Fahrtenbuch verwenden müsse. Einen anderen Beweis könne es nach deutschem Recht nicht geben. Dass die Bf. kein Fahrtenbuch verwenden müsse, sei auch vom zuständigen Beamten des Finanzamtes bei der ersten Anhörung festgestellt worden. Dies werde der Bf. nun vorgeworfen, was nicht nachvollziehbar sei.
b. Nach der Rechtsprechung des UFS werde die Frist durch jeden Grenzübertritt unterbrochen, das Fahrzeug befinde sich nie länger als einen Tag in Österreich. Die Standortvermutung müsse hier in Deutschland sein, hier habe auch der Arbeitgeber den Standort. Der dauernde Standort befinde sich definitiv nicht in Österreich.
6. Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung übermittelt.
7. Folgende Unterlagen sind in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen:
a. Beschwerde der Bf. vom betreffend Normverbrauchsabgabe 8/2011 Punkt 3 b.
b. Aussagen aus der Befragung des Ehegatten MV vom zu einzelnen Umständen der Lebenssituation der Familie (Auszug):
MV: Ich möchte angeben: Wir wohnen hier seit Juli 2011 in S, OÖ. Mit meiner Gattin wurde bereits 2013 eine Niederschrift bezüglich der NOVA aufgenommen. Damals wurde festgestellt, dass keine NOVA und KFZ-Steuer in Österreich fällig waren. Unser Lebensmittelpunkt ist nach wie vor in Passau. Es haben sich keine Änderungen seit damals ergeben, außer dass wir ein viertes Kind haben.
Frage: Wie lange sind die FMV-Fahrzeuge der Marke Skoda Fabia und VW mit den ausländischen behördlichen Kennzeichen 14 und 42 in ihrem Besitz?
MV: 14 wird von allen verwendet. 42 wird hauptsächlich von meiner Gattin und mir verwendet. Meine Gattin ist bei dieser Firma halbtags angestellt und ich bin Geschäftsführer.
Frage: Wer ist der Verwender des KFZ?
MV: KFZ 14 benutzen sämtliche Mitarbeiter.
KFZ 42: Wird hauptsächlich von meiner Gattin und mir verwendet.
Frage: Wann wurde der Pkw nach Österreich verbracht?
MV: Gar nicht. Fahrzeug 14 wurde im Oktober 2016 angemeldet, seither sind wir auch immer wieder nach S, OÖ damit gefahren. Fahrzeug 42 wurde im Juni 2017 angemeldet und wir sind ebenfalls seither mit dem Fahrzeug nach S, OÖ gefahren.
Frage: Haben sie für die Überlassung des Autos eine Bestätigung mit?
MV: Nein, es gibt keine Überlassungsverträge.
Frage: Für welche Zeit wurde die Überlassung vereinbart?
MV: Mündlich, auf unbegrenzte Zeit.
Frage: Wo ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen?
MV: Mein Hauptwohnsitz ist in
- Österreich: S, OÖ (Meldebestätigung) und
- Deutschland: 94032 Passau
Wir arbeiten in Passau. Unsere drei Kinder gehen in Passau zur Schule und die Jüngste geht in Passau in den Kindergarten. Wir verbringen unsere Freizeit in Passau und sind auch bei den deutschen Vereinen Mitglieder. Ich sage unser Lebensmittelpunkt ist Passau. Unsere Ärzte sind ebenfalls in Passau. Wir haben in Österreich ein Haus, wo wir schlafen, jedoch unser Leben spielt sich in Passau ab.
Frage: Wie sind ihre Wohnverhältnisse im Inland und Ausland (Mietwohnung, Eigentumswohnung, Eigenheim, Wohnfläche?), wie viele Personen, Eigentümer (Wohnung, Haus), Mietvertrag (inclusive Betriebskosten)?
MV: In Österreich: Wir haben ein eigenes Haus in Österreich. Hier zahlen wir sämtliche Betriebskosten.
Passau: In Passau ist der Wohnsitz meiner Schwiegermutter. Diesen brauchen wir für unsere Kinder und die Schule. Dort müssen wir nichts bezahlen.
Frage: Wie oft fahren sie zu ihrem Wohnsitz im Ausland?
MV: Täglich.
Frage: Sind sie verheiratet? Falls ja, wo wohnt die Gattin?
Antwort: Ja, hier in S, OÖ.
Frage: Bekanntgabe, ob das gegenständliche Fahrzeug auch für Fahrten im Rahmen der Tätigkeit für den Arbeitgeber verwendet wird?
MV: Ja, von meiner Frau und mir.
Frage: Ersuchen um Bekanntgabe, wie viele Kilometer im Jahr dienstlich mit dem gegenständlichen Kraftfahrzeug zurückgelegt worden sind (werden) und Vereinbarung der Vorlage einer diesbezüglichen Bestätigung durch den Arbeitgeber.
MV: Wir arbeiten für eine gemeinnützige Firma (LL GmbH). Wir haben es uns mal ausgerechnet, wir fahren über 90% für die Firma. Wir betreuen behinderte Menschen und diese wohnen in der Firma. Diese werden bei der Erzeugung und dem Verkauf des Aroniasaftes miteinbezogen. Wir machen mit den Menschen Ausflüge, bringen sie zu Ärzten und betreuen diese Menschen 24 Stunden pro Tag und 7 Tage die Woche.
Frage: Bekanntgabe der Kilometeranzahl der einfachen Wegstrecke vom Hauptwohnsitz in Österreich zur Arbeitsstätte. Wie oft wird diese Strecke zurückgelegt.
MV: Die gesamte Strecke sind es ca. 5 km, davon in Österreich 1,8 km.
Frage: Wie viele Kilometer werden pro Jahr mit dem gegenständlichen Fahrzeug zurückgelegt?
MV: Wir fahren mit jedem Fahrzeug ca. 30.000 km.
Frage: Zeitlich überwiegender Aufenthalt?
MV: Wir leben und arbeiten in Passau. Schlafen in Österreich.
Frage: Besitzen sie einen weiteren PKW mit ausländischem Kennzeichen oder österreichischem Kennzeichen?
MV: Nein.
Frage: Beziehen sie in Österreich Beihilfen, Förderungen?
MV: Nein.
Km-Stand am Tag der Kontrolle, Schaltgetriebe, Fahrzeugbeschaffenheit.
MV: Fahrzeug 14: 70.600 km, Handschaltung, Benzin, Türen.
Fahrzeug 42: 60.000 km, Automatik, Diesel, 5 Türen.
Frage: Wurde die Privatnutzung schriftlich vereinbart?
MV: Nein.
Frage: Sind sie im Besitz eines Privat-PKW?
MV: Nein.
Frage: Kostentragung
Bei allen Fahrzeugen zu 100% die Firma.
Frage: Haben sie eine Bestätigung mit, dass sie dieses Auto im Auftrag des ausländischen Unternehmens in Österreich verwenden?
MV: Nein, nur mündlich.
Frage: Gibt es auch eine Betriebsstätte im Inland?
MV: Nein.
Frage: Befindet sich das Fahrzeug im Betriebsvermögen?
MV: Ja, in der Buchhaltung.
Frage: Was ist die genaue Verwendung des Kfz insbesondere bei betrieblichen Fahrten?
MV: Auslieferung des Aroniasaftes, Kundentermine, Ausflüge mit Behinderten, Marketing, Besuche von Märkten usw.
Frage: Welche Funktion haben sie in diesem Unternehmen und welche Tätigkeit üben sie dort aus?
MV: Meine Frau ist angestellt, ich bin Geschäftsführer.
Frage: Haben sie Einfluss auf die Fahrzeugwahl und den Zeitpunkt des Fahrzeugwechsels?
MV: Ja.
Frage: Wie viele Mitarbeiter sind in Österreich tätig?
MV: Keine
Frage: Welche Tätigkeiten übt das ausländische Unternehmen aus?
MV: Betreuung von behinderten Menschen, Verkauf von Aroniasaft.
Frage: Wer bezahlt folgende Kosten: Reparatur, Service, Treibstoff
MV: Zu 100% die Firma, Reparatur, Reifen, Tanken.
Frage: Wie oft und zu welchem Zweck wird das Fahrzeug in Österreich verwendet?
MV: Zum Schlafen.
Frage: Wird ein Fahrtenbuch geführt?
MV: Nein.
c. Zur LL GmbH: Auf dem Hof werden pflegebedürftige Menschen aufgenommen und gepflegt. Sie sollen dort in der Natur ein selbstbestimmtes Leben führen. Laut Homepage werden hier auch Aroniabeeren angebaut, geerntet und verarbeitet und anschließend mit Fahrzeugen ausgeliefert. Alles in Handarbeit und ohne Chemie.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
a. Festgestellter Sachverhalt:
(1) Das von der Bf verwendete Fahrzeug wird nur in geringem Ausmaß in Österreich verwendet. Bei Berechnung der Fahrten zum Wohnhaus und zurück zur Grenze, würde ein täglicher Ansatz von rund 5 km x 365 Tage lediglich zu Fahrten im Ausmaß von 1.825 km führen, was bei 30.000 km im Jahr nur einen Anteil von 6,08 % der Gesamtfahrten ergeben würde.
b. Die Angaben der Familie
- berufliche Tätigkeit der Bf (und des Gatten) ausschließlich in Deutschland (LL GmbH - Betreuung pflegebedürftiger Menschen und Vertrieb der Aroniabeere; Vermögensverwaltung für die JD KG in der BRD - dort auch Kommanditistin und Mitunternehmerin, Betreuung von Stiftungsimmobilien zB ein Studentenwohnheim),
- Wohnsitz in Passau im Haus der Mutter der Bf,
- Kinder im Kindergarten in Passau bzw in der Schule,
- keine Sozialleistungen in Österreich
- Mitgliedschaft in deutschen Vereinen,
- Arztbesuche in Passau,
- Verwandte (Mutter) in Passau
wurden von der Finanzverwaltung nicht bestritten und sind auch plausibel.
b. Rechtslage:
a. Nach § 1 Abs 1 Z 3 KfzStG unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).
b. Nach § 82 Abs 8 KFG sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen.
Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht geht aufgrund der vorangehend geschilderten Umstände davon aus, dass das Fahrzeug überwiegend (zu über 93%) in Deutschland eingesetzt worden ist.
Die geschilderten Umstände lassen keinen anderen Schluss zu, als dass die engeren persönlichen Bindungen zu Passau bestehen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
1. Strittig ist die Vorschreibung von KFZ-Steuer 2017 und 2018 und Normverbrauchsabgabe für 2017.
a. Nach der Darstellung der Bf. ist diese neben der Tätigkeit in der Vermögensverwaltung der JD KG ein Dienstverhältnis zur Firma LL GmbH (gemeinnützige Firma, die sich um pflegebedürftige Personen kümmert) eingegangen. Das Fahrzeug der Bf dient der Personenbeförderung für diese Pflegebedürftigen und wird nur in Deutschland betrieblich verwendet. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt in Deutschland.
b. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Bf. von Österreich aus über ihr Fahrzeug verfügt, weil sie täglich zum Schlafen in ihr Wohnhaus nahe der Grenze zu Bayern zurückkehrt und ihre beruflichen und privaten Fahrten von hier aus antritt. Eine überwiegende Nutzung des Fahrzeuges für den Dienstgeber ist laut Finanzverwaltung nicht nachgewiesen, der Gegenbeweis des dauernden Standortes im Ausland nicht erbracht.
c. Zu untersuchen ist in Fällen der Benützung eines ausländischen KFZ bei gleichzeitigem Doppelwohnsitz
- (1) wer der Halter des Fahrzeuges ist,
- (2) wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen anzusetzen ist und
- (3) ob die Standortvermutung widerlegt werden konnte (vorausgesetzt, dass nicht schon der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Ausland liegt, weil dann die Standortvermutung nicht mehr greifen würde).
Alle drei angeführten Umstände wurden von der Finanzverwaltung nicht in ausreichendem und nachvollziehbarem Ausmaß untersucht.
2. Rechtsprechung zum Halter des Fahrzeuges:
a. Zu klären ist zunächst, ob das Fahrzeug der ausländischen Firma oder dem jeweiligen Halter zuzurechnen ist, weil im ersteren Fall auf den Firmenstandort abzustellen wäre, ansonsten auf den Wohnsitz des Halters. Die im § 82 Abs 8 KFG normierte Standortvermutung ist nämlich nicht nur auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, sondern auch auf von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden. § 82 Abs 8 KFG (als lex specialis zu § 40 Abs 1 KFG) normiert hinsichtlich des dauernden Standortes des Fahrzeuges den Grundsatz, dass
- der Hauptwohnsitz des Antragstellers als dauernder Standort gilt,
- bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt ().
b. (1) Das KFG enthält wie das NOVAG keine Regelung darüber, wem die Verwendung des Fahrzeuges zuzurechnen ist. Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2009/16/0107 ausgeführt, dass auf den Begriff des Halters iSd § 5 Abs 1 des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) zurückzugreifen ist. Unter Verweis auf die Rspr des OGH ist dazu die Person zu verstehen, die das Fahrzeug auf eigene Rechnung in Gebrauch und die Verfügungsgewalt darüber hat. Der Betrieb des Fahrzeuges erfolgt auf eigene Rechnung des Halters, wenn er den Nutzen aus der Verwendung zieht und die Kosten trägt. Liegt eine private Nutzung (bei grundsätzlich betrieblicher Nutzung für den Dienstgeber) nur im geringfügigen Bereich vor, wäre das Fahrzeug dem Unternehmen zuzuordnen (Hochsteiner, Keine NoVA-Pflicht von Dienstfahrzeugen bei ausländischem Sitz und inländischer Betriebsstätte mit Verweis auf 9 Ob A 150/00z).
(2) Wenn das Fahrzeug an den Geschäftsführer "verliehen" ist, bedeutet das nicht automatisch, dass am Betriebsstandort über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt wird. Auf den rechtmäßigen Besitz am Fahrzeug kommt es nicht an. Stellt die Eigentümerin das Fahrzeug als Dienstfahrzeug zur Verfügung, wobei dieses nicht nur für dienstliche Zwecke verwendet wird, sondern auch für eine uneingeschränkte Nutzung für Privatfahrten und andere Dienstfahrten ohne weitere Vorgabe, kann die Behörde davon ausgehen, dass der Dienstnehmer Verwender des Fahrzeuges war ( zu einem Geschäftsführer der sämtliche Kosten für Reparatur, Service oder Tanken selbst getragen hat; so auch ).
(3) Dabei ist zu unterscheiden: Wird das Fahrzeug durch eine natürliche Person ohne Hauptwohnsitz im Inland verwendet, kommt § 79 Abs 1 KFG (mit seiner Jahresregel) zum Tragen. Wird das Fahrzeug hingegen durch eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so ist dies nach § 82 Abs 8 KFG zu beurteilen (, die Frage des dauernden Standortes im Inland ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung).
(4) Entscheidungsrelevante Feststellungen hinsichtlich des Verwenders im Sinn der angewandten Literatur sind von der Behörde zu treffen ( zu einer Aufhebung und Zurückverweisung infolge mangelnder Ermittlungen).
3. Rechtsprechung zum Hauptwohnsitz und zum Mittelpunkt der Lebensinteressen:
a. (1) Im Zusammenhang mit der Normverbrauchsabgabe wird von der Rspr festgehalten, dass der ordentliche Wohnsitz (Hauptwohnsitz) einer Person an dem Ort begründet ist,
- an dem sie sich tatsächlich niederlässt und
- den sie bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen, das heißt ihrer wirtschaftlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Betätigungen, wählt (psychisches Momentum).
Dabei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben. Trifft diese sachliche Voraussetzung auf mehrere Wohnsitze zu, ist jener Wohnsitz als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem das überwiegende Naheverhältnis besteht. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen ().
(2) Das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder den anderen Staat gibt den Ausschlag ( zu § 79 Abs 3 KFG und § 1 Abs 7 Meldegesetz). Wirtschaftlichen Beziehungen kommt in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen (: Zur Ablehnung der Familienbeihilfe bei im bosnischen Familienhaushalt lebenden Kindern). Unter letzteren sind all jene Beziehungen zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Tätigkeiten ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für den Bf der bedeutungsvollere ist. Bei der Ermittlung ist regelmäßig auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (). Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt. Diese Annahme setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen voraus (: Die Annahme des Mittelpunktes der Lebensführung erweist sich als nicht tragfähig begründet). Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat ().
b. Wird keine ausreichende Feststellung zum Mittelpunkt der Lebensinteressen getroffen, ist die Entscheidung rechtswidrig ().
c. Hauptwohnsitz:
(1) Nach ständiger Rspr des VwGH ist die Meldung nach dem Meldegesetz in der Frage des Hauptwohnsitzes nicht von entscheidender Bedeutung (). Es kann daher die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz alleine gegründet werden, noch durch die Meldung an einem anderen Ort widerlegt werden. Maßgebend ist vielmehr der den tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermittelnde Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person ( mit Verweis auf und ).
(2) Nach der Lebenserfahrung trifft es im Regelfall zu, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes der Familie zu finden ist und die engere persönliche Bindung typischerweise zu einer mit der Ehefrau gemeinsam genutzten Wohnung und nicht zu einer Wohnung am Arbeitsplatz bestehen wird (). Eine überwiegende Tätigkeit in einem Land ist für sich allein aber noch nicht der Nachweis, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in diesem Land liegt ( zu einer Tätigkeit in Russland).
4. Rechtsprechung zur Standortvermutung des § 82 Abs 8 KFG:
a. Die Standortvermutung ist wie folgt geregelt: Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland ins Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Aufgrund dieses Wortlautes des Gesetzes ist zuerst zu prüfen, ob ein inländischer Hauptwohnsitz vorliegt, weil nur dann eine Verpflichtung bestehen kann, den Gegenbeweis zu führen. Im Fall mehrerer Wohnsitze ist daher jedenfalls der Mittelpunkt der Lebensinteressen vorrangig zu erforschen, wobei auf die den Beschwerdeführer treffende Mitwirkungspflicht hinzuweisen ist (, zur Annahme der Finanzverwaltung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege aufgrund persönlicher Bindungen in Österreich und dem gleichzeitigen Vorwurf, den Standortgegenbeweis nicht erbracht zu haben).
b. Nach § 82 Abs 8 erster Satz KFG 1967 ist gegen die darin vorgesehene Vermutung (des inländischen Standortes bei inländischem Wohnsitz) der Gegenbeweis zulässig. Es liegt eine widerlegliche Rechtsvermutung vor, die der Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als solches mit dauerndem inländischen Standort anzusehen ist und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten. Aus der Formulierung des § 82 Abs 8 erster Satz KFG ist abzuleiten, dass diese Standortvermutung nicht nur auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, sondern auch von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden ist (). Die "Standortvermutung" schließt keine zusätzliche "Hauptwohnsitzvermutung" mit ein ().
c. Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (). Im Zusammenhang mit der Fahrzeugeinzelbesteuerung ist nach dem VwGH auf die beim Erwerb eines Fahrzeuges vorgelegene Verwendungsabsicht abzustellen. Zu den objektiven Umständen (Indizien) im Zeitpunkt der Lieferung mit denen der Ort der dauerhaften Verwendung des Fahrzeuges festgestellt wird, zählen
- der Wohnsitz des Halters,
- persönliche Verbindungen zu den in Frage kommenden Mitgliedstaaten (Mittelpunkt der Lebensinteressen) und
- die tatsächliche Nutzung des Fahrzeuges ().
d. (1) Ist der Halter österreichischer Staatsbürger, der täglich zwischen dem Hauptwohnsitz in Österreich und dem Betriebssitz in Deutschland pendelt, wobei
- der überwiegende Teil der Fahrtstrecke zwischen Wohnort und Unternehmensort in Deutschland liegt,
- der PKW im Betriebsvermögen des Unternehmens ist,
- alle betrieblichen Fahrten in Deutschland durchgeführt werden, ebenso wie die privaten Fahrten der Ehefrau und auch die Schwiegereltern in Deutschland leben,
- Einkaufsfahrten rund 1.000 km im Jahr betragen und
- man auch die Reparaturarbeiten am Betriebsstandort durchführt,
so ist der Gegenbeweis gelungen, wenn die betriebliche Nutzung des Fahrzeuges sich zu über 85% und nahezu ausschließlich im süddeutschen Raum abspielt (Jahreskilometerleistung 20.000 und davon 3.060 km in Österreich = ca. 15%) und auch der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland vorgenommen wird ( zu einem Firmenfahrzeug; ebenso und ). Da ein dauernder Betriebsstandort in Deutschland anzunehmen war, kommt der Tatsache, dass vom inländischen Wohnsitz aus die täglichen Fahrten angetreten werden, nicht die Bedeutung zu, die ihr das Finanzamt zumisst.
(2) Behauptete Kilometerleistungen sprechen für sich noch nicht für die Erbringung des Gegenbeweises. Fehlt dem Fahrtenbuch die Beweiskraft für die darin verzeichneten Fahrten und fehlen auch andere Beweise über die Verwendung des in Rede stehenden Fahrzeuges, kann die Behörde davon ausgehen, dass der Gegenbeweis nicht erbracht wurde ().
(3) In wird darauf verwiesen, dass die Steuerschuld mit Beginn der Verwendung im Inland beginnt (Einbringung), dass aber das "Entstehen der Steuerschuld " und das "Erfüllen der zur Steuerschuld führenden Tatbestandes" nicht verwechselt werden dürfen. Das Entstehen der Steuerschuld setzt voraus, dass der die Rechtsfolge auslösende Tatbestand erfüllt ist. Der Tatbestand ist mit der widerrechtlichen Verwendung eines Fahrzeuges gemäß
- § 1 Abs 1 Z 3 Kfz-Steuergesetz und
- § 1 Z 3 NOVAG
erfüllt.
(4) Wenn der Bf nicht einmal behauptet, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort im Ausland hat, ist der Gegenbeweis nicht gelungen, auch wenn er überwiegend im Ausland gefahren ist ()
(5) Hält sich der Halter eines ausländischen Fahrzeuges (hier aus der BRD) an 230 Tagen in Deutschland und an 136 Tagen in Österreich auf, nutzt das Fahrzeug für Fahrten in Deutschland von rund 12.920 km und in Österreich von 10.330 km, sodass er zeitlich und nach den Fahrtstrecken das Fahrzeug überwiegend in Deutschland genutzt hat und ergibt das Gesamtbild der Verhältnisse, dass der dauernde Standort des Fahrzeuges am Zweitwohnsitz in M (Deutschland) aufhältig ist, so ist ihm der Gegenbeweis des ausländischen Standortes gelungen. Ein "weitaus" überwiegendes Verwenden im Ausland ist nicht erforderlich ( zu einem Privatfahrzeug).
(6) Wird ein auf eine Hausverwaltung in Deutschland zugelassenes Fahrzeug über einen Zeitraum von 14 Monaten weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet (gesamt 14.450 km zurückgelegt, davon 2.883 km in Österreich, das sind knapp 20%) und erfolgt auch der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland, so ist die Standortvermutung des § 82 Abs 8 KFG als widerlegt anzusehen. Der Gegenbeweis ist jedenfalls als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (VwGH Ra , 2019/16/0152).
(7) Fährt der Revisionswerber, der im Inland unstrittig einen Wohnsitz hat, nur jedes zweite Wochenende in die Slowakei und kann er mangels entsprechender Aufzeichnungen weder belegen noch glaubwürdig darlegen, dass die von ihm behauptete 95%ige betriebliche Nutzung des KFz überwiegend in der Slowakei erfolgte, ist der Gegenbeweis nicht gelungen ().
(8) Wird das Fahrzeug überwiegend nicht in Österreich verwendet, vermag der Umstand, dass der Bf mit dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeug regelmäßig an seinen österreichischen Wohnsitz zurückgekehrt ist und das Fahrzeug dort geparkt oder garagiert hat und dort über die Verwendung des Kraftfahrzeuges entschieden hat, an der erfolgreichen Widerlegung der Standortvermutung nichts zu ändern ().
5. Zum Halter des Fahrzeuges:
a. Zunächst wäre zu klären gewesen, wer der Halter des Fahrzeuges ist.
(1) Im gegenständlichen Fall werden nach den Angaben von MV die Fahrzeuge (für die Bf und MV) für geringfügige Privatfahrten (Fahrt zum Wohnhaus) zur Verfügung gestellt und der Dienstnehmer hat Einfluss auf Fahrzeugwahl und Zeitpunkt des Fahrzeugwechsels.
(2) Andererseits wurde vom Gatten der Bf in der Befragung vom ausgesagt,
- das jeweiige Fahrzeug werde im Rahmen der Tätigkeiten für den Arbeitgeber verwendet (zu 90% für die gemeinnützige Firma),
- die Kosten (Reparatur, Service, Treibstoff) bezahle zu 100% die Firma und
- die Betreuung der pflegebedürftigen Menschen erfolge 24 Stunden am Tag.
b. Diese unwiderlegten Aussagen deuten darauf hin, dass die Arbeitgeberfirmen der Bf und ihres Gatten den Nutzen aus der Verwendung der Fahrzeuge gezogen haben, sie haben daher auch die Kosten getragen. Sind die jeweiligen Fahrzeuge aber dem gemeinnützigen Unternehmen zuzuordnen, wäre davon auszugehen, dass Passau der Ort ist, von dem aus über das Fahrzeug der Bf verfügt wurde.
Ist die Firma als Halter des Fahrzeuges anzusehen, wäre schon aufgrund dieses Punktes der Beschwerde stattzugeben, weil die Vorschreibung der Normverbrauchsabgabe und der KFZ-Steuer in diesem Fall an die Bf unzulässig wäre.
6. Zum Mittelpunkt der Lebensinteressen:
a. Entscheidend ist nach der Rspr bei Doppelwohnsitz, wo das Überwiegen hinsichtlich der persönlichen Beziehungen anzunehmen ist.
b. Im vorliegenden Fall hat MV angegeben, dass der Lebensmittelpunkt in Passau liegt. Die Familie verbringt dort die Freizeit. Die Kinder gehen dort zur Schule und in den Kindergarten, die gesamte berufliche Tätigkeit (für mehrere Firmen) der Eltern wird zur Gänze in Passau ausgeübt. Die Familie fährt nur zum Schlafen über die Grenze nach S, OÖ. Die Situation der überwiegenden persönlichen Beziehungen zu Passau war auch schon im Verfahren 2011 in derselben Form gegeben und hat sich seither nur in einem Punkt geändert: Nach dem Kauf des Wohnhauses nahe der bayrischen Grenze wurde der Wohnsitz in Passau nicht aufgegeben, was nach der Rspr für eine Beibehaltung der persönlichen Beziehungen zu Deutschland spricht.
c. Zwar sind die wirtschaftlichen Beziehungen in Form der deutschen Einnahmequellen für sich alleine nicht ausschlaggeben, es sind aber auch alle persönlichen Beziehungen ausschließlich auf Passau konzentriert. Die tägliche Heimfahrt über die Grenze zum Schlafen im Wohnhaus kann demgegenüber keine überwiegende persönliche Bindung zu Österreich bewirken.
Nach der Darstellung der persönlichen Umstände wäre auch aus diesem Grund der Beschwerde schon stattzugeben gewesen.
7. Zur Standortvermutung:
Selbst für den Fall, dass die Bf als Halter des KFZ anzusehen ist und der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Ort des abendlichen Aufenthaltes (ausschließlich) zum Zweck des Schlafens angenommen werden müsste, könnte die Argumentation der Finanzverwaltung nicht zum Erfolg führen.
Die Widerlegung der Standortvermutung wird von der Finanzverwaltung nicht zugelassen, weil aufgrund der täglichen Rückkehr nach Österreich zum Schlafen
- die Bf in Österreich über das Fahrzeug verfüge und
- damit auch die Fahrten von Österreich aus angetreten würden.
Dieser Rechtsauffassung hat der VwGH in seiner jüngsten Entscheidung vom , Ro 2019/16/0012 allerdings zur Gänze widersprochen: Wenn ein Fahrzeug überwiegend nicht in Österreich verwendet wird, ist die Widerlegung der Standortvermutung als erbracht anzusehen. Die regelmäßige Rückkehr an den österreichischen Wohnsitz (zum Parken oder zur Entscheidung über die Verwendung des Fahrzeuges) kann an der Widerlegung der Standortvermutung im Inland nichts ändern.
Da im gegenständlichen Fall unbestritten und unwidersprochen die weitaus überwiegende (betriebliche) Nutzung des Fahrzeuges in Deutschland stattfindet, hindert die tägliche Rückkehr zum Wohnsitz die Widerlegung der Standortvermutung nicht. Wegen der Geringfügigkeit der privaten Fahrten musste nach dem deutschen Steuerrecht auch kein Fahrtenbuch geführt werden, sodass aus dessen Nichtführung keine negativen steuerlichen Konsequenzen abzuleiten sind. Von einem Standort des Fahrzeuges bei der gemeinnützigen Firma LL GmbH, deren Klienten umfassend zu betreuen sind, ist auszugehen. Bloße tägliche Übernachtungen in Österreich bei täglicher Rückkehr zur Arbeitsstätte in Bayern ändern daran nichts.
Der Beschwerde war aus diesen Gründen stattzugeben, die Bescheide waren aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung beruht auf der ständigen Rspr des VwGH. Eine Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Miterledigt:
RV/5100880/2021
RV/5100881/2021
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100879.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at