Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 20.01.2022, RV/7100031/2022

Beschwerde gegen die Rückforderung von Kinderabsetzbeträgen, FB und KAB wurden ab dem Zeitpunkt der fehlenden Haushaltszugehörigkeit zu der in Ungarn lebenden Kindesmutter und dem mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Kind rückgefordert

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0017.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***4*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Roman Jagersberger MA, Johannesgasse 5 Tür 1, 2700 Wiener Neustadt, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Rückforderung der Kinderabsetzbeträge (KG) für das am ***1*** geborene Kind (***2***) hinsichtlich des Zeitraums vom Juni 2018 bis Mai 2020 (SozVersNr.: ***3***) beschlossen:

I. Der Bescheid wird hinsichtlich der Rückforderung des Kinderabsetzbetrages (KG) gemäß § 278 Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl I 2016/117 unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.) wohnt und arbeitet in Österreich und bezog für seine Tochter ***2***, geb. ***1***, ab deren Geburt Familienbeihilfe- und Kinderabsetzbeträge.

Im Zuge der ANV-Bearbeitung (Mai 2020) stellte das Finanzamt fest, dass ***2*** seit 2018 keinen Wohnsitz mehr in Österreich hat und richtete in der Folge an den Bf. am folgendes Überprüfungsschreiben zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen betreffend die Familienbeihilfe:

"Laut Meldeamt sind Ihre Gattin und Ihre Tochter am nach Ungarn verzogen. Sie haben bis dato jedoch laufend die Familienbeihilfe in Österreich bezogen.

Bitte um Vorlage folgender Nachweise:

Tätigkeitsnachweis von der Gattin in Ungarn.

Nachweis, dass kein bzw. für welchen Zeitraum Anspruch auf eine der österr. Familienbeihilfe gleichzusetzenden ausländischen Beihilfe bestand/besteht aus Ungarn.

Bestätigung der Behörde im Wohnstaat des Kindes, dass ein gemeinsamer Haushalt besteht von Ihnen und vom Kind.

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nur, wenn ein gemeinsamer Haushalt besteht."

Der Bf. gab dem Finanzamt daraufhin am bekannt, dass er sich im Mai 2018 von der Mutter seines Kindes und damaliger Ehefrau, ***1***, habe scheiden lassen. In der Folge seien sie und die gemeinsame Tochter nach Ungarn verzogen und würden nicht mehr mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben. Seines Wissens beziehe auch die Kindesmutter in Ungarn eine entsprechende Familienbeihilfe für die Tochter. Über diesen Umstand habe er gedacht das Finanzamt mittels Formular E30 ausreichend informiert zu haben, was scheinbar nicht der Fall gewesen sei. Er bedauere dieses Versäumnis, das er nun hiermit nachhole. Etwaige unrecht bezogene Leistungen werde er natürlich zurückzahlen und ersuche das Finanzamt ihn hiervon zu informieren.

Das Finanzamt forderte vom Bf. daraufhin mit Bescheid vom die für den Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2020 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) zurück und stellte begründend fest, dass gemäß § 25 FLAG 1967 Personen, denen Familienbeihilfe gewährt werde, verpflichtet seien, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlösche sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, innerhalb eines Monats ab dem Bekanntwerden, beim zuständigen Finanzamt zu melden.

Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hätten Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt sei.

Da seit Mai 2018 kein gemeinsamer Haushalt mehr bestehe, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

Gegen den Rückforderungsbescheid wurde vom Bf. nur hinsichtlich der für den Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2020 rückgeforderten Kinderabsetzbeträge (€ 1.401,60) Beschwerde erhoben (Schreiben vom ) und vorgebracht, es sehe die Regelung des § 33 Abs 3 EStG vor, dass Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt werde, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zustehe. Da dem Bf. Familienbeihilfe gewährt worden sei, stehe ihm folglich auch der Kinderabsetzbetrag zu. Dem Gesetzeswortlaut sei nichts über zu Recht oder zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zu entnehmen.

Aus diesem Grund werde die Aufhebung der Rückforderung des Kinderabsetzbetrages in Höhe von € 1.401,60 für den oben genannten Zeitraum beantragt. Die restliche Rückforderung von € 3,125,60 habe der Bf. bereits am an das Finanzamt überwiesen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Dass Ihre Tochter seit Mai 2018 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt, wird von Ihnen in Ihrem Schreiben vom bestätigt und in der Beschwerde auch nicht von Ihnen bestritten.

Die zu Unrecht erhaltenen Beträge sind daher gem. § 26 FLAG zurückzuzahlen.

Gem. § 26 Abs 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Ihrem Einwand in der Beschwerde, dass die Rückzahlungsverpflichtung des Kinderabsetzbetrages nicht geregelt sei, ist entgegenzuhalten, dass der Kinderabsetzbetrag untrennbar mit dem Bezug der Familienbeihilfe verbunden ist. Diese Verknüpfung ist im § 33 Abs 3 EStG durch den Hinweis "im Wege der gemeinsamen Auszahlung" vorgesehen.

Gem § 33 Abs 3 EStG steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichs-gesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Abweichend davon gilt:

1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.

2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnenMitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

a) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffent-lichten Werte anzupassen.

b) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist gemäß § 8a Abs. 3 des Familienlastenausgleichs-gesetzes 1967 kundzumachen. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Wurde demnach Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen, wurde auch der mit der gemeinsamen Auszahlung erhaltene Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen. Im § 33 Abs 3 EStG letzter Satz wird bezüglich der zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge gesondert auf die Anwendung des § 26 FLAG hingewiesen.

Da Sie aufgrund mangelnder Haushaltszugehörigkeit unbestritten die Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag für Ihre Tochter ***2*** von Juni 2018 bis Mai 2020 zu Unrecht erhalten haben, sind Sie gem. § 26 FLAG verpflichtet, die zu Unrecht erhaltenen Beträge, d.s. Familien-beihilfe und Kinderabsetzbetrag, zurückzuzahlen."

Der Bf. stellte am fristgerecht über Finanzonline einen Vorlageantrag.

Begründung:

Festgestellter Sachverhalt:

Aus dem Familienbeihilfenakt ergibt sich unstrittig:

Der Bf. wohnt und arbeitet in Österreich. Er ist seit 05.2018 von der Kindesmutter geschieden und lebt nach seinen eigenen Angaben seit nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Kindesmutter und seiner Tochter.

Die Kindesmutter und die Tochter haben seit keinen Hauptwohnsitz in Österreich (ZMR-Abfrage vom ).

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967 lautet:

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört nach § 2 Abs 5 FLAG 1967 ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 idF bis und vom bis normiert:

Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 33 Abs. 3 EStG idF ab lautet:

Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Abweichend davon gilt:

1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.

2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

b) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

c) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist gemäß § 8a Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kundzumachen.

Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 26 Abs 1 FLAG 1967 normiert die Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe.

§ 278 Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl I 2016/117 lautet:

(1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst

Rechtliche Beurteilung:

Im vorliegenden Fall steht sachverhaltsmäßig fest, dass der Bf. in Österreich wohnt und arbeitet, dass die Kindesmutter mit dem Kind seit in Ungarn wohnt und ab dieser Zeit kein gemeinsamer Haushalt mit dem Kindesvater vorliegt.

Gemäß Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 sind alle Familienangehörigen des Kindes so zu betrachten, als würden sie im Bundesgebiet wohnen und unter die österreichischen Rechtsvorschriften fallen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2018/16/0040, wie folgt ausgeführt (vgl. ua auch ua):

"….Urteil hat der EuGH lediglich ausgesprochen, Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der VO 987/2009 sei dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist (, Tomislaw Trapkowski).

Später hat der EuGH ausgesprochen, dass die in Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der VO 987/2009 vorgesehene Fiktion dazu führt, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind (, Michael Moser, Rn 44).

Der EuGH hat auch klargestellt, dass die VO 987/2009 und die VO 883/2004 nicht bestimmen, welche Personen Anspruch auf Familienleistungen haben, auch wenn sie diese Regeln festlegen, nach denen diese Personen bestimmt werden können. Welche Personen Anspruch auf Familienleistungen haben, bestimmt sich nämlich, wie aus Art. 67 der VO 883/2004 klar hervorgeht, nach dem nationalen Recht (, Tomislaw Trapkowski, Rn 43 und 44).

Dergestalt besteht gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG der Anspruch auf Familienbeihilfe des Elternteils, welcher im Bundesgebiet wohnt und die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt, wenn der andere Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind gehört, im Bundesgebiet weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat und somit die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 FLAG nicht erfüllt. Insoweit bedarf es einer Verdrängung der nationalen Bestimmung des Wohnsitzerfordernisses in § 2 Abs. 1 FLAG durch Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der VO 987/2009 nicht, um den Anspruch für das Kind zu begründen.

Erst wenn der in Österreich wohnhafte Elternteil die Unterhaltskosten für das Kind nicht überwiegend trägt und deshalb aus § 2 Abs. 2 zweiter Satz keinen Anspruch ableiten kann, und auch sonst nach nationalem Recht keine andere Person in Betracht käme, greift die Verdrängung des Wohnsitzerfordernisses in § 2 Abs. 1 FLAG für einen in § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG genannten Anspruchsberechtigten.

So hat der Verwaltungsgerichtshof mangels Tragung der überwiegenden Unterhaltskosten des in Österreich lebenden Vaters (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG) auch einem in einem anderen Mitgliedstaat wohnenden Kind (einer Halbwaise) in einem solchen Fall einen sogenannten Eigenanspruch zuerkannt und das Erfordernis eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet nach § 6 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 FLAG verdrängt gesehen ().

Das Bundesfinanzgericht hat demgegenüber das in § 2 Abs. 1 FLAG aufgestellte Erfordernis eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts der nach § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG in Betracht kommenden, in Polen lebenden Mutter des Sohns des Mitbeteiligten von vornherein verdrängt gesehen und deshalb deren Anspruch auf Familienbeihilfe angenommen. Dementsprechend hat das Bundesfinanzgericht lediglich erwähnt, dass der Mitbeteiligte den Unterhalt geleistet hat, hat aber keine Feststellungen getroffen, aus denen zu entnehmen wäre, ob der Mitbeteiligte die Unterhaltskosten für seinen Sohn überwiegend getragen hat oder nicht.

Dieser aus einer unzutreffenden Rechtsansicht herrührende Feststellungsmangel (sekundärer Verfahrensfehler) führt zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses. Daran ändert auch die Zitierung von Entscheidungen des deutschen Bundesfinanzhofes nichts, ist doch die oben dargestellte Verdrängungswirkung des Unionsrechts im Hinblick auf das nationale Recht zu beurteilen, welches in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen aufweist….".

Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Laut Angaben des Bf im am an die Abgabenbehörde retournierten Überprüfungsschreiben hat er Unterhaltsleistungen die Höhe von € 557,99 monatlich getragen. Ob diese Unterhaltsleistung zur Gänze oder nur teilweise für die im Beschwerdezeitraum in Ungarn bei der Mutter lebende Tochter ***2*** aufgewendet worden sind, geht aus den Angaben nicht hervor.

Im vorliegend zu beurteilenden Bescheid hat die Abgabenbehörde die Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG zitiert, den Rückforderungsanspruch aber lediglich darauf gegründet, es habe seit Mai 2018 kein gemeinsamer Haushalt der Familie mehr bestanden. Feststellungen betreffend die Höhe der vom Bf getragenen Unterhaltskosten und deren Überwiegen wurden im Bescheid nicht getroffen.

Die Beschwerdeausführungen des steuerlich vertretenen Bf beziehen sich betragsmäßig auf die wegen der Auszahlung der Beihilfenbeträge zu Unrecht rückgeforderten Kinderabsetzbeträge (diesbezüglicher Rückforderungsbetrag lt. Bescheid € 1.401,60). Hinsichtlich des gleichzeitig rückgeforderten Familienbeihilfenbetrages (lt Bescheid und Beschwerdeangaben € 3.125,60) wurde nach den vorgelegten Unterlagen keine Beschwerde erhoben. Ob mit der lt Angaben des Bf in der vorliegenden Beschwerde (gegen die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages) erfolgten Rückzahlung des gesamten auf die Familienbeihilfe entfallenden Rückforderungsbetrages (am ; € 3.125,60, vgl. Bescheid) gleichzeitig der Verzicht auf eine dem Bf allenfalls aufgrund einer überwiegenden Kostentragung zustehende (angepasste) Differenzzahlung (zugunsten der geschiedenen Ehegattin oder einer anderen Person, vgl. § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG) verbunden war, ist nicht geklärt.

Eindeutige Feststellungen dahingehend, ob der leibliche Vater des Kindes dessen Unterhalt iSd § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG überwiegend getragen hat, sind deshalb erforderlich, weil bejahendenfalls nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf Familienbeihilfe des leiblichen Vaters gem. Art. 60 Abs. 1 DurchführungsVO Nr. 987/2009 (den allenfalls die Mutter geltend machen könnte, wenn und insoweit er vom leiblichen Vater nicht begehrt wird) und damit auch ein Anspruch auf die (ab dem Zeitraum angepassten) Kinderabsetzbeträge gegeben wäre.

Mit der Vorfrage der überwiegenden Kostentragung und einem sich daraus allenfalls ergebenden Anspruch auf (angepasste) Differenzzahlungen war die hier strittige Hauptfrage der Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf die Kinderabsetzbeträge verbunden. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Judikatur wäre dementsprechend die Un-/Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Auszahlungen (dem Grunde und der Höhe nach) für den Streitzeitraum zu beurteilen gewesen.

Die Frage der überwiegenden Kostentragung wäre im Übrigen auch im Hinblick auf allenfalls zustehende Folgeansprüche betreffend (angepasste) Familienbeihilfe und (angepassten) Kinderabsetzbetrag und einer möglichen Anrechnung auf solche von Bedeutung, wobei zwischenzeitige Auszahlungen an die Mutter und allfällige gegenseitige Verzichtserklärungen zu berücksichtigen wären (es gebühren Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ein Kind monatsbezogen immer nur einer Person).

Zur abschließenden Beurteilung des hier strittigen Rückforderungsanspruchs hinsichtlich der ausbezahlten Kinderabsetzbeträge werden für den vorliegenden Streitzeitraum (Juni 2018 bis Mai 2020) die tatsächlichen Unterhaltskosten für das Kind, beinhaltend die für das Kind entstandenen Kosten der Verpflegung, Wohnung, des persönlichen Bedarfs wie Kleidung, Taschengeld etc zu ermitteln und den vom Bf belegmäßig nachzuweisenden, dh tatsachlich von ihm für sein Kind getragenen Unterhaltsbeträgen gegenüber zu stellen sein (vgl. die Angaben des Bf im Überprüfungsschreiben wie oben).

Gegenseitige Verzichtserklärungen des Bf und/oder der Kindesmutter wären schriftlich oder zur Niederschrift abzugeben.

Der Aufhebung des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages war aus den angeführten Gründen der Vorzug vor einer Sachentscheidung mit jeweils vorheriger Einholung von Stellungnahmen der Parteien zu geben, weil auch die Ab- und Verrechnung bestehender Ansprüche der Abgabenbehörde obliegt.

Gleichzeitig wird dem Bf die Gelegenheit gegeben, die Kostentragungsverhältnisse im Hinblick auf ihm daraus allenfalls erwachsene Ansprüche auch betreffend den (vorliegend nicht strittigen) Folgezeitraum im hier erläuterten Sinn vollständig aufzuklären und entsprechend zu belegen oder den Rückforderungsbetrag (Kinderabsetzbetrag € 1.401,60) in Höhe der zu Unrecht ausbezahlten Beträge-soweit nicht mit allenfalls bestehenden oder künftigen Ansprüchen verrechenbar, den gesamten Rückforderungsbetrag - von sich aus an die Abgabenbehörde zurückzuzahlen.

Im Übrigen gilt hinsichtlich des Bezugs bzw. der Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen das Folgende:

Zum Beschwerdevorbringen des Bf., wonach dem Gesetzeswortlaut des § 33 Abs. 3 EStG nichts über zu Recht oder zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zu entnehmen sei und dem Bf. Familienbeihilfe gewährt worden sei, weshalb ihm folglich auch der Kinderabsetzbetrag zustehe, wird Folgendes festgestellt:

Nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 - EStG steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu.

Aus den bereits angeführten Bestimmungen des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich, dass zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zurückzuzahlen ist. Wurde die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen, sind auch die Kinderabsetzbeträge zurückzufordern (vgl. , vgl. weiters die Entscheidung des UVSL , GZ. RV/0535-L/05 UVSS , GZ. RV/0511-S/08, , BFG RV/7104225/2014, , ).

Ausschlaggebend dafür, ob die Rückforderung der ausbezahlten Familienbeihilfe zu Recht erfolgt ist, ist ausschließlich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Familien-beihilfe im Rückforderungszeitraum (hier: Juni 2018 bis Mai 2020) erfüllt waren oder nicht.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa , , ).

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gründe für eine Revision im vorangeführten Sinn sind nicht gegeben.

Wien, am

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