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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2022, RV/5101568/2019

Familienbeihilfenanspruch im Falle des Abbruches des Studiums während des ersten Jahres

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5101568/2019-RS1
Da detaillierte Nachweise im ersten Studienjahr, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert wird, nicht erbracht werden können, gilt für den Bereich der Einrichtungen nach § 3 des Studienförderungsgesetzes die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Im Falle eines Studienabbruchs nach zwei Monaten kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass überhaupt kein Studium betrieben worden sei. Dies wäre nur der Fall, wenn über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vorneherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt wird. Dann läge überhaupt keine Berufsausbildung vor (vgl. ; ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Zangerl-Reiter in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages August 2018 bis Jänner 2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde hinsichtlich der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2018 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bescheide hinsichtlich der Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2018 werden ersatzlos aufgehoben.

Die Beschwerde hinsichtlich der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Zeitraum November 2018 bis Jänner 2019 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die Rückforderung umfasst daher folgende Beträge und Zeiträume:


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Familienbeihilfe
November 2018 bis Jänner 2019
€ 537,90
Kinderabsetzbetrag
November 2018 bis Jänner 2019
€ 175,20

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin gab mit dem Formular Beih 100 vom den Wegfall der Familienbeihilfe ab für ihre Tochter A bekannt.

2. Mit Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beiträge vom wurden die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum August 2018 bis Jänner 2019 für die Tochter A in Höhe von insgesamt € 1.426,20 rückgefordert. Begründend führte das Finanzamt aus, dass Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten und die für einen Beruf ausgebildet würden, hätten. Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, sei eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gelte als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Familienbeihilfenanspruch bestehe nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Dies werde dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes antrete. Trotz Aufforderung sei kein Nachweis über das Studium erbracht worden. Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag stünden daher ab August 2018 nicht zu.

3. Die Beschwerdeführerin brachte am ein Schreiben vom , tituliert als Beschwerde, beim Finanzamt ein und führte in der Begründung aus: "Studium der Tochter A (SV-Nr) ab Oktober bis einschließlich November 2018. Mit Dezember 2018 Arbeitsbeginn. Studium nebenberuflich derzeit noch aufrecht! Ich beantrage daher die Berücksichtigung von beigelegten Unterlagen. Studienbuchblatt, Mitschriften Studium usw."

4. Am wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Bescheid über die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für die Tochter A für den Zeitraum August 2018 bis Jänner 2019 mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Für volljährige Kinder stehe Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 genannten Voraussetzungen zu. Die Tochter A habe im Zeitraum bis ein freiwilliges soziales Jahr absolviert. Im September 2018 habe sich die Tochter an der Universität Wien für das Bachelorstudium Bildungswissenschaften inskribiert. Im Dezember 2018 habe die Tochter zu arbeiten begonnen. Die Beschwerdeführerin habe am das Formular Beih 100 beim Finanzamt eingebracht und den Wegfall der Familienbeihilfe für die Tochter A mit Dezember 2018 angezeigt. Im Rahmen der Beschwerde habe die Beschwerdeführerin sieben Seiten an Vorlesungsmitschriften übermittelt. Sämtliche Vorlesungsmitschriften seien mit Computer geschrieben worden. Drei Seiten seien mit G. D. BiWi bezeichnet und mit dem Datum versehen. Die anderen vier Seiten befassten sich ebenfalls mit dem Inhalt der Vorlesung vom und stammten aber von einem anderen Verfasser. Im Zuge eines Vorhalteverfahrens sei die Beschwerdeführerin im Mai 2019 aufgefordert worden, Anwesenheitsbestätigungen ihrer Tochter A an der Universität Wien vorzulegen. Weiters sei sie aufgefordert worden, einen Studienerfolgsnachweis bis dato - auch negative Antritte bei Prüfungen sollten übermittelt werden - vorzulegen. Sie sei auch ersucht worden bekanntzugeben, wann die Bewerbungsgespräche stattgefunden hätten. In der Vorhaltsbeantwortung hätte die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie leider keine weiteren Unterlagen ihrer Tochter A übermitteln könne. Laut ihren Angaben habe die Tochter an keinen Prüfungen teilgenommen, nachdem diese grundsätzlich immer erst am Semesterende stattfänden. Zu diesem Zeitpunkt wäre ihre Tochter formell noch an der Universität Wien angemeldet, jedoch befände sie sich bereits seit Dezember 2018 im Berufsleben. Als Gründe für den Berufseinstieg habe sie angegeben, dass mehrere Jobangebote vorlägen und die Tochter über ein eigenes Einkommen verfügen wollte.
Das ernsthafte und zielstrebige Bemühen um den Studienerfolg habe im ersten Studienjahr zumindest in der Form eines laufenden Besuches der Studieneinrichtung samt Lehrveranstaltungen, nach außen hin deutlich - beispielsweise durch Vorlage von Teilnahmebestätigungen an Seminaren, Vorlesungsmitschriften, Stundenplan der besuchten Veranstaltungen, eventuell Seminararbeiten etc. - zum Ausdruck zu kommen. Auch der tatsächliche Besuch von Vorlesungen über einen kurzen Zeitraum von 2-3 Monaten könne nicht als Berufsausbildungsmaßnahme im Sinne der Bestimmung des §§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen werden. Das Bachelorstudium Bildungswissenschaften sei von der Tochter A nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben worden. Nach den vorstehenden Ausführungen sei somit beginnend mit Oktober 2018 keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vorgelegen, weshalb auch die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG für den Zeitraum August bis September 2018 nicht zur Anwendung gelangen könne. Da im vorliegenden Fall aus oben genannten Gründen die geforderte gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages nicht vorliege, erweise sich der angefochtene Bescheid sohin als rechtmäßig und wäre daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Es werde auf die Ausführungen in der Beschwerde und die nachfolgenden Ausführungen verwiesen. Im Rahmen der Beschwerde seien mehrfach Gespräche (persönlich und telefonisch) mit Sachbearbeitern der Behörde betreffend diese Angelegenheit geführt worden. Dabei seien die Argumente, welche die ordnungsgemäße Inanspruchnahme der oben angeführten Beträge rechtfertigten, vorgebracht worden. Ergänzend dazu sei seitens des Finanzamtes eine schriftliche Aufforderung zur Vorlage weiterer Unterlagen erfolgt. Nach einem weiteren sehr ausführlichen telefonischen Gespräch mit der Sachbearbeiterin im Finanzamt seien diverse Unterlagen vorgelegt worden. Auch sei die Beschwerdeführerin der Meinung gewesen, das erklärende Telefonat und die übermittelten Unterlagen würden für die Erledigung der Beschwerde ausreichend sein. Nun habe sie erfahren müssen, es sei bedauerlicherweise für das Finanzamt zu wenig gewesen, weshalb ihre Beschwerde nun vorerst abgelehnt worden sei.
Natürlich sei sowohl im Antrag als auch im Telefonat erwähnt worden, dass die Tochter A mit Dezember 2018 eine Arbeitsstelle als Kindergartenpädagogin angenommen habe und dieses Beschäftigungsverhältnis auch rechtzeitig an das Finanzamt gemeldet worden sei, um dadurch keinen unrechtmäßigen Bezug der Leistungen zu erhalten.
Nachdem dieses telefonische Gespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin und die Vorlage diverser Unterlagen wider Erwarten nicht ausreichend seien, werde nachfolgende ergänzende Stellungnahme abgegeben. Dazu würden auch weitere Unterlagen (die von der Tochter doch noch gefunden worden seien) zur nochmaligen Untermauerung eines rechtmäßigen Anspruches übermittelt. Es würden weitere Unterlagen in Form von 39 Blättern (insgesamt 77 Seiten), welche im Zuge des Universitätsstudiums von der Tochter A elektronisch angefertigt oder handschriftlich geschrieben worden seien, vorgelegt. Die Verzögerung der eigenen schriftlichen Unterlagen der Tochter habe sich aus dem Grund ergeben, dass sie vorerst glaubte, kaum mehr Unterlagen vom Studium zu besitzen und Unterlagen in gespeicherter elektronischer Form ausreichend seien. Eine neuerliche gewissenhafte Suche ihrerseits habe nunmehr dieses Ergebnis erbracht. Zu der Anmerkung "G.D.BiWi" werde angeführt, dass sämtliche der bereits damals und der hier vorgelegten Unterlagen von A stammten und die Abkürzung (zeitsparend) den folgenden ausgeschriebenen Wortlaut bedeutete: "Grundlagen der Bildungswissenschaften".
Das ernsthafte und zielstrebige Bemühen um den Studienerfolg sei bei ihrer Tochter A sehr wohl da gewesen. Die Beschwerdeführerin finde es eigentlich bedauerlich, dass eine Behörde von keinem ernsthaften und zielstrebigen Bemühen ausgehe, sobald Studentinnen nach sorgsamer Überlegung und Besprechung mit den Eltern einen anderen Weg einschlagen und im Laufe des Studiums beschließen eine Arbeit zu beginnen. Hätte die Absicht der Tochter bestanden, kein Studium ernsthaft zu beginnen, hätte sie von Anfang an bzw. spätestens nach Abschluss des sozialen Jahres mit der Arbeit begonnen. Stellenangebote an Kindergartenpädagoginnen seien österreichweit genügend vorhanden. Jedoch könne davon ausgegangen werden, dass die Tochter gerade deswegen an der Universität Wien inskribierte, weil sie ein zielstrebiges Interesse an einem Studium gehabt habe. Dass es schlussendlich vorerst zu einer Studienunterbrechung gekommen sei, habe wahrlich niemand voraussehen können. Grundsätzlich gehe man davon aus und treffe dies auch auf die Tochter zu, dass eine Anmeldung an einer Universität gerade ja deswegen erfolge, weil man studieren möchte. Die Ernsthaftigkeit der Tochter lasse sich aus der Anmeldung an der Universität und am Besuch des Studiums der Bildungswissenschaften über einen längeren Zeitraum erkennen. Die Beschwerdeführerin ersuche die Behörde, bei ihrer Entscheidung sämtliche Einwände zu berücksichtigen und ihre Beschwerde als ausreichend begründet positiv zu erledigen. Sie sehe nicht ein, für ihr stets korrektes Verhalten bestraft zu werden und dadurch einen erheblichen finanziellen Nachteil zu erleiden.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der gegenständliche Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter gemäß § 9 Abs 9 BFGG abgenommen und der Gerichtsabteilung 6004 zugewiesen.

7. Mit Beschluss vom wurde der Bf. vom Bundesfinanzgericht die Behebung der Mängel der Beschwerde aufgetragen, da der Bescheidbeschwerde die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet, die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, und die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, fehlen. Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , führt die Beschwerdeführerin aus, die Beschwerde vom richte sich gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom . Das von ihr verwendete Beschwerdeformular sei ihr vom Finanzamt zur Verfügung gestellt worden. Der Bescheid werde voll angefochten und sie beantrage die Aufhebung des Rückforderungsbescheides.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. An die Beschwerdeführerin wurde im Beschwerdezeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ihre Tochter A ausbezahlt.

2. Die Tochter hat von bis einen Freiwilligen Dienst absolviert.

3. Im Wintersemester 2018/2019 war die Tochter an der Universität Wien im Bachelorstudium Bildungswissenschaft als ordentliche Hörerin inskribiert (siehe Studienzeitbestätigung vom ).

4. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat zu Beginn ihres Studiums beabsichtigt, das Studium Bildungswissenschaften an der Universität Wien zu betreiben.

Sie hat im Oktober 2018 Aktivitäten in Richtung eines Studiums gesetzt.

Für den Monat November 2018 hat die Tochter der Beschwerdeführerin keine Aktivitäten in Richtung eines Studiums nachgewiesen.

5. Ab hat die Tochter bei der XX Vollzeit gearbeitet (siehe Lohnzettel für Dezember 2018 und das Jahr 2019).

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, ihre Tochter habe sich Ende November 2018 im Kindergarten beworben und unmittelbar darauf eine Jobzusage bekommen (siehe Vorhaltsbeantwortung vom ). Zudem habe die Tochter der Beschwerdeführerin mehrere Jobangebote gehabt (siehe Mail des Ehegatten der Beschwerdeführerin an das Finanzamt vom ).

Seit Jahren herrscht in Österreich Personalmangel in den Kindergärten (vgl. Parlamentskorrespondenz Nr. 36 vom unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0036/, abgefragt am ). Insofern ist es für das Bundesfinanzgericht glaubwürdig, dass die Tochter der Beschwerdeführerin erst Ende November 2018 begonnen hat, sich im Kindergarten zu bewerben. Daraufhin hat sie sofort (zumindest) eine Zusage bekommen. Somit erfolgte der Studienabbruch der Tochter der Beschwerdeführerin spätestens Ende November 2018.

Für das Bundesfinanzgericht ist es auch glaubwürdig, dass sich die Tochter der Beschwerdeführerin erst nach mehreren Wochen Studium entscheiden hat, sich doch eine Arbeit zu suchen und das Studium aufzugeben (siehe Vorlageantrag vom ). Nach Absolvierung einer Studieneingangsphase konnte sich die Tochter der Beschwerdeführerin einen Eindruck von Inhalt und Ablauf des Studiums Bildungswissenschaften an der Universität Wien verschaffen. Sodann hat sie die Entscheidung getroffen, dass sie doch arbeiten gehen möchte. Zudem hätte die Tochter bei einer Bewerbung vor November 2018 aufgrund des Personalmangels in den Kindergärten wahrscheinlich bereits früher eine Jobzusage erhalten.

2. Bei Begünstigungstatbeständen tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (). Die Beweislast für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe begründen, hat die Antragstellerin (vgl. ; ).

Für das Wintersemester 2018/2019 hat die Tochter geplant, Vorlesungen im Umfang von 30 ETCS zu besuchen; das waren "BM1 Grundlagen der Bildungswissenschaften" (montags 13:15-14:45), "BM3 Praxisfelder der Bildungswissenschaften - Medienpädagogik" (mittwochs 15:00-16:30), "BM3 Praxisfelder der Bildungswissenschaften - Zur Relevanz psychoanalytischer Entwicklungstheorien für ausgewählte Praxisfelder" (donnerstags 13:15-14:45) und "BM2 Bildung, Individuum und Gesellschaft" (freitags 11:30-13:00; siehe Semesterplan vom ).

Im Oktober 2018 hat die Tochter zumindest die Vorlesungen "Grundlagen der Bildungswissenschaften" und "Bildung, Individuum und Gesellschaft" besucht. Dies ergibt sich aufgrund der vorgelegten handschriftlichen Mitschriften vom und vom .

Vorgelegt wurden auch Präsentationen zur Vorlesung "Grundlagen der Bildungswissenschaften", die mit handschriftlichen Vermerken versehen sind. Wann diese Vorlesung stattgefunden hat, ist auf den Folien nicht vermerkt. Aus der ersten Folie ergibt sich lediglich, dass sie im Wintersemester 2018 abgehalten wurde.

Für den Monat November 2018 behauptet die Beschwerdeführerin, ihre Tochter habe noch studiert und legt mit Vorhaltsbeantwortung vom weitere Präsentationen zur Vorlesung "Grundlagen der Bildungswissenschaft" vor. Dabei handelt es sich um ausgedruckte Power-Point-Folien, aus denen wiederum lediglich hervorgeht, dass es sich um Unterlagen aus dem Wintersemester 2018 handelt. Auf den Ausdrucken sind keine handschriftlichen Vermerke oder sonstige Markierungen ersichtlich. Wann die entsprechenden Vorlesungen stattgefunden haben und ob diese von der Tochter der Beschwerdeführerin auch tatsächlich besucht wurden, ergibt sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes daraus nicht.

3. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin in der Vorhaltsbeantwortung vom namentlich genannten Mitstudenten ist festzuhalten, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) in Beweisanträgen das Beweismittel, das Beweisthema und im Falle von Zeugen auch deren Adresse anzugeben ist (vgl. ). Das Begehren der Beschwerdeführerin genügt diesen Anforderungen nicht.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

1. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteienerklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d. h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. die bei Ritz/Koran, BAO7, Tz 1 zu § 85 zitierte hg. Rechtsprechung). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt ().

Im Zuge der Mängelbehebung legte die Beschwerdeführerin dar, dass mit der Beschwerde vom der Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beiträge Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind A für den Zeitraum August 2018 bis Jänner 2019 vom angefochten wird. Auch wenn in dem von der Beschwerdeführerin verwendeten Formular des Finanzamtes die Bezeichnung "Einkommensteuerbescheid 20 __ __ vom ___________" enthalten ist, so wurden diese Teile des Formulars von der Beschwerdeführerin nicht befüllt. Aus der Zusammenschau mit der Begründung der Beschwerde und der Aktenlage (im Jänner 2019 ist kein Einkommensteuerbescheid an die Beschwerdeführerin ergangen) ist die Beschwerde demnach gegen den oben genannten Rückforderungsbescheid gerichtet.

Auch das Finanzamt zweifelte nicht daran, dass die Beschwerde gegen diesen Bescheid gerichtet war, sie erließ - ohne Ergehen eines Mängelbehebungsauftrages - eine entsprechende Beschwerdevorentscheidung.

2. Gemäß § 2 Abs. 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit e FLAG 1967 haben oben genannte Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs 1 lit. l sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs 1 lit. l sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird.

3. Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Daraus ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl etwa ; ; ).

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl ; ).

Subjektive Momente, wie Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl etwa ; ). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl etwa ; ).

Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl ; ; ;).

Der Rückforderungsbescheid ist ein Sammelbescheid und zwar sowohl hinsichtlich der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages als auch hinsichtlich der Zeiträume, für die zurückgefordert wird. Die Rückforderung an Familienbeihilfe ist ebenso wie die Rückforderung des Kinderabsetzbetrages gesondert anfechtbar, eine Rechtsmittelentscheidung kann auch nur hinsichtlich Familienbeihilfe oder hinsichtlich Kinderabsetzbetrag ergehen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 26, Rz 11).

4. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG 1967 anzuwenden.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/16/0033, ausgesprochen, dass die Bestimmung "Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr" auf das Erfordernis eines Studiennachweises, der für das erste Studienjahr bei einer im Familienbeihilfenrecht grundsätzlich anzustellenden ex-ante-Betrachtung nicht erbracht werden könne, und sich somit (nur) auf die Definition beziehe, wann ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Ein Studienfortgang setze aber voraus, dass ein Studium überhaupt betrieben werde. Der Entfall eines Kriteriums für den Studienfortgang im ersten Studienjahr ("Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung" arg. "gilt", Fiktion des Studienfortganges), lasse das Erfordernis, dass ein Studium überhaupt betrieben wird, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, unberührt.
Die Familienbeihilfe werde zwar monatlich gewährt und die Anspruchsvoraussetzungen müssen zwar für jeden Kalendermonat vorliegen, doch sei es im Hinblick auf die akademische Freiheit, ein Studium und den Studienfortgang völlig frei zu bestimmen, nicht erforderlich, über den pauschalierten Erfolgsnachweis hinaus, der eben im ersten Studienjahr ex-ante nicht erbracht werden könne, detaillierte Nachweise zu erbringen, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert werde.
Nur in bestimmten Fällen können solche Fragen ausschlaggebend sein. So sei es etwa im Falle eines Studienabbruchs durchaus möglich, aber auch nicht zwingend, dass dieser Studienabbruch nicht zum Ende eines Studienjahres oder eines Semesters erfolge. Ein weiterer solcher Fall läge vor, wenn über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vorneherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt werde. Dann läge auch noch keine Berufsausbildung vor.

6. Der Umstand, dass die Tochter der Beschwerdeführerin zufolge der Wirksamkeit der Meldung für das (gesamte) Wintersemester 2018/2019 bis zum Ende der Nachfrist weiterhin Angehörige der Universität war, erlaubt dann die Annahme einer Berufsausbildung des Kindes bis zu diesem Zeitpunkt, sofern nicht Anhaltspunkte festgestellt werden, dass der Studienabbruch früher erfolgt ist ().

Im Umkehrschluss heißt das, dass, wenn der Studienabbruch während des Semesters erfolgt, detaillierte Nachweise für jeden Monat zu erbringen sind, ob und wie studiert wurde. Und diese werden auch deshalb benötigt um nachzuweisen, dass ein Studium (überhaupt) betrieben wurde.

7. Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass die Tochter der Beschwerdeführerin das Studium im Oktober 2018 tatsächlich betrieben hat und somit die Voraussetzungen für einen Familienbeihilfenanspruch erfüllt sind. Ende November hat die Tochter begonnen, sich im Kindergarten zu bewerben. Somit steht die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag jedenfalls ab Dezember 2018 nicht mehr zu.

Zu prüfen ist daher, ob für den Monat November Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zustehen. Festgestellt wurde, dass der Studienabbruch spätestens Ende November erfolgt ist. Jedoch wurde im November keine Aktivität in Richtung eines Studiums nachgewiesen. Somit stehen Familienbeihilfe und Kinderansetzbetrag auch für November 2018 nicht zu.

Für den Monat August und September 2018 steht die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag zu, da die Berufsausbildung (das Studium der Bildungswissenschaften) zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Freiwilligen Dienstes begonnen wurde (§ 2 Abs. 1 lit e FLAG 1967).

Die Rückforderung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge war im Hinblick auf § 10 Abs. 2 FLAG 1967, wonach die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt wird, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden und mit Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt, erlischt, auf die Monate November 2018 bis Jänner 2019 einzuschränken.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH ausreichend beantwortet sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101568.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at