§ 283 BAO: Keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch eine Textstelle einer „Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe“
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache N.N., Adr.Bf., über die Maßnahmenbeschwerde gemäß § 283 Bundesabgabenordnung (BAO) vom wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt des Finanzamtes Österreich durch eine Textstelle derMitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe 03.2020-12.2021 vom , Steuernummer xxx, beschlossen:
Die Maßnahmenbeschwerde wird gemäß § 283 Abs. 4 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung
VERFAHRENSGANG:
Beim Bundesfinanzgericht langte am ein mit datierte als "Maßnahmenbeschwerde wegen individuell geforderten Aufenthaltsnachweis" bezeichnetes Schreiben ein.
Der mit der Maßnahmenbeschwerde angefochtene Verwaltungsakt wurde vom Beschwerdeführer (Bf.) wie folgt beschrieben:
Am habe der Bf. nach längerem hin und her nach Monaten endlich die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe für den Zeitraum bis Dezember 2021 erhalten. In dem Schreiben werde angeführt, dass zukünftige Ansprüche erst nach Vorlage von Nachweisen für den Aufenthalt gewährt werde, da in Hinblick auf die Doppelresidenz des Sohnes eine erhöhte Nachweispflicht bestehe. Am habe er aufgrund der unüblichen Aufforderung und in seinem Fall sehr individuellen Maßnahme einen Brief an das Finanzamt geschrieben und um eine rechtliche Stellungnahme gebeten. Auch habe der Bf. gleich weitere stichhaltige Nachweise für den Aufenthalt im Dezember beigelegt und bekanntgegeben, dass eine weitere Untersuchung im Januar 2022 geplant sei. Auch habe er seine Bedenken geäußert, dass diese geforderten Nachweise zum einen auf keiner Rechtsgrundlage beruhten und ihm kein Nachweis im Voraus möglich sei, um seine künftigen Ansprüche vorab geltend zu machen. Auch habe er geäußert, dass andere Ansprüche vom laufenden Bezug der Familienbeihilfe abhängig seien.
Wenn ein Verwaltungsorgan in Vollziehung der verwaltungsrechtlichen Gesetze einen individuellen Befehl ausspreche oder gegen eine Person individuell Zwang ausübe, so handle es sich um einen sogenannten Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Auch sehe der Bf. in diesem Fall die Prüfung des Aufenthalts im Nachhinein als sinnvoller, da andere Ansprüche vom laufenden Bezug der Familienbeihilfe abhängig seien und Ansprüche erst gar nicht in Anträge gestellt, bzw. dann nicht entsprechend berücksichtigt werden könnten. Wie bereits damals in seinem Schreiben angeführt, sei eine Rückkehr aufgrund des Coronavirus vorerst nicht geplant, wie der Aufenthalt seines Sohnes nun auf das Jahr gesehen weiter aussehen werde und wann die Schule im Ausland für den Abschluss der 11.Klasse (für Staatsexamen) weiter besucht werde sei ihm nicht bekannt, auch könne es sein, dass er noch dieses Jahr eine Lehre beginne.
Da es sich in dem speziellen Fall um eine rechtlich unübliche Maßnahme (Familienbeihilfe werde grundsätzlich im Voraus und in der Regel bis zum 18 Lebensjahr gewährt) und es sich in diesem Fall vom Finanzamt zudem um eine klare Forderung eines nicht vorab erbringbaren Aufenthaltsnachweis für künftige Ansprüche handle, es auch noch keine entsprechende Judikatur bei der Doppelresidenz und wechselnden Aufenthalten in verschiedenen Staaten gebe, die Maßnahme weiterhin andauere und es für den Bf. bei anderen Ansprüchen unnötige finanzielle Benachteiligungen mit sich bringe, um Rückforderungen zu vermeiden solle er außerdem im eigenen Interesse Änderungen bekanntgeben, möchte der Bf. nun gegen die unnötige Maßnahme eine Beschwerde einreichen, damit diese beendet und künftig rechtlich anders gelöst werde. Der Bf. sehe das Ganze nun als unnötige Schikane und dass er als unbescholtener Bürger nicht mehr glaubwürdig sei und Ansprüche zu Unrecht beziehen wolle.
Dem Schreiben waren als Beilagen angefügt:
- Das Schreiben des Bf. an das Finanzamt Österreich vom , in welchem der Bf. u.a. anfragte, welche Nachweise er erbringen solle, und eine rechtliche Stellungnahme auf welcher Rechtsgrundlage ihm die Familienbeihilfe nicht wie üblich im Voraus gewährt werde, verlangte.
- Die Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom , für den Zeitraum März 2020 bis Dezember 2021. In dieser Mitteilung wird im Absatz vor dem Hinweis die Mitteilung nicht wegzuwerfen ausgeführt: "Zukünftige Ansprüche werden erst nach Vorlage von Nachweisen gewährt, da im Hinblick auf die Doppelresidenz des Sohnes eine erhöhte Nachweispflicht besteht."
- Zwei PCR-Testzertifikate des Sohnes.
- Zwei Besuchsbestätigungen vom LKH-Univ. Klinikum Graz, beide ausgestellt am .
Sachverhalt:
Dem Bf. wurde eine "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe", datiert , zugestellt.
In der Mitteilung wurde der Bf. u.a. darüber informiert, dass für sein Kind Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2020 bis Dezember 2021 gewährt wird. Der Bf. wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass er Tatsachen, die bewirken können, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, und Änderungen der im Antrag des Bf. angeführten Daten umgehend mitzuteilen sind.
Schließlich wurde der Bf. darauf hingewiesen, dass zukünftige Ansprüche erst nach Vorlage von Nachweisen gewährt würden, da im Hinblick auf die Doppelresidenz des Sohnes eine erhöhte Nachweispflicht bestehe.
Im Beschwerdefall sieht der Bf. durch die Textstelle "Zukünftige Ansprüche werden erst nach Vorlage von Nachweisen gewährt, da im Hinblick auf die Doppelresidenz des Sohnes eine erhöhte Nachweispflicht besteht" einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegen.
RECHTSLAGE:
Gemäß § 12 FLAG 1967 hat das Finanzamt Österreich die Verpflichtung, den Antragsteller über den entstandenen Anspruch auf Bezug der Familienbeihilfe sowie die/den Bezieherin/Bezieher der Familienbeihilfe über die bevorstehende Einstellung der Auszahlung der Familienbeihilfe durch Zusendung einer Mitteilung zu informieren.
Nach § 13 FLAG 1967 ist ein Bescheid zu erlassen, soweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.
Eine Bescheiderlassung ist somit dann vorgesehen, wenn einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird oder eine Rückforderung notwendig ist (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, Hrsg., FLAG, 2. Aufl. 2020, § 26 Rz 3 und 5).
§ 25 FLAG 1967 normiert: "Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, sind verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, beim Finanzamt Österreich zu erfolgen."
Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
§ 283 BAO lautet auszugsweise:
(1) "Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abgabenbehörden kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (Maßnahmenbeschwerde) erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
...
(3) Der angefochtene Verwaltungsakt ist vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis für rechtswidrig zu erklären, wenn die Maßnahmenbeschwerde nicht mit Beschluss bzw. mit Erkenntnis
a) als nicht zulässig oder nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260),
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos zu erklären ist (§ 256 Abs. 3) oder
c) als unbegründet abzuweisen ist."
In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wird die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt folgendermaßen definiert:
"Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als ,Zwangsgewalt', zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von ,Befehlsgewalt' gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist" ( mwN).
Eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt liegt somit nur dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird und wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. Althuber in Althuber/Tanzer/Unger, BAO: Handbuch, § 283 BAO, S. 791).
Diese auch als faktische Amtshandlungen bezeichneten Handlungen, sind solche, die sich nicht auf einen Bescheid stützen, wie zB das Betreten des Hauses und die Nachschau in einigen Zimmern, Festnahmen, die Weigerung, einen Antrag entgegenzunehmen, Beschlagnahmen, Vollstreckungshandlungen ohne vorhergehenden Vollstreckungsauftrag, u. a. (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 283 Rz 6 - 8, mit der dort angeführten höchstgerichtlichen Judikatur).
Die Maßnahmenbeschwerde hat den Zweck festzustellen, ob der gesetzte Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist. Sie ist jedoch lediglich ein subsidiäres Rechtsmittel.
Denn die Regelungen über die Maßnahmenbeschwerde dienen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, wobei die Zulässigkeit dieser Beschwerde insbesondere auch nicht von der (allenfalls längeren) Dauer des sonst zur Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Verwaltungsverfahrens abhängt (vgl. , mwH).
ERWÄGUNGEN:
Der Mitteilung und insbesondere der vom Bf. zur Begründung der Maßnamenbeschwerde herangezogene Abschnitt der Mitteilung vom fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand, welcher als physische "Zwangsgewalt" - wie zB Festnahme, Beschlagnahme oder Hausdurchsuchung -, gesehen werden kann.
In der Mitteilung und der Textstelle, dass für zukünftige Ansprüche Nachweise vorzulegen sind und eine erhöhte Nachweispflicht besteht, ist aber auch kein Verhalten erkennbar, dass als Ausübung von "Befehlsgewalt", gedeutet werden könnte. Denn für einen Befehl fehlt die Androhung einer unverzüglich einsetzenden physischen Sanktion. Ebenso wenig ist aus der Textstelle erkennbar, dass dem Bf. eine Anordnung erteilt wurde, deren Nichterfüllung den unmittelbaren Zwang von irgendetwas nach sich ziehen würde. Es liegt somit gar kein Befehl, sondern vielmehr eine Information der belangten Behörde vor, welche auch eine Belehrung für eine künftige Verfahrenslage enthält. Die Mitteilung einer betreffend dem Bf. gegebenen oder zukünftigen Verfahrenslage bzw. rechtlichen Situation ist aber keine faktische Amtshandlung (vgl. ).
Zudem ist im Fall der Abweisung der Gewährung der Familienbeihilfe eine solche Entscheidung der Behörde in einem Rechtsmittelverfahren mittels Bescheidbeschwerde bekämpfbar, weshalb im gegenständlichen Fall auch die Nachrangigkeit des Rechtsinstrumentes einer Maßnahmenbeschwerde gegenüber dem Bescheidbeschwerdeverfahren der Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde entgegensteht.
Mangels Vorliegens einer faktischen Amtshandlung und der Subsidiarität zum Bescheidbeschwerdeverfahrern war die gegenständliche Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Lediglich ergänzend wird darauf verwiesen, dass durch § 25 FLAG 1967 die gesetzliche Verpflichtung des Familienbeihilfenbeziehers zur Bekanntgabe von bestimmten Tatsachen und Änderungen besteht und der Bezieher der Familienbeihilfe in der an ihn ergangenen Mitteilung informell auf diese Meldepflicht aufmerksam gemacht wird.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 283 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 12 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 25 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RM.2100001.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at