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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.01.2022, RV/7102562/2021

Berechnung der Bemessungsgrundlage für die begünstigte Besteuerung von freiwilligen Abfertigungen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102562/2021-RS1
Für die begünstigte Besteuerung von freiwilligen Abfertigungen stellt § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 auf ein "Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate" vor Beendigung des Dienstverhältnisses ab. Eine Verlängerung oder Verschiebung dieses Zeitraums kommt selbst bei Vorliegen besonderer Umstände nicht in Betracht (siehe ).
RV/7102562/2021-RS2
In die Bemessungsgrundlage für die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigung sind neben den laufenden Bezügen der letzten zwölf Monate des Dienstverhältnisses auch allfällige Krankengeldbezüge (sechs Siebentel) soweit sie lohnsteuerpflichtige Bezüge aus dem beendeten Beschäftigungsverhältnis in den letzten zwölf Monaten ersetzen, einzubeziehen ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Audit Partner Austria Wirtschaftsprüfer GmbH, Wagramer Straße 19, 8. Stock, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen zwei Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

In einem Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung 2017 führte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin (Bf) aus, im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses der Bf mit Ende Juni 2017 sei eine freiwillige Abfertigung in Höhe von 42.000 Euro vereinbart worden. Im Jahreslohnzettel 2017 sei vom Dienstgeber eine falsche Bemessungsgrundlage herangezogen worden (Viertel der laufenden Bezüge: 5.031,19 Euro). Die Bf habe sich ab Juli 2016 in einem längeren Krankenstand befunden. Für die Ermittlung des Viertels der laufenden Bezüge sei von jenem Zeitraum auszugehen, für den letztmalig die vollen laufenden Bezüge angefallen seien, dies sei der Zeitraum April 2015 bis März 2016, wodurch sich für die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigung eine höhere Bemessungsgrundlage ergebe (Viertel der laufenden Bezüge: 11.708,20 Euro). Es werde um Korrektur im Zuge der Veranlagung ersucht.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2017 fest, wobei - abweichend vom Lohnzettel des Arbeitgebers - die Urlaubsersatzleistung bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt wurde, wodurch sich das Viertel der laufenden Bezüge mit 7.306,87 Euro ergab. In der Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, vom Arbeitgeber sei zu Recht der letzte volle laufende Bezug (Juni 2017) der Abfertigungsberechnung zu Grunde gelegt worden. Für die Bf seien im Zeitraum März 2017 bis Juni 2017 wieder die vollen Bezüge angefallen. Von diesem Zeitraum aus zurückgehend seien die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate zu betrachten. Ein "Ausscheiden" von dazwischenliegenden Lohnzahlungszeiträumen ohne bzw. mit vermindertem Entgeltanspruch sei dabei nicht vorgesehen. Ausgehend von dieser Basis seien die laufenden Bezüge für die Besteuerung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 heranzuziehen.

In der Beschwerde vom machte der steuerliche Vertreter insbesondere geltend, die Besteuerung der freiwilligen Abfertigung zu einem überwiegenden Teil mit dem laufenden Lohnsteuertarif stelle insoweit eine Sozialwidrigkeit und soziale Härte dar, als die Bf im Zeitraum Juli 2016 bis Februar 2017 nur Krankengeld erhalten habe, welches wesentlich geringer als ihr laufendes Entgelt gewesen sei. Es sei systematisch nicht nachvollziehbar, warum bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Zeitraum der Krankheit mitberücksichtigt werden sollte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Die Bf verwies im Vorlageantragvom darauf, dass folgende Varianten für die korrekte Berechnung des Viertels der laufenden Bezüge bestünden:

Ermittlung des Viertels auf Basis der letzten zwölf Monate mit vollen Bezügen (August 2015 bis März 2016; März 2017 bis Juni 2017);
Ermittlung des Viertels auf Basis der vollen laufenden Bezüge für die letzten zwölf Monate vor der Entgeltkürzung (April 2015 bis März 2016),
oder Ermittlung auf Basis der steuerpflichtigen Bezüge der letzten zwölf Monate (Krankengeld Juli 2016 bis Februar 2017, Gehalt März 2017 bis Juni 2017).

Hiezu machte die Bf geltend, in die letzten zwölf Monate vor der Beendigung ihres Dienstverhältnisses seien Zeiträume gefallen, die aufgrund von Krankheit für ihren ehemaligen Arbeitgeber entgeltfrei gewesen seien. Die in diesen Zeiten bezogenen Krankengelder seien aber ebenfalls zu versteuern gewesen.

Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde Folge und änderte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid ab (). Für die Versteuerung der freiwilligen Abfertigung wendete das Bundesfinanzgericht die Viertelberechnung auf Basis der letzten zwölf vollen laufenden Bezüge an (Bezüge für August 2015 bis März 2016 und März 2017 bis Juni 2017). Dementsprechend ergab sich für die freiwillige Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 ein begünstigt zu versteuernder Teil von 14.327,50 Euro.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die (ordentliche) Amtsrevision entschieden () und das oa. Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts aufgehoben. Es ist daher im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde neuerlich abzusprechen und sind die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate neu zu berechnen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf war von bis bei der ***1*** nichtselbständig beschäftigt. Im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses hat der Dienstgeber eine gesetzliche Abfertigung ausbezahlt sowie eine freiwillige Abfertigung in Höhe von 42.000 Euro gewährt.

Die Bf hat von 2.1. bis Krankengeld von der Gebietskrankenkasse bezogen. Auch im Jahr 2016 wurde Krankengeld ausbezahlt. Infolge der Krankenstände erhielt die Bf seitens des Dienstgebers in den jeweiligen Monaten entsprechend verringerte bzw gar keine laufenden Bezüge.

In den letzten zwölf Monaten vor Beendigung des Dienstverhältnisses (Juli 2016 - Juni 2017) hat die Bf folgende steuerpflichtige Bezüge erhalten:


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Krankengeld 1.7. -
1.979,57
Krankengeld 26.7. -
4.988,52
Krankengeld 23.11. -
2.296,30
Krankengeld 22.12. -
791,83
Krankengeld 2.1. -
2.692,22
Dienstverhältnis Februar 2017
3.199,70
Dienstverhältnis März 2017
3.999,61
Dienstverhältnis April 2017
3.999,61
Dienstverhältnis Mai 2017
3.999,61
Dienstverhältnis Juni 2017
3.999,61
Dienstverhältnis Überstunden Zuschlag
308,88
Dienstverhältnis Überstunden Grundbezug
617,76
Dienstverhältnis Ersatzleistung Urlaub
9.102,70
Gesamt
41.975,92

2. Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt entspricht der Aktenlage. Die Krankengeld-Bezüge ergeben sich aus den von der Gebietskrankenkasse ausgestellten Lohnzetteln. Die Bezüge aus dem Dienstverhältnis finden sich im Gehaltskonto 2017, das vom Dienstgeber an die Abgabenbehörde übermittelt wurde. Die neue Berechnung der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate wurde von beiden Verfahrensparteien zustimmend zur Kenntnis genommen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 67 Abs. 6 EStG 1988 enthält zwecks steuerlicher Begünstigung von freiwilligen Abfertigungen und Abfindungen u.a. folgende Bestimmung (soweit im vorliegenden Fall von Relevanz):

"Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistung für künftige Lohnzahlungszeiträume), sind nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern:

1. Der Steuersatz von 6% ist auf ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, höchstens aber auf den Betrag anzuwenden, der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG entspricht."

Nach § 69 Abs. 2 EStG 1988 (nach der für 2017 geltenden Fassung) ist bei Auszahlung von Bezügen (u.a.) aus einer gesetzlichen Krankenversicherung 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen. Zur Berücksichtigung der Bezüge im Veranlagungsverfahren ist ein Lohnzettel auszustellen, in welchem ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 auszuweisen ist.

Strittig ist die Berechnung des "Viertels der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate" im Sinne des § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988.

In seinem Erkenntnis () legte der Verwaltungsgerichtshof u.a. folgendes dar:

Ungeachtet der zivilrechtlichen Beurteilung zur Bemessung der gesetzlichen Abfertigung nach § 23 Abs. 1 AngG im Krankheitsfall seien für die Besteuerung von sonstigen Bezügen nach § 67 Abs. 2 EStG 1988 die vom Arbeitgeber zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge maßgeblich (vgl. ).

Auch nach § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 sei ausschließlich auf die Bezüge (wenn auch hier nicht auf die im Kalenderjahr bereits zugeflossenen, sondern) der letzten zwölf Monate abzustellen. Eine Verlängerung oder Verschiebung dieses Zeitraums sehe die Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht vor. Für die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigung seien sohin die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate zu berücksichtigen, da nicht erkennbar sei, dass der - klare - Wortlaut dieser Regelung von der Absicht des Gesetzgebers abweichen würde, auch wenn die Verwaltung dazu eine Abgabepflichtige begünstigende Ansicht vertritt.

Zur Einbeziehung der Krankengelder in die Bemessungsgrundlage führte der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis anschließend aus:

"Im Rahmen der Pflichtveranlagung (§ 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988) werden diese Bezüge (ohne Berücksichtigung des Freibetrages von 30 Euro täglich) der vollen Tarifbesteuerung unterworfen (vgl. Doralt, EStG15, § 69 Tz 21), wobei allerdings ein Siebentel dieser Bezüge als ein Bezug gilt, der mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern war und von dem 6% als Lohnsteuer einbehalten wurde (§ 41 Abs. 4 EStG 1988). Damit wird eine steuerliche Gleichstellung von Bezügen (u.a.) nach § 69 Abs. 2 EStG 1988 mit den lohnsteuerpflichtigen Einkünften, an deren Stelle sie ausbezahlt werden, herbeigeführt (vgl. Jakom/Peyerl EStG, 2021, § 41 Tz 40).

Wenn auch diese Krankengelder bei der Ermittlung des Jahressechstels nach § 67 Abs. 2 EStG 1988 nicht zu berücksichtigen sind, da für die darin enthaltenen sonstigen Bezüge eine entsprechende begünstigte Besteuerung bereits nach § 41 Abs. 4 EStG 1988 vorzunehmen ist, so sind sie im Hinblick auf die Gleichstellung mit den sie ersetzenden lohnsteuerpflichtigen Einkünften (mit sechs Siebentel) wie "laufende Bezüge" iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu behandeln. Soweit diese Krankengeldbezüge (sechs Siebentel) also lohnsteuerpflichtige Bezüge aus dem konkreten, nunmehr beendeten Beschäftigungsverhältnis in den letzten zwölf Monaten ersetzen, sind sie in die Bemessungsgrundlage als Bezüge der letzten zwölf Monate einzubeziehen."

Für die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind somit folgende Bezüge der Bf in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen:

1. die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate des Dienstverhältnisses und

2. Krankengeldbezüge (sechs Siebentel), soweit sie lohnsteuerpflichtige Bezüge aus dem konkreten, nunmehr beendeten Beschäftigungsverhältnis in den letzten zwölf Monaten ersetzen.

Im fortgesetzten Verfahren waren daher auf dieser Grundlage die Bezüge der letzten zwölf Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses neu zu berechnen, wobei sich entsprechend der oben dargestellten Berechnung ein Betrag von 41.975,92 Euro ergab.

Davon ist ein Viertel in Höhe von 10.493,98 Euro gemäß § 67 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 mit 6% (629,64 Euro) zu versteuern. Der restliche Betrag der freiwilligen Abfertigung von 31.506,02 Euro (42.000 - 10.493,98) ist zum laufenden Tarif zu versteuern.

Der angefochtene Bescheid war daher abzuändern.

Der Vollständigkeit halber ist hinsichtlich der E-Mail-Nachricht des steuerlichen Vertreters vom bezüglich der erforderlichen Neuberechnung des Selbstbehaltes für die außergewöhnliche Belastung anzumerken, dass die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG zu erhöhen sind (KZ 220 abzüglich KZ 225 des Lohnzettels) (vgl. Peyerl in JAKOM, EStG 2021, § 34 Tz 52).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision unzulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht folgt dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102562.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at