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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2022, RV/3100401/2021

Geschäftsführerhaftung: Quotenermittlung iZm Gläubigergleichbehandlung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Klaudia Obmascher in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes A (nunmehr: Finanzamtes Österreich ) vom betreffend Haftungsbescheid gem. § 9 BAO, St.Nr. Bf_StNr, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Haftungssumme wird mit € 6.448,20 festgesetzt.

Wie sich der Haftungsbetrag zusammensetzt, ist dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen, welches einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses darstellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf) als Geschäftsführer der Primärschuldnerin P GmbH zur Haftung gem. § 9 BAO für offene Abgabenschulden iHv € 32.658,51 herangezogen. Die haftungsgegenständlichen Abgaben wurden im Zeitraum bis fällig. Von den zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme aushaftenden Abgabenschuldigkeiten wurde jeweils die Sanierungsquote iHv 33,5 % abgezogen; weiters wurde der Haftungsbetrag im Ermessen infolge des bis zur Haftungsinanspruchnahme verstrichenen Zeitraumes von 5,75 Jahren seit Feststehen der Uneinbringlichkeit um 50 % reduziert.

Vor Erlassung des Haftungsbescheides war der Bf mit Vorhalt vom dazu aufgefordert worden, das Fehlen einer schuldhaften Verletzung seiner Vertreterpflichten an der Entrichtung von Abgaben (Lohnsteuern, Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zum DB, Körperschaftsteuer, Kammerumlage, Stundungszinsen und Säumniszuschläge) iHv insgesamt € 178.011,09 nachzuweisen. Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet. Aktenkundig ist lediglich eine persönliche Vorsprache des Bf, anlässlich welcher Buchhaltungsunterlagen (Saldenlisten, Außenstandslisten Lieferanten) vorgelegt wurden.

2. Die Beschwerde wurde am nach dreimaligem Ersuchen um Fristerstreckung rechtzeitig eingebracht, wobei das letzte Ersuchen mit Bescheid vom , zugestellt am , abgewiesen wurde.

Die Begründung zur Beschwerde wurde in Beantwortung eines entsprechenden Mängelbehebungsauftrages am nachgereicht. Die Beschwerde stützt sich im Wesentlichen darauf, dass den Bf kein Verschulden an der Nicht-Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben treffe. Der Rückstand auf dem Abgabenkonto der primärschuldnerischen GmbH habe sich im Haftungszeitraum insgesamt reduziert; die laufenden Abgaben seien im geleisteten Zahlungsbetrag enthalten und bestünden daher keine offenen Abgabenschuldigkeiten aus den im bekämpften Bescheid angeführten Abgaben. Ebensowenig seien die für den betreffenden Zeitraum verhängten Säumniszuschläge und Stundungszinsen gerechtfertigt. Die Zahlungen auf das Abgabenkonto der Primärschuldnerin seien in Absprache mit dem Finanzamt ohne Verrechnungsweisung erfolgt.

Der Beschwerde beigelegt war eine Aufstellung der von der Primärschuldnerin im Zeitraum Jänner 2013 bis Juli 2014 geleisteten Zahlungen.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

4. Der Vorlageantrag wurde am ohne weiteres Vorbringen eingebracht.

5. Im Vorlagebericht vom wurde neben dem nicht erfolgten Nachweis der Gläubigergleichbehandlung ausgeführt, dass ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung, sprich Verrechnung von Zahlungen auf Abgabenrückstände, nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens sei. Es wurde eine teilweise Stattgabe im Umfang eines erst nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig gewordenen Säumniszuschlags, im Übrigen die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Sachverhalt

1. Der Bf ist seit der Gründung der P GmbH im Oktober 1995 als deren alleiniger Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen.

2. Mit Beschluss des Landesgerichtes A vom wurde über das Vermögen der GmbH das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes A vom , veröffentlicht in der Insolvenzdatei am , wurde der Sanierungsplan bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. Der Sanierungsplan sah vor, dass die Insolvenzgläubiger 33,5 % der anerkannten Forderungen, zahlbar in 7 gleichen quartalsmäßigen Raten zu je 1,7 % binnen 21 Monaten ab Annahme des Sanierungsplanes erhalten sollten; die restlichen 21,6 % sollten binnen 24 Monaten ab Annahme des Sanierungsplanes entrichtet werden.

3. Vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens war der Bf als Geschäftsführer der Primärschuldnerin infolge hoher Abgabenrückstände in regelmäßigem Kontakt zum zuständigen Team Abgabensicherung beim Finanzamt A. Darüber hinaus sind im haftungsrelevanten Zeitraum mehrere Zahlungserleichterungsansuchen eingebracht worden.

Zu Beginn des Jahres 2013 belief sich der Rückstand auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin auf rund 1,2 Mio. Euro. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Sanierungsverfahrens betrug der Rückstand € 737.155,64. Die Reduktion des Rückstandes auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin resultierte, neben sonstigen Gutschriften wie zB solchen aus Umsatzsteuervoranmeldungen, aus im Haftungszeitraum eingegangenen Zahlungen, nämlich VMA-Zahlungen, Ratenzahlungen aufgrund der vom Finanzamt gewährten Zahlungserleichterungen, und anderen Zahlungen, für welche teilweise Verrechnungsweisungen gem. § 214 Abs. 4 BAO erteilt wurden. Soweit Verrechnungsweisungen erteilt worden waren, erfolgte die Verrechnung weisungsgemäß auf die angegebenen Abgaben.

Verrechnungsweisungen, gemäß welcher eine Abstattung der haftungsgegenständlichen Abgaben stattfinden hätte sollen, konnten nicht festgestellt werden.

Die haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben (Dienstgeberbeiträge, Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag sowie Kammerumlagen) wurden somit jeweils zu den Fälligkeitstagen zwar gemeldet, aber, ebenso wie die haftungsgegenständlichen, mit Bescheiden festgesetzten Abgaben (Körperschaftsteuervorauszahlungen, Säumniszuschläge und Stundungszinsen) nicht entrichtet, da Zahlungen ohne Verrechnungsweisungen, VMA-Zahlungen und sonstige Gutschriften entsprechend der allgemeinen Verrechnungsvorschrift des § 214 Abs. 1 BAO auf die ältesten fälligen Abgabenschuldigkeiten verrechnet wurden.

4. Eine Benachteiligung des Abgabengläubigers hat im Haftungszeitraum im Ausmaß von 19,95 % stattgefunden.

III. Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

2. Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung, dh ihre Geltendmachung setzt die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben beim Primärschuldner voraus. Eine solche Uneinbringlichkeit ist regelmäßig für den die Insolvenz- bzw. Sanierungsquote übersteigenden Teil der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten nach Aufhebung des Insolvenz- bzw. Sanierungsverfahrens anzunehmen (Ritz/Koran, BAO7, § 9 Tz 5f mwN).

3. Weitere Voraussetzung für die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO ist, dass die Abgaben beim Primärschuldner infolge schuldhafter Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter nicht eingebracht werden können. Zu diesen Pflichten zählt insbesondere die Pflicht zur Abgabenentrichtung aus den zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln. Reichen die zur Verfügung stehenden Mittel zur vollständigen Entrichtung der Verbindlichkeiten nicht aus, so dürfen Abgabenschuldigkeiten bei der Entrichtung nicht schlechter behandelt werden als die übrigen Schulden, brauchen jedoch auch nicht bevorzugt befriedigt zu werden (Gleichbehandlungsgrundsatz; Ritz/Koran, BAO7, § 9 Tz 9ff mwN).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, ist vom Vertreter zu erbringen. Ihn trifft auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrags, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 9 Rz 17 mwN). Der Vertreter hat für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen, etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken ().

Gläubigergleichbehandlung liegt nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/08/0227, dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, unter Einschluss der Abgabenverbindlichkeiten (allgemeine Zahlungsquote) dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Zahlungen auf die Abgabenverbindlichkeiten zu den insgesamt fälligen Abgabenverbindlichkeiten (Abgabenzahlungsquote) entspricht. Unterschreitet die Abgabenzahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung, hier also eine Benachteiligung des Abgabengläubigers vor. Es ist sodann der Haftungsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass das Verhältnis der Summe aus Abgabenzahlungen und Haftungsbetrag zu den insgesamt fälligen Abgabenverbindlichkeiten der allgemeinen Zahlungsquote entspricht. Zur Berechnung des Haftungsbetrags ist die Differenz aus allgemeiner Zahlungsquote und Abgabenzahlungsquote mit dem Betrag der insgesamt im Beurteilungszeitraum fälligen Abgabenverbindlichkeiten zu multiplizieren bzw. ist - als gleichwertige Methode - die allgemeine Zahlungsquote mit dem Betrag der insgesamt im Beurteilungszeitraum fälligen Abgabenverbindlichkeiten zu multiplizieren und sind von diesem Produkt die tatsächlichen Zahlungen auf die Abgabenverbindlichkeiten abzuziehen.

4.1. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass im Haftungszeitraum eine Reduktion des Gesamtrückstandes erfolgt sei. Laut der der Beschwerde beigeschlossenen Aufstellung über die im Haftungszeitraum geleisteten Zahlungen sei eine Überbefriedigung des Abgabengläubigers (128,30 %) erfolgt. Diese Berechnung ließ den zu Beginn des Haftungszeitraumes auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin aushaftenden Rückstand iHv rd. € 1 Mio. außer Acht. Wie in der Beschwerdevorentscheidung unter Bezugnahme auf die im vorherigen Absatz zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt, reduzierte sich die Abgabentilgungsquote bei Berücksichtigung dieser zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fälligen Abgabenverbindlichkeiten auf 45,10 %.

Den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung wurde im Vorlageantrag nichts entgegengesetzt. Die mit der Beschwerde vorgelegte Auflistung von Zahlungen im Haftungszeitraum lässt folgenden Berechnungsweg erkennen: Die im Haftungszeitraum an den jeweiligen Gläubiger geleisteten Zahlungen wurden mit den vom jeweiligen Gläubiger angemeldeten Insolvenzforderungen addiert und daraus die jeweilige Zahlungsquote ermittelt. Aus der Aufstellung waren auf diese Art errechnete Quoten zwischen 3,5 % und 98 % ersichtlich. Eine solche Quotenberechnung war jedoch bei weitem nicht für alle in der Aufstellung aufgelisteten Gläubiger erfolgt, die im Haftungszeitraum Zahlungen erhalten hatten. Ebenso fehlten in der Aufstellung zahlreiche Gläubiger, welche laut Anmeldungsverzeichnis Insolvenzforderungen im Sanierungsverfahren angemeldet hatten. Eine Gesamttilgungsquote, welche in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sodann der Abgabentilgungsquote gegenübergestellt werden hätte können, war aus der vorgelegten Aufstellung nicht ermittelbar.

4.2. In der Beschwerdevorentscheidung wurde ausdrücklich festgehalten, dass es dem Bf oblegen wäre, eine Gesamttilgungsquote zu berechnen und der Abgabentilgungsquote gegenüberzustellen, um auf diese Weise entweder den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, oder um die Differenzquote nachzuweisen, in deren Höhe eine Schlechterstellung des Abgabengläubigers vorlag. Ebenso wurde, unter Verweis auf die Zulässigkeit einer Zeitraumbetrachtung, ausführlich dargetan, wie die Quotenberechnung zu erfolgen habe. Auf die Vorhaltewirkung einer Beschwerdevorentscheidung darf in diesem Zusammenhang verwiesen werden.

4.3. Wie bereits erwähnt, erfolgte im Vorlageantrag kein weiteres Vorbringen, insbesondere wurde nicht einmal der Versuch unternommen, einen nachvollziehbaren Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen.

Jedoch wurde dem Bf mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom unter ausdrücklichem Verweis auf die in der Beschwerdevorentscheidung ausführlich dargestellte Vorgehensweise bei der Berechnung von Zahlungsquoten iZm dem Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nochmals die Gelegenheit eingeräumt, diesen Nachweis anzutreten.

Nach mehrfacher Fristerstreckung wurde vom steuerlichen Vertreter des Bf am zur Bestimmung einer plausiblen allgemeinen Zahlungsquote eine Annäherungsrechung auf Grundlage von - der Berechnung beigelegten - Finanzreporten sowie Erfolgsvergleichen 2013 und 01-07/2014 und der daraus ersichtlichen Verbindlichkeiten vorgelegt. Eine näher erläuterte Quotenberechnung ergab eine allgemeine Zahlungsquote von 65,05 %. Die von der Abgabenbehörde ermittelte Abgabenzahlungsquote im Haftungszeitraum iHv 45,10 % wurde als gegeben betrachtet.

Die dargetane Quotenberechnung ist grundsätzlich plausibel und durch die beigelegten Unterlagen nachvollziehbar. Dennoch sei darauf verwiesen, dass den Bf als Vertreter iSd § 80 BAO grundsätzlich eine Beweisvorsorgepflicht getroffen hätte (vgl. zB ).

4.4. Unter Hinweis auf , wurde ersucht, den Bf nur mehr für die ermittelte Differenzquote von 19,95 % unter Beibehaltung der von der Abgabenbehörde im Ermessen erfolgten Einschränkung des Haftungsbetrages zur Haftung heranzuziehen.

In der zitierten Entscheidung hält der Verwaltungsgerichtshof Folgendes fest: Es ist zu berücksichtigen, dass Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden dürfen, was sowohl für die laufende Neuberechnung der Quote im Rahmen der Vertretungstätigkeit als auch für die Mitwirkung an ihrer nachträglichen Feststellung von Bedeutung sein und unter Umständen auch eine überschlägige Ermittlung der Quote erfordern kann. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass die Behörde nicht gehalten ist, im Wege einer Schätzung auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung zu schließen, wenn kein konkretes Vorbringen erstattet wird.

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass zumindest näherungsweise eine allgemeine Zahlungsquote dargetan wurde; diese allgemeine Zahlungsquote ist höher als die Abgabenzahlungsquote. Insoweit liegt eine Benachteiligung des Abgabengläubigers vor.

Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstreckt sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Hingegen kommt eine Haftung zur Gänze nur in Betracht, wenn der Vertreter seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht nachkommt. (Ritz/Koran, BAO7, § 9 Tz 27 mwN)

Aufgrund des zumindest durch überschlägige Quotenermittlung geführten Nachweises, dass eine Benachteiligung des Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern im Haftungszeitraum lediglich im Ausmaß von 19,95 % stattgefunden hat, war der Beschwerde teilweise stattzugeben und die Haftung auf ebendieses Ausmaß einzuschränken. Diese Einschränkung erfolgt zusätzlich zur bereits im bekämpften Bescheid im Ermessen gem. § 20 BAO vorgenommenen Einschränkung auf 50 % der aushaftenden Abgabenbeträge.

4.5. In der Stellungnahme des Finanzamtes vom wurde darauf hingewiesen, dass die Berechnung zur Gläubigergleichbehandlung keine Darlegung der im Haftungszeitraum vorhandenen liquiden Mittel enthalte, sowie in welcher Höhe jeweils Zahlungen an welche Gläubiger aus diesen Mitteln geflossen seien. Dies ist zwar richtig, schadet aber im Beschwerdefall nicht. Aus dem gesamten Akteninhalt ergibt sich, dass die Primärschuldnerin bereits Jahre vor der Insolvenzeröffnung mit erheblichen Liquiditätsproblemen kämpfte. Dementsprechend wurde bereits in der Beschwerde eingewendet, dass Zahlungen an die Abgabenbehörde in Absprache mit den zuständigen Personen geleistet wurden, "soweit sie dem Unternehmen möglich" gewesen seien bzw. dass Zahlungsvereinbarungen nur deswegen nicht eingehalten worden seien, "weil es schlichtweg an Liquidität fehlte". Insgesamt ergibt sich das Bild, dass Verbindlichkeiten, egal welcher Art, eben dann - bzw. soweit - beglichen wurden, wenn Mittel dafür vorhanden waren.

Unzweifelhaft wurden dabei manche Gläubiger in höherem Ausmaß befriedigt als andere, was vom Bf gar nicht abgestritten wird. Dies ergab sich überdies bereits aus der mit der Beschwerde vorgelegten Unterlage (vgl. oben Pt. III.4.1. dieses Erkenntnisses). Vor dem Hintergrund der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2005/13/0124, sowie , welche ausdrücklich der Abgabenzahlungsquote eine "allgemeine Zahlungsquote" über sämtliche Verbindlichkeiten gegenüberstellt, kann aber aufgrund dieses Umstandes allein nicht die vorgelegte Quotenberechnung zur Gänze verworfen werden.

5. Im angefochtenen Bescheid wurde die Haftung für KU 04-06/2014 sowie einen dritten Säumniszuschlag 2013 ausgesprochen, deren Fälligkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin, nämlich am (gem. § 122 Abs. 6 WKG) bzw. am (gem. § 210 Abs. 1 BAO), eingetreten ist. Bei diesen beiden Abgaben handelt es sich um Insolvenzforderungen iSd § 51 IO.

Über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung iSd §§ 140ff IO eröffnet. Der Geschäftsführer einer GmbH verliert zwar trotz Eröffnung eines Sanierungsverfahrens nicht seine zivil- und prozessrechtliche Handlungsfähigkeit und wäre der Bf daher trotz Eröffnung des Sanierungsverfahrens verpflichtet gewesen, aus dem von ihm verwalteten Vermögen der Primärschuldnerin die Abgaben zu entrichten ().

Diese Verpflichtung kann nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung jedoch nur so verstanden werden, dass Abgaben, bei denen der abgabenrechtliche Sachverhalt nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens verwirklicht wurde, im Rahmen der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters zu entrichten sind. Nur solche Abgaben stellen Masseforderungen iSd § 46 IO dar, die im Rahmen der "Kassaführung", welche in einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung dem Gesamtschuldner - bzw. dem Vertreter einer gesamtschuldnerischen GmbH - obliegt, aus der Insolvenzmasse (vgl. §§ 2 Abs. 2 und 47 IO) zu entrichten sind (Riel in Konecny, Insolvenzgesetze § 172 IO Tz 6f mwN [Stand , rdb.at]).

Die genannten Abgaben unterliegen hingegen als Insolvenzforderungen iSd § 51 IO dem Gleichbehandlungsgebot des § 150 Abs. 2 IO; ab Eröffnung des Sanierungsverfahrens war der Abgabengläubiger mit diesen beiden Abgaben Insolvenzgläubiger und war damit eine Entrichtung nur mehr nach Maßgabe des Sanierungsplanes geboten, welcher am angenommen und mit Beschluss des Landesgerichtes A vom bestätigt wurde.

Dass diese beiden Abgaben nicht entrichtet wurden, kann dem Bf nicht als schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten zum Vorwurf gemacht werden, sondern hätte ihre Bezahlung sogar eine Bereicherung des Abgabengläubigers iSd § 1431 ABGB dargestellt.

Die beiden genannten Abgaben waren daher aus dem Haftungsbetrag auszuscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das gegenständliche Erkenntnis erging in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Geschäftsführerhaftung. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100401.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at