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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.02.2022, RV/2100797/2021

Haftung für festgesetzte Abgaben nach Lohnsteuerprüfung: Aufgliederung der Abgabenverbindlichkeiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, Adresse, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Oststeiermark vom , Abgabenkontonummer 111, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtausmaß von 1.597 Euro eingeschränkt:


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Abgabe
Betrag in Euro
Lohnsteuer 01/2018
40,19
Lohnsteuer 02/2018
40,19
Lohnsteuer 03/2018
40,19
Lohnsteuer 04/2018
40,19
Lohnsteuer 05/2018
190,64
Lohnsteuer 06/2018
283,48
Lohnsteuer 07/2018
190,64
Lohnsteuer 08/2018
190,64
Lohnsteuer 09/2018
190,64
Lohnsteuer 10/2018
190,64
Lohnsteuer 11/2018
199,56

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) vertrat die im Jahr X1 errichtete X.GmbH vom X2 bis X3 als alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin.
Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom X4, wurde über die Gesellschaft ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom X5 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben.
Die Gesellschaft ist aufgelöst und wurde mittlerweile im Firmenbuch gelöscht (Firmenbuchauszug FN).

Im Zuge einer vom Finanzamt bei der X Gesellschaft m.b.H. durchgeführten Prüfung von Lohnabgaben stellte der Prüfer fest, dass in den Kalenderjahren 2016 bis 2018 zu wenig Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag gemeldet und abgeführt worden waren (Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom , ABNr. 123).
In der Folge erließ das Finanzamt am an den damaligen Masseverwalter im Insolvenzverfahren der X.GmbH Haftungsbescheide für Lohnsteuer sowie Festsetzungsbescheide Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2016 bis 2018.

Nach einem Vorhalteverfahren nahm das Finanzamt Oststeiermark (nunmehr Finanzamt Österreich) mit dem hier angefochtenen Bescheid vom die Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO als Haftungspflichtige für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH im Ausmaß von 5.867,15 € (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2016-2018, Kammerumlage
01-12/2016, 01-12/2017 und 01-09/2018) in Anspruch.
Die Abgaben seien an den Fälligkeitstagen nicht entrichtet worden. Es liege daher eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten der Bf. als Vertreterin der Gesellschaft vor.
Es sei Sache des Geschäftsführers den Nachweis darüber zu erbringen, dass im Vergleich zur Summe der übrigen Verbindlichkeiten die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt worden seien. Durch die Vorlage der Kreditorenliste sei nicht nachgewiesen worden, dass eine annähernd gleiche Verteilung der vorhandenen Mittel erfolgt sei. Im Gegenteil seien die Abgabenschulden im Vergleich zur Summe der anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt worden Die Bf. hafte als Vertretern der Gesellschaft daher für den Differenzbetrag, um den die Abgabenbehörde gegenüber anderen Gesellschaftsgläubigern schlechter behandelt worden sei. Im vorliegenden Fall handle es sich dabei um 6,87% der haftungsrelevanten Rückstände.
Auf die Lohnsteuer sei der Quotenvergleich nicht anzuwenden, weshalb die Lohnsteuer zu 100 % in den Haftungsbescheid aufgenommen worden sei. Auszuzahlende Löhne seien entsprechend zu kürzen, wenn die vorhandenen Mittel für die Entrichtung der Löhne und die darauf entfallenden Lohnabgaben nicht ausreichten.

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte in dieser aus:
"Eine Haftung des Geschäftsführers gem. §§ 9 iVm 80 ff BAO iVm 67 Abs 10 ASVG setzt die kumulative Erfüllung folgender Tatbestandsvoraussetzungen voraus (VwGH 96/08/0365):
Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei der Gesellschaft
Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter
Verschulden des Vertreters
Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung

Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch unsere Mandantin ist anzumerken, dass aus der vorgelegten Liquiditätsaufstellung für das Jahr 2018 deutlich hervorgeht, dass die X.GmbH nicht über ausreichende liquide Mittel, zur Begleichung ihrer Gläubigerschulden, verfügte (zur diesbezüglichen Nachweispflicht des Geschäftsführers VwGH 93/15/0010).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist der Vertreter in einem solchen Fall nur insoweit zur Haftung heranzuziehen, als er die Abgabenbehörde im Verhältnis schlechter behandelt hat, als die übrigen Gläubiger der GmbH (so auch VwGH 2013/16/0213). Der Geschäftsführer hat die Gläubigergleichbehandlung durch Errechnung einer Quote, die sich aus der anteilsmäßigen Befridigung der Forderungen ergibt, nachzuweisen (VwGH 2013/16/0213).

Aus der Liquiditätsaufstellung für 2018 ergibt sich deutlich, dass eine Gläubigerungleichbehandlung allenfalls im August 2018 angenommen werden könnte, zumal die X.GmbH in diesem Monat keine Zahlungen an das Finanzamt geleistet hat. Es sei hier aber darauf verwiesen, dass eine Haftung nach §§ 9 iVm 80 ff BAO iVm 67 Abs 10 ASVG voraussetzt, dass die Beitragsschulden einerseits von der GmbH nicht eingetrieben werden können und ihrer Höhe nach bestimmt sind.

An der vom Gesetz geforderten Aufschlüsselung des Haftungsbetrags mangelt es im gegenständlichen Haftungsbescheid aber gerade (siehe auch § 64 Abs 2 ASVG). Es wäre erforderlich gewesen, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren und insbesondere den Zeitraum auf den die rückständigen Beträge entfallen, entsprechend aufzuschlüsseln (sieh dazu BVwG G 302 21400449-1).

Nachdem eine solche Aufschlüsselung des Rückstandes unterblieben ist, ist es unserer Mandantin auch nicht möglich jenen Betrag zu benennen, der dem Finanzamt im August 2018 zugestanden wäre. Der Haftungsbescheid schlüsselt die Abgabenschuldigkeiten zwar nach Ihrer Art, nicht aber nach dem (monatlichen) Zeitraum ihrer Fälligkeit auf (zur Maßgeblichkeit des Fälligkeitszeitraums siehe VwGH 2007/15/0277).

Insoweit kann unsere Mandantin auch für den Zeitraum August/2018 nicht zur Haftung herangezogen werden.

Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers insbesondere darin zu sehen ist, dass Arbeitslöhne voll ausbezahlt werden, obwohl die vorhandenen Mittel nicht ausreichen um sämtliche Verbindlichkeiten zu decken (so auch VwGH Ra 2016/16/0097).

Gerade ein solches Verhalten kann Frau X aber nicht angelastet werden. Ihren Arbeitnehmern wurden die Löhne und Gehälter im Zeitraum 2016-2018 nicht voll ausbezahlt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass Konto 36200 (Verbindlichkeiten Personalbezüge) per einen Habensaldo von € 104.490,60 aufweist. Frau X ist mit der Auszahlung der Personalbezüge somit seit Jahren im Rückstand.

Nachdem der VwGH die Rechtsfolge einer Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO für den Geschäftsführer nur dann anordnet, wenn Löhne VOLL ausbezahlt werden, obwohl die vorhandenen Mittel nicht auslangen (siehe z.B. VwGH 84/14/0027), kann unsere Mandantin nicht zur Haftung herangezogen werden. Ihr Verhalten ist nicht als schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten anzusehen, zumal sie das Finanzamt stets anteilig befriedigt hat. Aus den vorgelegten Liquiditätsaufstellungen geht hervor, dass die vorhandenen liquiden Mittel zu keinem Zeitpunkt zur Deckung der fälligen Verbindlichkeiten auslangten. Die Gelder wurden vielmehr zur anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten eingesetzt. Die Abgabenbehörde wurde dabei, im Vergleich zu den übrigen Gläubigern, sogar bevorteilt.

Zumal ein solcher Nachweis unserer Mandantin von der Haftung gem. § 9 BAO entbindet (siehe z.B. VwGH 2001/14/0202, VwGH 2005/13/0100, VwGH 2004/13/0032), ist der Haftungsbescheid aufzuheben.

Zu demselben Ergebnis gelangte im Übrigen auch die Steiermärkische Gebietskrankenkassa in Ihrer Haftungsprüfung gem. § 67 Abs 10 ASVG. Dieses Schreiben vom legen wir, mitsamt den Beilagen, welche die GKK zu dieser Entscheidung veranlasst haben, bei. Die Prüfung der GKK folgt denselben, bereits genannten, Tatbestandsvoraussetzungen (siehe VwGH 96/08/365): Nachdem sich, nach der Prüfung der Gebietskrankenkassa, keine Haftung von Fr. X ergibt, muss dies auch für ihre Haftung nach abgabenrechtlichen Grundsätzen gelten. Die Tatbestandsvoraussetzungen und Prüfungsparameter unterscheiden sich nämlich nicht! ….."

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und reduzierte den Haftungsbetrag um 2.718,12 €, weil Im Zuge der Prüfung festgestellt worden sei, dass Lohnsteuer in dieser Höhe auf vom IESG ausbezahlte Beträge entfalle. Diese Beträge seien nicht von der Bf. ausbezahlt worden, weshalb sie für diese Lohnsteuer auch nicht zur Haftung herangezogen werden könne.
Werde die Lohnsteuer nicht vom tatsächlich ausbezahlten Arbeitslohn einbehalten und abgeführt, sei nach ständiger Rechtsprechung ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Vertretenen von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters auszugehen. Die Löhne hätte daher nur in einem dementsprechend geringeren Ausmaß ausbezahlt werden dürfen.
Laut den Feststellungen der Prüfung lohnabhängiger Abgaben sei diese Verpflichtung nicht erfüllt worden.
Die Bf. sei ihrer Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, nicht nachgekommen.
Die Abgabepflichtige müsse allein wegen ihrer Verpflichtung zur Selbstberechnung, Meldung und Abfuhr der jeweiligen Abgaben Kenntnis über jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte der jeweiligen Abgaben gehabt haben.
Die Abgabenbehörde habe durch die vorgelegten Unterlagen eine Quote in der Höhe von 6,87 % an Ungleichbehandlung berechnet, die im Haftungsbescheid bereits berücksichtigt sei. Für diese Abgaben bleibe der Haftungsbescheid aufrecht.

Im Schriftsatz vom beantragte die Bf., unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens, die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Da es im Bescheid an einer monatlichen Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben mangle, habe die Bf. keine Liquiditätsaufstellung zu den einzelnen Fälligkeitszeitpunkten vorlegen und die auf die Abgabenbehörde entfallende monatliche Quote berechnen können. Die Haftungsbescheide seien infolge der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ersatzlos aufzuheben.
Aus der für das Jahr 2018 vorgelegten Liquiditätsaufstellung gehe zudem hervor, dass die Abgabenbehörde gegenüber den übrigen Gläubigern bevorteilt worden sei. Ein solches Bild würde sich auch für die Jahre 2016 und 2017 ergeben, doch werde aus Aufwandsgründen auf eine solche Aufstellung verzichtet.

Im Schriftsatz vom teilte die steuerliche Vertreterin der Bf. mit, eine Kanzleimitarbeiterin habe am vom damaligen Prüfer die Niederschrift vom angefordert. Diese sei ihr noch am selben Tag übermittelt worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Unbestritten ist, dass die Bf. im Zeitraum vom X2 bis X3 alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin der X Gesellschaft m.b.H. war (Firmenbuchauszug FN).

Zu den Pflichten der Bf. als Geschäftsführerin der Gesellschaft gehörten daher nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am im Firmenbuch gelöscht wurde (Auflösung der Gesellschaft in Folge Umwandlung gemäß § 5 UmwG nach der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplanes, Firmenbuchauszug FN).
Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist daher ausgeschlossen.

Aufgliederung der Abgaben im Haftungsbescheid

Im Erkenntnis vom , 2013/16/0208, führte der Bf. unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus:
Der zur Haftung für Abgabenschulden herangezogene Beschwerdeführer rügt, dass ihm keine monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben übermittelt worden sei. Mit dieser Rüge zeigt er einen Mangel des Verfahrens auf. Nach der Aktenlage wurde ihm Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2009 in Jahresbeträgen bekannt gegeben. Anderes wurde auch im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Dass einzelne Abgaben dieses Zeitraums dabei teilweise auch für einzelne Monate angeführt sind, ist dabei unbeachtlich, weil sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht ergibt, wie sich diese monatlichen Beträge zu den Jahresbeträgen verhalten. Der Beschwerdeführer wurde damit aber nicht in die Lage versetzt, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen.

Den Ausführungen in der Beschwerde ist daher insoweit zuzustimmen, als im Haftungsbescheid eine Aufgliederung der monatlich fälligen Abgaben nicht vorgenommen wurde.
Eine Aufgliederung der Abgaben für die Jahre 2016 und 2017 erfolgte in der Niederschrift vom nicht und wurde dem Bf. im Vorhalteverfahren auch nicht zur Kenntnis gebracht, weshalb hinsichtlich dieser Abgaben die Bf. nicht in die Lage versetzt wurde, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zu erstellen bzw. konkret vorzubringen, weshalb sie welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe, und so den ihr auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen (siehe ).
Die Lohnabgaben der Jahre 2016 und 2017 waren daher aus der Haftung auszuscheiden.

Lohnsteuer 2018
Diese ist - wie das Finanzamt bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom ausführte, um den auf die vom IESG ausbezahlten Beträge entfallende Lohnsteuer in der Höhe von 2.718,12 € zu kürzen (siehe Niederschrift vom , ABNr. 123, Seiten 4-5).

In Bezug auf die Lohnsteuer bedarf es keiner Gleichbehandlungsberechnung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen:
"Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt" (siehe zuletzt , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Lohnsteuer entsteht nicht erst im Zeitpunkt der Nachforderung, sondern im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO).
Bei Selbstberechnungsabgaben ist für die Frage, ob die Gesellschaft über Mittel für die Abgabenentrichtung verfügt hat, bereits der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären ().

Das Vorbringen zur nicht einbehaltenen Lohnsteuer in der Beschwerde, die Löhne und Gehälter seien in den Jahren 2016 bis 2018 nicht voll ausbezahlt worden, weshalb daraus eine Haftung der Bf. nicht abgeleitet werden könne, basiert offensichtlich auf der irrigen Annahme, eine Haftung trete nur dann ein, wenn die Löhne voll ausbezahlt würden, obwohl die vorhandenen Mittel nicht zur Abfuhr der Lohnsteuer ausreichen. Die Lohnsteuer ist jedoch vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden Betrag zu berechnen und einzubehalten, weshalb der Bf. im Hinblick auf die nicht korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer in den Monaten Jänner bis November 2018 eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten ist und eine Haftung für die Abfuhrdifferenzen dieser Monate auszusprechen war.
Die Aufgliederung der Lohnsteuer für 2018 erfolgte im Spruch des Bescheides gemäß der vom Prüfer in der Niederschrift vom , ABNr. 123, Seite 4, vorgenommenen Aufgliederung. Diese Niederschrift wurde der steuerlichen Vertreterin der Bf. im Zuge des Vorhalteverfahrens übermittelt, weshalb einem konkreten Vorbringen dahingehend, weshalb sie die monatlichen Lohnsteuern im Jahr 2018 nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe, nichts im Weg stand.

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Angesichts der geringfügigen Haftungsbeträge für Dienstgeberbeitrag 2018 (136,08 €), Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2018 (14,69 €) sowie der Kammerumlagen 01-12/2016 (4,15 €), 01-12/2017 (3,92 €) und 01-09/2018 (2,66 €) wird im Hinblick auf die vom Finanzamt errechnete Schlechterbehandlung der Abgabenverbindlichkeiten in der Höhe von lediglich 6,87 % aus Zweckmäßigkeitsgründen von einer Haftungsinanspruchnahme für die angeführten Abgaben abgesehen. Auf das Vorbringen der anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten durch die Bf. braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits, der im Rahmen der Ermessensübung (auch) zu berücksichtigen wäre, liegt nicht vor, weshalb eine weitere oder gänzliche Abstandnahme von der Haftung nicht in Erwägung gezogen werden kann.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100797.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at