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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.01.2022, RV/7500611/2021

Ein Anbringen, welches keine Beschwerde ist, kann nicht nachträglich telefonisch in eine Beschwerde umgewandelt werden

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500611/2021-RS1
Gemäß § 13 Abs. 1 AVG sind Rechtsmittel schriftlich einzubringen. Daher kann ein (schriftliches) Anbringen, welches keine (Bescheid)Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG darstellt, nicht nachträglich durch ein telefonisches Vorbringen in eine Beschwerde umgewandelt werden.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Verwaltungsstrafsache (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006) hinsichtlich ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Anbringen vom in Zusammenhang mit

  • Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 67, vom ,

  • Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 6 - BA 32, vom ,

jeweils zu GZ. MA67/Zahl1/2020, gemäß § 5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR) sowie § 24 Abs. 1 Satz 2 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) in Verbindung mit (iVm) § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) den Beschluss gefasst:

I.) Beim Anbringen vom handelt es sich um keine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG).

II.) Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 iVm Abs. 9 B-VG durch den Magistrat der Stadt Wien nicht zulässig.

Eine Revision durch den Einbringer des Anbringens wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 iVm Abs. 9 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Begründung

Das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Autonummer (A) wurde am um 10:38 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1020 Wien, Abstellort, von einem Kontrollorgan der Parkraumüberwachung der Landespolizeidirektion Wien zur Anzeige gebracht, da zum Beanstandungszeitpunkt ein gültiger Parkschein fehlte.

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, der Magistratsabteilung (MA) 67 vom wurde die Firma xKG, als Zulassungsbesitzerin des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen Autonummer (A) aufgefordert, binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wem das genannte Kraftfahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen wurde.

Mit fristgerechter E-Mail vom (Anhang: Lenkerauskunft) nannte die Zulassungsbesitzerin Herrn Bf als jene Person, der das genannte Kraftfahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen war.

Mit Strafverfügung vom zu Zahl MA67/Zahl1/2020 lastete der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, Herrn Bf an, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Autonummer (A) am um 10:38 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1020 Wien, Abstellort abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über Herrn Bf eine Geldstrafe iHv € 60,00 und für den Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Am erfolgte ein gegen diese Strafverfügung gerichteter Einspruch durch die Firma X_KG. Dem Einspruch war ein ausgefülltes Formular (Lenkerauskunft) angehängt, in dem nun eine andere Person unter Angabe ihrer persönlichen Daten als Lenkerin des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges zum Beanstandungszeitpunkt genannt wurde.

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien, MA 67 vom (Verfahrensanordnung - Nachreichung Unterschrift bzw. Vollmachtsvorlage) wurde die Firma X_KG zur Vorlage einer Vollmacht, aus welcher das Vertetungsverhältnis zu Herrn Bf sowie die Berechtigung zur Einbringung des Rechtsmittels hervorgehe, binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens aufgefordert. Wenn dem Auftrag nicht entsprochen werde, werde das Anbringen gemäß § 13 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) zurückgewiesen.

Der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, erließ an Herrn X einen mit datierten Bescheid, mit welchem der Einspruch vom gegen die an Herrn Bf gerichtete Strafverfügung vom infolge der Nichtvorlage der Vollmacht gemäß § 13 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid wurde am per E-Mail Beschwerde erhoben.

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes zu GZ. RV/7500480/2021 vom wurde die von X als Geschäftsführer der X_KG eingebrachte Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , mit dem der Einspruch gegen die an Bf ergangene Strafverfügung vom zurückgewiesen wurde, gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Zurückweisungsbescheid bestätigt.

Da die mit der Strafverfügung vom zu Zahl MA67/Zahl1/2020 verhängte rechtskräftige Strafe bislang nicht bezahlt worden sei, erließ der Magistrat der Stadt Wien eine mit datierte Vollstreckungsverfügung. Die Behörde verfügte darin zur Einbringung des Gesamtbetrages von € 65,00 (inklusive € 5,00 Mahngebühren gemäß § 54b Abs. 1a VStG) gemäß §§ 3 und 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) die Zwangsvollstreckung.

Herr Bf brachte mit E-Mail vom unter Angabe der GZ. MA67/Zahl1/2020 folgende Eingabe beim Magistrat der Stadt Wien ein:
"ich habe eine Mahnung bekommen, dass nicht weiß, wann und wo ich bestraft wurde.
Heute habe ich mehrmals versucht, Ihnen zu telefonisch erreichen, aber es hat nich geklappt.
Nun bitte ich um einen persönlichen Termin."

Der Magistrat der Stadt Wien ersuchte Herrn Bf um Bekanntgabe seiner Telefonnummer zwecks Klärung des Sachverhaltes, was Herr Bf mit E-Mail vom beantwortete. Am nahm der Magistrat der Stadt Wien folgenden Aktenvermerk zum Akt: "Laut Telefonat … mit Herrn ***Bf1*** sind seine Schreiben anlässlich den Erhalt der Vollstreckungsverfügung als Beschwerde zu sehen. Der Sachverhalt und die Entscheidung vom BFG Wien vom GZ: RV/7500480/2021 wurden ihn neuerlich erklärt. Der Beschuldigte beharrt auf die Beschwerde und möchte einen Termin beim BFG Wien zur persönlichen Vorsprachen."

Der Magistrat der Stadt Wien legte die (vermeintliche) Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) unter Beifügung eines Vorlageberichtes ("Beschwerdevorlage") vom und der Akten vor. Als angefochtener Bescheid wird im Vorlagebericht die Vollstreckungsverfügung vom angegeben. Herr Bf müsste gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 VwGVG in der Fassung BGBl. I 109/2021 eine Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien über die Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde an das BFG erhalten haben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nach der Rechtsprechung nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe an (). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen, somit auch Anbringen im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen ().

Das Anbringen, welches Herr Bf per E-Mail am beim Magistrat der Stadt Wien eingebracht hat, ist keine Beschwerde. In der Eingabe wird nichts angefochten, d.h. als rechtswidrig (oder zumindest falsch) bezeichnet. Auch wenn es in der Auslegung einer Eingabe nicht formell um die Verwendung von Wörtern wie "Beschwerde" geht, so müsste zur Einstufung des Anbringens als Beschwerde doch zumindest materiell etwas vorgebracht werden, was dem anfechtenden Charakter einer Beschwerde entspricht. Dies geschieht jedenfalls nicht durch das Vorbringen, dass der Einschreiter nicht wisse, wann und wo er bestraft worden sei, und dass er um einen Termin für eine persönliche Vorsprache ersuche.

Erst ein Telefonat zwischen Magistrat der Stadt Wien und Herrn Bf hat ergeben, dass es sich um beim Anbringen vom um eine Beschwerde handeln solle. Jedoch sind Rechtsmittel gemäß § 13 Abs. 1 AVG schriftlich einzubringen. Daher kein ein Anbringen, das keine Beschwerde ist, nicht nachträglich durch ein Telefonat zu einer Beschwerde gemacht werden.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte u.a. über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Hier ist durch die Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (=Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen gemäß Art. 129 B-VG), welches gemäß § 5 WAOR hinsichtlich des Bundeslandes Wien für die Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben zuständig ist, das Bundesfinanzgericht involviert worden.

Gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG hat die Verwaltungsbehörde, wenn sie von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen will, dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Gemäß § 34 Abs. 1 erster Satz VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen folgt, dass eine Pflicht des Bundesfinanzgerichtes wegen eines von der Verwaltungsbehörde (hier: Magistrat der Stadt Wien) vorgelegten Anbringens ein Beschwerdeverfahren durchzuführen und über dieses Anbringen zu entscheiden, nur bei Anbringen besteht, die eine (Bescheid)Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG darstellen.

Anbringen, die überhaupt nicht als Beschwerde zu qualifizieren sind, sind nicht in Behandlung zu nehmen, und es ist daher auch kein Mängelbehebungsverfahren gemäß § 9 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) vorzunehmen. Es darf nämlich eine Parteienerklärung (Eingabe, Anbringen), die nach objektiver Auslegung des erklärten Parteiwillens keine Beschwerde darstellt, nicht nachträglich im Wege einer Mängelbehebung in eine wirksam eingebrachte Beschwerde umgewandelt werden.

Hinsichtlich des Anbringens vom besteht daher für das Bundesfinanzgericht mangels Vorliegen einer Beschwerde keine Entscheidungspflicht gemäß § 34 VwGVG.

Sohin muss das Bundesfinanzgericht das bei ihm durch die Vorlage einer vermeintlichen Beschwerde anhängig gewordene Verfahren einstellen, was infolge des vorliegenden Beschlusses geschieht. Eine Zurückweisung des Vorlageberichtes käme nicht in Betracht. ( - Rechtssatz 1 mit Verweis auf VwGH-Rechtsprechung)

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm Abs. 9 B-VG ist gegen einen die Angelegenheit abschließenden Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der vorliegende Beschluss beruht auf der Auslegung des Anbringens vom . Die Auslegung eines Anbringens geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl. ; vgl. ). Daher ist die (ordentliche) Revision durch den Magistrat der Stadt Wien im gegenständlichen Fall für nicht zulässig zu erklären.

Für Herrn Bf geht hingegen die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG vor (siehe Rechtsmittelbelehrung).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500611.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at