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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 24.01.2022, RV/7500022/2022

Keine Entscheidung über ein als vermeintliche Beschwerde vorgelegtes Anbringen, welches nicht als Beschwerde bezeichnet wird und in welchem nichts vorgebracht wird, was dem anfechtenden Charakter einer Beschwerde entspräche

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500022/2022-RS1
Ein Anbringen, das nicht als Beschwerde bezeichnet ist, das auf keine konkrete behördliche Erledigung bezogen ist und das auch inhaltlich nichts anficht (d.h. als rechtswidrig oder zumindest falsch bezeichnet), kann trotz seiner Vorlage als (vermeintliche) Beschwerde durch den Magistrat der Stadt Wien vom BFG nicht als Beschwerde behandelt werden. Das BFG trifft keine Entscheidungspflicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG über dieses Anbringen. Indem das BFG dies beschlussmäßig zum Ausdruck bringt, ist das diesbezügliche Verfahren des BFG als beendet (eingestellt) anzusehen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Verwaltungsstrafsache (§ 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006) hinsichtlich ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Anbringen vom in Zusammenhang mit

  • Anonymverfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 67, vom ,

  • Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 67, vom ,

  • Mahnung/Rückstandsausweis/Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, MA 6 - BA 32, vom ,

  • Mahnung des Magistrates der Stand Wien, MA 6 - BA 32, vom ,

  • Vorlage des gegenständlichen Anbringens vom als Beschwerde durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 67, an das Bundesfinanzgericht,

jeweils zu GZ. MA67/Zahl1/2020, gemäß § 5 des Gesetzes über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien (WAOR) sowie § 24 Abs. 1 Satz 2 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) in Verbindung mit (iVm) § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) den Beschluss gefasst:

I.) Beim Anbringen vom handelt es sich um keine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG).

II.) Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 iVm Abs. 9 B-VG durch den Magistrat der Stadt Wien nicht zulässig.

Eine Revision durch den Einbringer des Anbringens wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 iVm Abs. 9 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien versendete eine mit datierte Anonymverfügung an ***Bf1*** wegen fahrlässiger Verkürzung der Parkometerabgabe anlässlich des Abstellens eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in 1020 Wien, Abstellort am . Mit der Anonymverfügung wurde eine Geldstrafe von 48,00 € vorgeschrieben und als letzter Einzahlungstag (Einlangen auf dem Empfängerkonto) der angegeben.

***Bf1*** überwies laut seinem Vorbringen den Betrag am .

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom wurde über ***Bf1*** wegen fahrlässiger Verkürzung der Parkometerabgabe anlässlich des Abstellens eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in 1020 Wien, Abstellort am eine Geldstrafe von 60,00 € bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Mit Schreiben vom erließ der Magistrat der Stadt Wien folgende Erledigungen:

  • Mahnung hinsichtlich des Strafbetrages von (ursprünglich) 60,00 € und der Mahngebühr von 5,00 €, wobei insgesamt noch 17,00 € offen waren;

  • Rückstandsausweis hinsichtlich der 5,00 € Mahngebühr;

  • Vollstreckungsverfügung über die offenen 17,00 €.

Mit Schreiben vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien eine weitere Mahnung hinsichtlich des Strafbetrages von (ursprünglich) 60,00 € und der Mahngebühr von 5,00 €, wobei insgesamt noch 17,00 € offen waren.

Mit E-Mail vom , 09:35, brachte ***Bf1*** folgende Eingabe mit dem Betreff MA67/Zahl1/2020 beim Magistrat der Stadt Wien ein:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Sie im System nachvollziehen können, hat sich die Strafverfügung mit der Anonymverfügung um 2 Tage überschnitten.
Ich habe die Anonymverfügung am überwiesen und kurz darauf die Strafverfügung erhalten.
Die Frist von 4 Wochen wurde somit um 2 Tage überschritten.
Bitte um Nachsicht, da es sich um eine minimale Versäumnis handelt."

Im Akt des Magistrates der Stadt Wien wurde als Aktenvermerk aufgenommen: "Das Schreiben vom wird inhaltlich als Beschwerde gegen die Höhe gewertet und daher dem BFG vorgelegt."

Der Magistrat der Stadt Wien legte die (vermeintliche) Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) vor. Im diesbezüglichen Vorlagebericht ("Beschwerdevorlage") wird als Datum der Beschwerde der und als Datum des angefochtenen Bescheides (Vollstreckungsverfügung) der angegeben. ***Bf1*** müsste gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 VwGVG in der Fassung BGBl. I 109/2021 eine Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien über die Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhalten haben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nach der Rechtsprechung nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe an (). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen, somit auch Anbringen im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen ().

Das Anbringen, welches ***Bf1*** per E-Mail am beim Magistrat der Stadt Wien eingebracht hat, ist keine Beschwerde. Der Meinung des Magistrates der Stadt Wien, dass es sich bei diesem Anbringen um eine (verspätete) Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung vom handeln würde, folgt das Bundesfinanzgericht nicht. Denn in dieser Eingabe wird keine konkrete Erledigung angesprochen, und überdies wird nichts angefochten, d.h. als rechtswidrig (oder zumindest falsch) bezeichnet. Auch wenn es in der Auslegung einer Eingabe nicht formell um die Verwendung von Wörtern wie "Beschwerde" geht, so müsste zur Einstufung des Anbringens als Beschwerde doch zumindest materiell etwas vorgebracht werden, was dem anfechtenden Charakter einer Beschwerde entspricht.

Mit der in der Eingabe vom geäußerten Bitte um Nachsicht wird nichts an den vorhergehenden Erledigungen des Magistrates der Stadt Wien in dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren (samt Einhebungsverfahren) angefochten. Eine Nachsicht ist zwar im Verwaltungsstrafverfahren nach dem Verwaltungsstrafgesetz (VStG) nicht vorgesehen, weil es hier keinerlei rechtliche Möglichkeit gibt, eine einbringliche (Rest)Geldstrafe nicht einzuheben bzw. zu vollstrecken. Der Gedanke der Nachsicht eines aus verwaltungsrechtlichen Gründen geschuldeten Geldbetrages ist aber nicht abwegig:

  • Im verwaltungsbehördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Finanzstrafverfahren nach dem Finanzstrafgesetz (FinStrG) ist gemäß § 187 FinStrG unter Umständen die gnadenweise Nachsicht möglich.

  • Im Abgabenverfahren ist gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) unter Umständen die Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten durch Nachsicht möglich.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte u.a. über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Hier ist durch die Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (=Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen gemäß Art. 129 B-VG), welches gemäß § 5 WAOR hinsichtlich des Bundeslandes Wien für die Entscheidung über Beschwerden in Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben zuständig ist, das Bundesfinanzgericht involviert worden.

Gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG hat die Verwaltungsbehörde, wenn sie von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen will, dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Gemäß § 34 Abs. 1 erster Satz VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen folgt, dass eine Pflicht des Bundesfinanzgerichtes wegen eines von der Verwaltungsbehörde (hier: Magistrat der Stadt Wien) vorgelegten Anbringens ein Beschwerdeverfahren durchzuführen und über dieses Anbringen zu entscheiden, nur bei Anbringen besteht, die eine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG darstellen.

Anbringen, die überhaupt nicht als Bescheidbeschwerde zu qualifizieren sind, sind nicht in Behandlung zu nehmen und daher auch kein Mängelbehebungsverfahren gemäß § 9 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) vorzunehmen. Es darf nämlich eine Parteienerklärung (Eingabe, Anbringen), die nach objektiver Auslegung des erklärten Parteiwillens keine Bescheidbeschwerde darstellt, nicht nachträglich im Wege eine Mängelbehebung als zwar fehlerhafte, aber rechtzeitig eingebrachte Beschwerde umgedeutet werden ().

Hinsichtlich des Anbringens vom besteht daher für das Bundesfinanzgericht mangels Vorliegen einer Beschwerde keine Entscheidungspflicht gemäß § 34 VwGVG.

Sohin muss das Bundesfinanzgericht das bei ihm durch die Vorlage einer vermeintlichen Beschwerde anhängig gewordene Verfahren einstellen, was infolge des vorliegenden Beschlusses geschieht. Eine Zurückweisung des Vorlageberichtes käme nicht in Betracht. ( - Rechtssatz 1 mit Verweis auf VwGH-Rechtsprechung)

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG ist gegen einen die Angelegenheit abschließenden Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der vorliegende Beschluss beruht auf der Auslegung des Anbringens vom . Die Auslegung eines Anbringens geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (vgl. ; vgl. ). Daher ist die (ordentliche) Revision durch den Magistrat der Stadt Wien im gegenständlichen Fall für nicht zulässig zu erklären.

Für ***Bf1*** geht hingegen die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG vor (siehe Rechtsmittelbelehrung).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Art. 130 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 34 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500022.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at