Rückforderung von Familienbeihilfe: objektive Erstattungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (Antragsteller)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe 02.2020-03.2021 SVNR: ***SVNR-Nr***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am erließ das Finanzamt an den Beschwerdeführer (Bf.) einen Bescheid wie folgt:
Rückforderungsbescheid
- Familienbeihilfe (FB)
- Kinderabsetzbetrag (KG)
für die [4] Kinder [Nach- und Vornamen sowie VNr) Zeitraum von Feb. 2020 bis März 2021
Der Rückforderungsbetrag beträgt
Art der Beihilfe Summe in €
FB € 10.873,60
KG € 3.270,40
Rückforderungsbetrag gesamt: € 14.144,00
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen.
Begründung:
Zu … [Auflistung der vier Kinder - jeweils idente Begründung]:
Das Kind lebt nicht in Ihrem Haushalt. Obwohl Sie die überwiegenden Unterhaltskosten leisten, erhalten Sie keine Familienbeihilfe, weil eine andere Person aufgrund eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kind anspruchsberechtigt ist (§2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Der Bf. erhob Beschwerde wie folgt:
Ich (der Bf.) wohnhaft in P…straße 63 …, 1160 Wien, erhebe Einspruch gegen den Rückforderungsbescheid.
Von mir wird verlangt die Familienbeihilfe (FB) und den Kinderabsetzbetrag (KG) vom Zeitraum Feb. 2020 bis März 2021 zurückzuzahlen.
Da es ein Missverständnis zwischen meiner Ex-Frau und dem Finanzamt gibt, möchte ich das richtigstellen und erklären:
Meine Ex-Frau hat die Kinderbeihilfe für den Zeitraum Feb. 2020 bis März 2021 auf ihrem Konto ausbezahlt bekommen, aber da mein Name im System bzw. am Vertrag steht, ist sicher ein Fehler passiert. Beigelegt habe ich Ihnen die Aussage meiner Ex-Frau und die Kopien des Bescheides. Im Falle, dass sie glaubhafte Beweise bräuchten wären meine Ex-Frau und ich bereit, ihnen Bankbelege vom jeweiligen Zeitraum auszuhändigen.
Beigelegt war der Beschwerde folgende "Aussage":
Ich (ehem. Ehegattin des Bf.) wohnhaft in A…straße …, 1200 Wien, erkläre mich hiemit, dass ich die Familienbeihilfe (FB) und den Kinderabsetzbetrag (KG) im Zeitraum vom Feb. 2020 bis März 2021 auf meinem Konto ausbezahlt bekommen habe.
Mein Ex-Mann (der Bf.) steht am Vertrag als Bezieher, aber das Geld wurde immer an mein Bank-Konto ausbezahlt.
Beigelegt habe ich Ihnen Bankbelege.
Der Aussage waren beilegt:
Kopie Bankomatkarte der ehem. Ehegattin des Bf. AT6…884…
Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe an den Bf., beinhaltend
Die Leistungen werden monatlich auf folgendes Konto überwiesen: AT6…884…
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung wurde vom Finanzamt mit folgender Begründung erlassen:
Sie haben in Ihrer Beschwerde vom angegeben, dass das angegebene Konto das Ihrer Ex-Frau ist. Somit war, Ihrer Meinung nach, der Rückforderungsbescheid vom nicht richtig, da Ihre Ex-Frau die Kinderbeihilfe und das Kindergelt bekommen hat.
Im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) wird von einer objektiven Rückzahlungspflicht ausgegangen. § 26 FLAG 1967
Das bedeutet, der Antragsteller ist der Empfänger der Familienbeihilfe und von ihm ist auch rückzufordern, wenn die Familienbeihilfe zu unrecht bezogen wurde. Ob der Anspruchsberechtigte (Antragsteller) die Familienbeihilfe an dritte Personen weitergibt, ist nicht relevant, da er im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes der Empfänger bleibt.
Der Vorlageantrag wurde eingebracht wie folgt:
Ich (der Bf.) wohnhaft in P…straße 63 …, 1160 Wien, beantrage die Entscheidung über die Beschwerde.
Von mir wird verlangt die Familienbeihilfe (FB) und den Kinderabsetzbetrag (KG) vom Zeitraum Feb. 2020 bis März 2021 zurückzuzahlen.
Ich möchte aussagen, dass meine Ex-Frau … im Zeitraum vom Feb. 2020 bis März 2021 die Kinderbeihilfe auf ihrem Konto bekommen hat, obwohl im System ich als rechtlich gesehener Bezieher angegeben bin. Damit möchte ich sagen, dass das angegebene Konto das meiner
Ex-Frau und ich mit dem einverstanden bin.
Dass meine Aussage glaubhaftig ist, lege ich Ihnen Kopien von Kontoauszügen bei.
Dem Vorlageantrag war eine Bestätigung betreffend die Zahlungseingänge Jänner und Februar 2021 auf dem Bankkonto …, laut mit Unterschrift bestätigter Angabe des Konto der Ex-Gattin des Bf. beigelegt.
Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Der Kindesvater (der Bf.) bezog im Zeitraum 2/2020 bis 3/2021 die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für vier Kinder. Seit wohnte er nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern und der Kindesmutter. Dies wurde dem Finanzamt nicht mitgeteilt. Nach Kenntnis wurde für og Zeitraum die bezogene Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag rückgefordert. In der Beschwerde und im Vorlageantrag wird vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass die Ex-Frau die Familienbeihilfe auf ihr Konto bekommen hat.
Beweismittel:
Zur Adresse der Kindesmutter und der Kinder: Beilagen zum Anspruchsüberprüfungsschreiben vom sowie nachgereichter Dienstvertrag von Kind ***Z***; ZMR der Kinder Beschwerde vom
Stellungnahme:
Da (der Bf.) ab nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit seinen Kindern lebt, besteht nach Ansicht der Abgabenbehörde kein Anspruch mehr auf Familienbeihilfe. Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe ist derjenige verpflichtet, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Überweisung der Beträge auf das Konto der Kindesmutter, als möglicherweise hier anspruchsberechtigter Elternteil, ändert daran nichts. Es wird um Abweisung der Beschwerde ersucht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf., Vater der im Rückforderungsbescheid angeführten vier Kinder, bezog im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (Februar 2020 bis März 2021) die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für die vier Kinder.
Er war Antragsteller der Familienbeihilfe, die Antragstellung war zu einem Zeitpunkt erfolgt als er und seine mittlerweile geschiedene Ehegattin im gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern lebten.
Seit wohnte der Bf. nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern und der Kindesmutter, laut Beschwerde und Vorlageantrag seiner "Ex-Frau". Dieser Umstand wurde dem Finanzamt nicht mitgeteilt.
Überwiesen wurden die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge auf das Bankkonto der Kindesmutter.
Beweiswürdigung
Diese Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf der Aktenlage und sind unstrittig.
Weiterer Ausführungen betreffend die Würdigung der Beweise bedarf es daher nicht.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
§ 2a. FLAG 1967 bestimmt:
Abs. 1: Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.
Abs. 2: In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden.
Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, so ist gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ebenfalls § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Das Gesetz räumt den Anspruch auf Familienbeihilfe primär demjenigen ein, zu dessen Haushalt das Kind gehört. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die im Spruch des Rückforderungsbescheides angeführten Kinder im beschwerdegegenständlichen Zeitraum - nach Auflösung des gemeinsamen Haushaltes des Bf., der Kindesmutter (seiner mittlerweile geschiedenen Ehegattin) und ihren (deren) Kindern - nicht mehr dem Haushalt des Bf., sondern dem Haushalt der Kindesmutter angehörten.
Nach bzw. auf Grund der Auflösung des gemeinsamen Haushaltes hatte der Bf. daher ab Februar 2020 keinen Anspruch mehr auf Familienbeihilfe und die entsprechenden Kinderabsetzbeträge.
Er hatte es verabsäumt, bei Beendigung des gemeinsamen Haushaltes diesen Umstand dem Finanzamt mitzuteilen.
Der Bf. vermeint, er sei auf Grund des Umstandes, dass seinerzeit das Bankkonto der damaligen Ehegattin als Empfängerkonto der Familienbeihilfe bekannt gegeben wurde und die Zahlungen somit ohnehin an die Ex-Gattin überwiesen wurden, nicht zur Rückzahlung der Familienleistungen verpflichtet.
Damit verkennt der Bf. die mit der Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 geschaffene Rechtslage:
Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutete. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich. Demnach entbindet auch die Weiterleitung bzw. Weitergabe der zu Unrecht bezogenen Beträge nicht von der zwingenden Rückzahlungsverpflichtung (vgl. dazu insbesondere , und auch ; ).
Wird die gemeinsame Haushaltsführung aufgehoben, wie es im Streitfall ab Ende Jänner 2020 der Fall war, so ist dem Anwendungsbereich des oben zitierten § 2a FLAG 1967 der Boden entzogen und eine allenfalls abgegebene Verzichtserklärung verliert ihre Gültigkeit. Es ist quasi zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gekommen, weil nicht mehr zwei Eltern mit den Kindern zusammen einen Haushalt führen, sondern die beiden Eltern zwei getrennte Haushalte führen. Die Frage, welcher Elternteil Anspruch auf die Familienbeihilfe hat, ist neu zu bewerten. Hiezu ist iSd § 2 Abs. 2 und 5 FLAG festzustellen, bei welchem Elternteil die Kinder haushaltszugehörig sind ().
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer ab Februar 2020 keinen Anspruch mehr auf die Familienbeihilfe für seine Kinder hat, weil sie seit diesem Zeitpunkt gemäß § 2 Abs. 2 und 5 FLAG 1967 nicht mehr bei ihm haushaltszugehörig sind.
Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967, die insofern auch für Kinderabsetzbeträge gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gilt, erfolgte daher zu Recht.
Der Sachbearbeiter sieht sich auf Grund des Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag, insb. der aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlichen Mitwirkung seiner ehem. Ehegattin, zu folgender Bemerkung veranlasst:
Sollte der Bf. der Meinung sein, dass er infolge der Kombination: Überweisung auf das Konto seiner ehem. Ehegattin und Rückzahlung der Beträge an das Finanzamt übervorteilt ist/wäre, worauf sein Vorbringen samt Mitwirkung seiner ehem. Ehegattin hindeutet, besteht (nur) die Möglichkeit, sich diesbezüglich mit seiner ehem. Ehegattin auseinanderzusetzen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103246.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at