Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.01.2022, RV/1100128/2020

Steuerfreiheit für Schichtzulagen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) war im Jahr 2018 als Grenzgänger in einer Weberei in der Schweiz unselbständig beschäftigt. In der Beschwerde gegen den in Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung erlassenen Einkommensteuerbescheid 2018 machte er die Steuerfreiheit von "Schichtzulagen" in Höhe von 5.852 CHF (4.990,67 Euro) geltend. Dazu legte er nach zwei Vorhalten des Finanzamtes folgende Unterlagen vor:

• den Lohnausweis seiner Arbeitgeberin, in der diese unter der Punkt 15. bestätigte, dass der Bf. 209 Tage im Schichtbetrieb gearbeitet habe und die "Schichtzulage" in Höhe von 5.852 CHF im Lohn enthalten sei sowie ein Zusatzblatt mit Zusatzangaben und Auflistungen zu den Lohnausweispunkten 3. unregelmäßigen Leistungen (Einmaliger Bonus), 7. Andere Leistungen (diverse Positionen zum Krankentaggeld), 9. Beiträge (AHV/IV/EO/ALV/NBUV), 12. Quellenbesteuerung und 15. Bemerkungen (Spesenreglement durch Kanton Zürich am genehmigt),

• Mitarbeiter-Protokolle über die Zeiträume bis , bis und bis mit der Angabe der Arbeitstage, dem Beginn und dem Ende der Arbeit, den Arbeitsstunden pro Tag sowie dem laufenden Arbeitssaldo,

• das Lohnliste-Summenprotokoll über den Zeitraum bis mit dem nach Normalstunden, Sollstunden, Frühschicht und Spätschicht aufgeschlüsselten und zusammengefassten Lohnstunden wie folgt: Normalstunden: 1.771,95 Lohnstunden, Sollstunden: 2.218,50 Lohnstunden, Frühschicht: 121,00 Lohnstunden, Spätschicht: 88,00 Lohnstunden.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab: "Gemäß § 68 Abs. 6 EStG 1988 gelten als Nachtarbeit Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden. Da Sie laut eingebrachter Bestätigung lediglich in der Früh- und Spätschicht, jedoch nicht in der Nachtschicht arbeite, konnten keine steuerfreien Zuschläge anerkannt werden."

Am stellte der Bf. den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, am legte das Finanzamt die Beschwerde samt bezughabenden Akten dem Bundesfinanzgericht vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen betreffend Begünstigungen für "Schichtarbeiten" sind in § 68 EStG 1988 enthalten. Sie lauten:

"(1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei."

"(3) Soweit Zulagen und Zuschläge durch Abs. 1 und 2 nicht erfasst werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern."

"(6) Als Nachtarbeit gelten zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die auf Grund betrieblicher Erfordernisse zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden müssen. Für Arbeitnehmer, deren Normalarbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum auf Grund der Beschaffenheit ihrer Arbeit überwiegend in der Zeit von 19 Uhr bis 7 Uhr liegt, erhöht sich der Freibetrag gemäß Abs. 1 um 50 %."

"(8) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Mehrarbeit und Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind bei den im § 67 Abs. 11 genannten Personen unter Anwendung der Abs. 1 bis 6 zu versteuern, sofern auf Grund eines Vertrages über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen überprüft werden kann, dass die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 6 vorliegen."

Daraus folgt, dass nach § 68 EStG nicht generell jede Schichtarbeit, sondern nur die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit mit steuerfreien Zuschlägen bis zu einem Betrag von monatlich 360 Euro steuerbegünstigt ist. Nach den vom Bf. vorgelegten Unterlagen kommt im Beschwerdefall nur die Steuerbegünstigung für Nachtarbeit in Betracht.

Als steuerbegünstigte Nachtarbeit im Sinne des § 68 Abs. 1 und 6 EStG 1988 gelten nur zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die en bloc zwischen 19 Uhr und 7 Uhr liegen (vgl. Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22, § 68 Tz 41).

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ergibt sich aus den in § 68 EStG verwendeten Wort "Zuschlag", dass der Arbeitnehmer für die Nachtarbeit neben dem Grundlohn einen Zuschlag bekommen muss und dieser nicht rein rechnerisch aus dem Grundlohn herausgerechnet wird. Die Nachtarbeit genießt somit keine steuerliche Begünstigung, wenn sie durch einen höheren Grundlohn abgegolten wird (vgl. Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22, § 68 Tz 41; ; -F/04; -F/05; -F/05; -F/04; -F/05; -F/05; ; ).

Den vorgelegten Unterlagen zufolge hat der Bf. im Jahr 2018 an 22 Tagen bzw. 66 Stunden Nachtarbeit im Sinne des § 68 Abs. 6 EStG, also in Blockzeiten zwischen 19 Uhr und 22 Uhr, verrichtet, und zwar an 8 Tagen bzw. 24 Stunden im September 2018 (KW 36 und 38), an 10 Tagen bzw. 30 Stunden im Oktober 2018 (KW 40 und 42) und an 4 Tagen bzw. 12 Stunden im Dezember 2018 (KW 50). Die in der Bemerkung im Lohnausweis angegebenen 209 Tage, an denen der Bf. im Schichtbetrieb gearbeitet hat, betreffen somit nur zu einem geringen Teil die Nachtarbeit.

Laut der Bemerkung unter Punkt 15. im Lohnausweis hat die Arbeitgeberin für die Arbeit des Bf. im Schichtbetrieb eine "Schichtzulage" in Höhe von CHF 5.852 gezahlt. Welcher Betrag davon auf die Nachtarbeit entfällt, ergibt sich aber weder aus dieser Bestätigung noch aus den übrigen vom Bf. vorgelegten Unterlagen. Es wäre aber am Bf. gelegen, konkret die auf die Nachtarbeit entfallenden Zuschläge anzugeben und die Voraussetzungen für deren Steuerfreiheit nachzuweisen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt in einem ausschließlich auf Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen gerichteten Verfahren der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung nämlich insofern in den Hintergrund, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. , Slg. 4215/F; , 91/13/0066; , 2002/15/0207).

Aber auch dann, wenn man von "Amtswegen" den auf die Nachtarbeit entfallenden Betrag durch Herausrechnung aus der "Schichtzulage" auf Basis der im Lohnliste-Summenprotokoll angegebenen Lohnstunden ermitteln würde, könnte der so ermittelte Betrag nicht als "Zuschlag" im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988 gewertet werden. Denn laut der Bestätigung unter Punkt 15. des Lohnausweises 2018 ist die "Schichtzulage" in Höhe von 5.852 CHF im Grundlohn enthalten. Eine im Grundlohn enthaltene "Schichtzulage" entspricht aber nicht den Anforderungen des § 68 Abs. 1 EStG. Denn sie ist kein zum Grundlohn hinzutretender Lohn, mit der die Erschwernis der Schicht- bzw. Nachtarbeit abgegolten wird, sondern lediglich der Grundlohn, der auf die im Schichtbetrieb geleisteten Arbeitsstunden entfällt. Ein rechnerisches Herausschälen einer Zulage aus dem Grundlohn, gleichviel, ob vom Arbeitgeber in einer Bestätigung oder vom Steuerpflichtigen selbst, ist nach dem oben Gesagten aber nicht zulässig. Eine derartige Vorgehensweise würde ja im Ergebnis bewirken, dass der eigentliche Grundlohn gekürzt wird und anstelle dessen und nicht zusätzlich zu diesem bezahlt wird (vgl. auch ).

Die "Schichtzulage" 2018 war daher als Teil des Grundlohns nach dem laufenden Tarif zu versteuern.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Erkenntnis ergeht auf der Grundlage von durch Lehre und Rechtsprechung in ihrer Anwendung eindeutig geklärten gesetzlichen Bestimmungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist mit diesem Erkenntnis daher nicht angesprochen, weshalb eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100128.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at