Begehrt wird die Nachsicht von Aussetzungszinsen.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch die Germuth Steuerberatungs GmbH, Johannesgasse 16/5, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom brachte die ***Bf1***(in der Folge Bf. genannt) folgenden Schriftsatz ein:
"Am Abgabenkonto haften Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt EUR 57.300,58 (= 56.171,33 und 1.129,25) sowie ein Säumniszuschlag in Höhe von EUR 20.414,90 aus, welche bis gestundet sind.
Diese Abgaben haben folgenden Ursprung: Im Jahr 2011 hat die Gesellschaft innergemeinschaftliche Erwerbe in Finnland (Zollfreihafen Hamina) verwirklicht, wobei sie mit ihrer österreichischen UID-Nummer aufgetreten ist. Es waren dies Umsätze mit einer Bemessungsgrundlage von EUR 5.131.368,40, so dass in Österreich nach Art. 3 Abs. 8 UStG Umsatzsteuer iHv EUR 1.026.273,68 angefallen ist. Am hat sich die Gesellschaft sodann in Finnland registriert und für 2011 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben (elektronisch eingereicht am durch den finnischen Steuerberater) und ig Erwerbe in Finnland versteuert. Die diesbezügliche Bestätigung vom des finnischen Steuerberaters haben wir im Verfahren mit Schriftsatz vom vorgelegt.
Wir haben im Abgabenverfahren (Beschwerde vom ) hinsichtlich der Umsatzsteuer 2011 die sich daraus ergebende Berichtigung für das Jahr 2011 mit ex-nunc-Wirkung eingefordert und Beschwerde eingelegt und die Aussetzung der Einhebung beantragt, weil die Gesellschaft die Abgabe nicht hätte bezahlen können. Der UFS (Anm.: Richtig wohl das BFG) hat dieses Begehren mit Entscheidung vom abgewiesen.
Mit der Umsatzsteuererklärung 2012 haben wir - parallel zum Rechtsmittel betreffend Umsatzsteuer 2011 - die aus der Registrierung in Finnland resultierende Berichtigung der Umsatzsteuer in gleicher Höhe (EUR 1.026.273,68) geltend gemacht. Dazu ist anzumerken: Hätte die Gesellschaft dies nicht mit der Umsatzsteuererklärung 2012, sondern mit der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat 4/2012 geltend gemacht, hätte dies bereits zum zu einem Guthaben geführt. Es schien uns jedoch unredlich, auf der einen Seite gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer 2011 ein Rechtsmittel zu erheben und gleichzeitig gleichsam dieselbe Umsatzsteuer im Wege einer Umsatzsteuervoranmeldung mit der Bewirkung eines Guthabens geltend zu machen. Deshalb haben wir die Berichtigung im Zuge der Jahreserklärung 2012 geltend gemacht.
Die Behörde hat jedoch über die Umsatzsteuer 2012 nicht entschieden, offenbar das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens 2011 abwartend. Wir hatten dafür - aus den o.g. Gründen - Verständnis, und haben daher auch keine verfahrensrechtlichen Schritte unternommen, um das Verfahren über die Umsatzsteuer 2012 zu beschleunigen; dies in dem Wissen, dass sich die Beträge am Ende ohnehin ausgleichen.
Das Verfahren hat letztendlich viel länger gedauert als erwartet und die Finanzbehörde hat erst in 2020 die Umsatzsteuer 2012 bescheidmäßig festgesetzt (als sich abzeichnete, dass der UFS die Beschwerde hinsichtlich 2011 abweisen wird). Letztendlich haben sich die Umsatzsteuerbeträge ausgeglichen. Aus der - wie sich nun herausstellte - unglücklichen Vorgehensweise (Berichtigung im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 2012 anstatt mit UVA 04/2012) resultierten jedoch Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt EUR 57.300,58 (= 56.171,33 und 1.129,25) sowie ein Säumniszuschlag in Höhe von EUR 20.414,90.
Wir stellen daher den Antrag gemäß § 217 Abs 7 BAO, den Säumniszuschlag in Höhe von EUR 20.414,90 nicht festzusetzen, weil die Gesellschaft kein grobes Verschulden trifft, zumal es sich um einen besonders "ausgerissenen" Fall handelt, wo es bei einer Lieferung in einen Zollfreihafen (Hamina, Finnland) zu einem i.g. Erwerb kam, mit dem auch ein sorgfältiger Geschäftsführer nicht rechnen konnte.
Weiters stellen wir den Antrag gemäß § 236 BAO, die Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 57.300,58 durch Abschreibung nachzusehen und begründen dies wie folgt:
Die Einhebung der Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 57.300,58 wäre im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen unbillig: Die persönliche Unbilligkeit (iSd § 2 der VO zu § 236 BAO, BGBl II 2005/435 idF BGBL 2019/236) liegt hier vor, weil die Einhebung der Abgabe die Existenz der Gesellschaft gefährden würde: Wie sich im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses 2020 herausgestellt hat, ist der Geschäftsführer des Hauptkunden an Corona verstorben; aus den daraus resultierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Hauptkunden ergibt sich ein hoher Abschreibungsbedarf (der Forderung) und somit ein hoher Verlust in 2020 und folglich auch ein Liquiditätsengpass. In der Anlage übersenden wir den Entwurf des Jahresabschlusses 2020 (Anlage/h).
Zudem liegt uE auch eine sachliche Unbilligkeit vor (zu beachten ist, dass § 2 der VO zu § 236 BAO, die Gründe sachlicher Unbilligkeit nur demonstrativ aufzählt [arg: "insbesondere"]): Es ist zu keinem Schaden für den Fiskus gekommen ist, weil sich die Umsatzsteuerbeträge am Ende ausgeglichen haben.
Der Zweck der Regelung in § 3 Abs 8 UstG ist, den Anfall von Erwerbsteuer im Staat des i.g. Erwerbs zu sichern, dem wurde von der Gesellschaft genüge getan. Aussetzungszinsen sollen einen für den Fiskus entstehenden Nachteil durch spätere Zahlung einer jedenfalls zu zahlenden Abgabe kompensieren. Dies ist aber hier gerade nicht der Fall: Hätte die Gesellschaft im vorliegenden Fall von Anfang an alles richtig gemacht, dann wäre von Anfang an gar keine Umsatzsteuer angefallen und auch keine Aussetzungszinsen. Und letztendlich ist auch - saldiert betrachtet - keine Umsatzsteuer angefallen.
Der Anfall von Aussetzungszinsen ist im vorliegenden Fall daher ein vom Gesetzgeber nicht intendierter, verfahrensrechtlicher Nebeneffekt."
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Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 236 Bundesabgabenordnung können auf Antrag des Abgabenpflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe kann nach geltender Judikatur eine persönliche oder sachliche sein. Gemäß Verwaltungsgerichtshof muss Unbilligkeit im Einzelfall vorliegen. Persönliche Unbilligkeit könnte sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabenschuldners ergeben, insbesondere wenn sich daraus die Existenzgefährdung des Abgabenpflichtigen ergeben würde oder zur Entrichtung der Abgabenschuld Vermögenswerte verschleudert werden müssten, um dieser Existenzgefährdung zu entgehen.
Sachliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld auslöst, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (,0265) .
Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, wenn die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint ().
Zuerst darf auf die gesetzlichen Normierungen betreffend Steuerverfahren eingegangen werden:
Aussetzungszinsen (EZ): Gemäß § 212a Abs. 9 sind für Abgabenschuldigkeiten
a) solange auf Grund eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung über den noch nicht entschieden wurde, Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden (§ 230 Abs 6) oder
b) soweit infolge Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, Aussetzungszinsen in Höhe von zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten.
Aussetzungszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Wird einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben, so sind Aussetzungszinsen vor der Erlassung des diesen Antrag erledigenden Bescheides nicht festzusetzen.
Im Fall der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung sind Aussetzungszinsen vor der Verfügung des Ablaufes (Abs 5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen.
Aussetzungszinsen stellen ein Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen (jederzeit durch Entrichtung gemäß § 212a Abs 8 beendbaren) Zahlungsaufschub dar (). Ihre Festsetzung ist daher auch dann rechtmäßig, wenn (rechtswidrigerweise) der Ablauf erst über ein Jahr nach Berufungserledigung erfolgte ().
Aussetzungszinsen für die Dauer des Berufungsverfahrens sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Berufungsverfahren unangemessen lang gedauert hat (vgl ). Dies führt im Übrigen auch nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 BAO (). Die Vorschreibung von Aussetzungszinsen entspricht auch dann dem Gesetz, wenn während des Aussetzungszeitraumes ein Guthaben auf dem Abgabenkonto besteht, jedoch keine Antrag iSd § 212a Abs. 8 gestellt wird ().
Sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; , 2004/16/0151).
Die Einhebung von Aussetzungszinsen ist nicht sachlich unbillig; dies wegen der Antragsgebundenheit der Aussetzung der Einhebung, wegen des Zinsengewinns durch den Zahlungsaufschub und weil der Abgabepflichtige durch Entrichtung der ausgesetzten Beträge das Entstehen von Zinsansprüchen verhindern kann (z.B. ; , 2002/14/0138).
Der Einwand der persönlichen Unbilligkeit greift hier nicht.
Aus dem hohen Bilanzverlust 2020 ergibt sich lt eigenen Angaben ein LiquiditätsENGPASS, aber keine volle Illiquidität oder Insolvenz. Diesem Engpass kann jedoch mit einem Zahlungserleichterungsansuchen durchaus begegnet werden.
Etwaige Härten in der Entrichtung würden dadurch abgefedert, somit bedarf es keiner Nachsicht ().
Darüber hinaus ist mit Veranlagung dieser Bilanz mit einer Gutschrift aus zu hoch angesetzten Vorauszahlungen zu rechnen, womit sich der derzeit bestehende Rückstand ohnehin weiter vermindert.
Da somit weder sachliche, noch persönliche Unbilligkeit festzustellen ist, ist der Behörde eine Ermessensentscheidung untersagt."
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Dagegen brachte die steuerliche Vertretung mit Schriftsatz vom eine Bescheidbeschwerde ein, in der zur Begründung ausgeführt wird:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH () ist eine sachliche Unbilligkeit anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().
Im Zusammenhang mit Aussetzungszinsen verweist der VwGH zum einen darauf, dass es in der Ingerenz des Abgabepflichtigen liegt, den Anfall von Aussetzungszinsen durch Entrichtung der Abgabe zu verhindern (); in einem anderen Fall hätte der Abgabenpflichtige ein auf seinem Abgabenkonto bestehendes Guthaben zur Tilgung des ausgesetzten Betrages verwenden können (VwGH 17,12.1996, 96/14/0132). Zum anderen sei der Aspekt des Zinsgewinnes zu beachten, den der Abgabenpflichtige durch den Zahlungsaufschub hat ().
Den von der Behörde zitierten Erkenntnissen des VwGH lagen Sachverhalte zugrunde, die gerade nicht mit dem hier vorliegenden vergleichbar sind:
Im vorliegenden Fall wäre es der Gesellschaft nicht möglich gewesen, den Umsatzsteuerbetrag in Höhe von EUR 1.026.273,68 zu bezahlen und dadurch den Anfall von Aussetzungszinsen zu verhindern. Die Gesellschaft war wirtschaftlich genötigt, einen Aussetzungsantrag zu stellen.
Da die Behörde nicht über die Umsatzsteuer 2012 entschieden hat (sondern erst in 2020), entstand auch kein Guthaben, mit dem die Gesellschaft die Abgabenschuldigkeit hätte tilgen können. (Nach Ergehen des Umsatzsteuerbescheides in 2020 wurde das Guthaben sofort dafür verwendet, die Abgabenschuld zu tilgen.)
Die Gesellschaft hatte auch keinen Zinsgewinn: Typischer Weise fallen Aussetzungszinsen im Zusammenhang mit Abgaben an, die der Abgabenpflichtige irgendwann bezahlen muss; durch das Hinauszögem der Zahlung hat er einen Finanzierungsvorteil, welcher die Vorschreibung von Aussetzungszinsen rechtfertigt (ratio legis). Dies trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil es hier die Besonderheit gibt, dass ein und derselbe Sachverhalt (i.g. Erwerb in 2011; wir verweisen auf die Ausführungen im Antrag vom ) letztendlich zum einen eine Umsatzsteuerlast und zum anderen ein Guthaben in selber Höhe bewirkten und es letztendlich saldiert zu keiner zu zahlenden Abgabenlast für die Gesellschaft kam. Dies ist der wesentliche Unterschied zu den den zitierten Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalten und das Außergewöhnliche an diesem Sachverhalt. Es war von vornherein klar, dass die Gesellschaft letztendlich ohnehin nichts zahlen muss. Im vorliegenden Fall hatte die Gesellschaft daher durch die Aussetzung keinen Zinsgewinn.
Bei gewöhnlichem Verfahrensablauf wäre die Abgabenlast nicht zu erwarten gewesen: Nur deswegen, weil die Behörde (acht Jahre) nicht über die Umsatzsteuer 2012 entschieden hat und daher kein verwendbares Guthaben entstanden ist, sind derart hohe Aussetzungszinsen angefallen.
Bei gewöhnlichem Verfahrensablauf wäre zeitnah über die Umsatzsteuer 2012 entschieden worden und das Guthaben hätte zur Tilgung der Abgabenschuld verwendet werden können und es wären keine (bzw nur eine geringe) Aussetzungszinsen angefallen.
Der vorliegende Fall entspricht daher exakt den oben zitierten Anforderungen des VwGH zur sachlichen Unbilligkeit: Der Anfall von Aussetzungszinsen im vorliegenden Fall entspricht nicht der ratio legis:
Die Zinsen fallen nur an, weil die Abgabenschuld verzinst wird, nicht jedoch das aus demselben Sachverhalt herrührende Guthaben in selber Höhe. Im vorliegenden Fall hat die Gesellschaft keinen Finanzierungsvorteil, den es zu kompensieren gilt, weil am Ende nichts zu zahlen war. Es tritt daher ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis ein, das aufgrund der Höhe der Zinsen zu einer anormalen Belastung führt. Da die Aussetzungszinsen gesetzlich vorzuschreiben waren und der Abgabenpflichtige den Anfall von Aussetzungszinsen auch nicht durch Entrichtung oder Tilgung mit einem Guthaben verhindern konnte, sind diese nach § 236 BAO nachzusehen.
Wir beantragen daher, den abweisenden Bescheid aufzuheben bzw dahingehend abzuändern, dem Antrag gemäß § 236 BAO, die Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 57.300,58 durch Abschreibung nachzusehen, stattzugeben."
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Am Abgabenkonto haften Aussetzungszinsen iHv € 57.300,58 aus. Diese haben ihren Ursprung darin, dass im Jahr 2011 die Gesellschaft innergemeinschaftliche Erwerbe in Finnland verwirklichte, wobei sie unter österreichischer UID-Nummer aufgetreten ist. In Österreich ist eine Umsatzsteuer iHv € 1.026.273,68 angefallen. 2012 hat sich die Gesellschaft in Finnland registriert und dort für 2011 eine Umsatzsteuervoranmeldung abgegeben und innergemeinschaftliche Erwerbe in Finnland versteuert. Eine Berichtigung der österreichischen Umsatzsteuer für das Jahr 2011 mit ex-nunc-Wirkung wurde eingefordert und Beschwerde eingelegt sowie die Aussetzung der Einhebung beantragt. Das Bundesfinanzgericht hat mit Entscheidung vom die Beschwerde abgewiesen.
Im Umsatzsteuerverfahren 2012 wurde die aus der Registrierung in Finnland resultierende Berichtigung der Umsatzsteuer iHv € 1.026.273,68 geltend gemacht. Im Jahr 2020 wurde die Umsatzsteuer 2012 bescheidmäßig festgesetzt. Letztendlich haben sich die Umsatzsteuerbeträge ausgeglichen. Für die ausgesetzten Beträge im Zuge der Beschwerde Umsatzsteuer 2011 wurden Aussetzungszinsen iHv € 57.300,58 vorgeschrieben.
Am wurde ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO eingebracht. Eine persönliche Unbilligkeit liege vor, weil die Einhebung der Abgabe die Existenz der Gesellschaft gefährden würde.
Aufgrund des Todes des Geschäftsführers des Hauptkunden und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Hauptkunden ergebe sich ein hoher Abschreibungsbedarf und somit ein hoher Verlust in 2020. Dies habe einen Liquiditätsengpass zur Folge. Eine sachliche Unbilligkeit sei gegeben, da dem Fiskus kein Nachteil entstanden sei, weil die zu zahlenden Abgaben sich kompensiert haben. Hätte der Geschäftsführer alles richtig gemacht, dann wären keine Umsatzsteuer und auch keine Aussetzungszinsen angefallen. Letztlich sei auch - saldiert betrachtet - keine Umsatzsteuer angefallen. Der Anfall von Aussetzungszinsen sei im vorliegenden Fall daher ein vom Gesetzgeber nicht intendierter, verfahrensrechtlicher Nebeneffekt.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag abgewiesen, die Hauptpunkte der Begründung lauteten: Aussetzungszinsen stellen ein Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen (jederzeit durch Entrichtung gem. § 212a Abs 8 beendbaren) Zahlungsaufschub dar (). Ihre Festsetzung sei daher auch dann rechtmäßig, wenn (rechtswidrigerweise) der Ablauf erst über ein Jahr nach Berufungserledigung erfolgte (). Aussetzungszinsen für die Dauer des Berufungsverfahrens seien auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Berufungsverfahren unangemessen lang gedauert hat (vgl ). Dies führe im Übrigen auch nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 BAO (). Die Vorschreibung von Aussetzungszinsen entspreche auch dann dem Gesetz, wenn während des Aussetzungszeitraumes ein Guthaben auf dem Abgabenkonto besteht, jedoch kein Antrag iSd § 212a Abs 8 gestellt werde (). Sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; ,2004/16/0151). Die Einhebung von Aussetzungszinsen sei nicht sachlich unbillig; dies wegen der Antragsgebundenheit der Aussetzung der Einhebung, wegen des Zinsengewinns durch den Zahlungsaufschub und weil der Abgabepflichtige durch Entrichtung der ausgesetzten Beträge das Entstehen von Zinsansprüchen verhindern kann (z.B. ; , 2002/14/0138).
Der Einwand der persönlichen Unbilligkeit greife hier nicht. Aus dem hohen Bilanzverlust 2020 ergebe sich It eigenen Angaben ein Liquiditätsengpass, aber keine volle Illiquidität oder Insolvenz.
Diesem Engpass könne jedoch mit einem Zahlungserleichterungsansuchen durchaus begegnet werden. Etwaige Härten in der Entrichtung würden dadurch abgefedert, somit bedarf es keiner Nachsicht (). Darüber hinaus sei mit Veranlagung dieser Bilanz mit einer Gutschrift aus zu hoch angesetzten Vorauszahlungen zu rechnen, womit sich der derzeit bestehende Rückstand ohnehin weiter vermindert.
Am wurde fristgerecht Beschwerde gegen die Abweisung der Nachsicht eingebracht. Die Beschwerdeführerin bringt vor, im Zusammenhang mit Aussetzungszinsen verweise der VwGH zum einen darauf, dass es in der Ingerenz des Abgabepflichtigen liege, den Anfall von Aussetzungszinsen durch Entrichtung der Abgabe zu verhindern (), in einem anderen Fall hätte der Abgabenpflichtige ein auf seinem Abgabenkonto bestehendes Guthaben zur Tilgung des ausgesetzten Betrages verwenden können (). Zum anderen sei der Aspekt des Zinsgewinnes zu beachten, den der Abgabenpflichtige durch den Zahlungsaufschub hat (/0 138).
Den von der Behörde zitierten Erkenntnissen des VwGH seien Sachverhalte zugrunde gelegen, die gerade nicht mit dem hier vorliegenden vergleichbar seien. Im vorliegenden Fall sei es der Gesellschaft nicht möglich gewesen, den Umsatzsteuerbetrag in Höhe von € 1.026.273,68 zu bezahlen, und dadurch den Anfall von Aussetzungszinsen zu verhindern. Die Gesellschaft sei wirtschaftlich genötigt gewesen, einen Aussetzungsantrag zu stellen. Da die Behörde nicht über die Umsatzsteuer 2012 entschieden habe (sondern erst in 2020), sei auch kein Guthaben entstanden, mit dem die Gesellschaft die Abgabenschuldigkeit hätte tilgen können. (Nach Ergehen des Umsatzsteuerbescheides in 2020 sei das Guthaben sofort dafür verwendet worden, die Abgabenschuld zu tilgen.). Die Gesellschaft habe auch keinen Zinsgewinn: Typischer Weise fallen Aussetzungszinsen im Zusammenhang mit Abgaben an, die der Abgabenpflichtige irgendwann bezahlen müsse. Durch das Hinauszögern der Zahlung habe er einen Finanzierungsvorteil, welcher die Vorschreibung von Aussetzungszinsen rechtfertige (ratio legis). Dies treffe aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil es hier die Besonderheit gebe, dass ein und derselbe Sachverhalt (siehe Antrag vom ) letztendlich zum einen eine Umsatzsteuerlast und zum anderen ein Guthaben in selber Höhe bewirkten und es letztendlich saldiert zu keiner zu zahlenden Abgabenlast bei der Gesellschaft käme. Dies sei der wesentliche Unterschied zu den den zitierten Erkenntnissen zugrundeliegenden Sachverhalten und das Außergewöhnliche an diesem Sachverhalt. Es sei von vornherein klar gewesen, dass die Gesellschaft letztendlich ohnehin nichts zahlen müsse. Im vorliegenden Fall habe die Gesellschaft daher durch die Aussetzung keinen Zinsgewinn. Bei gewöhnlichem Verfahrensablauf sei die Abgabenlast nicht zu erwarten gewesen: Nur deswegen, weil die Behörde (acht Jahre) nicht über die Umsatzsteuer 2012 entschieden habe und daher kein verwendbares Guthaben entstanden sei, seien derart hohe Aussetzungszinsen angefallen. Bei gewöhnlichem Verfahrensablauf wäre zeitnah über die Umsatzsteuer 2012 entschieden worden und das Guthaben hätte zur Tilgung der Abgabenschuld verwendet werden können und es wären keine (bzw nur geringe) Aussetzungszinsen angefallen.
Der vorliegende Fall entspreche daher exakt den oben zitierten Anforderungen des VwGH zur sachlichen Unbilligkeit: Der Anfall von Aussetzungszinsen im vorliegenden Fall entspreche nicht der ratio legis: Die Zinsen fallen nur an, weil die Abgabenschuld, nicht jedoch das aus demselben Sachverhalt herrührende Guthaben verzinst werde. Im vorliegenden Fall habe die Gesellschaft keinen Finanzierungsvorteil, den es zu kompensieren gelte, weil am Ende nichts zu zahlen gewesen sei. Es trete daher ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis ein, das aufgrund der Höhe der Zinsen zu einer anormalen Belastung führte. Da die Aussetzungszinsen gesetzlich vorzuschreiben wären und die Beschwerdeführerin den Anfall von Aussetzungszinsen auch nicht durch Entrichtung oder Tilgung mit einem Guthaben verhindern konnte, sind diese nach § 236 BAO nachzusehen.
Rechtlich folgt:
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt (; , 98/15/0176; , 98/13/0091; , 2001/14/0022; , 2005/17/0245, AW 2005/17/0061), sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (). (Ritz, BAO6, § 236 Rz 11)
Der Rechtsprechung des VwGH ist zu entnehmen, dass die Festsetzung von Aussetzungszinsen keine sachliche Unbilligkeit begründet, da Aussetzungszinsen aufgrund der Antragsgebundenheit der Aussetzung der Einhebung eine Rechtsfolge der selbstgetroffenen Entscheidung des Abgabepflichtigen sind (;, 98/13/0073) und es in der Hand des Abgabenpflichtigen liegt, durch Entrichtung der ausgesetzten Beträge das Anfallen von Aussetzungszinsen zu verhindern (; , 99/13/0065; , 2000/15/0196; , 2002/14/0138)
Lediglich ein weiterer Aspekt ist, dass bei dem durch die Aussetzung eingetretenen Zahlungsaufschub der Abgabepflichtigen einen Zinsgewinn erhält.
Aussetzungszinsen für die Dauer des Beschwerdeverfahrens sind nicht deshalb rechtswidrig, weil das Beschwerdeverfahren unangemessen lang gedauert hat (vgl ; -K/07). Dies führt übrigens auch nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 (zB ; , 2002/14/0138).
Fakt ist, dass sich die gegenständlichen Aussetzungszinsen auf einem Aussetzungsantrag der Beschwerdeführerin gründen. Es war Ihre freie Entscheidung den Antrag zu stellen. Wenn es aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht möglich gewesen ist, die Abgaben zu zahlen, hätte auch um Zahlungserleichterung angesucht werden können. Durch (teilweise) Zahlung der Beträge hätten sich die Aussetzungszinsen vermindert.
Auch in der langen Verfahrensdauer des Umsatzsteuerverfahrens 2012 lässt sich betreffend der Aussetzungszinsen keine sachliche Unbilligkeit erblicken. Es steht nicht fest, dass die Gesellschaft die Gutschrift aus der Berichtigung der Umsatzsteuer 2012 für die Tilgung der ausgesetzten Beträge verwendet hätte. Sie hätte auch den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens Umsatzsteuer 2011 abwarten oder das Guthaben in anderer Form verwenden können. Zu keiner Zeit war es zwingend, dass die Beschwerdeführerin das Guthaben für die ausgesetzten Beträge zu verwenden gehabt hätte. Auch wenn im Jahr 2013 die Gutschrift entstanden wäre, lässt sich daher nicht sagen, ob die gegenständlichen Aussetzungszinsen angefallen wären oder nicht.
Durch die Aussetzung der Einhebung tritt gemäß § 212a Abs 5 erster Satz BAO zwingend ein Zahlungsaufschub ein. Bei der Umsatzsteuer 2011 handelt es sich um eine zu zahlende Abgabe, deren Entrichtung durch die Aussetzung der Einhebung massiv nach hinten verschoben wurde.
Somit hatte die Gesellschaft einen Zinsgewinn, da sie die Abgabe nicht im Jahr 2014 zahlen musste, sondern erst nach Ausgang des Rechtsmittelverfahrens 2021. Der Umstand, dass der Abgabenschuld aus 2011 eine gleich hohe Gutschrift aus der Umsatzsteuer 2012 (welche jedoch erst 2020 entstanden ist) gegenübersteht, ändert daran nichts. Man kann Gutschriften und Zahllasten aus verschiedenen Zeiträumen grundsätzlich nicht saldiert betrachten und so das Vorliegen einer Zahllast damit negieren. Um eine Saldierung einer Gutschrift mit ausgesetzten Beträgen dennoch herzustellen, sieht das Gesetz einen Antrag nach § 212a Abs 8 BAO vor.
Aus dem Vorbringen, der im Erstbescheid angeführten Judikatur lägen andere Sachverhalte zu Grunde, lässt sich für den gegenständlichen Fall nichts gewinnen. Es liegt in der Natur der Rechtsprechung, dass den Erkenntnissen Einzelfälle zugrunde liegen. Aus der Begründung von höchstgerichtlichen Entscheidungen lassen sich jedoch allgemein gültige Aussagen über Rechtsnormen finden, denen bei der Interpretation einer Rechtsnorm und der Subsumtion eines Lebenssachverhaltens unter den gesetzlichen Tatbestand wesentliche Bedeutung zukommen. Die Aussagen in der zitierten Judikatur beziehen sich nicht auf die konkreten Besonderheiten der Einzelfälle der Erkenntnisse, sondern es handelt sich um allgemeine Aussagen zur Rechtsnorm. Dass der gegenständliche Sachverhalt von jenen der Entscheidungen abweicht, ändert an der Gültigkeit und Anwendbarkeit der höchstgerichtlichen Judikatur nichts.
Die Beschwerdeführerin konnte keine Unbilligkeit der Einbringung der Abgaben darlegen. Im Falle eines Ansuchens um Nachsicht, hat die Abgabenbehörde zuerst zu prüfen ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Da diese Frage verneint werden konnte, ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr.
Die Beschwerde war daher abzuweisen."
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Dagegen beantragte die Bf. form und fristgerecht die Entscheidung über die Bescheidbeschweide durch das Verwaltungsgericht und begründet dies wie folgt:
"Wir wiederholen nochmals die in der Beschwerde vom vorgebrachten Gründe (zumal in der Beschwerdevorentscheidung darauf nicht bzw nicht zureichend eingegangen wurde):
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH () ist eine sachliche Unbilligkeit anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist().
Im Zusammenhang mit Aussetzungszinsen verweist der VwGH zum einen darauf, dass es in der Ingerenz des Abgabepflichtigen liegt, den Anfall von Aussetzungszinsen durch Entrichtung der Abgabe zu verhindern (); in einem anderen Fall hätte der Abgabenpflichtige ein auf seinem Abgabenkonto bestehendes Guthaben zur Tilgung des ausgesetzten Betrages verwenden können (). Zum anderen sei der Aspekt des Zinsgewinnes zu beachten, den der Abgabenpflichtige durch den Zahlungsaufschub hat ().
Den von der Behörde zitierten Erkenntnissen des VwGH lagen Sachverhalte zugrunde, die gerade nicht mit dem hier vorliegenden vergleichbar sind:
Im vorliegenden Fall wäre es der Gesellschaft nicht möglich gewesen, den Umsatzsteuerbetrag in Höhe von EUR 1.026.273,68 zu bezahlen, und dadurch den Anfall von Aussetzungszinsen zu verhindern. Die Gesellschaft war wirtschaftlich genötigt, einen Aussetzungsantrag zu stellen.
Da die Behörde nicht über die Umsatzsteuer 2012 entschieden hat (sondern erst in 2020), entstand auch kein Guthaben, mit dem die Gesellschaft die Abgabenschuldigkeit hätte tilgen können. (Nach Ergehen des Umsatzsteuerbescheides in 2020 wurde das Guthaben sofort dafür verwendet, die Abgabenschuld zu tilgen.)
Die Gesellschaft hatte auch keinen Zinsgewinn: Typischer Weise fallen Aussetzungszinsen im Zusammenhang mit Abgaben an, die der Abgabenpflichtige irgendwann bezahlen muss; durch das Hinauszögern der Zahlung hat er einen Finanzierungsvorteil, welcher die Vorschreibung von Aussetzungszinsen rechtfertigt (ratio legis). Dies trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil es hier die Besonderheit gibt, dass ein und derselbe Sachverhalt (i.g. Erwerb in 2011; wir verweisen auf die Ausführungen im Antrag vom ) letztendlich zum einen eine Umsatzsteuerlast und zum anderen ein Guthaben in selber Höhe bewirkten und es letztendlich saldiert zu keiner zu zahlenden Abgabenlast für die Gesellschaft kam. Dies ist der wesentliche Unterschied zu den den zitierten Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalten und das Außergewöhnliche an diesem Sachverhalt. Es war von vornherein klar, dass die Gesellschaft letztendlich ohnehin nichts zahlen muss. Im vorliegenden Fall hatte die Gesellschaft daher durch die Aussetzung keinen Zinsgewinn.
Bei gewöhnlichem Verfahrensablauf wäre die Abgabenlast nicht zu erwarten gewesen: Nur deswegen, weil die Behörde (acht Jahre) nicht über die Umsatzsteuer 2012 entschieden hat und daher kein verwendbares Guthaben entstanden ist, sind derart hohe Aussetzungszinsen angefallen.
Bei gewöhnlichem Verfahrensablauf wäre zeitnah über die Umsatzsteuer 2012 entschieden worden und das Guthaben hätte zur Tilgung der Abgabenschuld verwendet werden können und es wären keine (bzw nur geringe) Aussetzungszinsen angefallen.
Der vorliegende Fall entspricht daher exakt den oben zitierten Anforderungen des VwGH zur sachlichen Unbilligkeit: Der Anfall von Aussetzungszinsen im vorliegenden Fall entspricht nicht der ratio legis:
Die Zinsen fallen nur an, weil die Abgabenschuld verzinst wird, nicht jedoch das aus demselben Sachverhalt herrührende Guthaben in selber Höhe. Im vorliegenden Fall hat die Gesellschaft keinen Finanzierungsvorteil, den es zu kompensieren gilt, weil am Ende nichts zu zahlen war. Es tritt daher ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis ein, das aufgrund der Höhe der Zinsen zu einer anormalen Belastung führt. Da die Aussetzungszinsen gesetzlich vorzuschreiben waren und der Abgabenpflichtige den Anfall von Aussetzungszinsen auch nicht durch Entrichtung oder Tilgung mit einem Guthaben verhindern konnte, sind diese nach § 236 BAO nachzusehen.
In der Beschwerdevorentscheidung vom werden seitens der Behörde weiters folgende "Argumente" vorgebracht:
Nach Ansicht der Behörde sei es "die freie Entscheidung der Beschwerdeführerin gewesen, einen Aussetzungsantrag zu stellen" und "wenn es aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht möglich gewesen wäre, die Abgaben zu zahlen, hätte auch um Zahlungserleichterung angesucht werden können".
Dem ist entgegenzuhalten: Die Gesellschaft verfügte im Zeitpunkt des Aussetzungsantrages über ein Eigenkapital von ca. EUR 317.000,00 sowie liquide Mittel in Höhe von rd. EUR 11.000,-- (siehe den Jahresabschluss zum ; Anlage /1). Die Gesellschaft war keineswegs frei in ihrer Entscheidung, sondern wirtschaftlich gezwungen, einen Aussetzungsantrag zu stellen, weil sie wirtschaftlich unmöglich in der Lage gewesen wäre, die Abgabe in Höhe von EUR 1.026.273,68 (!) auch nur teilweise zu bezahlen.
Weiters vermeint die Behörde, "es steht keineswegs fest, dass die Gesellschaft die Gutschrift aus der Berichtigung der Umsatzsteuer 2012 für die Tilgung der ausgesetzten Beträge verwendet hätte, ...sie hätte die Beträge auch in anderer Weise verwenden können."
Diese Überlegungen der Behörde sind zum einen völlig lebensfremd und zum anderen hypothetisch und hier irrelevant: Ab dem Zeitpunkt, wo aufgrund der Entscheidung der Behörde die Gutschrift aus der Berichtigung der Umsatzsteuer 2012 resultiert, wäre es tatsächliche die freie Entscheidung der Gesellschaft gewesen, die Abgabe zu tilgen oder die Aussetzung aufrecht zu belassen. Dieser Fall lag aber eben gerade nicht vor (das ist ja das Problem) und ist erst in 2020 eingetreten (die Gesellschaft hat im Übrigen nach Ergehen der Entscheidung in 2020 und Entstehen der Gutschrift umgehend den Aussetzungsantrag zurückgezogen). Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Gesellschaft während aufrechter Aussetzung keinen Finanzierungsvorteil hatte, den es nach der ratio legis durch Aussetzungszinsen zu kompensieren gelte.
Weiters bringt die Behörde vor, "man kann Gutschriften und Zahllasten aus verschiedenen Zeiträumen nicht saldiert betrachten und so das Vorliegen einer Zahllast negieren; das Gesetz sehe dafür einen Antrag gemäß § 212a Abs 8 BAO vor."
Es geht hier eben darum, dass eine solche Gutschrift mangels Entscheidung der Behörde nicht vorlag und daher auch ein Antrag nach § 212a Abs 8 BAO nicht möglich war. Es geht um die ratio legis von Aussetzungszinsen. Da die Gesellschaft eben (mangels Entscheidung der Behörde) über kein Guthaben verfügte, welches nach § 212a Abs 8 BAO zur Tilgung der ausgesetzten Abgabe hätte herangezogen werden können, wird ja gerade das Rechtsinstitut der Nachsicht nach § 236 BAO bemüht, um der ratio legis genüge zu tun und diese sachlich unbilligen Rechtsfolgen hintanzuhalten.
Wir beantragen daher, dem Antrag gemäß § 236 BAO, die Aussetzungszinsen in Höhe von EUR 57.300,58 durch Abschreibung nachzusehen, stattzugeben."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
In der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II 435/2005 idF BGBl. II 236/2019, wird dazu ausgeführt:
§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trifft den Antragsteller im Falle einer Antrag-stellung nach § 236 BAO eine erhöhte Mitwirkungspflicht und er hat einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun hat, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (siehe zuletzt etwa ).
Der vom Bf. vorgetragene Sachverhalt gemäß Nachsichtsansuchen vom :
Am Abgabenkonto hafteten Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt EUR 57.300,58 (= 56.171,33 und 1.129,25) sowie ein Säumniszuschlag in Höhe von EUR 20.414,90 aus.
Diese Abgaben hätten folgenden Ursprung: Im Jahr 2011 habe die Gesellschaft innergemeinschaftliche Erwerbe in Finnland (Zollfreihafen Hamina) verwirklicht, wobei sie mit ihrer österreichischen UID-Nummer aufgetreten sei. Es wären dies Umsätze mit einer Bemessungsgrundlage von EUR 5,131.368,40, so dass in Österreich nach Art. 3 Abs. 8 UStG Umsatzsteuer iHv EUR 1.026.273,68 angefallen sei. Am habe sich die Gesellschaft sodann in Finnland registriert und für 2011 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben (elektronisch eingereicht am durch den finnischen Steuerberater) und ig Erwerbe in Finnland versteuert. Die diesbezügliche Bestätigung vom des finnischen Steuerberaters hätte die Bf./der steuerliche Vertreter im Verfahren mit Schriftsatz vom vorgelegt.
Im Abgabenverfahren (Beschwerde vom ) sei hinsichtlich der Umsatzsteuer 2011 die sich daraus ergebende Berichtigung für das Jahr 2011 mit ex-nunc-Wirkung eingefordert und Beschwerde eingelegt und die Aussetzung der Einhebung beantragt worden, weil die Gesellschaft die Abgabe nicht hätte bezahlen können. Der UFS habe dieses Begehren mit Entscheidung vom abgewiesen.
Mit der Umsatzsteuererklärung 2012 habe die Bf. - parallel zum Rechtsmittel betreffend Umsatzsteuer 2011 - die aus der Registrierung in Finnland resultierende Berichtigung der Umsatzsteuer in gleicher Höhe (EUR 1.026.273,68) geltend gemacht. Dazu sei anzumerken: Hätte die Gesellschaft dies nicht mit der Umsatzsteuererklärung 2012, sondern mit der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat 4/2012 geltend gemacht, hätte dies bereits zum zu einem Guthaben geführt. Es schiene der Bf. jedoch unredlich, auf der einen Seite gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer 2011 ein Rechtsmittel zu erheben und gleichzeitig gleichsam dieselbe Umsatzsteuer im Wege einer Umsatzsteuervoranmeldung mit der Bewirkung eines Guthabens geltend zu machen.
Die Behörde habe jedoch über die Umsatzsteuer 2012 nicht entschieden, offenbar das Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens 2011 abwartend. Die Bf. habe dafür - aus den o.g. Gründen - Verständnis gehabt und daher auch keine verfahrensrechtlichen Schritte unternommen, um das Verfahren über die Umsatzsteuer 2012 zu beschleunigen; dies in dem Wissen, dass sich die Beträge am Ende ohnehin ausgleichen würden.
Das Verfahren habe letztendlich viel länger gedauert als erwartet und die Finanzbehörde habe erst in 2020 die Umsatzsteuer 2012 bescheidmäßig festgesetzt (als sich abgezeichnet, dass der UFS die Beschwerde hinsichtlich 2011 abweisen werde). Letztendlich hätten sich die Umsatzsteuerbeträge ausgeglichen. Aus der - wie sich nun herausgestellt habe - unglücklichen Vorgehensweise (Berichtigung im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 2012 anstatt mit UVA 04/2012) seien jedoch Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt EUR 57.300,58 (= 56.171,33 und 1.129,25) sowie ein Säumniszuschlag in Höhe von EUR 20.414,90 resultiert.
Die Überprüfung der Angaben zu den von der Bf. genannten und nunmehr für die Nachsicht relevanten Aussetzungszinsen in Höhe von € 56.171,33 und € 1.129,25 mittels Kontoabfrage sowie des elektronischen Aktes hat ergeben:
Zum Zeitpunkt der Antragstellung hafteten folgende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 76.474,57 unberichtigt aus:
U 2011 mit € 53.515,65, K 2018 mit € 22.706,00, Anspruchszinsen 2018 mit € 131,15, DB 5/21 mit € 110,96 und DZ 5/21 mit € 10,81.
Die nunmehr nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten sind bereits getilgt.
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 1-11/2011 mit € 1.127.910,58 und die Umsatzsteuer 12/2011 mit € 119.454,95 fest.
Mit Bescheid vom wurden diese Nachforderungsbeträge samt einem Säumniszuschlag in Höhe von € 22.509,67 gemäß § 212a BAO von der Einhebung ausgesetzt.
Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt hinsichtlich der Umsatzsteuer 1-11/2011 und 12/2011 den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und setzte gleichzeitig für den Zeitraum bis Aussetzungszinsen in Höhe von € 68.519,75 fest.
Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt hinsichtlich des Säumniszuschlages iHv € 22.509,67 den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und setzte gleichzeitig für den Zeitraum bis Aussetzungszinsen in Höhe von € 1.245,12 fest.
Die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2012 wurde am eingebracht.
Am (Buchungstag) wurden die Aussetzungszinsen betreffend Umsatzsteuer 1-11/2011 und 12/2011 um € 12.348,42 und für den Säumniszuschlag um € 115,87 somit auf € 56.171,33 (Umsatzsteuer) und € 1.129,25 (SZ) vermindert (Teilablauf der Aussetzung, für die verbliebenen Abgabenschuldigkeiten an Aussetzungszinsen blieb die verfügte Aussetzung der Einhebung aufrecht).
Die Gutschrift an Umsatzsteuer 2012 in Höhe von € 1.026.273,68 erfolgte am .
Das Erkenntnis zur Umsatzsteuer 2011 erging durch das BFG am zur Zahl RV/7105439/2019.
Rechtliche Würdigung:
Im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht sind nur die geltend gemachten Gründe zu prüfen. Es besteht daher keine Verpflichtung den tatsächlichen Verfahrensablauf zu prüfen und diesen die getroffenen Feststellungen der Entscheidung zugrunde zu legen.
Gemäß 236 Abs. 2 BAO können auch entrichtete Abgaben nachgesehen werden.
Aufgabe des Antragstellers auf Abgabennachsicht im Sinne des § 236 Abs. 2 BAO ist es, in nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass die für eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben, wären sie noch nicht entrichtet, sprechenden Umstände durch die Tilgung der Abgabenschuldigkeit nicht beseitigt worden sind (vgl. ).
Dies wurde von der Bf. unterlassen.
Die Bf. führt zur Begründung zur persönlichen Unbilligkeit aus, dass der Hauptkunde in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei, weshalb Forderungen abgeschrieben hätten werden müssen und sich daraus für 2020 für die Bf. ein Liquiditätsengpass ergeben habe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass Forderungsausfälle Teil des jeden Wirtschaftstreibenden treffenden Unternehmerwagnisses und deshalb nicht geeignet sind, aus ihnen eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung abzuleiten (, VwSlg 7066 F/1996; ).
Weiters hat der VwGH im Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0196, ausgesprochen, dass die wirtschaftliche Existenz GERADE DURCH DIE EINBRINGUNG DER GEGENSTÄNDLICHEN ABGABEN gefährdet sein muss, wenn das Tatbestandselement der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zufolge persönlicher Notlage erfüllt sein soll.
Im vorliegenden Fall wurden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wie die Bf. selbst vorbringt, durch die Forderungsausfälle und nicht durch die Vorschreibung der Aussetzungszinsen, die im Übrigen bereits im Jahr 2014 erfolgte, verursacht.
Das Vorliegen einer persönlich bedingen Unbilligkeit kann daher nicht erkannt werden.
Die Einhebung der Aussetzungszinsen könnte sachlich bedingt sein, jedoch entspricht der von der Bf. dazu vorgebrachte Sachverhalt, nicht der Aktenlage.
Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der genannten VO beispielsweiseaufgezählten Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (, mit Hinweis auf ).
Aus dem Umstand, dass die nachsichtsgegenständlichen Aussetzungszinsen bereits am bzw. festgesetzt wurden, ergibt sich, dass die Höhe der Aussetzungszinsen nicht mit der langen Dauer des Beschwerdeverfahrens betreffend Umsatzsteuer 2011, das mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom rechtskräftig abgeschlossen wurde, steht. Sie stehen auch nicht damit im Zusammenhang, dass die Gutschrift an Umsatzsteuer 2012 in Höhe von € 1.026.273,68 am erfolgte. Die Aussetzungszinsen betreffen lediglich den Zeitraum März 2012 bis Oktober 2014, damit sogar überwiegend den Zeitraum vor Einbringung der Umsatzsteuererklärung 2012 (diese wurde am eingebracht).
Es liegt auch kein außergewöhnlicher Geschehensablauf, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, vor.
Dies gesteht die steuerliche Vertretung im Nachsichtsansuchen mit der Ausführung: "Hätte die Gesellschaft im vorliegenden Fall von Anfang an alles richtig gemacht, dann wäre von Anfang an gar keine Umsatzsteuer angefallen und auch keine Aussetzungszinsen." selbst zu. Die Bf. hat nicht dargetan, weshalb sie nicht "von Anfang an alles richtig gemacht hat", sodass auf diese Frage nicht eingegangen werden kann.
Dass die Einhebung von Aussetzungszinsen im Hinblick darauf, dass diese Zinsen durch den vom Abgabepflichtigen eingebrachten Antrag auf Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben ausgelöst werden, nicht sachlich unbillig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 97/13/0237, und vom , 98/13/0073).
Im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Aussetzung der Einhebung (März 2012) konnten für die Bf. keine Zweifel daran bestehen, dass Aussetzungszinsen anfallen würden.
Da die belangte Behörde den festgestellten Sachverhalt und nicht einen fiktiven zu beurteilen hatte, ist es belanglos, welche steuerlichen Folgen es gehabt hätte, wenn die Umsatzsteuergutschrift bereits mit der Umsatzsteuervoranmeldung 4/2012 geltend gemacht hätte.
Infolge der Abgabenbezogenheit der Aussetzung der Einhebung, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH auch nicht erlaubt, die infolge Herabsetzung einer Abgabenschuld entstehende Gutschrift, bzw. Gutschrift aus der Veranlagung der Umsatzsteuer (hier für das Jahr 2012) rückwirkend bei der Berechnung der Aussetzungszinsen für eine andere Abgabenschuld (Umsatzsteuer 2011) zu berücksichtigen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/15/0167, und vom , 2002/13/0078).
Aufgefallen ist bei der Durchsicht des Abgabenkontos durch das BFG, dass zwar mit Bescheid vom der Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Umsatzsteuer 2011 in Höhe von € 1.023.172,07 verfügt wurde, für die Zeit ab Dezember 2014 jedoch, keine Aussetzungszinsen vorgeschrieben wurden (Der Aussetzungszinsenbescheid vom wurde am storniert und der Betrag abgeschrieben.), weshalb die Einhebung der hier gegenständlichen Aussetzungszinsen für den Zeitraum März 2012 bis Oktober 2014 nicht gerade als anormale Belastung bzw. unverhältnismäßig angesehen werden kann.
Die Vorschreibung der gegenständlichen Aussetzungszinsen stellt daher eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar, die jeden vom betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen gleichermaßen trifft. Ein außergewöhnlicher Geschehensablauf der durch den Steuerpflichtigen nicht beeinflussbar war und zu einem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis führte, liegt somit nicht vor.
Mangels Vorliegen einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit in der Abgabeneinhebung erweist sich der angefochtene Bescheid somit als rechtmäßig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103036.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at