Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.01.2022, RV/7101298/2021

Kosten für alternative Behandlungstherapien (Delfintherapie) für ein Kind als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***A***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***X*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2018, Steuernummer ***Bf1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der ***B***.

In seiner am beim Finanzamt elektronisch eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2018 machte er für seinen behinderten Sohn ***U*** (geboren am ***Datum1***; der Grad der Behinderung macht 100% aus) einen Betrag von 3.263,74 € für eine Delfintherapie auf Curacao als nachgewiesene Kosten aus der Behinderung eines Kindes nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF, geltend.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt den Bf. ua. auf, "die zusätzlichen Kosten für ***U*** belegmäßig nachzuweisen und eine übersichtliche Aufstellung vorzulegen".

Mit Antwortschreiben vom übermittelte der Bf. der Abgabenbehörde neben einer Aufstellung der geltend gemachten Kosten diverse Bezug habende Rechnungen und Überweisungsbestätigungen, darunter:

- Eine an die Eltern von ***U*** adressierte Rechnung der Curacao Dolphin Therapy & Research Center N.V. ("CDTC"), Willemstad/Curacao N.A., vom , für "10 Therapieeinheiten a 120 Minuten delfingestützte Therapie vom bis zum " über einen Betrag von 7.850,00 USD. Die Rechnungsrubrik "Bezahlungs- und Stornierungsbedingungen" enthält ua. folgenden Passus:

"Innerhalb von zwei Wochen, nachdem die Reservierung seitens des CDTCs schriftlich (per E-Mail) bestätigt wurde, ist eine nicht erstattungsfähige Anzahlung von 1.000,00 USD fällig."

- Eine Überweisungsbestätigung der ***BankY*** vom , wonach der Bf. am diese Anzahlung von 1.000,00 USD (= 865,32 €) an das Curacao Dolphin Therapy & Research Center N.V. ("CDTC") überwiesen hat.

- Zwei weitere Überweisungsbestätigungen der ***BankY*** vom , wonach der Bf. jeweils am für den Hin- und Retourflug Wien-Amsterdam-Curacao-Amsterdam-Wien für sein Flugticket einen Betrag von 1.326,71 € und für das Flugticket ***Us*** einen Betrag von 1.071,71 € an die Air France überwiesen hat.

Am erließ das Finanzamt den Bezug habenden Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagungsbescheid) für 2018, mit dem es die vom Bf. als außergewöhnliche Belastung für dieses Jahr geltend gemachten Kosten für die Delfintherapie auf Curacao (865,32 € + 1.326,71 € + 1.071,71 € (siehe oben), sohin gesamt 3.263,74 €) nicht zum Abzug zuließ. Begründend führte die Abgabenbehörde dazu aus:

"Kosten aus der Behinderung des Kindes (ohne Selbstbehalt):

Aufwendungen aus dem Bereich der Alternativmedizin, wie die gegenständliche Delfintherapie, stellen dann eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn ihre durch die Krankheit bzw. Behinderung bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen wird. Um steuerlich berücksichtigt werden zu können, ist es notwendig, dass diese ärztliche Verordnung vor Beginn der jeweiligen Behandlung/Therapie ausgestellt wurde (). Im gegenständlichen Fall wurde eine Verordnung für die Delfintherapie in Curacao für die Jahre 2018 und 2019, deren Kosten hier geltend gemacht wurden, nicht vorgelegt. Daher konnten diese Ausgaben nicht berücksichtigt werden."

Gegen den angeführten Bescheid erhob der Bf. am Beschwerde, in der er ausführte, das Finanzamt lehne die Berücksichtigung der Kosten für die Behinderung (Delfintherapie) mit der Begründung ab, dass diese nur anerkannt würden, sofern vor der Therapie eine ärztliche Verordnung vorliege. Da die Therapie erst 2019 stattgefunden habe, sei die Verordnung auch erst 2019 ausgestellt worden. Diese habe der Bf. der Beschwerde beigefügt.

Ersucht werde um positive Erledigung und um Berücksichtigung der Kosten für die Delfintherapie.

Der Beschwerde war eine ärztliche Verordnung des Ambulatoriums ***C***, Zentrum für Entwicklungsneurologie, ***AdresseC***, vom beigefügt, wonach für ***U*** aufgrund der Diagnose "bilaterale spast.dystone Cerebralparese" die Delfintherapie auf Curacao verordnet wird.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab:

In der Beschwerde werde ausgeführt, dass die Verordnung 2019 ausgestellt worden sei, weil die Behandlung in diesem Jahr erfolgt sei. Demnach sei die Geltendmachung im Jahr 2018 unzulässig. Ausgaben könnten immer nur in jenem Jahr steuerlich geltend gemacht werden, in dem sie entstanden seien.

In seinem Vorlageantrag vom führte der steuerliche Vertreter des Bf. aus, gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 könnten außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wenn sie außergewöhnlich seien, zwangsweise erwachsen seien und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigten. Voraussetzung sei, dass die Ausgabe (Bezahlung) im Jahr der Geltendmachung erfolge (§ 19 Abs. 2 EStG 1988).

Die Anzahlung für die Delfintherapie vom bis zum in Höhe von 1.000,00 USD (= 865,32 €) sei bereits am überwiesen worden. Ebenso seien die Flüge bereits am in Höhe von 1.071,71 € (***U***) sowie 1.326,71 € (Bf.) bezahlt worden.

Die dazugehörige ärztliche Verordnung sei am und somit rechtzeitig vor Beginn der Therapie ausgestellt worden (wie im angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2018 vom gefordert, vgl. ).

Zur weiteren Untermauerung des Standpunktes des Bf. werde auf die beiliegende Stellungnahme des Bundesfinanzgerichtes vom zur Beschwerde gegen den den Bf. betreffenden Einkommensteuerbescheid für 2015 verwiesen, in der auch ausgeführt werde, dass außergewöhnliche Belastungen nur im Jahr der tatsächlichen Belastung steuerlich geltend gemacht werden könnten.

In der Beilage werde auch die Stellungnahme des Finanzamts zur Vorhaltsbeantwortung hinsichtlich der Beschwerde des Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 übermittelt, wonach ebenfalls eine ärztliche Verordnung vor Beginn der Behandlung zu erfolgen habe. In Fällen wie ***Us*** könne jedoch unter Berücksichtigung und Abwägung der Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen werden, eine nachträgliche Verordnung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Nachdem der Zahlungsfluss für die im Jahr 2019 stattgefundene Delfintherapie teilweise bereits im Jahr 2018 erfolgt sei und belegmäßig nachgewiesen werden könne sowie die ärztliche Verordnung rechtzeitig vor Beginn der Therapie ausgestellt worden sei, werde um stattgebende Erledigung ersucht.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gem. § 34 EStG 1988 sind außergewöhnliche Belastungen bei Ermittlung des Einkommens unter bestimmten Voraussetzungen abzuziehen. Der Abzug erfolgt nach Berücksichtigung des bereits um die Sonderausgaben geminderten Gesamtbetrags der Einkünfte. Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen setzt die unbeschränkte Steuerpflicht sowie eine Belastung des Einkommens voraus. Die Belastung darf nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen; sie muss außergewöhnlich sein, muss zwangsläufig erwachsen, muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und darf nicht unter ein Abzugsverbot fallen. Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.

Für die Anerkennung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung ist erforderlich, dass nachweislich eine Krankheit vorliegt, die Behandlung in direktem Zusammenhang mit dieser Krankheit steht und eine taugliche Maßnahme zur Linderung oder Heilung der Krankheit darstellt. Die Aufwendungen erwachsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (). Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen, also neben den Arzt- und Krankenhaushonoraren ua. die Aufwendungen für Heilbehandlungen (auch Psychotherapie), soweit sie der Steuerpflichtige selbst zu tragen hat, und die Kosten für Fahrten zum Arzt bzw. ins Spital (siehe dazu näher , mit Literatur- und Judikaturnachweisen).

Hat der Steuerpflichtige Anspruch auf einen Behindertenfreibetrag iSd § 35 EStG 1988, können an Krankheitskosten, die mit der Behinderung im Zusammenhang stehen, nur die im § 4 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF, genannten (nicht regelmäßig anfallenden) Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung geltend gemacht werden, und zwar im nachgewiesenen Ausmaß. Als Kosten der Heilbehandlung (§ 4 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 idgF) gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten und Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Ebenso stellen die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes Kosten der Heilbehandlung dar (siehe dazu nochmals ).

Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind durch Gewährung eines Freibetrages gemäß § 5 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 idgF in Höhe von 262,00 € monatlich, vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen, zu berücksichtigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 16. EL, § 35 Anm. 13). Neben dem Freibetrag von 262,00 € sind im nachgewiesenen Ausmaß ua. Kosten der Heilbehandlung zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 idgF; vgl. Wanke, § 35 Anm. 17).

Kosten füralternative Behandlungstherapien - wie die im gegenständlichen Fall vorliegende Delfintherapie - stellen dann eine außergewöhnliche Belastung dar, wenn ihre durch die Krankheit bzw. Behinderung bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit mittels ärztlicher Verordnung nachgewiesen wird. Für die steuerliche Anerkennung der Kosten einer alternativen Therapie muss sohin deren Zwangsläufigkeit gegeben sein, deren Nachweis mittels Vorlage einer ärztlichen Verordnung zu erbringen ist. Eine Behandlung wird dann "ärztlich verordnet", wenn diese Behandlung durch einen Vertrags- oder Wahlarzt verschrieben wird (eine "ärztliche Empfehlung" ist nicht ausreichend). Die Behandlungsleistungen müssen jedenfalls vor Beginn der Behandlung (Therapie) verordnet worden sein (vgl. , mit Literatur- und Judikaturnachweisen).

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass der Bf. im Jahr 2018 tatsächlich geleistete (bezahlte), belegmäßig nachgewiesene Kosten, die mit der vom bis zum stattgefundenen Delfintherapie seines zu 100% behinderten Sohnes ***U*** auf Curacao in untrennbarem, kausalem Zusammenhang stehen, als außergewöhnliche Belastung (Kosten der Heilbehandlung gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 idgF) bei der Arbeitnehmerveranlagung für 2018 geltend gemacht hat. Bei diesen Kosten handelt es sich um eine zwingend zu leistende, nicht erstattungsfähige Anzahlung an das Curacao Dolphin Therapy & Research Center N.V. ("CDTC"), Willemstad/Curacao N.A., iHv umgerechnet 865,32 € und um zwei Flugtickets für den Hin- und Retourflug Wien-Amsterdam-Curacao-Amsterdam-Wien für den Bf. iHv 1.326,71 € und für ***U*** iHv 1.071,71 € (siehe dazu bereits oben in der Darstellung des Verfahrensgangs in diesem Erkenntnis).

Weiters steht im gegenständlichen Fall fest, dass die Bezug habende ärztliche Verordnung des Ambulatoriums ***C***, Zentrum für Entwicklungsneurologie, mit der für ***U*** aufgrund der Diagnose "bilaterale spast.dystone Cerebralparese" die Delfintherapie auf Curacao verordnet wurde, am - und somit jedenfalls vor Beginn der Behandlung (Delfintherapie) am - ausgestellt wurde.

Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der für 2018 geltend gemachten, im Jahr 2018 tatsächlich bezahlten, belegmäßig nachgewiesenen Kosten als außergewöhnliche Belastung (Kosten der Heilbehandlung gemäß § 5 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 303/1996 idgF) vor, sind doch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (hier: 2018; zum untrennbaren, kausalen Zusammenhang dieser Kosten mit der Delfintherapie siehe bereits oben).

Die Abzugsfähigkeit von Ausgaben für eine Delfintherapie als außergewöhnliche Belastung hat der Unabhängige Finanzsenat bereits mit Erkenntnis , zugelassen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 16. EL, § 34 Anm. 78, Stichwort "Delfintherapie"). Anzumerken ist, dass im gegenständlichen Fall auch das Finanzamt von der (grundsätzlichen) Abzugsfähigkeit der Ausgaben für die Delfintherapie ***Us*** als außergewöhnliche Belastung ausgeht (siehe dazu die Stellungnahme des Finanzamts zur Vorhaltsbeantwortung hinsichtlich der Beschwerde des Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 (S 34 BFG-Akt), wonach "… von einer Eignung ***Us*** für die absolvierte Delfintherapie ausgegangen werden [kann]", "… die aufgrund der anfangs formulierten Therapieziele erfolgten Therapien zu Erfolgen geführt haben" und "man […] bei diesen Ergebnissen von die Behinderung positiv beeinflussenden Erfolgen sprechen [kann]").

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt (betr. Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2018)

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 16. EL, § 35 Anm. 13, Anm. 17
Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 16. EL, § 34 Anm. 78, Stichwort „Delfintherapie“

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101298.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at