Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.01.2022, RV/7400124/2021

Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag Wolfgang Winkler, Ditscheinergasse 2, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom betreffend Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe 2019 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Beschwerdeführer wird zur Kommunalsteuer in Höhe von € 6.605,28 und zur Dienstgeberabgabe in Höhe von € 430,-- herangezogen. Eine Aufgliederung des Haftungsbetrages findet sich am Ende der Entscheidung, die einen Bestandteil des Spruches bildet.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom sendete der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde) dem Beschwerdeführer einen Vorhalt zur Stellungnahme und führte darin aus, dass die Firma ***Primärschuldnerin*** (Primärschuldnerin) bei der belangten Behörde einen Abgabenrückstand hinsichtlich Kommunalsteuer in Höhe von € 6.605,28 und hinsichtlich Dienstgeberabgabe in Höhe von € 430,00 sowie hinsichtlich Säumniszuschläge in Höhe von € 36,24 hat.

Bescheid

Mit Haftungsbescheid vom zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Haftung als Geschäftsführer für Kommunalsteuern in Höhe von € 6.641,52 sowie für Dienstgeberabgaben in Höhe von € 430,00 jeweils für den Zeitraum August bis Dezember 2019 heran.
Die Begründung lautet:
"Gemäß § 6a Abs. 1 des zitierten Kommunalsteuergesetzes haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Nach § 6a Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum1*** zur Zahl ***GZ*** wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet. Die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung ist durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.

Herr ***Bf1*** ist seit im Firmenbuch als Geschäftsführer der oben angeführten Gesellschaft eingetragen und hat weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.

Er hat somit die ihm als Geschäftsführer der im Spruch genannten Gesellschaft auferlegten Pflichten verletzt und ist daher für den Rückstand haftbar, da dieser bei der Gesellschaft nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann.

Die Geltendmachung der Haftung entspricht auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeít nach § 20 BAO, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf besteht, dass der nunmehr aushaltende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könnte."

Beschwerde

Am langte bei der belangten Behörde per Fax folgende Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ein:
"Sehr geehrte Damen und Herren!

Namens meines Mandanten erhebe ich binnen offener Frist gegen den Haftungsbescheid vom nachstehende
Beschwerde:

Mein Mandant bestreitet die Richtigkeit der von Ihnen geltend gemachten Rückstände. Gemäß der vorliegenden Buchhaltung bestehen keine Abgabenrückstände für das Jahr 2019. Ich ersuche daher um Aufschlüsselung des Rückstandes in einzelne Monate, damit die geltend gemachten Beträge mit der Buchhaltung abgeglichen werden können. Eine solche Aufschlüsselung ist dem Haftungsbescheid nicht zu entnehmen.

Sollten die Rückstände erst nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** im Zuge einer Prüfung festgestellt worden sein, so stelle ich namens meines Mandanten den Antrag auf Zustellung der Grundlagenbescheide, um diese bekämpfen zu können. Zudem hat mein Mandant ab Erkennen der Krise sämtliche Gläubiger gleich behandelt.

Auch zur Erstellung eines Gleichbehandlungsnachweises benötigt mein Mandant jedoch eine Aufschlüsselung der von Ihnen behaupteten Rückstände auf einzelne Beitragsmonate. Meinen Mandanten trifft jedenfalls kein Verschulden an den geltend gemachten Beitragsrückständen. Ich stelle daher den Antrag den ergangenen Haftungsbescheid ersatzlos zu beheben."

Vorhalt zum Parteiengehör

Am forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, für den Zeitraum August bis Dezember 2019 eine Liquiditätsaufstellung vorzulegen. Beigelegt waren zwei Tabellen, in denen für jedes Monat die "erklärten" Steuerbeträge, die bezahlten Beträge und die Differenz (offener Rückstand) ersichtlich waren.

Die belangte Behörde hat noch darauf hingewiesen, dass die Daten aus den Jahreserklärungen für die Dienstgeberabgabe und die Kommunalsteuer stammen sollen.

Am langte bei der belangten Behörde ein Fristverlängerungsansuchen ein, damit die Frist zur Erstellung eines Gleichbehandlungsnachweises bis erstreckt werde. Diesem Antrag wurde teilweise entsprochen; die belangte Behörde hat die Frist bis erstreckt.

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung laute:
"Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 - KommStG 1993, BGBI. Nr. 819/1993, in der derzeit geltenden Fassung, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 6a Abs. 1 des Dienstgeberabgabegesetzes, LGBI. für Wien Nr. 17/1970, in der derzeit geltenden Fassung, haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen, sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die gemäß § 18 Abs. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBL Nr. 58/1906, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten haben.

Voraussetzungen für die Haftung sind also:

Eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die erschwerte Einbringung der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung.

Dass die im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenforderungen tatsächlich bestehen, steht nach der Aktenlage fest.

Wetters steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft zu dem im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehört.

Ferner wird nicht bestritten, dass die angeführten Abgabenrückstände bei der Gesellschaft erschwert einbringlich sind.

Es ist ferner Aufgabe des Vertreters, nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich war, weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun hat, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden kann, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist.

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, es würden gemäß vorliegender Buchhaltung keine Rückstände für das Jahr 2019 bestehen. Es werde daher um Aufschlüsselung des Rückstandes in einzelne Monate ersucht. Sollten die Rückstände erst nach Insolvenzeröffnung im Zuge einer Prüfung festgestellt worden sein, so werde der Antrag auf Zustellung der Grundlagenbescheide ersucht, um diese bekämpfen zu können. Zudem seien alle Gläubiger gleich behandelt worden.

Dazu wird Folgendes festgestellt:

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer eingeladen, eine Liquiditätsaufstellung zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen. Antragsgemäß wurde dem Beschwerdeführer eine monatliche Aufteilung der Steuerbeträge bekannt gegeben.

Weiters wurde dem Beschwerdeführer im Parteiengehör vom mitgeteilt, dass die Rückstände allesamt aus der Nichtzahlung der von der Primärschuldnerin selbst gelegten Jahreserklärungen für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe des Jahres 2019 stammen. Trotz Fristerstreckung bis wurde vom Beschwerdeführer weder eine Stellungnahme noch ein Nachweis für die behauptete Gläubigergleichbehandlung übermittelt. Das Vorbringen der Gläubigergleichbehandlung und auch das Vorbringen es würden laut Buchhaltung keine Rückstände bestehen, sind daher als Schutzbehauptungen anzusehen.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde somit nicht den Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war.

Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Missachtung der abgabenrechtlichen Bestimmungen. Der Beschwerdeführer hätte Sorge tragen müssen, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet wird.

Auf Grund dieser Tatsachen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und ergänzte, dass das Insolvenzverfahren über die Primärschuldnerin noch nicht abgeschlossen sei und "auf Grund des Liegenschaftsvermögens der Hauptschuldnerin eine hohe Quote zu Gunsten der Gläubiger zu erwarten" wäre.

Beschluss vom

Mit Beschluss vom wurde die belangte Behörde aufgefordert, diverse Feststellungen zum Sachverhalt zu erheben sowie Fragen zu beantworten. Der Beschluss lautet auszugsweise:
"I. Der Magistrat der Stadt Wien (belangten Behörde) wird ersucht, nachfolgende Fragen zu beantworten:

a) Sowohl im angefochtenen Haftungsbescheid vom als auch in den beiden Vorhalten vom und vom wird ein Säumniszuschlag zur Kommunalsteuer in Höhe von € 36,24 angeführt.

In den vorgelegten Veraltungsakten finden sich zwei Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen: einerseits vom für den Zeitraum Juni 2019 in Höhe von € 18,11 und andererseits vom für den Zeitraum Juli 2019 in Höhe von € 18,13.

>> Wann wurden diese Bescheide dem Beschwerdeführer als Haftenden zur Kenntnis gebracht?

b) In den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich sowohl eine Kommunalsteuererklärung als auch eine Dienstgeberabgabeerklärung (jeweils ohne Eingangsdatum / Eingangsstempel der belangten Behörde).

Aus den beiden Excel-Tabellen mit den monatlichen Abgabebeträgen, die dem Beschwerdeführer erst nach Erlassung des Haftungsbescheides übermittelt wurden, geht hervor, dass für die Zeiträume August bis Dezember 2020 keine Abgaben entrichtet wurden. In der Spalte "erklärte Steuerbeträge" finden sich hingegen auch für diesen Zeitraum die monatlichen Abgabenbeträge. Allerdings wurden diese monatlichen Abgabenbeträge offenbar nicht am Abgabenkonto, das von der belangten Behörde geführt wird, verbucht.

>> Wer hat die beiden Excel-Tabellen erstellt?

>> Wie erfolgte die Erklärung (Bekanntgabe) der erklärten Steuerbeträge laut dieser Excel-Tabelle an die belangte Behörde?

>> Wurde ein Kommunalsteuerbescheid bzw. Bescheid über die Festsetzung von Dienstgeberabgaben erlassen? Falls nicht, warum nicht?

II. Zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes wird dem Magistrat der Stadt Wien gemäß § 269 Abs 2 BAO aufgetragen:

Der Magistrat der Stadt Wien hat den Sachverhalt zu erheben und Beweismittel vorzulegen, aus den sich ergibt, ob beide im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut waren, oder für die Entrichtung der gegenständlichen Abgabenforderungen nur einer der beiden Geschäftsführer (nach einer internen Geschäftsverteilung) zuständig war.

Falls der Magistrat der Stadt Wien über keine Kenntnis und/oder geeignete Beweismittel hinsichtlich dieser Frage verfügt, sind jene Personen niederschriftlich einzuvernehmen, die dazu zweckdienliche Angaben machen können, insbesondere und jedenfalls:
-) die beiden Geschäftsführer der Primärschuldnerin;
-) die Masseverwalterin der Primärschuldnerin.
"

Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , hat die belangte Behörde Folgendes bekannt gegeben:
"Zu I.a):
die Bescheide wurden dem Beschwerdeführer als Haftenden nicht zur Kenntnis gebracht, da beide Bescheide noch während seiner Funktionsperiode als Geschäftsführer der Primärschuldnerin zugestellt worden sind, und daher davon auszugehen ist, dass Ihm die Bescheide als verantwortlichen Vertreter der Primärschuldnerin bekannt sein mussten.

Zu I.b):
Auf dem SAP Kontoauszug werden monatliche Bekanntgaben einzeln monatlich ausgewertet.
Die Jahreserklärung wird gesondert für das jeweilige Jahr dargestellt (im gegenständlichen Fall 2019, siehe aktuellem Kontoauszug). Es scheinen somit auch die Beträge für August bis Dezember 2019 am Kontoauszug unter der Jahressumme (Jahreserklärung) auf.

Da es sich um eine Selbstbemessungsabgabe handelt, wurde bei der Steuerberatungskanzlei, die für die Übermittlung der Jahreserklärung verantwortlich war, um Übermittlung der entsprechenden Lohnkonten ersucht. Die in der Excel Tabelle dargestellten Beträge entsprechen den von der Primärschuldnerin abgegebenen Jahreserklärungen und der monatlichen Aufteilung laut vorgelegten Lohnkonten. Die beiden Excel Tabellen wurden von mir als zuständigem Sachbearbeiter erstellt.

Die Erklärung der Kommunalsteuererklärung erfolgt österreichweit einheitlich im digitalen Weg über Finanz-Online. Die Dienstgeberabgabeerklärung erfolgt als Selbstbemessungsabgabe durch schriftliche Eingabe. Da es sich bei beiden Abgaben um eine Selbstbemessungsabgabe handelt, und einerseits ein selbstberechneter Betrag (Jahreserklärung) abgegeben wurde und andererseits keinerlei Hinzurechnungen durch Abgabenprüfungen vorlagen und sich somit die Jahreserklärungen auch nicht als unrichtig erwiesen, war eine Bescheidausstellung gemäß § 11 Abs. 3 KommStG bzw. § 201 BAO nicht notwendig.

Zu II

Zur Frage der Geschäftsverteilung wird festgestellt, dass laut Masseverwalterin, ***MV***, keine Agendenteilung bekannt ist, und laut Frau ***MV*** mangels anderslautender Unterlagen davon auszugehen ist, dass beide Geschäftsführer, wie im Firmenbuch eingetragen, für Abgabenangelegenheiten zuständig waren. Von Herrn ***Bf1*** wurde weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrage eine Agendenteilung behauptet. Beide Geschäftsführer wurden auftragsgemäß zur Agendenteilung schriftlich mit Schreiben vom befragt. Bis dato ist keine Antwort erfolgt. Sollten Antworten einlangen, werden diese unverzüglich nachgereicht. Weiters wird auf das Erkenntnis vom mit der GZ. RV/7400123/2021 zu Herrn ***AB*** verwiesen, in dem keine Agendenteilung festgestellt wurde."

Mit Beschluss vom wurde dem Beschwerdeführer das Antwortschreiben der belangten Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist seit - neben einer zweiten Person - als Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen. Auch der zweite Geschäftsführer wurde zur Haftung für dieselben Abgaben herangezogen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer für die Besorgung von Abgabenangelegenheiten nicht zuständig gewesen ist.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum1*** zur Zahl ***GZ*** wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet. Im Juli 2020 hat die Masseverwalterin die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die Primärschuldnerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, die im Jahr 2019 um € 60.000 gekauft wurde; auf der Liegenschaft lasten Pfandrecht in Höhe von bis zu € 625.000.

Die Primärschuldnerin hat im Zeitraum August bis Dezember 2019 Arbeitnehmer beschäftigt und Löhne ausbezahlt. Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe wurden nicht entrichtet.

Der Beschwerdeführer hatte Kenntnis vom Inhalt und der monatlichen Zusammensetzung der Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabebeträge. Ein Kommunalsteuerbescheid oder ein Bescheid, mit dem die Dienstgeberabgabe festgesetzt wird, wurde nicht erlassen. Säumniszuschlagsbescheide wurden erlassen, jedoch dem Beschwerdeführer im Zuge des Haftungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht.

Beweiswürdigung

Aus dem Firmenbuchauszug der Primärschuldnerin geht hervor, dass der Beschwerdeführer - genauso wie der zweite Geschäftsführer - die Primärschuldnerin selbständig vertritt. Im Zuge nachträglicher Erhebungen hat sich die belangte Behörde an die Masseverwalterin der Primärschuldnerin sowie an beide Geschäftsführer gewandt und um Auskunft ersucht, ob es eine interne Geschäftsverteilung zwischen den Geschäftsführern gab. Keiner der beiden Geschäftsführer hat dazu eine Antwort übermittelt. Einzig die Masseverwalterin hat bekannt gegeben, dass ihr keine Informationen darüber vorliegen, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten im schuldnerischen Unternehmen beauftragt war und daher davon auszugehen sei, dass beide Geschäftsführer auch mit Abgabenangelegenheiten beauftragt waren. Weiters gab die Masseverwalterin bekannt, dass ihr keine gegenteiligen Unterlagen vorliegen.
Für das Bundesfinanzgericht besteht kein Anlass, von diesen Angaben abzugehen, zumal sich auch keiner der beiden Geschäftsführer zu dieser Frage geäußert hat und die Masseverwalterin auf Grund ihrer Befugnisse in die Geschäftsunterlagen der Primärschuldnerin Einsicht hat.

Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren gründen sich auf die Eintragungen in der Insolvenzdatei, in die Einsicht genommen wurde. Daraus geht hervor, dass das Unternehmen der Primärschuldnerin im Zuge des Konkursverfahrens geschlossen wird. Bereits im Juli 2020 wurde bekannt gemacht, dass die Masseverwalterin angezeigt hatte, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen.

Die Feststellungen zum Liegenschaftsvermögen der Primärschuldnerin ergeben sich aus einer Einsichtnahme ins Grundbuch sowie in die Urkundensammlung des Grundbuches. Daraus ist ersichtlich, dass bereits einige Tage vor der Unterzeichnung des Kaufvertrages eine Pfandbestellungsurkunde errichtet wurde und zwei Pfandrechte (einmal mit einem Höchstbetrag von € 250.000 und einmal mit einem Höchstbetrag von € 375.000) für die ***CD-Bank*** im Lastenblatt eingetragen wurden. Hingegen hat der Beschwerdeführer für seine im Vorlageantrag aufgestellte Behauptung, dass auf Grund des Liegenschaftsvermögens der Hauptschuldnerin eine hohe Quote zu Gunsten der Gläubiger zu erwarten wäre, keine Nachweise vorgelegt und diese Angaben auch nicht glaubhaft gemacht.

Die Feststellung, dass die Primärschuldnerin im Zeitraum August bis Dezember 2019 Arbeitnehmer beschäftigt hatte, ergibt sich einerseits aus einem Ausdruck der Lohnkonten, der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthalten ist und Lohnzahlungen für diese Zeiträume ausweist und andererseits auf eine Dienstnehmerauskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

In den vorgelegten Verwaltungsakten ist weder ein Kommunalsteuerbescheid noch ein Bescheid über die Festsetzung von Dienstgeberabgabe enthalten. Dafür finden sich in den Verwaltungsakten zwei Säumniszuschlagsbescheide für die Monate Juni und Juli 2019 in Höhe von € 18,13 und € 18,11. Die Feststellung, dass diese Säumniszuschlagsbescheide, dem Beschwerdeführer im Zuge der Geltendmachung der Haftung (die Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt € 36,24 sind im geltend gemachten Haftungsbetrag für Kommunalsteuer in Höhe von € 6.641,52 enthalten) nicht zur Kenntnis gebracht wurden, ergibt sich schon daraus, dass der Beschwerdeführer bereits in der Beschwerde die Zustellung jener Bescheide verlangt hatte, die die Grundlage für das Haftungsverfahren bilden, sofern die Nachforderung auf Grund einer Prüfung festgestellt wurde. Weder aus dem Haftungsbescheid vom noch aus dem Vorhalt vom , mit dem die monatlichen Abgabenbeträge dem Beschwerdeführer bekannt gegeben wurden, geht hervor, dass die belangte Behörde auch die Bescheide über die Festsetzung der Säumniszuschläge im Rahmen des Haftungsverfahrens dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht hätte. Schließlich hat die belangte Behörde mit Schreiben vom auch mitgeteilt, dass keiner der beiden Säumniszuschlagsbescheide dem Beschwerdeführer im Haftungsverfahren zur Kenntnis gebracht wurde, zumal die belangte Behörde davon ausgeht, dass beide Bescheide dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin bekannt sein müssten.

Rechtsgrundlagen

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 6a Kommunalsteuergesetz 1993 lautet:

Haftung

§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

§ 6a Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe (LGBl. Nr. 05/1979 idgF) lautet:

§ 6a.(1) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Rechtliche Beurteilung

Die Haftung nach § 6a KommStG und § 6a Dienstgeberabgabengesetz ist eine Gefährdungshaftung. Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung. Der unbestimmte Rechtsbegriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ist so auszulegen, dass nur bei erheblichen Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben, die Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung gegeben ist. Die Tatsache, dass ein Verschulden des Haftungspflichtigen und schwere Einbringlichkeit beim Abgabepflichtigen als weitere Tatbestandsvoraussetzungen hinzutreten müssen, damit die Haftung des Vertreters besteht, zeigt, dass auch von einer unsachlich-überschießenden Regelung nicht die Rede sein kann ().

Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).

Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.

Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Beschwerdeführer besteht darin, dass die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitstagen unterlassen wurde. Sowohl nach § 6a KommStG als auch § 6a Dienstgeberabgabegesetz tritt die Haftung nicht nur bei Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, sondern auch bei Verletzung sonstiger Pflichten ein.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre.

Abgabenbescheid - Beschwerde:

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch eine Beschwerde erheben. Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (; ). Diese Beschwerden müssen nicht in gesonderten Schriftsätzen eingebracht werden ().

Die in § 248 BAO ausgedrückte Bindungswirkung erfordert lediglich wirksame, nicht jedoch rechtskräftige Abgabenbescheide (), weil § 248 BAO dem Haftungspflichtigen die Möglichkeit einräumt, unbeschadet der Einbringung eines Rechtsmittels gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde zu erheben (; ). Wird der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt wurden, so liegt infolge unvollständiger Information im Sinne des Erkenntnisses vom ein Mangel des Verfahrens vor, der im Rechtsmittelverfahren gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist.

In der Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid, mit dem der Beschwerdeführer zur Haftung für Kommunalsteuern, dazugehörige Säumniszuschläge sowie Dienstgeberabgabe herangezogen wurde, formulierte der Vertreter des Beschwerdeführers unter anderem folgenden Antrag: "Sollten die Rückstände erst nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der ***Primärschuldnerin*** im Zuge einer Prüfung festgestellt worden sein, so stelle ich namens meines Mandanten den Antrag auf Zustellung der Grundlagenbescheide, um diese bekämpfen zu können."

Grundlagenbescheide hinsichtlich Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe gibt es keine, weil die belangte Behörde solche Bescheide nicht erlassen hat. Allerdings gibt es zwei Grundlagenbescheide hinsichtlich der Säumniszuschläge. Mit Bescheid vom erließ die belangte Behörde einen Säumniszuschlagsbescheid in Höhe von € 18,11 und mit Bescheid vom erließ die belangte Behörde einen Säumniszuschlagsbescheid in Höhe von € 18,13. Das Konkursverfahren wurde erst im Mai 2020 eröffnet. Damit sind die Rückstände an Säumniszuschlägen bereits vor Insolvenzeröffnung festgestanden. Der Eventualantrag ging somit ins Leere.

Eine Hemmungswirkung iSd § 248 BAO iVm § 245 Abs 2 und Abs 4 BAO konnte nicht eintreten, weil gar kein wirksamer Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruchs vorlag. Im Ergebnis wurden dem Beschwerdeführer somit die Bescheide über die Säumniszuschläge nicht anlässlich der Haftungsinanspruchnahme zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer weder anlässlich der Haftungsinanspruchnahme noch danach die Säumniszuschlagsbescheide zur Kenntnis gebracht. Insofern war der Beschwerde hinsichtlich der Säumniszuschläge Folge zu geben.

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid vorangegangen ist. Auf die "Fälligstellung" durch solche Bescheide kommt es nicht an, weil die in Rede stehende Steuer als Selbstbemessungsabgabe von der Primärschuldnerin nicht erst im Jahr der bescheidmäßigen Festsetzung einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Wurde bei Selbstbemessungsangaben noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen, so ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch (seine Höhe) abzusprechen (; ).

§ 11 Abs 2 KommStG normiert die Pflicht des Unternehmers, die Kommunalsteuer für jeden Monat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Gemäß § 11 Abs 3 Satz 2 KommStG hat die Gemeinde Kommunalsteuerbescheide zu erlassen, wenn
-) ihr kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wird oder
-) sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Dabei handelt es sich um keine Ermessensbestimmung. Von der Erlassung eines solchen Abgabenbescheides kann nur dann abgesehen werden, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung binnen drei Monaten ab Einreichung der Abgabenerklärung berichtigt. Weder ist eine Berichtigung aktenkundig noch erscheint eine solche Berichtigung möglich, zumal gar keine Selbstberechnung für die Monate August bis Dezember 2019 bekannt gegeben wurde. In Fällen einer Nichtbekanntgabe/Nichtselbstberechnung bzw. Nichterklärung (unrichtiger Abgabenerklärung) sowie in Fällen der Nichtleistung hat die Abgabenbehörde die Kommunalsteuer bescheidmäßig festzusetzen (ErläutRV 896 BlgNR 25. GP, 15).

Gemäß § 201a BAO ist bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine bescheidmäßig Festsetzung gemäß § 201 BAO von einer solchen Festsetzung abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Selbstberechnung berichtigt. Für die Dienstgeberabgabe gelten die §§201 iVm 201a BAO. Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von der behördlichen Tätigkeit und setzt daher keine diesbezügliche Bescheiderlassung voraus. Allerdings enthält § 201a BAO eine ausdrückliche Regelung zum Fälligkeitszeitpunkt.

Kausalität:

Der Vertreter haftet aber nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Der Vertreter hat bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter zu behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz; ). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters in der Höhe des Quotenschadens setzt den Nachweis voraus, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Diesen Nachweis hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (; ). Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ).

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die erschwerte Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war damit für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.

Kommen mehrere Vertreter des Primärschuldners als Haftungspflichtige in Betracht, so ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen - für welche Zeiträume - in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen. Bei einer Mehrheit von Geschäftsführern vertritt der VwGH zur Frage der Haftung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei Vorliegen einer Geschäftsverteilung die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit denjenigen Geschäftsführer trifft, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Eine solche Geschäftsverteilung lag jedoch nicht vor. Insofern besteht auch kein Grund, den Beschwerdeführer als Geschäftsführer im Ermessenswege aus der Haftung zu entlassen.

Ergebnis:

Im Ergebnis besteht die Haftung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer in folgendem Ausmaß zu Recht:


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Jahr:2019
Kommunalsteuer
Dienstgeberabgabe
Säumniszuschlag
Gesamt
Juni
0,00
Juli
0,00
August
1.603,63
62,00
September
1.007,19
82,00
Oktober
1.043,79
88,00
November
1.076,80
88,00
Dezember
1.873,87
110,00
6.605,28
430,00
0,00
7.035,28

Revisionszulassung

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 6a Wiener Dienstgeberabgabe, LGBl. Nr. 17/1970
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400124.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at