Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.01.2022, RV/5100976/2021

Haftung bei mehreren Geschäftsführern

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid gemäß § 9 BAO des Finanzamtes ***XY*** vom , Steuernummer ***StNr***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben, der Haftungsbetrag wird von 23.110,67 € um 10.575,52 € auf 12.535,15 € eingeschränkt und schlüsselt sich nunmehr wie folgt auf:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag lt. Haftungsbescheid
Betrag lt. Beschwerdeentscheidung
Umsatzsteuer
02/2011
2.400,62
1.200,31
Umsatzsteuer
05/2011
7.265,73
3.632,86
Umsatzsteuer
07/2011
1.781,25
1.781,25
Lohnsteuer
2008
1.426,70
713,35
Lohnsteuer
2009
3.774,80
1.887,40
Lohnsteuer
2010
1.789,10
894,55
Lohnsteuer
04/2011
875,59
437,79
Lohnsteuer
05/2011
875,59
437,79
Lohnsteuer
08/2011
106,93
106,93
Körperschaftsteuer
04-06/2011
389,86
194,93
Dienstgeberbeitrag
2008
321,01
160,50
Dienstgeberbeitrag
2009
849,33
424,66
Dienstgeberbeitrag
2010
341,42
170,71
Dienstgeberbeitrag
04/2011
220,58
110,29
Dienstgeberbeitrag
05/2011
220,58
110,29
Dienstgeberbeitrag
08/2011
65,65
65,65
Zuschlag zum DB
2008
29,96
14,98
Zuschlag zum DB
2009
77,38
38,69
Zuschlag zum DB
2010
30,36
15,18
Zuschlag zum DB
04/2011
19,61
9,81
Zuschlag zum DB
05/2011
19,61
9,81
Zuschlag zum DB
08/2011
5,83
5,83
Säumniszuschlag 1
2011
223,18
111,59
Summe
23.110,67
12.535,15

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom wurde die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***PS*** GmbH im Ausmaß von 23.110,67 € gegenüber dem Beschwerdeführer geltend gemacht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung aufgrund des abgeschlossenen Insolvenzverfahrens bei der ***PS*** GmbH gegeben sei. Für das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei ausschließlich mit der Produktion des Weines beschäftigt und der jeweils andere Geschäftsführer für die wirtschaftliche Abwicklung, Vermarktung und für den Zahlungsverkehr zuständig gewesen, sei trotz dreimaliger Fristverlängerung kein entsprechender Nachweis erbracht worden. Ebenso sei kein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt worden. Das Finanzamt wies weiters auf die Sonderstellung der Lohnsteuer hin sowie auf den Umstand, dass die Einstellung eines Strafverfahrens keine Bindungswirkung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bewirken würde. Schließlich wurde der Beschwerdeführer auf die Auswahl- und Kontrollpflichten des Geschäftsführers hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen den Haftungsbescheid vom 31. Jänner das Rechtsmittel der Beschwerde einbracht. Der Beschwerdeführer habe als gewerberechtlicher Gesellschafter fungiert. Zwischen den Geschäftsführern sei von Beginn an vereinbart gewesen, dass die kaufmännischen Agenden des Unternehmens durch Herrn ***GF1*** durchgeführt werde. Dies sei im Jahr 2005 schriftlich abgefasst worden, das Schreiben liege aber nicht mehr vor.
Mit Schreiben vom wurde eine umfassendere Begründung nachgereicht. Der ehemalige Geschäftsführer, ***GF2***, habe die seinerzeit getroffene Aufgabenteilung schriftlich bestätigt (Beilage 1). Diese Aufteilung habe sich auch aus deren unterschiedlichen Ausbildung und wirtschaftlichen Tätigkeit ergeben. Der Beschwerdeführer sei Absolvent der Fachschule für Weinbau. Als pauschalierter Landwirt würde er keine Dienstnehmer beschäftigen und sei mit Buchhaltung, Lohnverrechnung und Finanzamtsabwicklung in seinem Betrieb nicht konfrontiert. Die Mitgesellschafter seien umfangreich unternehmerisch tätig und hätten kaufmännische Erfahrung. In den Jahren 2005 bis 2010 habe es keine für den Beschwerdeführer erkennbaren Probleme gegeben, sodass er sich auf seine Mitgesellschafter verlassen habe.
Der Beschwerdeführer habe zu keiner Zeit Zugriff auf die Geschäftsunterlagen gehabt, insbesondere Buchhaltung oder Lohnverrechnung bzw. Zahlungsverkehr. Diese Unterlagen seien auch nicht bei ihm aufbewahrt worden. Aus dem Bericht des Finanzamtes vom würde sich Folgendes ergeben: "Die Buchhaltung wird in ***Adresse*** (Fa. ***ABC*** GmbH = Firma des Geschäftsführers ***GF2***) geführt und aufbewahrt." Zu Beginn des Insolvenzverfahrens sei eine Buchhaltung bzw. Lohnverrechnung vom Geschäftsführer ***GF2*** nicht vorgelegt worden.
Da der Beschwerdeführer über keine Geschäfts- oder Buchhaltungsunterlagen verfügen würde, befinde er sich in absolutem Beweisnotstand. Scheinbar seien die Unterlagen im Zuge der mehrmaligen Übersiedlung der Unternehmungen des ***GF2*** bzw. im Zuge des Insolvenzverfahrens verloren gegangen.
Aus dem 1. Bericht des Masseverwalters gehe hervor, dass "bei Gründung der Schuldnerin geplant war, dass die "Weinbauagenden" von Herrn ***Bf1*** geführt werden sollten. Herr ***Bf1*** ist seit 30 Jahren als Winzer tätig und besitzt auch ein eigenes Weingut in ***. Von Herrn ***GF1*** sollten sämtliche "Vertriebsagenden" geführt werden." Diesem Bericht sei weiters zu entnehmen, dass sich Herr ***GF1*** im Jahr 2010 aus dem Unternehmen der Primärschuldnerin weitgehend zurückgezogen habe - vor allem in Hinblick auf seine "eigene" Insolvenz mit dem Unternehmen Holzbau ***GF1***.
Bereits 2010 und massiv im Jahr 2011 habe sich der spätere Geschäftsführer ***GF2*** in die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens eingebracht. Dies gehe auch aus dem Bericht des Masseverwalters hervor.
Aus dem vorgelegten Schreiben der ***BankZ*** gehe hervor, dass bereits 2011 wesentliche geschäftliche Entscheidungen und Gespräche mit der Bank durch den Geschäftsführer ***GF2*** bzw. die von ihm beauftragte Frau Mag. ***RS*** geführt worden seien. Die Bank habe in diesem Zusammenhang festgehalten: "Da die wesentlichen Gespräche und die ganz überwiegende Korrespondenz nicht mit Herrn ***Bf1*** geführt wurden, kann man daraus u.E. durchaus ableiten, dass Herr ***Bf1*** nicht primär für die kaufmännischen Angelegenheiten der Firma sondern v.a. für die Produktion/Weinherstellung tätig war."
Zu den haftungsgegenständlichen Abgaben wurde Folgendes ausgeführt:
Lohnabgaben 2008 - 2011: Die Nachforderung habe sich durch eine nach der Konkurseröffnung durchgeführten Außenprüfung ergeben. Es sei mangels Vorlage von Unterlagen zu einer Schätzung gekommen. Der Beschwerdeführer sei bei der Prüfung nicht involviert gewesen und hätte mangels Unterlagen auch kein Rechtsmittel ergreifen können.
Umsatzsteuer 2, 5 und 7/2011: Mangels Vorlage von Unterlagen könne der Beschwerdeführer den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbringen. Er könne auch keinen Liquiditätsstatus zu den einzelnen Fälligkeitstagen erstellen. Da er für die buchhalterischen Belange nicht zuständig gewesen sei, könne ihm das Fehlen der Unterlagen nicht vorgeworfen werden.
Ein Finanzstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei eingestellt worden. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer mit Lohnverrechnung und Buchhaltung nicht befasst gewesen sei.
Aus den vorgelegten Unterlagen würde sich zweifelsfrei ergeben, dass die wirtschaftlichen Entscheidungen, die Führung der Bücher und der Lohnverrechnung sowie sämtliche abgabenrechtliche Verpflichtungen vom späteren handelsrechtlichen Geschäftsführer ***GF2*** wahrgenommen worden seien. Aufgrund der Aufgabentrennung könne der Beschwerdeführer nicht zur Haftung herangezogen werden.
Dem Schriftsatz beigelegt wurden ein Schreiben von ***GF2*** vom , Seite 1 des Schreibens des Masseverwalters vom , 1. Bericht des Masseverwalters vom , Schreiben der ***BankZ*** vom und das Erkenntnis des Spruchsenates vom jeweils in Kopie.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei der Primärschuldnerin aufgrund des bereits abgeschlossenen Insolvenzverfahrens gegeben sei. Der vorgelegte Nachweis der Kompetenzverteilung (Schreiben von ***GF2*** vom ) sei nicht gültig. Die Aufgabenaufteilung sei im Jahr 2005 schriftlich abgefasst worden, liege nunmehr aber nicht mehr vor. Der steuerliche Vertreter habe mit Mail vom den Wortlaut für eine zu verfassende Kompetenzverteilung vorgegeben. Der Begründung der Beschwerde sei eine Bestätigung mit exakt diesem Wortlaut vom beigelegt worden. Dieser nachträglich verfasste Beweis der Kompetenzverteilung könne keinesfalls einen entlastenden Ersatz für die tatsächlich bereits im Jahr 2005 schriftlich verfasste Aufgabenaufteilung darstellen.
Der mangelnde Zugriff auf die Geschäftsunterlagen habe schon im Vorhin eine Überwachung verhindert und stelle in jedem Fall eine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes sei es jedem Vertreter, der fällige Abgabenschulden der Gesellschaft nicht entrichten könne, schon in Hinblick auf eine mögliche Haftungsinanspruchnahme zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Darlegung seines pflichtgemäßen Verhaltens ermöglichen.
Bereits im Zeitpunkt des Wechsels des zweiten Geschäftsführers wäre es in der Verantwortung des Beschwerdeführers gelegen, sich über sämtliche Geschäftsunterlagen sowie über die Buchhaltung und Lohnverrechnung einen Überblick zu verschaffen.
Die Bank habe angegeben, dass sie nur Indizien sammeln könne, aber nie mit Sicherheit erkennen könne, und am der Beschwerdeführer an einer Besprechung in der Bank teilgenommen hätte. Somit wäre der Beschwerdeführer nicht außen vor gewesen.
Im Haftungsverfahren sei die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung nicht zu erörtern. In Zusammenhang mit der Lohnsteuer werde darauf hingewiesen, dass die Pflichtverletzung schon durch deren Nichtabfuhr gegeben sei.

Mit Schreiben vom wurde Vorlageantrag eingebracht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Von der Gründung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Dezember 2011 seien für die Primärschuldnerin zwei handelsrechtliche Geschäftsführer bestellt gewesen. Der Beschwerdeführer sei zu keinem Zeitpunkt mit der Besorgung von Abgabenangelegenheiten betraut gewesen. Es liege keine Begründung vor, warum der Beschwerdeführer in Anspruch genommen worden sei.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom ersuchte die zuständige Richterin das Finanzamt, es möge darlegen, aufgrund welcher Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer Anlass zum Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den jeweils anderen Geschäftsführer gehabt hätte bzw. hätte haben müssen und nichts dagegen unternommen hätte.

Mit Schreiben vom wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abgaben nahezu ausschließlich zu einem Zeitpunkt fällig gewesen seien, als der Beschwerdeführer gemeinsam mit Herrn ***GF1*** die Geschäftsführung innegehabt hätte. Trotz dreimaliger Fristverlängerung sei keine Vereinbarung über die Aufteilung der Geschäftsführeragenden vorgelegt worden. Erst im Rahmen des Beschwerdefahrens sei eine Bestätigung von ***GF2*** vorgelegt worden, die genau jener Diktion entsprechen würde, die von der steuerlichen Vertretung vorgegeben worden sei. Die originale Vereinbarung aus dem Jahr 2005 - abgeschlossen mit ***VNGF1*** ***GF1*** - sei nicht vorgelegt worden.
Laut Beschwerde habe sich ***VNGF1*** ***GF1*** im Jahr 2010 weitgehend aus dem Unternehmen der Primärschuldnerin zurückgezogen. Bis Juli 2011 seien nur der Beschwerdeführer und ***VNGF1*** ***GF1*** Geschäftsführer gewesen. Da sich ***VNGF1*** ***GF1*** ja 2010 aus dem Unternehmen zurückgezogen habe, hätte sich der Beschwerdeführer entweder um Vertriebsagenden bzw. kaufmännische Themen kümmern oder zumindest an einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung Zweifel haben müssen. Entsprechende Überwachungs- oder Beaufsichtigungsmaßnahmen seien vom Beschwerdeführer nicht getroffen worden.
Dass sich ***GF2*** ab 2010 immer mehr in die wirtschaftlichen Belange eingebracht habe, würde nichts daran ändern, dass Zweifel an der Geschäftsführung des ***VNGF1*** ***GF1*** hätten bestehen müssen. ***GF2*** sei erst am zum Geschäftsführer bestellt worden. Hinsichtlich jener Abgaben, die nach Übernahme der Geschäftsführung durch Herrn ***GF2*** fällig geworden seien (L, DB, DZ für 08/2011) sei dem Beschwerdeführer anzulasten, dass er sich trotz Übernahme der kaufmännischen Agenden durch einen neuen Geschäftsführer und offenkundiger finanzieller Schwierigkeiten nicht vergewissert habe, ob dieser seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachkommen würde. Mit einem Blick auf das Abgabenkonto sei leicht festzustellen gewesen, dass die Abgaben zwar gemeldet aber nicht entrichtet worden seien.
Bei mehreren Geschäftsführern, die als Haftungspflichtige in Betracht kommen würden, liege es im Ermessen der Behörde, welcher von ihnen zur Haftung herangezogen würde.
Bei ***VNGF1*** ***GF1*** sei bereits im Jahr 2012 ein Schuldenregulierungsverfahren und 2014 ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden. Im Dezember 2020 sei er verstorben.
Am Steuerkonto von ***GF2*** bestehe ein Abgabenrückstand, dessen Einbringlichkeit nicht gegeben sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am wurde seitens des Beschwerdeführers zusammengefasst vorgebracht, dass er nach 4 Jahren Volksschule und 4 Jahren Hauptschule für 2 ½ Jahre die Weinbauschule besucht hätte. Dort sei das Hauptaugenmerk auf Wein- und Obstbau gerichtet gewesen, in sehr kleinem Ausmaß sei auch Buchhaltung unterrichtet worden.
Seit 1990/1992 betreibe er eine pauschalierte Landwirtschaft und habe sich auf die Erzeugung von Grünem Veltliner aus verschiedenen Trauben spezialisiert. In seinem Ein-Mann-Betrieb mache er selbständig die Kalkulationen, lege Rechnungen und überprüfe die Eingänge. ***VNGF1*** ***GF1*** sei auf die Idee gekommen, diesen Wein in größeren Mengen zu produzieren und zu vertreiben. Der Beschwerdeführer sei neben dem Betrieb seiner eigenen Landwirtschaft mit der Suche nach immer mehr Traubenlieferanten beschäftigt gewesen. Er habe 50 bis 70 Stunden pro Woche gearbeitet. 2007/2008 sei ***GF2*** dazu gestoßen.
Bis 2010/2011 habe der Beschwerdeführer zu ***GF1*** und ***GF2*** größtes Vertrauen gehabt. Um die Schwierigkeiten, die ***GF1*** mit seiner eigenen Firma gehabt habe, hätte er sich nicht gekümmert. 2010 habe ihm ***GF1*** mitgeteilt, dass er bei seiner Firma den Ausgleich durchgebracht hätte. Später habe er ihm mitgeteilt, dass er noch mit einer privaten Klage zu rechnen hätte. Während dieser Zeit sei ***GF1*** in der Primärschuldnerin noch tätig gewesen, aber nicht mehr in dem Ausmaß wie nötig. ***GF2*** sei schon als Investor tätig gewesen, schließlich sei er auch operativ tätig geworden. Der Beschwerdeführer habe den beiden stets vertraut und keinen Anlass gehabt, sich nach dem Gang der Geschäften zu erkundigen.
Die Jahresabschlüsse habe er in dem Vertrauen, dass alles seine Ordnung haben würde, unterzeichnet.
In den Jahren 2007/2008 sei begonnen worden, den Wein an Kreuzfahrtschiffe zu liefern. Dies sei jedoch an der Logistik gescheitert. Etwa 2009/2010 sei ein großer Abnehmer in Hamburg akquiriert worden. Nach der dritten Lieferung habe ***GF2*** dem Beschwerdeführer jedoch mitgeteilt, er müsse die Lieferungen stoppen, da der Abnehmer nicht bezahlen würde.
Bei der Besprechung bei der ***BankZ*** am sei er dabei gewesen. Dabei habe er erstmals davon erfahre, dass es der Primärschuldnerin schlecht ginge. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten die Gespräche bei der Bank in seiner Abwesenheit stattgefunden. Bei diesem Gespräch habe ***GF2*** der Bank eine Fortbestehungsprognose präsentiert. Er habe unendlich viele Ideen aufgezeigt (auch neuerlich den Plan Kreuzfahrtschiffe zu beliefern) und habe auch die Bank überzeugt, dass sich alles zum Positiven wenden würde.
Im Insolvenzverfahren seien ***GF1*** und ***GF2*** Ansprechpartner für die Masseverwalterin gewesen. Er selbst habe nur Fragen zu noch vorhandener Ware beantworten können.
Auf Vorhalt der Amtsbeauftragten, wonach am (also etwa zwei Wochen nach dem Gespräch bei der Bank) ein Vollstreckungsorgan beim Beschwerdeführer vorgesprochen hätte, gab dieser bekannt, dass ihm dieser Vorgang eigentlich nicht erinnerlich sei. Nach kurzem Zögern gab er bekannt, dass dabei Wein aus seinem eigenen Betrieb gepfändet worden sei.
Der Beschwerdeführer habe keine Veranlassung gehabt, Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen zu nehmen. Diese seien in Wien aufbewahrt worden. Die theoretische Möglichkeit dazu hätte er aber gehabt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die ***PS*** GmbH (Primärschuldnerin) gegründet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Am wurde das Konkursverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma in weiterer Folge gelöscht.

Im Zeitraum von bis zur Insolvenzeröffnung war der am tt.mm.1962 geborene Beschwerdeführer Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Von bis war ***VNGF1*** ***GF1*** ebenfalls Geschäftsführer der Primärschuldnerin und von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens ***GF2***.

Der Beschwerdeführer und der jeweils andere Geschäftsführer hatten die Geschäftsführeragenden in der Form aufgeteilt, dass der Beschwerdeführer für die Produktion des Weins zuständig war und nicht für die kaufmännischen Agenden wie Führung der Lohnverrechnung, Buchhaltung, Abwicklung des Zahlungsverkehrs, abgabenrechtliche Verpflichtungen.

Der Beschwerdeführer nahm nicht Einsicht in die Bücher und Aufzeichnungen. Er überprüfte die Jahresabschlüsse nicht und nahm bis an Besprechungen bei der Bank nicht teil. Am sprach ein Vollstreckungsorgan des Finanzamtes beim Beschwerdeführer vor.

Obwohl für den Beschwerdeführer spätestens ab erkennbar war, dass ***VNGF1*** ***GF1*** die kaufmännischen Verpflichtungen der Primärschuldnerin nicht mehr ordnungsgemäß erfüllte, beließ er es dabei und setzte keine entsprechenden Maßnahmen.

Mit Bescheid vom machte das Finanzamt dem Beschwerdeführer gegenüber die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***PS*** GmbH in Höhe von 23.110,67 € geltend. Die Abgaben wurden wie folgt aufgeschlüsselt.


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Umsatzsteuer
02/2011
2.400,62
Umsatzsteuer
05/2011
7.265,73
Umsatzsteuer
07/2011
1.781,25
Lohnsteuer
2008
1.426,70
Lohnsteuer
2009
3.774,80
Lohnsteuer
2010
1.789,10
Lohnsteuer
04/2011
875,59
Lohnsteuer
05/2011
875,59
Lohnsteuer
08/2011
106,93
Körperschaftsteuer
04-06/2011
389,86
Dienstgeberbeitrag
2008
321,01
Dienstgeberbeitrag
2009
849,33
Dienstgeberbeitrag
2010
341,42
Dienstgeberbeitrag
04/2011
220,58
Dienstgeberbeitrag
05/2011
220,58
Dienstgeberbeitrag
08/2011
65,65
Zuschlag zum DB
2008
29,96
Zuschlag zum DB
2009
77,38
Zuschlag zum DB
2010
30,36
Zuschlag zum DB
04/2011
19,61
Zuschlag zum DB
05/2011
19,61
Zuschlag zum DB
08/2011
5,83
Säumniszuschlag 1
2011
223,18
Summe
23.110,67

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin zur Gänze unberichtigt aus.

2. Beweiswürdigung

Der beschwerdegegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, der Einsichtnahme in das Abgabenkonto der Primärschuldnerin sowie aus den Parteienvorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

In Zusammenhang mit der Aufgabenteilung der Geschäftsführer vertreten der Beschwerdeführer und das Finanzamt unterschiedliche Ansichten.

Der Beschwerdeführer besuchte 4 Jahre Volksschule, 4 Jahre Hauptschule und 2 ½ Jahre die Weinbauschule. Seit Anfang der 90er Jahre ist er als pauschalierter Landwirt (Weinbau) tätig. Als solcher beschäftigt er keine Dienstnehmer und ist mit Buchhaltung, Lohnverrechnung und Finanzamtsabwicklung nicht konfrontiert.

Im Beschwerdeverfahren wurde wiederholt dargelegt, dass die Geschäftsführung in der Form aufgeteilt gewesen sei, als der Beschwerdeführer im Prinzip für die Produktion des Weins zuständig gewesen wäre, während der jeweils andere Geschäftsführer über kaufmännische Erfahrung verfügt habe und daher für den gesamten kaufmännischen Bereich verantwortlich gewesen sei.

Aus dem 1. Bericht des Masseverwalters vom geht Folgendes hervor: "Bei Gründung der Schuldnerin war geplant, dass die "Weinbauagenden" von Herrn ***Bf1*** geführt werden sollten. Herr ***Bf1*** ist seit rund 30 Jahren als Winzer tätig und besitzt auch ein eigenes Weingut in ***. Von Herrn ***GF1*** sollten sämtliche Vertriebsagenden geführt werden."………"Die Lohnverrechnung und Buchhaltung wurden bislang von Herrn ***GF2*** durchgeführt. Mit der steuerlichen Vertretung war ***StbX*** und Partner betraut. Die Bilanzen der Schuldnerin für die letzten drei Geschäftsjahre wurden vom Masseverwalter angefordert, liegen jedoch bislang noch nicht vor."

***VNGF1*** ***GF1*** hat bei seiner Einvernahme als Beschuldigter am bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer für die Produktion zuständig gewesen sei und mit den Buchhaltungsaufgaben nicht viel zu tun gehabt hätte.

Aus einem Schreiben der ***BankZ*** vom geht hervor, dass bei den meisten Gesprächen der Beschwerdeführer nicht dabei war. Am , als die weitere Vorgangsweise besprochen wurde, war der Beschwerdeführer jedoch nachweislich anwesend.

Aus den vorliegenden Beweismitten geht hervor, dass grundsätzlich eine Aufteilung der Agenden vereinbart worden war, sodass der Beschwerdeführer für die vollständige und rechtzeitige Abfuhr der Abgaben nicht in erster Linie verantwortlich war.

Bei seiner Befragung im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer ausführlich dar, dass er stets darauf vertraut habe, dass ***VNGF1*** ***GF1*** bzw. ***GF2*** sich ordnungsgemäß um die finanziellen Belange der Primärschuldnerin kümmern würden. Er habe keine Veranlassung gesehen, seinerseits deren Tätigkeit zu kontrollieren.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

1. Zur Vertreterhaftung
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Die abgabenrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der ***PS*** GmbH war daher im haftungsgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich gegeben.

2. Zur Uneinbringlichkeit
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (; ). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (; ). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (; ).

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit unbestritten fest, da laut Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnet, mit Beschluss vom nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma in der Folge wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden ist.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften zur Gänze unberichtigt aus.

3. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (). Tritt er diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (; ; ).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl zB ; ; ; ; ); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (; ). Der Umstand, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben erst im Laufe des Konkursverfahrens festgesetzt wurden, dann daher der gegenständlichen Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Ausschlaggebend ist, dass die Abgaben im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet worden sind.

Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (zB Körperschaftsteuer) ist grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 10).

Im gegenständlichen Haftungsverfahren hat der Beschwerdeführer keine Angaben über die finanziellen Mittel der Primärschuldnerin während des haftungsgegenständlichen Zeitraumes gemacht. Es wurde weder behauptet, dass die Primärschuldnerin nicht über (ausreichende) Mittel verfügt hätte, noch wurde eine Aufstellung bzw. Berechnung vorgelegt, aus der ersichtlich wäre, in welchem Ausmaß das Finanzamt bei gleichmäßiger Behandlung aller Gläubiger befriedigt worden wäre.

In diesem Zusammenhang bringt der Beschwerdeführer vor, er würde über keine Geschäfts- oder Buchhaltungsunterlagen verfügen und befinde sich in absolutem Beweisnotstand.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass es dem Vertreter obliegt, entsprechende Beweisvorsorgen zu treffen (vgl. ). Schon in Hinblick auf eine mögliche Inanspruchnahme ist es einem Vertreter zumutbar, spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im beschriebenen Sinn ermöglichen.

Gegenständlich bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer spätestens im Zeitpunkt der Konkurseröffnung von ***GF2*** die Herausgabe sämtlicher Unterlagen fordern hätte müssen.

Betreffend die Haftung für die Lohnsteuer ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Abfuhrpflichtige bei nicht ausreichenden Mittel zur Entrichtung der Lohnsteuer, die auszuzahlenden Löhne entsprechend zu kürzen und vom niedrigeren ausbezahlten Lohn die Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen.

Daraus folgt, dass die Lohnsteuer von den ausbezahlten Löhnen immer zur Gänze zu berechnen und abzuführen ist. Das Gleichbehandlungsgebot gilt für die Lohnsteuer nicht.

Wird die abzuführende Lohnsteuer nicht oder nicht zu Gänze entrichtet, liegt darin ein pflichtwidriges Verhalten der für die Abfuhr der Lohnsteuer verantwortlichen Person. Wird die Lohnsteuer bei der lohnsteuerpflichtigen Gesellschaft uneinbringlich so haftet gemäß § 9 iVm §§ 80ff BAO der oder die im Gesetz genannte Vertreter/Vertreterin für den Steuerausfall (-RS1). Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen ().

Es ist hinsichtlich der Lohnsteuer von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin auszugehen und der Haftungsanspruch besteht daher zu Recht.

Bezüglich des haftungsgegenständlichen Säumniszuschlages ist auf die Bestimmung des § 7 Abs 2 BAO zu verweisen, nach der sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs 1 und 2 BAO erstrecken.

4. Verschulden
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22).

Gegenständlich vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, ihm sei kein Verschulden vorzuwerfen, weil er aufgrund einer Aufgabenteilung zwischen den Geschäftsführern nicht für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten zuständig gewesen sei.

Bei Vorhandensein mehrerer potentiell Haftender richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist.

Solange Regelungen über eine vom gesetzlichen Regelzustand abweichende Geschäftsverteilung fehlen, sind die Geschäftsführer auch von sich aus befugt, die ihnen als Gesamtheit obliegenden Aufgaben untereinander im Wege einer einstimmigen Beschlussfassung aufzuteilen. Eine Formvorschrift für die erwähnte Beschlussfassung der Geschäftsführer kann dem Gesetz nicht entnommen werden (vgl. ).

: "Der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter verletzt seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hierfür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln."

: "Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden, richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist er auch haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln."

: "Der Beschwerdeführer war, wie die belangte Behörde auf Grund der angestellten Ermittlungen festgestellt hat, für die Finanzgebarung der GmbH nicht zuständig. Eine solche Geschäftsverteilung kann einen Vertreter nur dann exkulpieren, wenn er sich nach Lage des Falles auf den intern zuständigen Vertreter verlassen durfte. Dies gilt dann nicht, wenn für ihn Anlass zur Annahme bestand, der zuständige Vertreter erfülle die ihm zugewiesenen Aufgaben nicht oder unvollständig, wenn somit ein Anlass vorlag, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu zweifeln (vgl Ritz, Bundesabgabenordnung2, § 9, Rz 23 und die dort wiedergegebene hg Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat nach dem Ausweis der Akten keine Ermittlungen darüber geführt, ob der Geschäftsführer Ing. Gerd B. seine Aufgaben nicht oder unzureichend erfüllt hat. Aus dem Umstand allein, dass die GmbH sich in "Zahlungsschwierigkeiten" befand, kann aber auf die Mangelhaftigkeit der Geschäftsführung durch diesen Geschäftsführer nicht geschlossen werden."

: "Die Aufgabenteilung unter Geschäftsführern könnte selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken dürfte und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern müsste. Denn durch die Aufgabenteilung wurde nur die Pflicht zur unmittelbar verwaltenden Tätigkeit auf das zugeteilte eigene Aufgabengebiet beschränkt. Hinsichtlich der restlichen von den anderen Geschäftsführern unmittelbar zu betreuenden Aufgabengebiete bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse vom , Zl. 91/17/0134, vom , Zl. 95/08/0179, und vom , Zl. 97/08/0108). Nur bei der Verletzung dieser Beaufsichtigungs- und Bereinigungspflicht könnte im vorliegenden Fall die Haftung des Beschwerdeführers für die Nichtentrichtung von Zuschlägen durch die Gesellschaft ansetzen."

Zur Vermeidung einer Pflichtverletzung durch den für die steuerlichen Agenden zuständigen Geschäftsführer trifft den/die anderen Geschäftsführer eine Vorsorge-, Überwachungs- und Abhilfepflicht (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO³ (2021) § 9 Rz 20).

Fazit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und Literatur ist, dass der Beschwerdeführer nur dann zur Haftung herangezogen werden kann, wenn er begründete Zweifel haben musste, dass ***VNGF1*** ***GF1*** und ***GF2*** die Geschäftsführung nicht ordnungsgemäß ausgeübt haben und er dagegen nichts unternahm.

Der Beschwerdeführer konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am zwar darlegen, dass er zunächst Herrn ***GF1*** und Herrn ***GF2*** quasi blind vertraut hat. Beide Herren sind offenbar mit großer Überzeugungskraft aufgetreten und konnten dem Beschwerdeführer immer wieder glauben lassen, dass der Betrieb ordnungsgemäß geführt wird.

Allerdings traten bereits in den Jahren 2007/2008 die erhofften Umsatzsteigerungen nicht ein. In Zusammenhang mit den geplanten Weinlieferungen an Kreuzfahrtschiffen mangelte es an der nötigen Logistik. Es wäre notwendig gewesen, die entsprechenden Weinlieferungen zu bestimmten Zeitpunkten in den jeweiligen Häfen zur Verfügung zu halten, wenn die Schiffe dort einliefen. Da dies nicht klappte, kam es zu keinen weiteren derartigen Geschäften. Weitere Umsatzeinbußen traten 2009/2010 ein, als ein großer Abnehmer in Hamburg nach nur drei von zehn geplanten Teillieferungen nicht mehr bezahlte.

Diese Umstände hätten für den Beschwerdeführer Anlass sein müssen, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu zweifeln. Bei Umsatzeinbußen liegt es auf der Hand, dass die Gefahr besteht, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen, seiner Vorsorge- und Aufsichtspflicht nachzukommen.

Dies gilt umso mehr, als ***VNGF1*** ***GF1*** 2010 dem Beschwerdeführer mitteilte, dass über dessen Firma ein Insolvenzverfahren abgeschlossen worden sei und noch eine private Klage auf ihn zukommen würde. Wenn ein Geschäftsführer massive geschäftliche Probleme hat, ist es die Pflicht des anderen Geschäftsführers mit erhöhter Sorgfalt zu überprüfen, ob der Partner seinen Obliegenheiten noch ordnungsgemäß nachkommen kann.

Obwohl mehrere Geschäfte nicht planmäßig verliefen und der andere Geschäftsführer mit einer anderen Firma in ein Insolvenzverfahren schlitterte, glaubte der Beschwerdeführer immer noch diesem blind vertrauen zu können.

Bei einem Gespräch am bei der Bank, wo der Beschwerdeführer erstmals nachweislich von den finanziellen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin Kenntnis erlangte, begründete ***GF2*** die positive Fortführungsprognose unter anderem neuerlich mit möglichen Geschäften mit Kreuzfahrtschiffen. Der Beschwerdeführer konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht darlegen, warum ein derartiges Geschäft nun klappen sollte, wo es doch drei Jahre zuvor an mangelnder Logistik gescheitert war. Obwohl der Beschwerdeführer erschüttert war über den Inhalt des Gespräches bei der Bank, war dies immer noch immer kein Anlass für ihn an der Vertrauenswürdigkeit seiner Geschäftspartner zu zweifeln.

Spätestens am , als ein Vollstreckungsorgan des Finanzamtes beim Beschwerdeführer vorgesprochen hat, musste der Beschwerdeführer erkennen, dass die Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin nicht vollständig und pünktlich abgeführt wurden.

Insgesamt betrachtet konnte der Beschwerdeführer nicht überzeugend darlegen, dass er seine ihm auferlegte Vorsorge-, Überwachungs- und Abhilfepflicht erfüllt hat. Er hat es zumindest ab verabsäumt, für die vollständige und rechtzeitige Abfuhr der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin zu sorgen.

Die Richterin gelangte daher zur Überzeugung, dass dem Beschwerdeführer eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten vorzuwerfen ist. Spätestens ab hätte er dafür sorgen müssen, dass die bereits fällig gewordenen und die fällig werdenden Abgabenverpflichtungen der Beschwerdeführerin aus deren vorhandenen Mittel abgeführt werden.

5. Kausalzusammenhang
Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (). Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (; ).

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Beschwerdeführerin konnte die Abgabenbehörde daher auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

6. Ermessen
Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 224 Anm. 2).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch ist die Einbringlichkeit bei ihr ausgeschlossen. Der ehemalige Geschäftsführer ***VNGF1*** ***GF1*** ist im Dezember 2020 verstorben und bei ***GF2*** haben die Ermittlungsergebnisse ergeben, dass mit einer Einbringlichkeit der Abgabenverbindichkeiten bei ihm ebenfalls nicht zu rechnen ist.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Dieser öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorwerfbaren Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden.
Gegenständlich konnte der Beschwerdeführer jedoch überzeugend darlegen, dass es ihm aufgrund seiner mangelnden buchhalterischen Kenntnisse und seinem außerordentlichen Arbeitseinsatz (bis zu 70 Stunden pro Woche) nur sehr schwer möglich war, seinen auferlegten Überwachungspflichten nachzukommen. Dazu kommt, dass ***GF2*** mit seinem selbstsicheren Auftreten kaum zu durchschauen war. Schließlich konnte er sogar die Bank noch im Juli 2011 von seinen Plänen überzeugen.
Aus diesen Gründen gelangte die Richterin im Rahmen der Ermessensübung zur Ansicht, dass die Haftungsinanspruchnahme aus Billigkeitsgründen hinsichtlich jener Abgaben, die vor dem fällig geworden sind, auf ein Ausmaß von 50 % einzuschränken ist. Viereinhalb Monate später wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Dieser Zeitraum war auch zu kurz, um für die Tilgung der rückständigen Abgaben von mehr als 20.000,00 € Sorge zu tragen. Für die nach dem fällig gewordenen Abgaben konnte das Ermessen nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers geübt werden, da ab diesem Zeitpunkt von einer auffallenden Sorglosigkeit auszugehen ist.
Der Beschwerdeführer ist 59 Jahre alt und wird noch einige Zeit erwerbstätig sein, sodass bei ihm mit einer Einbringlichkeit der Abgaben noch zu rechnen ist. Hinzu kommt, dass eine allfällige Vermögens- und/oder Arbeitslosigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (vgl. ). Im Übrigen wurde diesbezüglich kein Vorbringen erstattet.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Das Verwaltungsgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen am eindeutigen Gesetzestext sowie an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100976.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at