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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2022, RV/4100286/2020

Zwangsstrafe ohne Nachweis der Zustellung der Androhung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Nussbaumer LL.M. M.B.L. in der Rechtssache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zwangsstrafen 2017 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Zwischen den Parteien ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO strittig.

Mit dem an den Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 2017 eine Zwangsstrafe von 200 € festgesetzt.

In der dagegen am erhobenen Beschwerde beantragte der Bf. die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides, dies mit der wesentlichen Begründung, als er einerseits nicht zur Abgabe der gegenständlichen Erklärung verpflichtet sei, sowie andererseits, dass er seit Ende September 2018 im Auftrag des österreichischen Bundesheeres im Einsatz in der Westsahara sei; demnach habe die Androhung der Festsetzung der Zwangsstrafe, bzw. der darauf folgende - nunmehr verfahrensgegenständliche - Bescheid "keine formelle Rechtskraft entfalten" können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, dies unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 ZustG.

Am begehrte der Bf. die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, dem die belangte Behörde am nachkam.

Der Bf. bestritt in seinem weiteren Vorbringen vom das Vorliegen der Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 BAO, weshalb die belangte Behörde mit verfahrensleitender Verfügung des Gerichtes vom aufgefordert wurde, den Nachweis der Zustellung der Androhung iSd leg. cit. zu erbringen. Hierauf reagierte die belangte Behörde mit Eingabe vom und führte aus, dass nicht mehr feststellbar sei, ob die Zustellung "normal oder per Rückscheinbrief" erfolgt sei; ein formeller Nachweis der Zustellung könne somit nicht erbracht werden.

Sachverhalt

Der Bf. brachte im Veranlagungsjahr 2017 Einkünfte aus Gewerbebetrieb ins Verdienen.

Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Bf. der Bescheid über die Androhung der Zwangsstrafe im Sinne des §§ 111 Abs. 2 BAO vom zugestellt wurde.

Beweiswürdigung

Der vorstehende Sachverhalt beruht auf nachfolgender Beweiswürdigung:

Dass - entgegen dem Vorbringen des Bf. - eine Erklärungspflicht bestand, zeigt sich an der im elektronischen Akt inneliegenden Einkommensteuererklärung 2017, in der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt wurden.

Zustellnachweise sind nicht aktenkundig, selbst die belangte Behörde konnte keinen Nachweis erbringen, weshalb die Feststellung zu treffen war, dass eine Zustellung des Bescheides vom 05. Feber 2019 betreffend der Androhung der Zwangsstrafe an den Bf. nicht als erwiesen angenommen werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 323 b Abs. 1 BAO idF BGBl. I 2020/99 tritt das Finanzamt Österreich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Partei des Verfahrens ist nunmehr das Finanzamt Österreich als belangte Behörde, deren Bezeichnung war somit im Spruch entsprechend richtig zu stellen.

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen einer Abgabenbehörde dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung

Gemäß § 5 des Zustellgesetzes (ZustG) ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten. Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird (§ 26 Abs. 1 ZustG ).

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Nach § 111 Abs. 1 erster Satz BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muss der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist (§ 111 Abs. 2 BAO ). Laut § 111 Abs. 3 BAO darf die einzelne Zwangsstrafe den Betrag von 5.000 Euro nicht übersteigen; gegen die Androhung einer Zwangsstrafe ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Zu den Leistungen, die von der Abgabenbehörde durch Verhängung einer Zwangsstrafe erzwungen werden können, gehört auch die Einreichung von Steuererklärungen (Ritz, BAO, 6. Auflage, Rz 2 zu § 111).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. zuletzt etwa , mwN; im Anwendungsbereich der BAO: ).

Jede Zwangsstrafenfestsetzung setzt die vorherige (in der Regel schriftliche) Aufforderung zur Erbringung der verlangten Leistung und die Androhung der Zwangsstrafe voraus (Ritz, aaO, Rz 7 zu § 111). Der Bf. hat, wenngleich erst im weiteren Vorbringen vom , (implizit) die Zustellung ua. des Bescheides vom 05. Feber 2019 bestritten. Da die Abgabenbehörde den Nachweis der Zustellung nicht erbringen konnte, ist das gesetzliche Erfordernis der einer Festsetzung vorangehenden Androhung der Zwangsstrafe nicht erfüllt.

Der angefochtene Zwangsstrafenbescheid war daher vom Bundesfinanzgericht aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 111 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Nachweispflicht Behörde
Zustellung
Androhung
Zwangsstrafe
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100286.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at