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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2022, RV/7500281/2021

VStG: verspäteter Einspruch wegen Sprachbarrieren; "Nachschießen" von Wiedereinsetzungsgründen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500281/2021-RS1
Ein Vorbringen, dass Sprachbarrieren bei einem Bf vorliegen würden, der österreichischer Staatsbürger ist, in Österreich geboren wurde, seit 1981 durchgehend in Wien lebt, einen Pflichtschulabschuss hat und mit seinen Vertretern (Rechtsanwalt, Steuerberater) in deutscher Sprache kommunizieren kann, ist nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist selbst ein „Fremder“ (sohin kein Inländer) verpflichtet, sich mit dem Inhalt eines Bescheides vertraut zu machen, wenn er die ihm zugestellte Erledigung als Bescheid erkennt. Unterlässt er dies, so ist ihm ein den minderen Grad des Versehens übersteigender Sorgfaltsverstoß anzulasten. Dies trifft umso mehr auf den seit über 40 Jahren in Österreich lebenden Bf zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch HELLER TAXvisory GmbH Wirtschafts- prüfungs- und Steuerberatungs- gesellschaft, Landstraßer Hauptstraße 27, 1030 Wien, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Abgabenstrafen vom , Zahl: MA6/206000002559/2020, in Anwesenheit des Verteidigers und der Behördenvertreterin zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.

II. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Abgabenstrafen vom , Zahl: MA6/206000002559/2020, wurde der Beschwerdeführer (in Folge kurz: BF) ***Bf1*** für schuldig befunden, als Inhaber einer der im § 11 des Wiener Tourismusförderungsgesetzes genannten Unterkünfte die Steuererklärung über die von den Gästen für den entgeltlichen Aufenthalt in dieser Unterkunft in Wien eingehobene Ortstaxe für Oktober bis November 2019, fällig gewesen am und , bis zu diesen Tagen nicht eingebrachtund dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben.

Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 13 Abs. 1 und 16 des Wiener Tourismusförderungsgesetzes (WTFG) vom , LGBI. für Wien Nr. 13, in der Fassung des LGBl für Wien Nr. 7/2017.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über ihn folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von € 900,00, falls diese uneinbringlich sei, Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden, gemäß § 20 Abs. 2 WTFG.

Die Strafverfügung wurde am durch Hinterlegung zugestellt. Die Abholung der Strafverfügung durch den Beschuldigten erfolgte nachweislich am (persönlich übernommen; siehe Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments vom ).

Am wurde durch den Vertreter des Beschuldigten, der Heller Taxvisory GmbH, Einspruch erhoben. Darin heißt es auszugsweise: "….Gegen die Strafverfügung über die Nichtentrichtung der Ortstaxe für die Monate Oktober und November 2019 vom , zugestellt am ……erheben wir namens und auftrags unseres Mandanten innerhalb offener Frist das Rechtsmittel des Einspruchs gem. § 49 VStG". Im Weiteren wird begründend ausgeführt, dass der Beschuldigte nicht vorsätzlich gehandelt habe, da er nicht wusste, wann Ortstaxe abzuführen sei. Des weiteren seien die Bemessungsgrundlagen für die Ortstaxe zu hoch. Die neu errechneten Beträge wurden im Einspruch mitgeteilt.

Am erließ die belangte Behörde einen Verspätungsvorhalt, da das Rechtsmittel erst nach Ablauf der 2-wöchigen Einspruchsfrist eingebracht wurde.

In der Stellungnahme vom bringt der Beschuldigte vor, im Februar 2021 seinen steuerlichen Vertreter aufgesucht zu haben, da er nicht über die Verpflichtung zur erforderlichen Abgabe von Ortstaxenerklärungen informiert gewesen sei. Er spreche auch sehr schlecht Deutsch. Nun habe er aber alles getan, dass die Ortstaxe richtig bemessen werde.

Am erließ die belangte Behörde einen Zurückweisungsbescheid indem der Einspruch gemäß § 49 Abs 1 VStG als verspätet zurückgewiesen wird.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde des Beschuldigten vom wird wie folgt ausgeführt: Der Beschwerdeführer verfüge über keine Ausbildung bzw. Kenntnisse über die Ermittlung, Erhebung und Abfuhr von Abgaben. Er habe die Kanzlei seines Vertreters erst Anfang Februar 2021 aufgesucht, da er die in der Strafverfügung enthaltene Rechtsmittelbelehrung nicht korrekt verstanden hätte. Dem BF sei sein Recht auf Einspruch nicht bewusst gewesen. Seine Abgabenpflicht habe er nur aufgrund einer sprachlichen Barriere verletzt. Des Weiteren entfalle aufgrund der Coronapandemie derzeit ein Großteil seiner Airbnb Einnahmen, daher sei auch die Strafe von EUR 900,- überschießend. Aus Gründen des Minderheitenschutzes und der wirtschaftlichen Krisensituation ersuche er den Zurückweisungsweisungsbescheid entsprechend einer Nachsicht aufzuheben und erforderlichenfalls eine öffentliche mündliche Verhandlung anzusetzen.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

In der mündlichenVerhandlung am brachte der Verteidiger keine Zustellmängel vor und stellte außer Streit, dass der Einspruch verspätet eingebracht worden sei. Seinem Mandanten sei auch klar gewesen, dass es sich bei der Strafverfügung um ein behördliches Schriftstück handelte. Obwohl der Beschuldigte seit seiner Geburt in Österreich wohne, gebe es erhebliche Sprachbarrieren sowie Verständnisprobleme und kommuniziere der Beschuldigte fast ausschließlich auf Serbisch.

Nach Verkündung des Erkenntnisses stellte der Verteidiger den Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gem. § 29 Abs 2a Z 1 VwGVG.

Festgestellter Sachverhalt

Der Beschuldigte, geboren am xx.xx.1973 in Wien, ist österreichischer Staatsbürger. Er wohnt seit 1981 durchgehend in Wien. Er spricht vorwiegend serbisch und weist dadurch Sprachprobleme in Deutsch auf.

Die Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Abgabenstrafen vom , Zahl: MA6/206000002559/2020, wurde dem BF am durch Hinterlegung an der Postgeschäftstelle 1125 zugestellt und am persönlich behoben.

Der Einspruch gegen die Strafverfügung wurde am , sohin nach Ablauf der 2-wöchigen Einspruchsfrist, durch den Verteidiger eingebracht.

Nachdem im Verspätungsvorhalteverfahren keine Zustellmängel, sondern ausschließlich Sprachprobleme vorgebracht wurden, wurde der Einspruch von der belangten Behörde mit Bescheid vom als verspätet zurückgewiesen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt, einer durchgeführten Abfrage im Zentralen Melderegister, der durchgeführten mündlichen Verhandlung und ist unstrittig.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

§ 11 WTFG: Wer im Gebiet der Stadt Wien in einem Beherbergungsbetrieb oder in einer Privatunterkunft gegen Entgelt Aufenthalt nimmt (Beherbergung), hat die Ortstaxe zu entrichten. Minderjährige, die sich in Wien zum Schulbesuch oder zur Berufsausbildung oder in Jugendherbergen aufhalten, Studierende an Wiener Hoch- und Fachschulen und Personen, die in einer Privatunterkunft länger als drei Monate ununterbrochen Aufenthalt nehmen, sind von der Entrichtung der Ortstaxe befreit.

Gemäß § 20 Abs. 1 WTFG sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Abgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 21 000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

Gemäß § 20 Abs. 2 WTFG sind Übertretungen der §§ 13, 15, 16 und 19 als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 2 100 Euro zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit tritt an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen.

§ 49. (1) VStG Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.

§ 17 (3) Zustellgesetz: Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Da die Einspruchsfrist mit der rechtmäßigen Zustellung der Strafverfügung zu laufen beginnt, können im Verfahren betreffend Zurückweisung nur Einwendungen hinsichtlich einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung vorgebracht werden.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist.

Die Strafverfügung wurde mit Wirkung der Zustellung am postamtlich hinterlegt und ab erstmals zur Abholung bereitgehalten. In der Folge wurde die Strafverfügung lt. Übernahmebestätigung am persönlich durch den BF an der Postgeschäftsstelle 1125 übernommen.

Die gesetzliche zweiwöchige Frist gemäß § 49 Abs. 1 VStG zur Einbringung des Einspruches begann daher am und endete am Dienstag den .Der Einspruch gegen die Strafverfügung ist erst eingebracht und daher von der belangten Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden. Mit Ablauf des ist die Strafverfügung formell in Rechtskraft erwachsen.

Da die Strafverfügung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist beeinsprucht wurde, ist sie in Rechtskraft erwachsen und unabänderlich. Eine Entscheidung in der Sache selbst bzw. über die Strafhöhe ist daher nicht möglich.

Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist "Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die "Rechtmäßigkeit der Zurückweisung", die Versäumung der Einspruchsfrist (vgl. das Erkenntnis des , 0003).

Die Zurückweisung eines Einspruches ist eine Formalentscheidung, bei der auf ein inhaltliches (meritorisches) Vorbringen nicht einzugehen ist.

Der BF wurde im Verfahren vor der MA 6 die Gelegenheit eingeräumt, einen jeweils einen allfälligen Zustellmangel bekanntzugeben.

Ein Zustellmangel wurde jedoch vom BF nicht dargetan. Vielmehr wird vorgebracht, dass der BF aufgrund schlechter Deutschkenntnisse die Rechtsmittelbelehrung nicht verstanden habe.

Umstände die für die Versäumnis einer Rechtsmittelfrist, im Zusammenhalt mit der ordnungsgemäßen Zustellung durch Hinterlegung eines rechtsmittelfähigen Schriftstückes ins Treffen geführt werden, können allenfalls einen Wiedereinsetzungsgrund bilden. (z.B. ; ,2001/20/0425).

Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH sind allerdings die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar (; , Ro 2016/16/0013).

§ 33 VwGVG ("Wiedereinsetzung in den vorigen Stand") lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung 3 versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. ...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. ... Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen. ...

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann ().

Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn der Partei (oder ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft (; u.a.).

Nach der stRsp des VwGH stellt der Umstand, dass die Partei die deutsche Sprache überhaupt nicht oder nur mangelhaft beherrscht, keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dar (; , 2000/21/0097; , 2007/08/0097). Es genügt, dass dem Sprachunkundigen bewusst gewesen sein musste, rechtlich bedeutsame behördliche Schriftstücke erhalten zu haben (vgl ; , 98/18/0355; , 2003/21/0090). Besteht Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des behördlichen Schreibens, darf die Partei diese nicht auf sich beruhen lassen (; , 2003/21/0167). Erkennt eine sich auf mangelnde Sprachkenntnisse berufende Partei die ihr zugestellte behördliche Erledigung als Bescheid (behördliches Schriftstück), ist sie auch verpflichtet, sich - allenfalls unter Heranziehung eines Dolmetschers - mit dem Inhalt der Erledigung einschließlich der Rechtsmittelbelehrung vertraut zu machen (; , 95/18/0972; , 2003/21/0167). Vor allem der Rechtsmittelbelehrung () sowie dem Tag der Bescheidzustellung hat ein Fremder, der die deutsche Sprache nur ungenügend beherrscht, besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Weil aus der Rechtsmittelbelehrung die Zulässigkeit und die Art des zur Verfügung stehenden Rechtsmittels sowie die Einbringungsbehörde und die Dauer der Frist hervorgehen und weil das Zustelldatum besondere Bedeutung für die Einhaltung der Rechtsmittelfrist hat, trifft ihn diesbezüglich eine erhöhte Sorgfaltspflicht (). Hat es eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei verabsäumt, diesbezüglich entsprechende Erkundigungen einzuholen, trifft sie ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden (vgl ; , 95/18/0972).

Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen ().

Die Anwendung dieser Grundsätze und der zu § 71 Abs. 1 AVG ergangenen und - 5 insoweit auf § 33 Abs. 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF begründet zunächst seinen Einspruch lediglich mit mangelnder Kenntnisse im Bereich des Abgabenrechts, die zum Unterlassen der Meldungen geführt haben; weiters geht er auf die Bemessungsgrundlagen der Ortstaxe ein. Nur dieses Vorbringen ist als Prüfungsmaßstab für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand relevant. Die mangelnden Deutschkenntnisse werden hier nicht angeführt. Im Sinne der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur ist auf die darüberhinausgehenden bzw. sogar konträren Ausführungen in der Beschwerde, hier wird erstmals auf die schlechten Deutschkenntnisse eingegangen, nicht einzugehen, weil die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung nur in dem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wurde und das "Nachschießen" von Wiedereinsetzungsgründen nach dem Ablauf von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses nicht mehr möglich ist. Das erst in der Beschwerde erstattete ergänzende Vorbringen ist somit ebenfalls verspätet.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass aber auch die vom BF monierte Unkenntnis der deutschen Sprache ohne Hinzutritt besonderer, hier nicht behaupteter Umstände, im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur kein Grund für die Wiedereinsetzung darstellt. Die Strafverfügung wurde dem BF am zugestellt und erhielt sowohl den Spruch als auch eine richtige Rechtsmittelbelehrung. Aus dem Spruch und der Rechtsmittelbelehrung ergibt sich eindeutig der Bescheidcharakter des zugestellten Schriftstückes und die Bekämpfungsmöglichkeit mittels (fristgebundenes) Einspruches. Dem BF musste bewusst gewesen sein, dass er ein rechtlich bedeutsames Schriftstück erhalten hat. In der mündlichen Verhandlung am wurde dies auch eingestanden. Zu den vorgebrachten Sprachbarrieren erlaubt sich das Gericht festzuhalten, dass diese, bei einem in Österreich geborenen, seit 1981 durchgehend in Wien lebenden österreichischen Staatsbürger, zudem nur wenig Aussichten auf Erfolg haben können. Der BF verfügt - lt. Angaben seines Verteidigers - in Österreich über einen (positiven) Pflichtschulabschluss, der unzweifelhaft ein gewisses Mindestmaß an Kenntnissen der deutschen Sprache erfordert. Zudem ist der BF in der Lage - wenn auch nicht einwandfrei - sowohl mit seinem Anwalt als auch Steuerberater (beide Vertreter sprechen kein Serbisch und der BF keine andere (Fremd)sprache, wie zB Englisch), auf Deutsch zu kommunizieren. Der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. , ; , 95/18/0972; , 2003/21/0167), wonach behördliche Schriftstücken besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, liegen im Sachverhalt sogar "Fremde" (Anm.: sohin keine Inländer), die die Sprache nicht ausreichend beherrschen, zugrunde und kann der vorgebrachte (Wiedereinsetzungs)grund bei einem seit über 40 Jahren in Österreich lebenden BF schon deswegen kein Erfolg beschieden sein.

Der BF handelte somit auffallend sorglos, indem er die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht ließ, zumal auch aufgrund seiner, wenn auch nicht einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen (und der damit einhergehenden Rechtsmittelbelehrungen) davon auszugehen ist, dass ihm sowohl das Institut eines Rechtsmittels als auch die Folgen bei Unterlassung der Erhebung eines solchen bekannt waren. Der BF hätte die behauptete Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des Bescheides somit nicht einfach auf sich beruhen lassen dürfen. Der BF hat nicht vorgebracht rechtzeitig Schritte unternommen zu haben, um seine Rechte zu wahren oder sich ihm dabei unvorhergesehene oder unabwendbare Hindernisse entgegengestellt hätten. Der BF hat somit auch keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund vorgebracht.

Da den BF ein über einen bloß minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der verspäteten Einbringung des Einspruches trifft und daher auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben waren, entspricht die Zurückweisung des Einspruches mit dem angefochtenen Bescheid dem Gesetz.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frist für den Einspruch gegen eine Strafverfügung und die daran geknüpften Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus der gesetzlichen Bestimmung des § 49 VStG. Die höchstgerichtlichen Entscheidungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden umfassend dargestellt und weicht das Erkenntnis davon nicht ab. Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich daher nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 49 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 49 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 33 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500281.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at