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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2022, RV/6100294/2020

Keine außergewöhnliche Belastung für Mehrkosten der OP in einem Privatkrankenhaus mangels Nachweises triftiger medizinischer Gründe.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:

I)
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und der Spruch in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom bestätigt. Die Einkommensteuer 2017 wird mit EUR -259,00 festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen sind dieser Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen.

II)
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der bekämpfte Bescheid erging auf Basis der Einkommensteuererklärung 2017 vom . Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt (kurz FA) den Beschwerdeführer (kurz Bf.) auf, die Belege und eine Kostenaufstellung zu den Sonderausgaben und als außergewöhnliche Belastung in Anspruch genommenen Krankheitskosten, Kurkosten oder sonstigen Kosten (Datum, Bezeichnung, Betrag) vorzulegen und bekannt zu geben, ob die Krankenkasse oder eine private Versicherung ganz oder teilweise Kosten ersetzt hat. Bei einem Krankenhaus- oder Kuraufenthalt seien EUR 5,23 pro Tag als Haushaltsersparnis abzuziehen. Förderungen oder Zuschüsse seien anzugeben.

Am reichte der Bf. via FinanzOnline eine Zahlungsaufstellung sowie vier Belege nach. Daraus ergab sich neben anderen Arztrechnungen eine Position "***X*** Privat Klinik" mit EUR 10.050,18. Eine Aufgliederung und Erläuterungen zu diesem Betrag fanden sich dabei nicht.

Das FA erließ daraufhin den mit datierten Einkommensteuerbescheid 2017 und brachte die Zahlungen für außergewöhnliche Belastung mit EUR 1.332,60 (unter Abzug des mit insgesamt EUR 3.025,78 errechneten Selbstbehaltes) in Ansatz. Die geltend gemachten Aufwendungen seien nur insoweit berücksichtigt worden, als nachvollziehbare Beweise vorlagen.

Das bekämpfte der Bf. mit Beschwerde vom und führte aus, bei der Belegvorlage via FinanzOnline Anfang Jänner habe er nicht mehr als fünf Dateien anhängen können. Er ersuche, die entsprechenden beiliegenden Unterlagen zu berücksichtigen. Als Anhang findet sich nun erstmals auch die Rechnung der ***X*** Privat Klinik über EUR 10.050,18 sowie eine Brillenrechnung über EUR 800,00.

Mit erließ das FA diesbezüglich in der Folge ein weiteres Ergänzungsersuchen und wies darauf hin, dass nach der ständigen Judikatur des VwGH Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 sein können, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden. Diese triftigen medizinischen Gründe müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.
Der Bf. wurde ersucht, eine ärztliche Bestätigung über die triftigen medizinischen Gründe vorzulegen und bekannt zu geben, aus welchem Grund die Behandlungskosten der ***X*** Privat Klinik nicht von der Sozialversicherung übernommen wurden. Diesbezüglich wurde eine Stellungnahme der Sozialversicherung angefordert.

Der Bf. reichte daraufhin mit je ein Schreiben des Facharztes für Neurochirurgie ***Facharzt*** vom sowie der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen & Bergbau vom ein.

  • Die Sozialversicherung bezog sich auf einen Kostenerstattungsantrag vom und führte aus, sie beziehe sich auf die dazu vorgelegten Unterlagen und teile mit, dass im gegenständlichen Fall keine Kassenleistung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen vorliege. Für die übermittelte/n Rechnung/en sei daher keine Kostenerstattung möglich.

  • Der Facharzt führte aus, der Bf. stehe bei ihm in Behandlung. Er sei am vorstellig geworden und habe kontinuierliche unterschiedlich stark ausgeprägte Kreuzschmerzen beklagt (bildgebend diagnostisch nachgewiesene Anterolisthese in Höhe L5, der Bandscheibenraum L4/L5 etwas zusammengesintert, Abstützungsreaktionen im Bandscheibenraum L5/S1). Sämtliche konservativ therapeutischen Maßnahmen hätten zu keiner Linderung des Beschwerdebildes geführt. Daher sei am eine minimal invasive Spondylodese L4-S1 durchgeführt worden. Bei der Kontrolluntersuchung am sei der Patient sehr zufrieden gewesen und habe lediglich noch leichte Beschwerden bei gewissen Belastungsmomenten beklagt, welche als absolut tolerabel einzustufen seien. Auf Grund dieses Eingriffes habe eine frühzeitige Reintegration ins Berufsleben erzielt werden können.

Das FA erließ nun eine mit datierte Beschwerdevorentscheidung, brachte zusätzliche Zahlungen von EUR 800,00 als außergewöhnliche Belastung in Ansatz (die sich allerdings aufgrund des die anerkannten Zahlungen übersteigenden Selbstbehaltes nicht auswirkten), verwies auf die vorgelegten Unterlagen (Bestätigung ***Facharzt*** vom und der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau vom ) und verweigerte weiterhin den Abzug der Zahlungen für die Privatklinik von EUR 10.050,18.

[...]

Kosten, die über die Kosten einer Behandlung in einem Krankenhaus mit Kassenvertrag hinausgehen, seien im Regelfall nicht absetzbar. Nur bei eindeutiger medizinischer Indizierung, die eine Behandlung in dieser Privatklinik notwendig macht, sei eine Absetzung in Ausnahmefällen möglich. Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, sei nur dann gegeben, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen. Die triftigen medizinischen Gründe müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.

Darauf reagierte der Bf. mit Einspruch/Beschwerde vom , der/die vom FA als Vorlageantrag gewertet wurde.

Er führte nun erstmals aus, seit 2012 seien regelmäßige Behandlungen bei Ärzten mit Kassenvertrag bzw. stationäre Aufenthalte in einem Krankenhaus mit Kassenvertrag durchgeführt worden. Diese Behandlungen hätten alle zu keinem Erfolg geführt und nur kurzfristige Linderung der Schmerzen geschafft. 2017 seien die Schmerzen akut und unerträglich gewesen. Die Standard-Behandlung durch ein Krankenhaus mit Kassenvertrag habe keine Wirkung gezeigt, daher habe er sich für eine Operation entschlossen. Im Krankenhaus mit Kassenvertrag hätte er erst in einem halben Jahr einen Termin bekommen. Aus diesem Grund habe er eine andere Klinik gewählt.

Er verwies auf ein Schreiben im Anhang, wonach der Eingriff medizinisch notwendig gewesen sei. Falls das nicht reiche, könne er gerne ein medizinisches Gutachten nachreichen.

Im Anhang fand sich ein mit datiertes Schreiben des ***Facharzt***, in dem dieser die Ausführungen vom Schreiben vom wiederholte und zusätzlich ausführte, dass die Reintegration des Patienten ins Berufsleben nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn er diese chirurgische Sanierung nicht erhalten hätte. Die Indikation für den Eingriff sei absolut gegeben und dringend notwendig gewesen. Eine Frühpensionierung oder Arbeitsunfähigkeit wäre weder im Sinne des Patienten noch der Allgemeinheit gewesen. Zur Intensität der Schmerzen und Dringlichkeit der Operation machte er keine Angaben.

Am (Frist ) forderte das FA via FinanzOnline das vom Bf. angebotene ärztliche Gutachten an, in welchem die triftigen medizinischen Gründe für die Behandlung in der (Privat)Klinik dargelegt werden sollten. Darauf reagierte der Bf. mit einem mit datierten Anbringen und ersuchte um Fristverlängerung, ohne ein genaues Datum zu nennen.
Mit Schriftsatz vom wiederholte das FA die Aufforderung und setzte eine Nachfrist bis . Es wies darauf hin, dass die Beschwerde vom gegen die Beschwerdevorentscheidung vom nach Ablauf der Frist zur Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werde.

Darauf reagierte der Bf. bis dato nicht mehr.

Das FA legte die Beschwerde mit an das Bundesfinanzgericht vor. Es beantragte die Abweisung der Beschwerde und begründete dies damit, es sei lediglich eine Bestätigung des behandelnden und die OP durchführenden Arztes vorgelegt worden, aus welcher die notwendigen medizinischen Gründe für die Behandlung in einem Privatspital bzw. auf der Sonderklasse nicht hervorgehen. Es stehe weiter offen, warum die Operation in einer Privatklinik notwendig wurde. Die Operation wäre in einem öffentlichen Krankenhaus ebenfalls durchführbar gewesen. Es bleibe nach wie vor offen, warum keine OP in einem öffentlichen Krankenhaus angestrebt worden sei, ob überhaupt ein öffentliches Krankenhaus in Erwägung gezogen worden sei und ob medizinische Gründe vorlagen, die gegen eine Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus sprechen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig ist hier allein, ob die Kosten für eine Behandlung in einem Privatspital als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind (EUR 10.050,18).

Der Bf. selbst gab an, er sei schon seit 2012 regelmäßig durch Kassenärzte und in Kassenspitälern behandelt worden, die alle nur eine kurzfristige Linderung seiner Schmerzen gebracht hätten. Erst im Vorlageantrag ergänzte er, Anfang 2017 seien die Schmerzen akut und unerträglich geworden.

Aus der Bestätigung des behandelnden privaten Facharztes für Neurochirurgie vom geht nur hervor, dass der Bf. am (offenbar erstmals) bei ihm vorstellig geworden sei und kontinuierliche unterschiedlich stark ausgeprägte Kreuzschmerzen beklagt habe. Es sei eine Anterolisthese in Höhe L5 bildgebend diagnostisch nachgewiesen gewesen. Der Bandscheibenraum L4/L5 sei etwas zusammengesintert gewesen und Abstützungsreaktionen im Bandscheibenraum L5/S1 seien gegeben gewesen. Am sei eine minimal invasive Spondylodeses L4-S1 durchgeführt worden und bei der Kontrolluntersuchung am habe der Bf. nur noch leichte, absolut tolerable Beschwerden bei gewissen Belastungsmomenten beklagt.

Der Facharzt bestätigte weder akute oder gar unerträgliche Schmerzen noch die Notwendigkeit einer sofortigen Operation.

Eine Anterolisthese ist das Gleiten von Wirbeln nach vorn (befunddolmetscher.de). Eine Spondylodese (Wirbelkörperverblockung) ist eine Operation zur Versteifung von zwei oder mehr Wirbelkörpern an der Hals-, Brust- und/oder Lendenwirbelsäule, um eine volle Belastbarkeit der Wirbelsäule zu erlauben, wenn konservative Behandlungen zu keiner Besserung führten oder ausgeschlossen werden konnten (de.wikipedia.org). Die Rechnung der Privatklinik stammt vom . Sie setzt sich wie folgt zusammen:

[...]

Über Aufforderung des FA bekannt zu geben, aus welchem Grund die Behandlungskosten von der Sozialversicherung nicht (teilweise) übernommen wurden, und eine Stellungnahme der Sozialversicherung vorzulegen, brachte der Bf. nur ein Schreiben der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen & Bergbau vom bei. In dem bezog sich diese Anstalt auf einen Kostenerstattungsantrag vom und "auf die zur Kostenerstattung vorgelegten Unterlagen" und teilte dem Bf. mit, dass "im gegenständlichen Fall keine Kassenleistung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen" vorliege. Eine Kostenerstattung sei nicht möglich. Nähere Auskünfte der Sozialversicherung oder eine Aufklärung, warum die Kostenübernahme verweigert worden sei, brachte der Bf. trotz Aufforderung nicht bei.

Auch ein ärztliches Gutachten, aus dem die triftigen medizinischen Gründe für die Behandlung im Privatspital hervorgehen, wurde vom Bf. - entgegen seinem Angebot - trotz zweimaliger Aufforderung nicht beigebracht.

2. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Eine in der Begründung einer Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung des Finanzamtes wirkt wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etc.).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann, wenn der Abgabepflichtige Unübliches oder Außergewöhnliches behauptet oder wenn der Abgabepflichtige Begünstigungen oder Befreiungen in Anspruch nehmen möchte.
In Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht liegt es am Abgabepflichtigen, alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat beispielsweise zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

Schon bisher wies Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (vgl. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur er aufklären kann, oder wenn seine Behauptungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (; , 95/15/0049; , 2004/16/0061). Dies trifft auch dann zu, wenn typische Aufwendungen der privaten Lebensführung steuerlich verwertet werden sollen. Im Hinblick auf seine eigene Nähe zum Beweisthema hat hier der Beschwerdeführer von sich aus nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass sie - entgegen allgemeinen Lebenserfahrung - die steuerliche zu berücksichtigende Sphäre betreffen (vgl. etwa ).

3. Rechtsgrundlagen, Rechtliche Würdigung

3.1. Allgemein

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

3.2. Behandlung in Privatkrankenhaus

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2). Sie erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3). Alle diese Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein.

Tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in einer Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (; , 2012/15/0136; , 2007/13/0051).

Fuchs führt dazu in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG20, § 34 Tz 38/2 sowie Tz 78 aus, nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führe zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen insofern zwangsläufig erwachsen, als es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (Hinweis auf ). Eine Angemessenheitsprüfung dieser Kosten findet grundsätzlich nicht statt, wenn triftige medizinische Gründe vorliegen, die in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen. Solche Gründe lassen auch höhere Aufwendungen als die von Sozialversicherungsträgern finanzierten als zwangsläufig erscheinen (vgl. etwa zur Unterbringung eines Pflegebedürftigen im Einzelzimmer eines Spitals).

Grundsätzlich anzuerkennen sind nach diesem Kommentator Arzt- und Krankenhaushonorare, der sich dabei auf das Recht zur freien Arztwahl beruft. Auch er schränkt allerdings ein, dass Kosten für die Sonderklasse eines Krankenhauses nur bei triftigen medizinischen bzw. pflegerischen Gründen abziehbar sind.

Die Zwangsläufigkeit des Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Bei Kosten, die lediglich der Förderung des individuellen Wohlbefindens der Steuerpflichtigen dienen oder die aus bloßen Wünschen, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen resultieren, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Zwangsläufigkeit zu verneinen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (Hinweis auf ; , 2001/15/0116). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind ().

Triftige medizinische Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (). Die Beweislast hierfür trägt der Steuerpflichtige (vgl. ; und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG, ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 35). Nach der ständigen Rechtsprechung des zuständigen Verwaltungsgerichtes stellt eine kürzere Wartezeit auf einen Operationstermin für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital dar (vgl. etwa ; , RV/2100162/2018; , RV/2100934/2015; in diesem Sinne auch: ).

Im vorliegenden Fall wurde eine Spondylodese durchgeführt, nachdem der Bf. nach eigenen Angaben schon seit 2012 regelmäßig in ambulanter und stationärer Behandlung gewesen war, die alle nur kurzfristige Linderung seiner Schmerzen brachte. Zur Operation entschloss sich der Bf. eigenen Angaben zufolge, weil die Standardbehandlung durch ein Krankenhaus mit Kassenvertrag im Jahre 2017 keine Wirkung gezeigt hatte. Als Grund für die Wahl der Privatklinik gab der Bf. vorerst nur an, im Krankenhaus mit Kassenvertrag hätte er erst ein halbes Jahr später einen Termin bekommen. Nachweise über sein Bemühen, einen OP-Termin zu bekommen, oder über eine besondere Dringlichkeit legte er nicht vor.

Der Bf. selbst sprach zwar erstmals im Vorlageantrag von akuten und unerträglichen Schmerzen, das findet aber im "Bericht" des behandelnden Arztes keine klare Deckung. Der spricht nur von "kontinuierlichen unterschiedlich stark ausgeprägten" Schmerzen.

Der Hinweis des Bf. im Krankenhaus mit Kassenvertrag hätte er erst ein halbes Jahr später einen Termin bekommen, beweist nach Überzeugung des Bundesfinanzgerichts, dass derartige Operationen auch in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt werden und die Kosten dafür grundsätzlich von der Krankenkasse übernommen werden. Einen Nachweis dafür, dass eine Operation in einem öffentlichen Krankenhaus unmöglich gewesen wäre oder mit sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre, erbrachte die Bf. nicht. Er wies auch nicht nach, dass er sich um einen konkreten Operationstermin in einem öffentlichen Krankenhaus gekümmert hätte. Unaufgeklärt blieb - trotz diesbezüglicher Aufforderung durch das FA mit Schreiben vom - auch, warum die Sozialversicherung die Behandlungskosten nicht übernommen hat.

Damit war die strittige Zahlung nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig. Es wäre am Bf. gewesen, die Notwendigkeit und damit Zwangsläufigkeit des Eingriffes in der Privatklinik nachzuweisen, was trotz mehrmaliger Aufforderung durch das FA unterblieb. Da die Ermittlungsmöglichkeiten der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichts dabei auch aufgrund diverser berufsrechtlicher Verschwiegenheitsverpflichtungen stark eingeschränkt sind, fällt das Fehlen dieser Nachweise in die Sphäre des Bf., der die daraus resultierenden Nachteile zu tragen hat.

3.3. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Triftige medizinische Gründe können zwar auch höhere Aufwendungen des Steuerpflichtigen als die von den Sozialversicherungsträgern finanzierten zwangsläufig erscheinen, ob solche triftigen Gründe vorliegen oder nicht, ist aber eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der VwGH als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht berufen ist (vgl. ). Zur erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen im Rahmen der Beweiswürdigung darf auf Punkt II/2 dieses Erkenntnisses verwiesen werden.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100294.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at