Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.12.2021, RV/7100716/2021

dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des damaligen Finanzamtes 1 (nunmehr Finanzamtes Österreich ) vom betreffend den Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Jänner 2020 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) beantragte mit den am beim Finanzamt 1 (kurz: FA) eingebrachten Familienbeihilfeanträgen (Beih 100-PDF und Beih 3-PDF) für sich die Zuerkennung der Familienbeihilfe sowie die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe, "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragsstellung", mit der Begründung "Behinderung" (Beih-100-PDF) sowie "Intelligenzminderung, depressive Störung" (Beih 3-PDF).

Mit Bescheid vom wies das FA die eingebrachten Familienbeihilfeanträge vom , gestützt auf das für den Bf erhobene Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom , unter Hinweis auf § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für den Zeitraum ab Jänner 2020 mit folgender Begründung ab:
"Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde ein Grad der Behinderung mit 50% rückwirkend ab und 60% rückwirkend ab festgestellt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres wurde jedoch nicht bescheinigt.
Ihr Antrag musste dahingehend abgewiesen werden."

Mit dem am beim FA eingegangenem Schreiben vom brachte der Bf Beschwerde ein, beantragte darin eine neuerliche Untersuchung seiner Unterhaltsfähigkeit durch das Sozialministeriumservice und führte begründend Folgendes aus:

Das Gutachten vom sei unvollständig und nicht schlüssig. Der Bf habe die allgemeine Sonderschule O besucht und die erworbenen Fähigkeiten in Lesen und Rechnen seien sehr mangelhaft. Diese Umstände seien im Sachverständigengutachten nicht berücksichtigt worden. Ohne Unterstützung der Eltern wäre die Bewältigung des Alltags durch den Bf nicht möglich gewesen. Der Bf habe keine Lehrausbildung machen können, da seit einer Meningitis im zweiten Lebensjahr eine mittelgradige Debilitas vorliege und die Konzentration deutlich herabgesetzt sei. Im Sachverständigengutachten werde ausgeführt, dass die Stellungskommission den Bf für untauglich befunden habe. Das ärztliche Gutachten sei nun von der Evidenzabteilung des Militärkommandos NÖ angefordert worden. Es werde bei einer neuerlichen fachärztlichen Untersuchung vorgelegt werden. Der Bf sei bis zum heutigen Zeitpunkt nicht in der Lage sich selbst seinen Unterhalt zu verschaffen und werde voraussichtlich dauernd außerstande sein dies zu tun. Als Nachweis über das Vorliegen der Selbsterhaltungsunfähigkeit des Bf werde der Behörde die Bescheinigung der Stellungskommission vorgelegt, sobald diese verfügbar sei.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und begründete dies, gestützt auf das (auf Antrag des Bf) erhobenen BSB Gutachten vom , unter Hinweis auf § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 wie folgt:
"Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde bei Ihnen ein Grad der Behinderung mit 50% rückwirkend ab und 60% rückwirkend ab festgestellt, eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres wurde jedoch nicht bescheinigt."

Mit beim FA am eingegangenen Schriftsatz stellte der Bf einen Vorlageantrag, beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Erstellung eines unabhängigen Sachverständigengutachtes und führte ergänzend aus:

Im Zeitpunkt der Einbringung des Vorlageantrages sei das aktuelle Gutachten beim Bf noch nicht eingetroffen.Das Gutachten vom , auf das sich die Beschwerdevorentscheidung stütze, sei unvollständig und nicht schlüssig. Seit der Kindheit liege beim Bf eine manifeste Problematik im Arbeitsleben und bei der Alltagsbewältigung vor. Bei seinen Erwerbstätigkeiten habe es sich um geförderte Dienstverhältnisse für Personen mit Beeinträchtigungen gehandelt. Eine langfristige Beschäftigung sei trotz Förderung nicht möglich gewesen und der Bf verweise hier auf die beigelegten Dienstgeberbestätigungen und die "Eingliederungsbeihilfe AMS". Es gebe deutliche Problem bei der Alltagsbewältigung. Es sei immer eine Hilfe durch externe Betreuer notwendig gewesen. Seitdem die Eltern des Bf verstorben seien, sei eine intensive Unterstützung durch die Wohnassistenz der Caritas notwendig. Es werde eine Erwachsenenvertretung angestrebt. Ein Antrag für Pflegegeld und Sozialhilfe werde mit Unterstützung der Wohnassistenz gestellt werden.

Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Vorhalt vom wurden dem Bf neben dem Sachverständigengutachten vom auch die Teilgutachten Psychiatrie und Psychologie vom sowie die Gesamtbeurteilung vom übermittelt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Für den vorliegenden Fall seien insbesondere solche Beweismittel (auch Aufzeichnungen) relevant, die belegen könnten, dass beim Bf aufgrund von körperlichen/geistigen Behinderungen eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sei. Falls der Bf über solche Beweismittel/Unterlagen/Aufzeichnungen verfüge, seien diese vorzulegen.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Im Juni 2021 nahm das Bundesfinanzgericht Ermittlungen bei den ehemaligen Arbeitgebern des Bf vor und erhielt von diesen Unterlagen.

Mit Vorhalt vom wurde dem FA neben den Sachverständigengutachten der Wehruntauglichkeitsbeschluss, die Bestätigung des ehemaligen Arbeitgebers AG1, die Arbeitsbestätigung der Fa AG2 GmbH, Aktenvermerke vom samt Anhang und ein Sozialversicherungsauszug übermittelt und das FA ersucht die angeführten Unterlagen an das Sozialministeriumservice zur Erstellung eines Ergänzungsgutachtens weiterzuleiten. Nach Rechtsausführungen wurde darauf hingewiesen, dass die Beschäftigungsverhältnisse des Bf bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres ausnahmslos geschützte und staatlich bezuschusste Arbeitsverhältnisse gewesen seien. Ebenso sei das nach Vollendung des 21. Lebensjahres bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eingegangene Beschäftigungsverhältnis des Bf als Hilfsarbeiter bei der Tischlerei AG2 GmbH ein geschütztes Arbeitsverhältnis gewesen und habe die Fa AG2 GmbH für die Beschäftigung des Bf staatliche Lohnkostenzuschüsse erhalten.
Dem FA wurde zugleich die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu dem Ergänzungsgutachten eingeräumt.

Am legte das FA das Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom / dem Bundesfinanzgericht vor.

Mit Vorhalt vom räumte das Bundesfinanzgericht dem Bf nach Rechtsausführungen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesem letzten Sachverständigengutachten in Zusammenschau mit den Vorgutachten ein.

Dieser Vorhalt blieb ebenfalls unbeantwortet.

Am übermittelte der Bf die Zurückziehung des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Dazu wird erwogen:

1. gesetzliche Grundlage

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 6 Abs 1 FLAG 1967 auch minderjährige Vollwaisen, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Volljährige Vollwaisen haben gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben gemäß § 6 Abs 5 FLAG 1967 unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Die Familienbeihilfe erhöht sich nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Anlage zur Einschätzverordnung- 03 Psychische Störungen -03.01 Kognitive Leistungseinschränkungen:
Die Beurteilung der kognitiven Leistungsbreite erfolgt unabhängig der Ursachen (angeborene, posttraumatische, genetische, entzündliche oder toxisch bedingte Leistungsminderung) abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen.
Auf kognitive Funktionsbehinderungen zurückgeführte Sprach- und Artikulationsstörungen bis hin zur Apathie sind zu berücksichtigen.

2. Sachverhalt

Der Bf kam am 75 zur Welt, vollendete am 93 das 18. Lebensjahr, am 96 das 21. Lebensjahr und am 00 das 25. Lebensjahr. Er ist ledig.

Im ersten bzw. zweiten Lebensjahr erlitt der Bf eine Meningitis.

Nach dem Volksschulbesuch absolvierte er die Allgemeine Sonderschule (ASO) in O.

Zur Ableistung des Wehrdienstes wurde der Bf im Stellungsuntersuchungsergebnis vom wegen Intelligenzmangel - Grenzfall, Hypotonie und Polyphagie für untauglich befunden.

1998 erwirbt der Bf den Führerschein Klasse B, ebenso wird der Traktorführerschein erworben.

Der berufliche Werdegang des Bf stellt sich laut Sozialversicherungsauszug mit Stand , und einer Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes, Str Nr 23 104/7408, wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
von
bis
Dauer
J= Jahr(e)
M= Monat(e)
Art der Monate/ meldende Stelle
Steuerpflichtige Bezüge
ab 1994
Anmerkungen des erkennenden Gerichts
2 M
Selbst. Land(Forst)wirt als Angehöriger
Anstellung des Bf im elterlich geführten Landwirtschaftsbetrieb.
1 M
Arbeiter: Stadtgemeinde O
9 M
Selbst. Land(Forst)wirt als Angehöriger
Anstellung des Bf im elterlich geführten Landwirtschaftsbetrieb.
1 J u 7,5 M
Angestellter:
Verein
-
1.154,92 Euro
Projekt über AMS Landschaftspflege;
Der Bf vollendet während dieses Beschäftigungsverhältnisses bzw. Ausbildung am 93 sein 18. LJ.
ca 1 M
Arbeitslosengeldbezug
ca. 8,5 M
Hilfsarbeiter im Sägewerk
AG1
6.852,32 Euro
Der Arbeitgeber bestätigt mit Schreiben , dass es sich hiebei um ein durch Minderertragsbeihilfe gestütztes Dienstverhältnis gehandelt hat.
4 M
Arbeitslosengeldbezug
8 M
Hilfsarbeiter im Sägewerk AG1, Vollzeit
6.547,75 Euro
Der Arbeitgeber bestätigt mit Schreiben , dass es sich hiebei um ein durch Minderertragsbeihilfe gestütztes Dienstverhältnis gehandelt hat.
5 M
Arbeitslosengeldbezug
Am 96 vollendet der Bf sein 21. LJ.
Krankengeldbezug
6 J u 1 M
Tischlereihilfsarbeiter bei der Fa. AG2 GmbH, Vollzeit
- 5.599,22 Euro
-
10.073,76 Euro
-
10.243,74 Euro
-
10.449,12 Euro
-
10.664,59 Euro
-
10.882,25 Euro
-
5.941,35 Euro
Mit Schreiben bestätigt die Fa. AG2 GmbH (Tischlerei), dass der Bf im genannten Zeitraum als Hilfsarbeiter tätig war und es sich hierbei, aufgrund der Einstufung des Bf als begünstigt behinderte Person, um einen geschützten Arbeitsplatz gehandelt hat
Am 00 vollendet der Bf sein 25. Lebensjahr:
16 J u 7 M
Selbst. Land(Forst)wirt Betriebsführer
Der Bf übernimmt am den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern und führt diesen mit Hilfe der Eltern bis die Eltern dies im Jahr 2017 nicht mehr schafften.
4 M
Geringfügig beschäftigter Arbeiter bei AG3
928,00 Euro
1 J u 9 M
Vorläufige Schwerarbeit
Meldende Stelle:
Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen Landwirte
ca 4,5 M
Arbeitslosengeldbezug
ca 0,5 M
Krankengeldbezug
Arbeitslosengeldbezug
Krankengeldbezug
ca 2 M
Arbeitslosengeldbezug
1 J u 6 M
Angestellter:
Caritas der Diözese A
-
3.163,99 Euro
-
12.531,62 Euro
01.19-
3.216,60 Euro
Diese Anstellung wird durch das AMS anhand Eingliederungsbeihilfe gemäß § 34 Arbeitsmarktservicegesetz geförderte

Seit April 2019 ist der Bf beim Arbeitsmarktservice gemeldet.

Laut einem eMail vom erhielt der Verein 100% der Lohnkosten für den Bf. Durch das Sozial- und Beschäftigungsprojekt sollte eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Situation von schwervermittelbaren Personen erreicht werden. Projektziel war die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Menschen, die am freien Arbeitsmarkt keine oder nur geringe Chancen hatten.

AG1 bestätigte im Schriftsatz vom , dass das mit dem Bf abgeschlossene Dienstverhältnis durch Minderertragsbeihilfe gestützt wurde.

Dem an den Bf gerichteten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft O vom ist zu entnehmen, dass die Fa AG2 GmbH für die Dauer des Dienstverhältnisses einen monatlichen Kostenzuschuss zu den Lohnkosten erhält, um die Minderung der Arbeitsleistung auszugleichen. Laut des an die Fa AG2 GmbH adressierten Schriftsatzes der Bezirkshauptmannschaft O vom betreffend den Bf wird ua festgehalten, dass das Land B sich verpflichtet dem Arbeitgeber zum Ausgleich der verminderten Arbeitsproduktivität ab eine monatliche Geldbeihilfe von S 3.268,10 zu bezahlen. Im Schriftsatz des Arbeitsmarktservices O vom wird ausgeführt, dass die Fa AG2 als Beihilfe für den Zeitraum bis einen Zuschuss in der Höhe von 30% der fiktiven Lohnkosten auf der Basis eines Monatsbruttolohnes (ohne Sonderzahlung) von S 14.525,00 für 40 Stunden pro Woche Arbeitsverpflichtung als Hilfsarbeiter im Tischlereibereich, höchstens jedoch S 42.486,00, sofern die eingegangenen Auflagen und Verpflichtungen erfüllt werden, erhält.

Im gegenständlichen Verfahren ist der Bf im eigenen Namen aufgetreten und ist ihm bisher kein Sachwalter/Erwachsenenvertreter bestellt worden. Die Eltern des Bf sind (mittlerweile) beide verstorben, der Vater verstarb im April 2020, die Mutter im Herbst 2020. Der Bf lebt am elterlichen Hof.

Dem Bundesfinanzgericht liegen folgende ärztliche Sachverständigengutachten vor: ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom erstellt von Frau Dr. Arzt, einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, (hier: Erstgutachten) sowie - infolge der gegenständlichen Bescheidbeschwerde - eine Gesamtbeurteilung nach der Einschätzverordnung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom erstellt von Frau Dr. Arzt1, der ein psychiatrisches Teilgutachten von Frau Dr. Arzt1 - sowie ein psychologisches Teilgutachten von Frau Dr. Arzt2 (beide Teilgutachten erstellt am ) zu Grunde liegt. Das letzte dem Bundesfinanzgericht zur Verfügung stehende Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen stammt vom / und wurde wiederum von Frau Dr. Arzt erstellt (hier: Letztgutachten).

Das Erstgutachten, die Teilgutachten und das Letztgutachten wurde jeweils anlässlich einer Untersuchung des Bf erstellt. Im Erstgutachten, in den Teilgutachten und im Letztgutachten wird jeweils festgehalten, dass eine Begleitperson nicht erforderlich ist. In der Anamnese des Erstgutachtens wird aufgelistet: im 1. LJ Meningitis, 2016 Wurzelblockade LWS bei Schmerzen linke UE, Vor 5 Jahren Meniskusoperation links, 2014 Psych Rehab R, es sei ihm psychisch nicht so gut gegangen (lt Arztbrief Dg.: Belastungsstörung mit Angst und Depression gemischt, geringgradige intellektuelle Minderbegabung), - Psych Rehab R1, danach Behandlung beim Psychiater. Unter der Sozialanamnese wird der Besuch einer allgemeinen Sonderschule angeführt; ebenso ist die Angabe enthalten, dass der Bf mit der Mutter am elterlichen Hof lebt und über den B-Führerschein verfügt. Unter den relevanten Befunden werden im Erstgutachten das Schreiben des Hauses der Zuversicht vom : Alter 12,1….IQ 64 ….Intelligenzalter 7,9 …. In der HS sicher überfordert …. und das Jahreszeugnis ASO O SJ 1990/91: Deutsch Mathe 4, ansonsten Noten 1-3 aufgelistet.
Im Rahmen der (Sozial)Anamnese wurde nicht nur im Erstgutachten, sondern auch in den Teilgutachten und im Letztgutachten jeweils die im Kleinkindalter erlittene Meningitis angesprochen. Die privaten Lebensumstände wurden ab den Teilgutachten (wegen des Todes der Mutter) mit alleinlebend (Wohnassistenz durch Caritas) beschrieben. Der Besitz des B-Führerscheins war im Erstgutachten, der Gesamtbeurteilung vom und im Letztgutachten ebenfalls Thema.
Im psychologischen Teilgutachten wird als relevanter Befund ua das Erstgutachten angeführt. Im Rahmen der Erstellung des psychologischen Teilgutachten vom erfolgte des Weiteren eine Überprüfung der intellektuellen Leistungen durch entsprechende Tests und es wird ausdrücklich festgehalten, dass keine ausreichende Lesefähigkeit gegeben ist.
Die Berufstätigkeit als Hilfsarbeiter in einem Sägewerk und einer Tischlerei fand ausdrücklich Eingang in das Erstgutachten, die Gesamtbeurteilung vom und das Letztgutachten.
Die fehlende Eignung zum Wehrdienst wird ebenfalls im Erstgutachten, den Teilgutachten und im Letztgutachten angesprochen. Im psychiatrischen Sachverständigengutachten vom ausdrücklich festgehalten, dass kein Dokument dazu vorhanden ist. Im Letztgutachten wird unter den relevanten Befunden sodann auch das Stellungsuntersuchungsergebnis aufgelistet.
Im Letztgutachten werden unter der Anamnese ausdrücklich das Erstgutachten und die Gesamtbeurteilung vom genannt. Unter der Sozialanamnese wird ausdrücklich festgehalten, dass kein Erwachsenenvertreter bestellt ist.

Als Ergebnis sämtlicher durchgeführten Begutachtungen wurde der Gesamtgrad der Behinderung im Wesentlichen gleichbleibend (Pos.Nr, Gdb %) wie folgt festgestellt (Text des Letztgutachtens):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern; Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Kognitive Leistungseinschränkung, Intelligenzminderung
Unterer Rahmensatz, da Alltagsbewältigung selbstständig
50
2
rezidivierende depressive Störung
3 Stufen über unterem Rahmensatz, da immer wieder instabile Phasen, Notwendigkeit einer antidepressiven Kombinationstherapie
40
3
Schmerzsyndrom, Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen
Unterer Rahmensatz, da keine Dauertherapie erforderlich, radiologische Veränderungen vorhanden
30
4
geringgradige Funktionseinschränkung Kniegelenk links
Unterer Rahmensatz, da gute Beweglichkeit
10
5
Bluthochdruck
fixer Rahmensatz
10
Gesamtgrad der Behinderung
60

Die Einordnung unter Pos der Anlage zur Einschätzverordnung und die Feststellung eines Behinderungsgrades von 50% berücksichtigt manifeste Probleme im Arbeitsleben und bei der Alltagsbewältigung, ungelernte Arbeiten und eine eher seltene vollständige Unabhängigkeit.

Der Grad der Behinderung wird - ebenfalls übereinstimmend - ab folgenden Zeitpunkten festgestellt:

GdB 60 % liegt vor seit: 01/2014

GdB 50 % liegt vor seit: 06/1987

Eine rückwirkende Anerkennung ist laut den Begründungen aufgrund antragsrelevanter Befunde mit GdB 50% Intelligenzminderung ab 06/1987 möglich, GdB 60% ab erster dokumentierter Diagnose und Behandlung des Leidens 2.

Im Erstgutachten, in der Gesamtbeurteilung vom und im Letztgutachten wird festgehalten, dass der Bf voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Im Erstgutachten und in der Gesamtbeurteilung vom wird jeweils ergänzend ausgeführt, dass die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr bzw vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten ist. Im Letztgutachten wird hervorgehoben, dass die Selbsterhaltungsunfähigkeit seit 01/2014 besteht.

Begründend wird dazu ausgeführt:

Gutachten vom : Nach der Anamnese besteht eine kognitive Leistungseinschränkung dokumentiert seit 06/1987. Es liegen keine Befunde vor und es lässt sich auch aus der Anamnese nicht ableiten, dass sich daraus eine schwerwiegende Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß ergeben hätte, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten ist. Eine Selbsterhaltungsfähigkeit wurde erreicht.
Die Selbsterhaltungsunfähigkeit kann ab dokumentierten Zusatzleiden (Leiden 2) mit Verschlechterung der Gesamtsituation durch fehlende Kompensationsmechanismen ab 2014 zuerkannt werden.

Gesamtbeurteilung vom : Wie schon im VGA erläutert besteht eine kognitive Leistungseinschränkung bei anamnestisch Zustand nach Hirnhautentzündung ohne vorliegende Befunde ab 06/1987. Jedoch resultierte daraus keine anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit die vor dem 18./21. LJ eingetreten ist. Der AS war vom 18-28 LJ Vollzeit in einer Tischlerei und einem Sägewerk tätig, anschließend im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Führerschein Gruppe B und der Traktorführerschein wurde erworben.

Letztgutachten vom /: Die dokumentierten behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen aus dem Leiden 1 (testpsychologisch in den im nonverbalen, bildungsunabhängigen Testverfahren einem IQ um 75 entsprechend. Anmerkung: eine leichte Intelligenzminderung nach ICD 10 entspricht einem IQ von 50-69) ergeben keine Funktionseinschränkung in einem solchen Ausmaß, das eine dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit daraus abzuleiten wäre.
Rückwirkend ist davon auszugehen, dass eine Selbsterhaltungsunfähigkeit mit entsprechenden dafür vorgesehenen Unterstützungen (Förderung durch Qualifizierungsprojekt, geförderter Arbeitsplatz) erreicht werden konnte. Damit durchgängige jahrelang mögliche Arbeitstätigkeit. Weiters konnten alltagsrelevante Fähigkeiten wie der Erwerb des Führerscheines erreicht werden. Anamnestisch wird auch keine Inanspruchnahme einer Erwachsenenvertretung oder Bezug einer Waisenrente angegeben.
Die Selbsterhaltungsunfähigkeit kann ab dokumentierten Zusatzleiden (Leiden 2) mit Verschlechterung der Gesamtsituation durch fehlende Kompensationsmechanismen ab 2014 bestätigt werden.

Im Letztgutachten wurden als relevante Befunde angeführt:

-Versicherungsdatenauszug von bis
- Mailverkehr BFG vom Juni 2021: Verein hat 100% der Lohnkosten erhalten
- AV 1 und 2 vom : Bescheid der Bezirkshauptmannschaft O vom betreffend Kostenzuschuss zugunsten der Fa AG2 GmbH;
- Bestätigung AG1 vom gestütztes Dienstverhältnis
- Arbeitsbestätigung Fa AG2 GmbH vom : geschützter Arbeitsplatz
- Bundesheer Stellungskommission : untauglich wegen Intellegenzminderung - Grenzfall, Hypotonie und Polyphagie.
- Schreiben AMS O vom an Fa AG2 GmbH: Zuschuss in der Höhe von 30% der fiktiven Lohnkosten auf der Basis eines Monatsbruttolohnes (ohne Sonderzahlungen) von 14.525,00 S für 40 Stunden pro Woche als Hilfsarbeiter im Tischlereibereich
Zusatzvereinbarung Land NÖ vom : zu monatlicher Geldbeihilfe.
- Schreiben BH O vom : Die Lohnkosten teilen sich das Land B und das Arbeitsmarktservice
- Bescheid BH O vom : Arbeitgeber erhält monatlichen Kostenzuschuss.

Der dargestellte Sachverhalt beruht auf den angeführten, im Akt aufliegenden und als unbedenklich angesehenen Unterlagen sowie den vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Ermittlungen. Auf den Gesamtinhalt der angesprochenen Sachverständigengutachten und die angesprochene Gesamtbegutachtung darf verwiesen werden.

3. Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

§ 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 regelt bezüglich des Eigenanspruches unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an Familienbeihilfe gewährt werden kann: dieser steht volljährigen Kindern zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. § 8 Abs 3 bis 6 FLAG 1967 bestimmt unter welchen Voraussetzungen der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zusteht. (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2, § 8 Rz 17).

Besteht keine vor dem 21. Lebensjahr oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu. (Vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Rz 19).

Im gegenständlichen Fall ist konkret zu prüfen, ob - wie in § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 gefordert - die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit des Bf (mangels Berufsausbildung zwischen dem vollendeten 21. und dem vollendeten 25. Lebensjahr) vor Vollendung des 21. Lebensjahres, also vor dem 96, eingetreten ist oder nicht.

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine körperliche oder geistige Behinderung vor Vollendung des 21 Lebensjahres eingetreten ist, die zur Unfähigkeit führt, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sind die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen. (Vgl. ; ; ).

Diese Gutachten haben sich auch darauf zu erstrecken, ob der Betroffene wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. (Vgl ).

Der Sachverständige kann aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Hierauf kommt es aber nur dann an, wenn der derzeitige Behinderungsgrad zu beurteilen ist oder die Feststellung, ob eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, zeitnah zum relevanten Zeitpunkt erfolgen kann. Der Sachverständige kann in den übrigen Fällen nur aufgrund von Indizien, insbesondere anhand von vorliegenden Befunden Rückschlüsse darauf ziehen, zu welchem Zeitpunkt eine erhebliche Behinderung eingetreten ist. (Vgl Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 32)

Der (fach)ärztliche Sachverständige darf sich neben der medizinischen Anamnese bei zum Teil Jahrzehnte zurückliegenden Sachverhalten auch auf eine langjährige Berufstätigkeit als weiteres Indiz gegen die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stützen. (Vgl ).

In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, ob die betreffende Person außerhalb einer geschützten Werkstätte oder außerhalb eines "integrativen Betriebes" nicht beschäftigt werden kann, und wie viel sie im Rahmen der geschützten Werkstätte oder innerhalb eines "integrativen Betriebes" ins Verdienen bringen kann. Würde eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen karitativen Motiven eines Arbeitgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, so reicht dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltsungsfähigkeit des dieser Person auszugehen. (Vgl , ).

Die Frage, ob ein Kind voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nicht anhand des Grades der Behinderung zu beurteilen. Auch bei einer Behinderung von 100% ist nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Es kommt daher neben dem Grad auf die Art der Behinderung und die trotz Behinderung verrichtete Tätigkeit an. (Vgl , )

Das Bundesfinanzgericht hat sich im gegenständlichen Fall letztlich - unter Beachtung der vorstehenden angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes- im Wesentlichen auf die Beantwortung der Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen sind.

Außer Streit gestellt werden kann, dass sich die zu beurteilenden Sachverständigengutachten in ihren wesentlichen Aussagen nicht widersprechen. Auch von Seiten des Bf erfolgte diesbezüglich bis zuletzt kein Einwand. Tatsächlich halten das Erstgutachten, die Gesamtbeurteilung vom und das Letztgutachten als Ergebnis übereinstimmend fest, dass eine kognitive Leistungseinschränkung bzw Intelligenzminderung des Bf (Pos. Nr des Anhangs der Einschätzverordnung) seit 6/1987 dokumentiert ist (Schreiben Haus der Zuversicht vom ). Aus dieser kognitiven Leistungseinschränkung bzw Intelligenzminderung resultierte aber laut übereinstimmenden Ergebnissen der Begutachtungen keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene Selbsterhaltungsunfähigkeit. Diese Beurteilung wird nachvollziehbar (Verweis auf die Anamnese bzw Begründung zur Fähigkeit bzw voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit) auf die jahrelang mögliche Berufstätigkeit des Bf gestützt. Die dauernde Erwerbsunfähigkeit wird übereinstimmend erst ab dem (nachvollziehbar durch die psych Rehab R im Jahr 2014) dokumentierten zusätzlichen Leiden 2 (rezidivierende depressive Störung) ab 2014 zuerkannt. (Vgl Pkt 2 Sachverhalt und Verfahrensgang).

Der Bf hatte allerdings - vor Kenntnis der Teilgutachten, der Gesamtbeurteilung und des Letztgutachtens - Zweifel an der Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Gutachten, da der Bf wegen einer Meningitis eine allgemeine Sonderschule besucht habe und die erworbenen Fähigkeiten in Lesen und Rechnen sehr mangelhaft seien; ohne Unterstützung der Eltern wäre es dem Bf nicht möglich gewesen den Alltag alleine zu bewältigen. Zudem sei die Tatsache der Untauglichkeit nicht berücksichtigt worden.

Dazu ist auszuführen, dass im Erstgutachten, in den Teilgutachten und damit auch in der Gesamtbeurteilung vom sowie im Letztgutachten ua die Tatsache der im Kleinkindalter erlittenen Meningitis und des Besuchs einer allgemeinen Sonderschule als berücksichtigungswürdiger Sachverhalt Eingang fanden; der Erwerb des B-Führerscheins sowie die Wohnsituation bzw die damit verbundene Unterstützung im Alltag (als Aspekt der Alltagsbewältigung) wurden ebenfalls als ein beachtenswerter Sachverhalt festgehalten. Die fachkundige Beurteilung der kognitiven Leistungsbreite des Bf erfolgte somit unter Mitberücksichtigung der Meningitis, seiner Schullaufbahn sowie der Alltagssituation und führte zur Feststellung einer ab Juni 1987 dokumentierten kognitiven Leistungsbeeinträchtigung bzw Intelligenzminderung, die unter Pos. Nr des Anhangs der Einschätzverordnung einzuordnen und bei der der Grad der Behinderung mit 50% festzulegen ist. Diese fachkundig festgestellte kognitive Leistungsbeeinträchtigung bzw Intelligenzminderung fand letztlich - wie die dazu ergangenen Begründungen zeigen - auch bei der Beurteilung der Fähigkeit bzw voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Berücksichtigung. Die Gesamtbeurteilung vom und in der Folge das Letztgutachten, aber auch schon das Erstgutachten, welche alle eine kognitive Leistungsbeeinträchtigung bzw Intelligenzminderung des Bf (Pos. Nr des Anhangs der Einschätzverordnung und 50% Grad der Behinderung) feststellten und diese bei der Beurteilung der Fähigkeit bzw der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, berücksichtigten, sind somit insoweit vollständig. In Reaktion auf die Bescheidbeschwerde wurde im psychologischen Sachverständigengutachten sogar die (aktuelle) intellektuelle Beeinträchtigung und auch die Lesefähigkeit des Bf durch entsprechende Tests überprüft, wobei das Ergebnis in die Gesamtbeurteilung vom einfloss. Da das Letztgutachten in der Anamnese die Gesamtbeurteilung vom aufnahm, war die ua durch die mangelnde Lesefähigkeit zum Ausdruck kommende intellektuelle Beeinträchtigung auch Gegenstand des Letztgutachtens. (Vgl Pkt 2 Sachverhalt)

Das Stellungsuntersuchungsergebnis stand als relevanter Befund erstmals für die Erstellung des Letztgutachtens zur Verfügung und wurde in dieses ärztliche Sachverständigengutachten miteinbezogen, sodass auch dieser Befund in die Beurteilung der Fähigkeit bzw voraussichtlichen Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, einfloss. (vgl Pkt 2 Sachverhalt).

Da die erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten auf einer jeweils erfolgten Untersuchung des Bf, der (Sozial)Anamnese (mit Feststellung der Meningitis, des Besuchs der allgemeinen Sonderschule, letztlich auch der Leseschwäche sowie der Alltagsbewältigung) und auf aller jeweils zur Verfügung stehenden Befunde (auch des Stellungsuntersuchungsergebnisses vom ) basieren, ist die Vollständigkeit der ärztlichen Sachverständigengutachten zu bejahen.

Hinsichtlich der Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten ist zunächst festzuhalten, dass der Besuch einer allgemeinen Sonderschule wegen einer kognitiven Leistungseinschränkung bzw Intelligenzminderung nicht mit einer Erwerbsunfähigkeit gleichzusetzen ist. (vgl ).

Ebenso sagt der Umstand, dass der Bf für die Ableistung des Wehrdienstes untauglich war, allein über eine mögliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nichts aus. Dass der Bf zur Erfüllung der speziellen Aufgaben im Militärbereich gesundheitlich nicht in der Lage war, besagt nicht, dass ihm eine gesundheitliche Eignung zur Ausübung eines Berufs im Zivilbereich gefehlt hat. (Vgl ).

Weder der Besuch einer allgemeinen Sonderschule und mangelnde Lesefähigkeit wegen einer kognitiven Leistungseinschränkung bzw Intelligenzminderung noch die Untauglichkeit zum Wehrdienst wegen einer kognitiven Leistungseinschränkung bzw Intelligenzminderung schließen eine Erwerbsfähigkeit von vorneherein aus. Eine kognitive Leistungseinschränkung bzw Intelligenzminderung bedeutet nicht automatisch, dass eine Person nicht imstande war und ist, einer für sie adäquaten Arbeit nachzugehen, bzw dass eine Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr bestand. Insoweit kann den vorliegenden Sachverständigengutachten nicht Unschlüssigkeit bei der Beurteilung der Fähigkeit bzw der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vorgeworfen werden.

Bei Prüfung der Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten muss das Bundesfinanzgericht vielmehr darauf zurückkommen, dass die Beurteilung, wonach die dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. Lebensjahr (96) eingetreten ist, offensichtlich auf die tatsächlich trotz der intellektuellen Beeinträchtigung mögliche langjährige Berufstätigkeit des Bf gestützt wird. Die Einsichtnahme in den Auszug der Sozialversicherungsanstalt bestätigt, dass der Bf seit April 1994 (mit kurzen Unterbrechungen) zunächst als Hilfsarbeiter in einem Sägewerk und danach als Tischlereihilfsarbeiter außerhalb einer geschützten Werkstätte bzw eines integrativen Betriebes bis Juli 2002 tätig war. Er bezog - wie aus einer Abfrage aus dem Abgabeninformationssystem des Bundes ersichtlich - für seine Tätigkeiten als Hilfsarbeiter ein Gehalt. Dies wird von Seiten des Bf auch nicht bestritten (Vgl Pkt 2 Sachverhalt und Verfahrensgang).

Die ärztlichen Sachverständigen durften aus Sicht des Bundesfinanzgerichts diese langjährige Berufstätigkeit des Bf (außerhalb einer geschützten Werkstätte bzw "integrativen Betriebes"), bei der die Entlohnung nicht Taschengeldcharakter hatte, als Indiz für die damalige Fähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, heranziehen. Die ärztlichen Sachverständigengutachten erscheinen daher als schlüssig.

Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass nicht die Bewältigung des Alltags, sondern konkret die Erwerbs(un)fähigkeit zu beurteilen ist. Eine erforderliche Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags schließt eine Erwerbstätigkeit nicht aus, wie das Beispiel des Bf zeigt. Auf den Grad der Behinderung kommt es bei der Beurteilung der Fähigkeit bzw der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht an.

Das Bundesfinanzgericht sieht die eingeholten ärztlichen Gutachten daher im Ergebnis als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei an. Die jeweils vorgelegten bzw zur Verfügung stehenden Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und stehen nicht im Widerspruch zu den gutachtlichen Beurteilungen.

Die ärztlichen Sachverständigengutachten sind somit der gegenständlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Demnach ist beim Bf eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nachweislich erst nach dem vollendeten 21. Lebensjahr eingetreten (eine spätere Berufsausbildung liegt nicht vor). Daher steht weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG).

Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Salzburg, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at