Außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt); Nachweisführung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) erzielte im Jahr 2019 von der Pensionsversicherungsanstalt nichtselbständige Einkünfte. In der beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ) machte der Bf. unter der Rubrik "Außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung" unter Angabe einer eigenen Behinderung (Grad der Behinderung: 80 %) den Pauschbetrag für "andere innere Erkrankung (Magen, Herz)", den pauschalen Freibetrag für das auf den Bf. zugelassene Kraftfahrzeug (Ausweis gemäß § 29b StVO 1960) und unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel bzw. Kosten der Heilbehandlung als außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) geltend.
1.1. Zu den geltend gemachten Aufwendungen richtete das Finanzamt an den Bf. ein Ergänzungsersuchen vom mit (auszugsweise) folgendem Inhalt:
"Ergänzungspunkte:
Um Ihre beantragten Aufwendungen berücksichtigen zu können, schicken Sie uns bitte noch folgende Unterlagen:
Bei Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges wegen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Kopie des Zulassungsscheins des eigenen Kraftfahrzeuges
die Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder der Blindheit im Behindertenpass (§ 42 Abs. 1 BBG)
Ausweis gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960
Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz
…
Bitte senden Sie uns die genaue Aufstellung Ihrer beantragten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt mit den folgenden Details:
Rechnung inkl. Rechnungsdatum
Bezeichnung der Aufwendung
Einzelpreise und Summe über alle Aufwendungen
Abzüglich erhaltener Ersätze (Krankenkasse, Versicherung, Fonds, usw.)
Zum Nachweis Ihrer beantragten Aufwendungen legen Sie bitte alle Belege bei.
Hinweis:
Bei stationären Aufenthalten, wie z. B. Krankenhaus oder Kur, ist eine Haushaltsersparnis von 5,23 Euro pro Tag von den beantragten Aufwendungen abzuziehen.
Nur Kosten, die im direkten Zusammenhang mit der Behinderung stehen, können ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden."
1.2. In Reaktion auf dieses Ergänzungsersuchen vom übermittelte der Bf. dem Finanzamt (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ) Bestätigungen der Österreichischen Gesundheitskasse über Rezeptgebühren für 2019 und über Kosten einer Zahnbehandlung (Zahnsteinentfernung, Stomatitisbehandlung) sowie Belege im Zusammenhang mit seiner Behinderung (Kfz-Zulassungsschein, Behindertenpass, Parkausweis für Behinderte). Weiters ersuchte der Bf. um Berücksichtigung der Abrechnungen laut Österreichischer Gesundheitskasse für Aufwendungen des Bf. im Zusammenhang mit Physiotherapie.
2. In dem am vom Finanzamt erlassenen Einkommensteuerbescheid 2019 hat das Finanzamt hinsichtlich außergewöhnlicher Belastungen den Freibetrag wegen eigener Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 (718,00 Euro), Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung (Kfz-Pauschbetrag, 2.280,00 Euro) und nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (Rezeptgebühren, 274,50 Euro) zuerkannt. Der vom Bf. beantragte Pauschbetrag wegen Krankendiätverpflegung sowie die weiters beantragten Aufwendungen für Hilfsmittel bzw. Kosten der Heilbehandlung wurden seitens des Finanzamtes nicht anerkannt.
Als Begründung hat das Finanzamt angegeben:
"Die beantragten Aufwendungen konnten nur insoweit berücksichtigt werden, als die geforderten Beweismittel (Rechnungen, usw.) vorgelegt wurden.
Mundhygienesitzungen stellen keine Krankheitskosten dar, und sind daher nicht absetzbar.
Laut dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen vom Sozialministerium Service liegt keine Diät vor."
3. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom hat der Bf. fristgerecht Beschwerde erhoben (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ). Mit der Beschwerde hat der Bf. weiterhin den Pauschbetrag für "andere innere Erkrankung (Magen, Herz)" sowie unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel bzw. Kosten der Heilbehandlung als außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) beansprucht. Darüber hinaus machte der Bf. nunmehr (erstmalig) die Zuerkennung von Sonderausgaben (Personenversicherungen, Kosten für Wohnraumschaffung/Sanierung) geltend.
3.1. Mit Schreiben vom erging seitens des Finanzamtes unter Bezugnahme auf die eingereichte Beschwerde vom ein Ergänzungsersuchen mit folgendem Inhalt:
"Ergänzungspunkte:
Sie haben in der eingebrachten Beschwerde Personenversicherungen, Kosten für Wohnraumschaffung/Sanierung, die Diät "Magen" und zusätzliche Kosten in Höhe von € 2.078,50 beantragt. Sie werden daher ersucht, sämtliche Aufwendungen mittels entsprechender Unterlagen nachzuweisen.
Ferner ist der Zusammenhang zwischen den zusätzlichen Kosten und der Behinderung darzulegen."
In Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom übermittelte der Bf. dem Finanzamt ein vorläufiges FinanzOnline-Berechnungsblatt (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ). Weiters hat der Bf. Bestätigungen der Österreichischen Gesundheitskasse über Bewegungstherapien (2.400,00 Euro abzüglich der von der Österreichischen Gesundheitskasse erstatteten Kosten von 896,00 Euro, somit Selbstbehalt von 1.504,00 Euro) eingereicht.
3.2. Unter Bezugnahme auf das vom Bf. dem Finanzamt übermittelte Berechnungsblatt richtete sich das Finanzamt nochmals mit Ergänzungsersuchen vom an den Bf. und wies darauf hin, dass das Berechnungsballt die Gutschrift bei angenommener Stattgabe der Beschwerde ausweise. Allerdings fehlten jedoch noch immer die angeforderten Unterlagen. Daran anschließend wurden nochmals die im Ergänzungsersuchen vom angeführten Ergänzungspunkte bzw. die Aufforderung zur Nachweiserbringung mittels entsprechender Unterlagen gleichlautend angeführt.
Auf dieses Ergänzungsersuchen vom antwortete der Bf. dem Finanzamt dahingehend (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ), dass sich hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den zusätzlichen Kosten und der Behinderung keine Änderung ergeben hätte. Der Vorlage der vom Finanzamt angeforderten Unterlagen zur Nachweisführung bzw. der Aufforderung des Finanzamtes, den Zusammenhang zwischen den zusätzlichen Kosten und der Behinderung darzulegen, ist der Bf. weiterhin nicht nachgekommen.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Begründung dazu lautet:
"Sie haben trotz mehrmaliger Aufforderung keinerlei der benötigten Unterlagen eingereicht. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."
5. Dagegen brachte der Bf. einen Vorlageantrag ein (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ).
6. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ).
Im Vorlagebericht wurde vom Finanzamt folgende Stellungnahme angeführt:
"Stellungnahme:
Die in Summe nachgewiesenen und bereits gewährten Rezeptgebühren iHv. 274,50 EUR werden analog zu den ergangenen Bescheiden außer Streit gestellt.
Erstbescheid => beantragt 2.478,70 gewährt 274,50
BVE => beantragt 2.078,50 gewährt 274,50
Vorlageantrag => beantragt 2.363,62
Die geltend gemachten Kosten für die Magen-Diätverpflegung können nicht gewährt werden, zumal weder eine ärztliche Bestätigung vorgelegt wurde noch diese Diätverpflegung im Behindertenpass ausgewiesen ist.
Bezüglich den geltend gemachten "unregelmäßigen Ausgaben" in Höhe von zuletzt 2.363,62 EUR wird festgehalten:
a) Zahnarztkosten
Laut Kostenaufstellung der ÖGKK entfallen bei den Zahnarztkosten iHv insgesamt 53,00 EUR 35,84% auf die Stomatistisbehandlung, welche als Krankheitskosten mit Anrechnung auf den Selbstbehalt abzugsfähig sind, d.h. 19,00 - 4,96 Ersatz ÖGKK = 14,04 EUR.
Die Kosten für die Zahnsteinentfernung (anteilig 34,00 EUR abzügl. ÖGKK-Ersatz 8,88) sind nicht abzugsfähig, da Leistungen für Mundhygiene sowie Zahnsteinentfernung lediglich prophylaktisch wirken, somit nur der Prävention dienen und daher keine Krankheitskosten darstellen (vgl. ; Moser et.al, Der SV-Kommentar, Manz 2016, Rz. 11 zu § 153 ASVG).
b) Bewegungstherapiekosten
Am wurden vom Bf. Bestätigungen der ÖGKK für vier Krankenbehandlungen (Bewegungstherapie) in Höhe von je EUR 600,00 übermittelt (insgesamt sohin EUR 2.400,00). Da der Bf. bis dato noch nicht dargelegt hat, ob und inwiefern die Therapie mit seiner Behinderung im Zusammenhang steht, wird beantragt, diese Kosten in Höhe von EUR 1.504,00 (EUR 2400 - EUR 896,00 Rückerstattung ÖGKK) lediglich als Krankheitskosten mit Selbstbehalt zu berücksichtigen.
Da diesem Vorlagebericht gemäß Rechtsprechung des BFG Vorhaltscharakter zukommt, steht es dem Bf. frei, den Grund für die Bewegungstherapien sowie den Zusammenhang dieser Therapien mit seiner Behinderung darlegen, indem er zB. Kopien der Verordnungsscheine; das Beiblatt zur Feststellung der Behinderung im Ausmaß von 80% oder andere zweckdienliche Unterlagen dem Finanzamt zwecks Weiterleitung an das BFG übermittelt. Dann könnten diese Aufwendungen als Behinderungskosten ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden.
Sollte der Bf. diesen Nachweis nicht erbringen, wird beantragt,
1) Krankheitskosten unter Anrechnung auf den Selbstbehalt in Höhe von 14,04 + 1.504,00 = EUR 1.518,04 (Kennzahl 730) sowie
2) behinderungsbedingte zusätzliche Kosten iHv. EUR 274,50 (Kennzahl 476) zum Ansatz zu bringen."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt, gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung
Auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung liegt der gegenständlichen Entscheidung der eingangs dargestellte Verfahrensgang als erwiesener Sachverhalt zugrunde.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Nach § 34 Abs. 4 erster Satz EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt nach § 34 Abs. 4 zweiter Satz EStG 1988 bei einem Einkommen von mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro 10 %. Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen (§ 34 Abs. 5 EStG 1988).
Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 können u.a. Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden. Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem Steuerpflichtigen u.a. jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und der Steuerpflichtige eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) nicht erhält.
Gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 wird jährlich bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 75 % bis 84 % ein Freibetrag von 718 Euro gewährt.
Nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
Nach § 1 Abs. 1 der auf die §§ 34 und 35 EStG 1988 gestützten Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF (in der Folge auch kurz: VO) sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat. Nach § 1 Abs. 2 der VO liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt. Nach § 1 Abs. 3 der VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
Nach § 2 Abs. 1 der VO sind u.a. als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro pro Kalendermonat zu berücksichtigen.
Nach § 3 Abs. 1 erster Satz der VO ist für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, daß ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 190 Euro monatlich zu berücksichtigen.
Nach § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Auf Grundlage dieser Rechtslage ergibt sich für die Beurteilung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen Folgendes:
Seitens des Bundesfinanzgerichts ist festzustellen, dass nach § 34 Abs. 6 iVm § 35 Abs. 2 EStG 1988 die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen ist. Die Abgabenbehörde hat ihrer Entscheidung die jeweils vorliegende amtliche Bescheinigung iSd § 35 Abs. 2 EStG 1988 zugrunde zu legen (). Der vom Steuerpflichtigen vorzulegenden amtlichen Bescheinigung kommt feststellende, die Abgabenbehörden bindende Wirkung zu (vgl. ; Althuber/Schimmer in Hofstätter/Reichel, EStG 1988 - Kommentar, Tz 4 zu § 35 EStG).
Der Bf. ist Inhaber eines vom Bundessozialamt ausgestellten Behindertenpasses, in dem für den Bf. ein Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbsfähigkeit von "80 v.H." festgestellt wurde. Im Bundesbehindertenpass ist weiters der amtliche Vermerk eingetragen, dass dem Bf. die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist.
In § 161 BAO ist die Prüfung der Abgabenerklärungen näher geregelt. § 161 BAO lautet:
"§ 161. (1) Die Abgabenbehörde hat die Abgabenerklärungen zu prüfen (§ 115). Soweit nötig, hat sie, tunlichst durch schriftliche Aufforderung, zu veranlassen, daß die Abgabepflichtigen unvollständige Angaben ergänzen und Zweifel beseitigen (Ergänzungsauftrag).
(2) Wenn die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hegt, hat sie die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig hält. Sie kann den Abgabepflichtigen unter Bekanntgabe der Bedenken zur Aufklärung bestimmter Angaben auffordern (Bedenkenvorhalt). Erforderliche Beweise sind aufzunehmen.
(3) Wenn von der Abgabenerklärung abgewichen werden soll, sind dem Abgabepflichtigen die Punkte, in denen eine wesentliche Abweichung zu seinen Ungunsten in Frage kommt, zur vorherigen Äußerung mitzuteilen."
Hinsichtlich der vom Bf. in der Einkommensteuererklärung angegebenen Behinderung "andere innere Erkrankung (Magen, Herz)" ist im Behindertenpass keinerlei Vermerk angeführt und liegt auch sonst keine solche amtliche oder ärztliche Bescheinigung vor. Das Finanzamt hat den Bf. auf diesen Umstand im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom hingewiesen und nach Beschwerdeerhebung vom den Bf. zur diesbezüglichen Nachweisführung aufgefordert (vgl. Ergänzungsersuchen vom und vom ). Einen solchen Nachweis hat der Bf. nicht beigebracht.
Auch hinsichtlich der vom Bf. beantragten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt wurde der Bf. vom Finanzamt mehrmals zur Vorlage der diesbezüglichen Aufwendungen ersucht. Zudem wurde der Bf. vom Finanzamt unter Hinweis darauf, dass nur Kosten, die im direkten Zusammenhang mit der Behinderung stünden, ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden könnten, auch aufgefordert, den Zusammenhang zwischen den zusätzlichen Kosten und der Behinderung darzulegen. Dazu hat der Bf. Belege über Rezeptgebühren, Zahnarztkosten und Bewegungstherapiekosten beigebracht. Die vom Finanzamt angeforderte Aufklärung hinsichtlich des Zusammenhangs der geltend gemachten Aufwendungen mit der Behinderung wurde vom Bf. nicht beigebracht bzw. erschöpft sich die Antwort des Bf. auf die Angabe, "zwischen den zusätzlichen Kosten und der Behinderung hätte sich keine Änderung ergeben" (siehe elektronische Eingabe des Bf. vom ).
Dazu wird vom Bundesfinanzgericht darauf hingewiesen, dass der Steuerpflichtige verpflichtet ist, bei Inanspruchnahme der Begünstigung nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 bzw. nach § 4 der VO den ursächlichen Zusammenhang zwischen seiner Behinderung und den von ihm angewendeten Heilmitteln bzw. Heilbehelfen nachzuweisen (vgl. Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 35 Tz 9, unter Hinweis auf ).
Auf Grund des Behindertenpasses des Bf. wurden seitens des Finanzamtes im Einkommensteuerbescheid 2019 vom ein Behindertenfreibetrag im Sinne des § 35 Abs. 3 EStG 1988 (718,00 Euro), nach § 3 Abs. 1 der VO ein Freibetrag für ein eigenes Kraftfahrzeug (2.280,00 Euro) sowie nach § 4 der VO die nachgewiesenen Rezeptgebühren als Kosten der Heilbehandlung ohne Selbstbehalt (274,50 Euro) als außergewöhnliche Belastungen zuerkannt.
Zu Recht hat das Finanzamt auf Grund der o.a. Feststellungen den vom Bf. beantragten Pauschbetrag wegen Krankendiätverpflegung und die vom Bf. beantragten weiteren Aufwendungen (Zahnarztkosten, Bewegungstherapiekosten) als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt nicht zuerkannt.
Wie vom Finanzamt zutreffend ausgeführt (vgl. Stellungnahme des Finanzamtes zum Vorlagebericht vom ) waren die Aufwendungen betreffend Zahnarztkosten bzw. Bewegungstherapiekosten in Höhe von 1.518,04 Euro (= 14,04 + 1.504,00; vgl. Vorlagebericht des Finanzamtes vom ) als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt zu berücksichtigen. Im Übrigen wird dem Finanzamt auch zugestimmt, wenn die Ansicht vertreten wird, dass die Kosten für die Zahnsteinentfernung keine Krankheitskosten darstellen und unter Hinweis auf das BFG-Erkenntnis , RV/7100228/2019, als nichtabzugsfähig beurteilt wurden. Allerdings ist festzustellen, dass sich die Berücksichtigung dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt auf Grund des zu berücksichtigenden Selbstbehaltes in Höhe von 2.467,24 Euro (gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 10 % von 24.672,39 € [= zum laufenden Tarif zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge, somit 20.621,75 € + 4.050,64 €]) im vorliegenden Fall nicht einkommensmindernd auswirkt bzw. die im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom festgesetzte Einkommensteuer 2019 unverändert bleibt.
Was die vom Bf. geltend gemachten Sonderausgaben (Personenversicherungen, Kosten für Wohnraumschaffung/Sanierung) betrifft, genügt die Feststellung, dass der Bf. dazu trotz Aufforderung durch das Finanzamt keine Unterlagen bzw. keinen Nachweis beigebracht hat und somit eine Berücksichtigung als abzugsfähige Sonderausgaben ausgeschlossen ist. Die beantragten Sonderausgaben waren somit zur Gänze nicht anzuerkennen.
Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 § 161 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100360.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at